Bilder aus den Donaufürstenthümern

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Titel: Bilder aus den Donaufürstenthümern
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, 23, S. 267–270, 318–321
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Bilder aus den Donaufürstenthümern.
Nr. 1.       Die Dorobantzen.

Die Blicke Europa’s, welche seit 1853 mit Spannung auf den Orient hingerichtet waren, halten dort gegenwärtig vornämlich noch einen Punkt fest: wir meinen die Donaufürstenthümer, über deren staatliche Gestaltung und innere Einrichtungen in nächster Zeit wichtige Entscheidungen erwartet werden. Eine Erörterung der schwebenden politischen Streitfragen liegt nicht in der Aufgabe dieser Blätter, allein während diese verhandelt werden, wird sich doch Jedermann bewußt bleiben, welche wichtigen Interessen Deutschlands hierbei auf dem Spiele stehen. Der größte deutsche Strom, welcher in Folge der Kriegsereignisse von allen lange getragenen Fesseln befreit worden ist, bildet in seinem unteren Laufe die Grenze zwischen den Donaufürstenthümern und den unmittelbar türkischen Ländern. Er mündet in das schwarze Meer, welches seit den ältesten Zeiten für den Handel von der äußersten Wichtigkeit gewesen ist, da über dasselbe hinweg ein großartiger Warenaustausch zwischen Europa und dem innern Asien stattgefunden hat. Mit Jason, der die Schätze von Kolchis erbeutete, eröffneten die Griechen ihre dortigen Unternehmungen, die bei fortschreitender Gesittung nicht auf Raubzüge, sondern auf Colonisation und friedlichen Verkehr hingerichtet waren. In späteren Zeiten erwarben Genua und das mit ihm wetteifernde Venedig in jenen Gewässern ihre Reichthümer, bis die türkische Herrschaft den Weg zu solchen fruchtbringenden Unternehmungen verschloß.

In unserem Jahrhundert hat man angefangen, die so lange verschütteten Quellen dieses einträglichen Verkehrs wieder aufzugraben, und beim Beginn des orientalischen Krieges wurden in dieser Beziehung große Erwartungen angeregt. Der Pariser Frieden hat sie nur mangelhaft erfüllt, dennoch ist es von Wichtigkeit, daß nicht auch dasjenige, was er bewirkt hat, wieder verloren gehe. Der Krieg führte einen unermeßlichen Goldstrom in jene Gegenden, der, verständig benützt, zur Hebung der Länder am schwarzen Meere viel beitragen muß. Ein mächtiger Anstoß ist gegeben worden und der englische Unternehmungsgeist will dessen Schwingungen dauernd erhalten. Er verwendet große Capitalien zur Anlegung von Banken, Eisenbahnen, Fabriken und Bergwerken. Die Bevölkerung ist mit neuen Bedürfnissen bekannt geworden und verlangt, sie zu befriedigen. Daß die Mittel dazu vorhanden sind, sehen wir in Leipzig an den Messen der letzten Jahre. Die orientalische Kundschaft erlangt eine steigende Bedeutung und kauft weit beträchtlichere Waarenmassen als Nordamerika. In den Tafeln der Ein- und Ausfuhr von Oesterreich repräsentiren die türkischen Länder die wichtigste Ziffer. Um den Vorrang der Dampfschifffahrt im schwarzen Meere streiten sich Oesterreich, England, Frankreich und Rußland, und die Regierungen aller dieser Länder bringen erhebliche Opfer, um Privatunternehmungen zu unterstützen. Das alles sind deutliche Fingerzeige, welche unsere Theilnahme an der Aufrechthaltung und Erweiterung des freien Verkehrs in jenen Gegenden wach erhalten.

Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß sich in den Donaufürstenthümern wichtige Niederlagen von Erzeugnissen des deutschen Gewerbfleißes und die Vermittler ihres weiteren Absatzes nach der Türkei und nach Asien befinden. Für unmittelbare Verbindungen nach entfernteren Gegenden fehlt in Deutschland zumeist die Sicherheit, das Vertrauen, die genaue Bekanntschaft. Die großen Handelshäuser in Bukarest, Galacz, Braila besitzen dagegen altbegründete Verbindungen. Sie kennen die besten Absatzwege, sie wissen, wem sie Credit geben, wie weit sie denselben ausdehnen können, und sind mit den schwankenden Geldverhältnissen in den Plätzen des Morgenlandes vertraut. Wir würden daher nützliche Zwischenhändler verlieren, wenn solche Verhältnisse in den Donaufürstenthümern Platz greifen sollten, die dem deutschen Einflusse in diesen Ländern nachtheilig wären.

