Textdaten
<<< >>>
Autor: St. in G.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Bilder aus den Ostalpen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 365, 376
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[365]

Schloß und See Veldes in den Krainer Alpen.
Nach der Natur aufgenommen.

[376] Bilder aus den Ostalpen. (Mit Abbildung, Seite 365.) Krain, durch seine Höhlen und Grotten und deren geheimnißvolle Bewohner ebenso berühmt wie durch seine unterirdischen Flüsse und periodischen Seen, ist trotzdem ein von den Touristen wenig besuchtes Land; es theilt eben das Schicksal der Ostalpenländer überhaupt, von denen in jedem Reisehandbuche zu lesen ist, daß sie viel zu wenig bekannt und besucht sind. Doch ist dieser Umstand von gewissen Gesichtspunkten aus nicht einmal gar so sehr zu beklagen. Denn seit Telegraphendrähte und Schienenstränge sogar schon auf Berggipfel hinauf führen und daselbst schwarzbefrackte Kellner in luxuriös eingerichteten Hôtels den Reisenden empfangen, seitdem ist der Besuch gewisser Punkte zwar in’s Ungeheuere gestiegen, aber es ist doch sehr fraglich, ob nicht gerade durch diese modernen Zuthaten der Zauber unserer Berge theilweise sehr gelitten hat, ob wir auf solchen Aussichtspunkten noch dasselbe Entzücken fühlen, wie ehedem, wo vielleicht nur eine elende Sennhütte vor hereinbrechendem Sturm und Ungewitter Schutz bot. Ist doch die majestätische Ruhe, die Einsamkeit und das Schweigen des Hochgebirges, in dem uns Nichts an all das kleinliche Getriebe unseres Alltagslebens erinnert, nicht der unbedeutendste Factor jenes Entzückens, das uns Städter die Gebirgstouren allen andern vorziehen läßt.

Doch auch in den Ostalpen beginnt es anders zu werden. Von Jahr zu Jahr mehren sich auch dort die Touristen, namentlich seitdem die neugebauten Eisenbahnen den Besuch derselben so wesentlich erleichtern. Ueberall trifft man die Spuren der alles bessernden oder wenigstens bessern wollenden Hand des Menschen, und von manchen Punkten kann man schon heute sagen, daß sie in nicht gar ferner Zukunft von Touristen so überschwemmt sein werden, als lägen sie in der Schweiz.

Solche Punkte besitzt Krain mehrere, und unter ihnen steht Veldes wohl obenan.

Sieben Meilen nordwestlich von Laibach führt von der Rudolphsbahnstation Radmannsdorf-Lees ein guter Fahrweg in etwa einer Stunde nach dem genannten reizenden Badeorte. An dem Ufer eines kleinen fast viereckigen Sees, dessen Flächeninhalt schon ein bedeutender ist und dessen Wasser sich durch eine wundervolle Klarheit auszeichnet, erhebt sich eine senkrechte Felswand von circa hundertzwanzig Meter Höhe, die auf ihrem Scheitel das zwar alte, aber noch gut erhaltene Schloß „Veldes“ trägt. Veldes heißt auch das am Fuße jenes Felsen gelegene Dorf und der See. Schloß, Dorf und See erbielten ihren Namen von dem vorhin erwähnten schroffen Felsen; denn „Veldes kommt von Velß oder Felß“ sagt der gelehrte Valvasor, welcher vor mehr als zwei Jahrhunderten die noch heute unübertroffene Geschichte Krains schrieb, „die Nachkömmlinge aber haben das Wort verstümpelt und aus Felß Feldeß, wie es noch von etlichen aufgezeichnet wird, endlich aber Veldes geformirt“.

Zum Schlosse, welches 1004 Kaiser Heinrich der Zweite dem heiligen Albuin, Bischof von Brixen, schenkte, führt an der Seeseite ein ziemlich steiler, schmaler Fußsteig hinauf. Oben angelangt, genießt man eine prachtvolle Aussicht auf den See und das denselben umrahmende Gebirge. Gegen Westen hebt sich der krainer’sche Bergriese, der dreigipflige Terglou weit über seine Umgebung empor, gegen Osten erblicken wir den gewaltigen Stou und die Kalkkolosse der Karawanken. Tief darunter aber liegt der liebliche See und in ihm eine kleine, grüne Insel, welche die Wallfahrtskirche zu „Unserer lieben Frauen im See“ trägt. „Eine lustige Insel“ nennt sie unser Chronist, „die gewißlich nicht ebenso sehr ihrer ausbündigen Anmuth und Schönheit, als ihrer übrigen Gelegenheit wegen für eine schöne Rarität der Natur mag gepriesen werden. Mit ihrer Schönheit erbuhlt sie zwar auch günstige Augen, darum weil sie erfreulich grünend und mit Wasser umringt einer grünseidenen Decke gleicht, die mit einer silbernen Einfassung umher geziert, oder einem Kleinode von Smaragden, die mit vielen Perlen umher besetzt sind. Weil aber mit solcher Lustbarkeit und Zier manche andere Insel mehr von der Natur beehrt worden, kann sie unter solchem Vorwande des Titels einer Naturrarität sich nicht berechtigen, sondern muß denselben mit einer anderen Gelegenheit und Bewandtniß erwerben, nämlich mit dieser, daß der See, welcher sie umfängt, grausam tief ist und sie dennoch nebst dem Kirchlein getreu mitten in seinem Schooße duldet.“

Als ich das erste Mal gegen Abend über den See fuhr, fiel mir ein eigenthümliches Läuten auf, das von Zeit zu Zeit vom Thurme jenes Kirchleins herüberschallte. Auf mein Befragen erklärte mir der alte Krainer, welcher mich führte, in seinem gebrochenen Deutsch, daß dies die sogenannte Wunschglocke sei. Jedermann dürfe sie läuten, und was er dabei wünsche, gehe in Erfüllung. Der Kranke aber, der Genesung hoffe, müsse den Strang mit jenem Theil des Körpers ziehen, an dem leidet, mit dem Arme, dem Fuße, den Zähnen etc.

Das Dorf Veldes ist zwar nur klein, hat aber einige Gasthäuser und eine Wasserheilanstalt, wo Freunde der Natur und des Seebades stets den erwünschten Comfort finden werden. Das herrliche Stückchen Land wird namentlich dem Nord- und Mitteldeutschen, welcher derartige Seethäler daheim nur selten findet, einen durch den Reiz der Neuheit doppelt erhebenden Naturgenuß bieten.
St. in G.