Doch auch in anderer Hinsicht haben diese Provinzen für uns eine vielversprechende Zukunft. Oesterreichische Ingenieure sind mit der Vermessung und der Chartographirung der Donaufürstenthümer beschäftigt gewesen und sind es noch. Sollten ihre Arbeiten in die Oeffentlichkeit gelangen, so würde die geographische Kenntniß dieser Länder eine dankenswerthe Berichtigung erfahren. Den zeitherigen Angaben zufolge hat die Walachei einen Flächenraum von 1330,22, die Moldau mit Hinzurechnung des zurückerhaltenen bessarabischen Gebiets von 940,68, Quadratmeilen. Jene besitzt eine Bevölkerung von 2,600,000, diese von 1,580,000 Seelen. Durchschnittlich kommen also etwa 1889 Menschen auf die geographische Geviertmeile. Diese dünne Bevölkerung entspricht der Landesbeschaffenheit um so weniger, als die ganze Fläche der Donauebene, ein trefflich bewässertes Land, von der äußersten Fruchtbarkeit ist. Obgleich es an einem thätigen und rationellen Betriebe des Feldbaues gänzlich fehlt, sind die Ernten doch so reich, daß die Getreidemärkte des Abendlandes von daher regelmäßig und stark versorgt werden können.

Die Karpathen aber sind mit den prächtigsten Wäldern bewachsen und verwahren einen großen, bis jetzt unaufgeschlossenen metallischen Reichthum. Salz und Vieh können die Donaufürstenthümer in Ueberfluß liefern, und viele Gegenden erzeugen Weine, welche den ungarischen den Vorrang streitig machen und bei angemessener Cultur ein edles Product in Masse auszuführen vermöchten.

Wenn irgend wohin die deutsche Auswanderung sich leicht und mit Erfolg wenden könnte, so wäre es nach den Ländern der unteren Donau. Ehe dies aber geschehen könnte, müßten dort Einrichtungen geschaffen werden, wie solche dem deutschen Geiste entsprechen. Der Grundbesitz findet sich in den Händen des Adels oder der Klöster, der Bauer dagegen in einer Lage, welche den Zuständen in Rußland entspricht, oder sie übertrifft. Die Sclaverei der Zigeuner ist in Folge des orientalischen Krieges gebrochen worden, die Leibeigenschaft des christlichen Landvolkes hat dagegen noch keine Erleichterung erfahren. In dieser Hinsicht müßte also eine durchgreifende Aenderung eintreten, und das Absehen der österreichischen Regierung ist dahin gerichtet, daß die Grundentlastung nach demselben Princip bewirkt werde, welches im Kaiserstaate zur Anwendung gekommen ist.

Ferner müßte in den Städten ein Bürgerthum nach deutschem Vorbilde geschaffen werden. Deutsches Stadtrecht wurde im Mittelalter weithin, besonders in die Länder an der Ostsee, getragen; möge es in unsern Zeiten gelingen, unsern Stadtverfassungen Geltung in der Richtung nach dem schwarzen Meere hin zu verschaffen.

Das Alles hängt aber mit der bevorstehenden Organisation der Donaufürstenthümer zusammen. Im ganzen Laufe ihrer Geschichte sind die Walachei und Moldau nie staatlich verbunden gewesen. Es würde uns zu weit führen, das Ringen der Völker um den Besitz der Länder an der unteren Donau in der Vorzeit zu schildern. Sowohl die Walachei als die Moldau hatte es endlich zu einer selbstständigen Herrschaft gebracht, die aber der vordringenden türkischen Macht nicht zu widerstehen vermochte; allein die Woiwoden beider Länder waren staatsklug genug, nicht das Unmögliche zu versuchen. Durch eine freiwillige Unterwerfung unter türkische Lehnsherrschaft sicherten sie sich und ihren Unterthanen erhebliche Gerechtsame, ohne dem Mißbrauch türkischer Gewalt einen hinreichenden Damm entgegen stellen zu können. Daher war es begreiflich, daß die russischen Heere, als sie zuerst siegreich den Boden der Donaufürstenthümer betraten, freudig begrüßt wurden. Gleichheit der Religion war allein schon ein mächtiges Band, welches die Rumänen mit Rußland verknüpfte. In Petersburg war es jedoch immer mehr die Eroberung, als die Beschützung der Donaufürstenthümer, welche im Auge behalten wurde. Schon Katharina II. ließ sich 1770 huldigen, gab aber im Frieden von Kutschuk-Kainardschi diese Länder der Pforte zurück, was jedoch nicht ohne mehrfache Stipulationen zu Gunsten derselben geschah. Im Jahr 1812 wurden nur durch die Bedrängnisse Rußlands in Folge der französischen Invasion die Donaufürstenthümer der Pforte gerettet, und eben so war es in dem am 2/14. Septbr. 1829 zu Adrianopel geschlossenen Frieden nicht die Großmuth des Siegers, sondern die gefährliche Lage, in welche sich Graf Diebitsch durch den Balkanübergang versetzt hatte, welche die völlige Eroberung der Moldau und Walachei verhinderte.

Unter den Formen eines Protectorats machte sich seitdem das russische Uebergewicht geltend. Was man in Petersburg wollte, ward Gesetz; als aber im Jahre 1848 in der Moldau ein kraftloser, in der Walachei ein nachdrücklicherer Versuch gemacht wurde, das russische Joch abzuschütteln, schob man in Petersburg die bis dahin sehr unbeachtet gelassene Oberherrlichkeit des Sultans vor, um daraus die Pflicht abzuleiten, seine „Souveränität,“ die er übrigens nie besessen, aufrecht zu halten. Die Pforte wurde gegen ihre Absicht und ihr Interesse bewogen, die gestörten Verhältnisse [268] herzustellen, und diese schwächliche Hingebung zog jahrelange diplomatische Intriguen nach sich, die 1853 in den orientalischen Krieg ausliefen. Niemand täuscht sich darüber, daß der Zweck dieses Angriffs die Eroberung der Türkei sein sollte, doch ist er nicht allein verfehlt worden, er nöthigte vielmehr Rußland zur Vertagung seiner Pläne. Mit kluger Vorausberechnung sollen diese aber dadurch festgehalten werden, daß das ohnehin lose Band, wodurch die Donaufürstenthümer noch mit der Pforte zusammenhängen, weiter gelockert, diesen Ländern eine scheinbare Selbstständigkeit unter der Herrschaft eines fremden Fürsten verschafft und damit dem russischen Einflusse ein breites Thor offen gehalten werde.

Wir in Deutschland sind mit unsern Sympathien für ein unabhängiges Griechenland übel angekommen und haben uns leider zu spät überzeugen müssen, daß wir damit den Interessen Rußlands in die Hände arbeiteten. Diesen Fehler wollen wir nicht wiederholen, indem wir für eine Staatenbildung an der untern Donau Partei nehmen, welche bei der unmittelbaren Nachbarschaft Rußlands noch ungleich gefährlichere Folgen haben müßte. Mit einer seltenen Einmüthigkeit hat sich die ganze unabhängige Presse in Deutschland gegen diesen von Frankreich unterstützten, wider den offen zu Tage liegenden Vortheil Deutschlands gerichteten Plan erhoben. Alles, was der Cultur in den Donaufürstenthümern Bahn brechen, was ihren Wohlstand befördern kann, wird unsere Theilnahme gewinnen. Zolleinigung, gemeinsame Rechtspflege, Verbindung der Verkehrsanstalten sind Dinge, die sich ohne eine politische Verschmelzung bewerkstelligen lassen. Dagegen sieht die öffentliche Meinung sehr wohl ein, daß ein sogenannter unabhängiger Rumänenstaat nichts weiter als ein russischer Vorposten sein und die künftige Eroberung dieser Länder erleichtern würde. Dabei wäre es aber um die Freiheit der Douau und den Verkehr Deutschlands nach dem Orient geschehen.

Der Dorobantze
in Sommermontur.   in Winterkleidung.  

Das Bewußtsein dieser Verhältnisse ist es, welche die öffentliche Theilnahme für diese Länder gefesselt hält, und wir glauben daher in der Voraussetzung nicht zu irren, daß Schilderungen eigenthümlicher Zustände in denselben gern gelesen werden dürften. Oesterreich scheuchte durch eine bestimmt ausgesprochene Kriegsdrohung die russischen Heere über den Pruth zurück, und am 20. August 1854 begann der Einmarsch der österreichischen Truppen in die Donaufürstenthümer, welche sie bis gegen Ende März des laufenden Jahres besetzt gehalten haben. Ein kaiserlicher Officier, der den Bleistift eben so gewandt als die Feder führt, schickt uns Zeichnungen ein, die er während seines Aufenthaltes in diesen Ländern entworfen hat, und erläutert sie durch einen Text, der unter dem frischen Eindruck des Erlebten mit der Originalität des Soldaten geschrieben ist. Wir wählen davon heute die Abbildung, welche zuerst aus unserem xylographischen Atelier hervorgegangen ist. Sie zeigt uns einen Dorobantzen.

Dieses Wort ist während der Kriegsjahre 1853/54 so oft in Zeitungen gelesen worden, daß der damit verknüpfte Begriff wohl näher bekannt zu werden verdient. Unser militärischer Correspondent sagt darüber Folgendes:

„Zu den bemerkenswerthesten Personen der Walachei gehören die Dorobantzen, eine Art Sicherheitstruppe, Schutzmannschaft, Gensd’armerie, die, aus der Blüthe der männlichen Jugend genommen, militärisch organisirt, beritten, ihren Dienstobliegenheiten eben so gut entspricht, als irgend eine Polizeimannschaft der Welt, wobei natürlich der von den übrigen Ländern Europas sehr verschiedene Civilisationsgrad jenes Landes wohl zu berücksichtigen ist.

Die anfänglich fremd und sonderbar klingende Benennung „Dorobantz,“ erinnert sehr bald, zumal nach einigen Fortschritten in der walachischen Sprache und der gewonnenen Kenntniß, in welcher Weise darin die Ableitung der Wörter erfolgt, an den Ausdruck „Trabant.“

Die Dorobantzen-Mannschaft wird aus den Orten des Binnenlandes rekrutirt, während die Dörfer an der Landesgrenze die Mannschaft für die Grenzbewachung zu stellen haben. Bei jeder Ispravonitzie – Kreisamt – sind dreißig, bei jedem Subkermuire – Districtsamt – zehn Mann zur Dienstleistung vorhanden. Mißbräuchlicher und gesetzwidriger Weise werden die Leute aber weniger für den öffentlichen als für den Privatdienst ihrer Vorgesetzten verwendet. Man sieht sie Holz und Wasser tragen, Kinder warten, kochen, Kleider putzen, kurz in aller Hinsicht die Stelle des Bedienten oder der Magd vertreten. Alle vierzehn Tage wird die im Dienst stehende Mannschaft abgelöst und an ihre Geburts- oder Heimathsorte entlassen, wo die Leute vier Wochen lang dem Feldbau oder anderen Arbeiten obliegen, um nach Verlauf dieser Frist ihren Posten von Neuem zu beziehen. Dem gemäß befindet

[269]

Der Dorobantze in seiner Pflichterfüllung.

[270] sich also immer nur ein Drittheil sämmtlicher Dorobantzen im activen öffentlichen Dienst, während zwei Drittheile ihren Privatverrichtungen nachgehen; doch werden sie außergewöhnlich einberufen, wenn besondere Veranlassungen: die Verfolgung von Räubern, Mordbrennern und anderen Uebelthätern, die Begleitung vornehmer Privatpersonen oder Staatsbeamten auf Reisen etc., dies erfordern.

In ihrer äußeren Erscheinung gleichen sie den russischen Kosaken, unterscheiden sich aber in der Farbe ihrer Bekleidung von jenen. En grande tenue tragen sie schwarze Röcke mit grünen Aufschlägen und schwarze weite Beinkleider, an den äußeren Seiten mit einem breiten, grünen Tuchstreifen besetzt. Eine zottige Lammfellmütze beschattet ihre meist jugendlichen, bartlosen Gesichter und sieht aus einiger Entfernung einem sehr üppig wuchernden, jedoch minder sorgfältig gepflegten und in Zotteln zusammengeklebten Haarwuchse nicht unähnlich. – Ihre Sommermontur dagegen besteht aus einem weißzwillichenen, sehr eng anliegenden – ohne Zweifel erst durch häufiges Waschen eingelaufenen – Rocke und zwillichenen Beinkleidern. Die ordinäre Winterkleidung bildet ein weißer grobtuchener Militärmantel, dessen lange und schwere Schöße sie sowohl beim Reiten als beim Exerciren zu Fuß rückwärts zusammenknöpfen. Im kleinen Dienst und für gewöhnlich tragen sie runde Mützen von grünem Tuch und ohne Schirm, was alles nach russischem Schnitt ist. Ihre Bewaffnung besteht aus einem Säbel mit dem Fabrikzeichen „Solingen“ auf der Klinge, aus einem Karabiner mit Feuerschloß aus „Tula“ und einer Patronentasche, die so hoch auf dem linken Schulterblatte hängt, daß ich nie begreifen konnte, wie die Leute hinein zu langen vermögen. Das Hauptstück der Ausrüstung aber ist die – Knute! In allen möglichen Combinationen und Variationen, welche die drei Anzüge für Winter, Sommer und Parade zulassen, sieht man Dorobantzen kreuz und quer im Lande herumreiten.

Ihre Pferde sind, wie die walachischen überhaupt, klein, schmächtig, dafür aber mit starken, gesunden Knochen, eisernen Sehnen und Muskeln begabt. Ihr Temperament ist gutmüthig, voll Zutrauen zum Menschen und zu allen Hausthieren, daher man nie von einem bissigen oder schlagenden Pferde hört. Mit dem geringsten Futter zufrieden, mit dem sybaritischen Hafer gänzlich unbekannt, leisten sie das Unglaublichste, tragen ihren Reiter bei Hitze, Kälte, Staub, Regen und Sturm in einem vollkommen gleichmäßigen Paßgange, jagen, wenn nöthig durch Knute, Hackenstöße und Geschrei angefeuert, in wilder Carrière querfeldein und halten sehr lange ohne Futter und Wasser aus. Obwohl, wie überall auf der Erde, auch unter den walachischen Pferden die braune Farbe am häufigsten vorkommt, so sieht man doch unverhältnißmäßig viel bizarre Pferdefarben und darunter solche, die selbst ein geübter Pferdekenner nicht ohne Zaudern und näheres Studium zu classificiren versteht. Manche Leute behaupten, daß die Dorobantzenpferde zuweilen geputzt werden – was den Bauernpferden nie widerfährt –, doch möchte ich die Bürgschaft für ein so gewagtes Gerücht nicht übernehmen.

Das Sattelzeug ist wie bei den Kosakenpferden mit dem Hauptmerkmal, daß ein schwarzledernes Sitzpolster auf dem sehr primitiven Sattelbocke durch einen Obergurt festgehalten wird. Die bald hölzernen, bald eisernen, in letzterem Falle stets rostigen Steigbügel sind so kurz geschnallt, daß, wie im Orient allgemein, die Kniee des Reiters sehr hoch und nach vorwärts zu liegen kommen. Der abendländische Reiter, der gewöhnt ist, seine Beine sans gêne auszustrecken, geräth dabei in Verzweiflung. Die Steigriemen lassen sich nicht – und wenn ja, doch nur der eine – verlängern, was die Sache nur schlimmer machen würde.

So reiten denn die Dorobantzen im Lande umher, theils als Träger von Dienstschreiben, theils als Begleiter von Amtspersonen, theils patrouillirend, und können als das Ideal einer schnellen, wenn auch nicht eben gerechten Executive in Polizei- und Justizsachen angesehen werden. Jedermann, der nicht Bojare, Geistlicher oder Beamter ist, also Bauer und Bürger, untersteht – russischen Traditionen gemäß – ihrer Knute und hat deren ungesäumte und ausgiebigste Anwendung unfehlbar zu erwarten, sobald er sich des Geringsten unterfängt, was dem Dorobantzen als vorschriftswidrig erscheint. Ich sah, wie einmal ein weißbärtiger Greis von einem Dorobantzen geprügelt wurde, weil er während der glühenden Julihitze in dem Schatten der Kolyba (d. h. der Hütte, worin die Tag- und Nachtwächter des Dorfes ihren Aufenthalt haben) sich niedergelegt hatte. Dem herbeikommenden Dorobantzen erschien das als eine Entweihung des Heiligthums, und ohne ein Wort zu sprechen, schlug er mit der Knute auf den Greis in einer Weise los, die ein Herz von Stein zum Erbarmen erweichen konnte. Der Mißhandelte nahm lautlos, mit devot und furchtsam gekrümmtem Rücken, die abgezogene Pelzmütze in der Hand, diese grausame und unverdiente Züchtigung hin. Umsonst bemühte ich mich durch Zureden und ein angebotenes Geldstück, den unzeitigen Diensteifer des Dorobantzen zu beschwichtigen; sein Zorn war so entbrannt, daß er auf nichts achtete, und mir blieb nichts übrig, als die von dem Diener der Gewalt verschmähte Gabe dem unglücklichen Opfer desselben als Schmerzensgeld zu reichen.

So schwer es für Reisende in der Walachei auf Nebenrouten, wo keine Posten bestehen, ist, Reitpferde oder Gespann, Nachtquartier, Speise und Trank zu bekommen, oder Hülfe zu erhalten, wenn etwas am Wagen gebrochen ist, so macht sich doch das Alles leicht und schnell, sobald man einen Dorobantzen zur Begleitung hat. Ist der Ortsvorstand zur Hand, so wendet er sich an diesen; außerdem schreitet er nach Willkür ein, dringt in das erste beste Haus, nimmt Wagen und Pferde vom Hofe, zwingt den Bauer, wenn er nicht willfährig ist, mit Scheltworten oder Knutenhieben Zügel und Peitsche zu ergreifen, sich auf den Wagen zu schwingen und den Reisenden zu befördern. (Ist es zu wundern, wenn die privilegirten Classen, denen an Aufrechthaltung solcher Zustände gelegen ist, dahin gravitiren, wo ähnliche Verhältnisse bestehen?)

In Walachisch-Fokschau sah ich eine Abtheilung von etwa vierzig Dorobantzen zu Fuß exerciren, wobei mir die nichts zu wünschen übrig lassende Präcision in den Gewehrgriffen und Wendungen, besonders aber der Umstand sehr auffiel, daß die ganze Truppe nach Erschallen des Commandoworts die Tempos des Griffes mit lauter Stimme sich vorzählte. Der Commandant stand, nichts als eine Knute in der Hand, vor der Fronte. – Von einem Exercitium zu Pferde, oder gar von einem halbwegs systematischen Reiten in einer Reitschule ist bei den Dorobantzen, wie überhaupt bei der walachischen Cavallerie, keine Rede.“



[318]
Nr. 2. Silistria und die Fahrt auf der Donau.

Unser militärischer Correspondent erzählt weiter: „Auf meiner Fahrt von Turnu Severin nach Ibraila berührte der Dampfer unter andern interessanten Punkten auch Silistria. Im Augenblick der Landung erfuhr ich vom Schiffscapitain zu meiner großen Befriedigung, daß viel Frachtgut aus- und einzuladen sei und mir somit Zeit genug zur Verfügung stehe, um die Festung zu durchstreifen, die in verschiedenen Epochen, namentlich aber in dem Feldzuge von so oft besprochen und dadurch zu einem in fortificatorischer Einsicht nicht ganz verdienten Rufe gekommen ist. Mit eigenthümlichen Gefühlen, mit einer Art wohlthuenden Schauers betrat eine Gesellschaft von Passagieren des Dampfers den Boden, worauf sich so Merkwürdiges zugetragen, der so viel Blut getrunken, und zum Schauplatz schöner Heldenthaten gedient hat. Alle gingen in die Stadt, ein Andenken an Orient und Türkenthum, oder Geschenke für Verwandte und Freunde im fernen Europa einzukaufen, Ich sage, im fernen Europa, denn mit wahrhaft stoischer Verachtung aller Civilisation und völliger Ergebung in das Schicksal der Culturlosigkeit sprechen nicht nur Türken, sondern auch Walachen von Europa jederzeit als einem Erdtheil, zu dem sie nicht gehören und der nach ihren Begriffen erst jenseits der österreichischen Grenzen beginnt. Ich schweige von dem sehr matten Eindruck, den Silistria mit seinen tief eingesunkenen, kaum über den Grabenrand hervorsehenden, sehr schadhaften Umfassungsmauern, mit seinen nur zur Noth in der Eile durch Schanzkörbe und Faschinen verbesserten Brustwehren, mit seinen verschütteten Gräben als militairischer Punkt auf mich gemacht hat. Ich unterlasse es, über den Bildungsgrad einer Armee zu urtheilen, die vor einem so elenden Reste, dem nur die Paar detachirten, auf den benachbarten Höhen gelegenen Forts und der Donaustrom, als bedeutendes Hinderniß der Annäherung in der Fronte einen Schein von Festigkeit verleihen, monatelang liegen konnte, ohne die geringsten Erfolge zu erzielen.“

Was unser Officier verschweigt, dürfen wir aber doch wohl unsern Lesern nicht vorenthalten. Silistria, die Hauptstadt des gleichnamigen Sandschaks in Bulgarien, an dem Einflusse der Drista in die Donau gelegen und vor dem letzten Kriege von 20,000 Menschen bewohnt, ist eine etwa so befestigte Stadt, wie es deren vor der Ausbildung der Artillerie-Wissenschaften in Deutschland ungemein viele gegeben hat; ja in einer Hinsicht steht sie noch unter den primitiven Vertheidigungswerken früherer Zeiten zurück, da der sie umgebende Graben auf keine Weise unter Wasser zu setzen ist. Er liegt nämlich über dem Donauspiegel und [319] es fehlt an einem Bache, der hineingeleitet werden könnte. Für die Herstellung der in früheren Kriegen – wovon wir bald sprechen werden – zerstörten Werke war wenig geschehen. Das Glacis hat eine Höhe von 2 bis 4 Fuß, der Graben eine Tiefe von 8 bis 10 Fuß. Escarpe und Contrescarpe sind in dieser Höhe mit Kalksteinen bekleidet. An der ersten erhebt sich die 8 Fuß hohe und 10 Fuß starke Brustwehr, welche an der innern Böschung mit einer Palisadenreihe besetzt war. Die steile äußere Böschung der Brustwehr der Bastionen war mit Flechtwerk aufgesetzt, die der Courtinen – Zwischenwälle – mit Rasen bekleidet. An der nördlichen Seite könnte die Donau allerdings einen wichtigen Schutz gewähren, wenn sich bei Kallarasch auf dem gegenüberliegenden walachischen Ufer ein starker Brückenkopf befände. Einen solchen anzulegen war aber der Pforte durch den Friedensvertrag von Adrianopel verwehrt, ja sie durfte nicht einmal die drei Silistria nahe liegenden Donauinseln befestigen, daher alle diese Punkte in die Hände der Russen geriethen, die hier Batterien anlegten. Als der preußische Oberst v. Kuczkowski – Muchlis Pascha – im Jahr 1849 den Auftrag erhielt, für die Wehrhaftigkeit von Silistria zu sorgen, fehlte es der Pforte, wie es ihr immer daran fehlt, an den nöthigen Geldmitteln, den Ort in eine starke Festung umzuschaffen, und er mußte sich darauf beschränken, ihn auf seinen zehn Fortificationsfronten mit Außenwerken zu umgeben. Im Süden der Stadt liegt ein 200 Fuß hohes Plateau, das sich nicht so schroff gegen die Donan herabsenkt, um sich nicht überall an der Böschung mit Artillerie etabliren zu können, und worauf die Russen während des Krieges von 1828–29 auch wirklich ihre Batterien errichteten. Diese die Festung beherrschende Hochebene besetzte der Oberst v. Kuczkowski mit zwei etwa 800 Schritt vom Festungswall entfernt gelegenen massiven Forts – Tabia’s –, die er mit bombenfesten Räumen und bedeckten Batterien ausstattete. Alle übrigen Forts, unter denen die sternförmige Arab Tabia am berühmtesten geworden ist, sind bloße Erdwerke durch Redouten, Schanzen und andere Anlagen flankirt, die sich gegenseitig decken und sich nach Norden bis zu dem Brückenkopfe Topschi Baschi hinziehen, der aus einem Kronenwerk mit starken Redouten, zwei bastionirten Thürmen und zwei Blockhäusern besteht. Um das feindliche Feuer über die Donau herüber weniger lästig zu machen, waren an der Wasserseite Werke aus Lehm und Flechtwerk aufgeführt und mit Rasen bekleidet. Während der Belagerung errichtete man auf dem etwa 150 Fuß breiten Raume, der die Nordfronte der Festung von der Donau trennt, einige Blockhäuser und Erdwerke, um den Graben mit größerer Zähigkeit vertheidigen zu können. Mehr und Besseres konnte der genannte tüchtige Ingenieur mit den ihm zugewiesenen Mitteln nicht leisten, dennoch wird jedermann, auch wenn er nicht Sachverständiger ist, sich leicht überzeugen, daß ein noch so ausgedehntes Netzwerk weitläufiger Außenwerke einen Platz nur höchst mangelhaft zu schützen vermag. Alle diese Punkte angemessen zu vertheidigen, würde eine Besatzung von 30,000 Mann erforderlich gewesen sein, die oft nicht zur Hälfte vorhanden war. Wäre ein einziges Fort dem Feinde in die Hände gefallen, so würde das gerade so viel gewesen sein, als wenn in einem Strumpfe eine Masche aufgeht; er läßt sich dann ganz aufwickeln. Zu mehr als zweimonatlichen Kämpfen mit dem Hauptheere von den berühmtesten russischen Generalen angeführt und trotz so oft wiederholter Stürme haben die Russen jedoch nicht eine Schanze erobert, mehrere Generale und unverhältnismäßig viel Officiere, überhaupt an 24,000 Mann verloren und sich genöthigt gesehen, am 23. Juni 1854 unverrichteter Dinge abzuziehen. Dennoch reichten, trotz der weit vorgeschobenen Außenwerke, die russischen Kugeln bis in die Stadt hinein, die schwer verwüstet wurde. Den tapfern Vertheidiger des Platzes selbst, Mussa Pascha, tödtete am 2. Juni eine russische Granatkugel vor der Thür seiner Wohnung, und wenn einerseits der Muth und die Ausdauer der Türken alle Anerkennung verdienen, so bleibt andererseits die Verwunderung des österreichischen Officiers über die Erfolglosigkeit dieser mit solchen Anstrengungen betriebenen Belagerung eines wenig haltbaren Platzes doch unstreitig sehr gerechtfertigt.

Silistria ist seit fast einem Jahrtausend für die Russen ein verhängnißvoller Ort gewesen. Im Jahr 971 erschienen sie unter Swjätoslaws Führung zum ersten Mal vor demselben und wurden von dem bizantinischen Kaiser Tzimiskes auf das Haupt geschlagen. Am 10. Juni 1773 schlug Osman Pascha den Angriff des Fürsten Romanzoff zurück. Die nächste Niederlage traf die Russen am 22. October 1809 bei Tataritza unweit Silistria; endlich gewannen sie am 11. Juni 1810 die Stadt durch Kapitulation – Andere sagen durch Bestechung. Vom 21. Juli bis 10. Nov. 1828 mühten sich drei russische Generale nach einander – Roth, Langeron und Wittgenstein – vergeblich ab, den Platz zu nehmen; im folgenden Jahre überlieferte aber nach sechswöchentlicher Belagerung Hadschi Achmet Pascha die Festung dem General Krassowski, angeblich weil er auf keinen Entsatz zu hoffen hatte und Proviant wie Munition ihm ausgingen, wahrscheinlicher, weil er viel Neigung für russische Ducaten hatte. Die Stadt blieb bis zum September 1836 in russischen Händen und wurde erst nach Abtragung der dem Sultan auferlegten Kriegssteuer in elendem Zustande zurückgegeben. Ueber zwölf Jahr geschah für die Herstellung der Werke nichts, und was dann dafür gethan wurde, haben wir erzählt. Einen wichtigen Vortheil haben die Russen aber doch bei der letzten mißlungenen Belagerung davon getragen. Sie lernten dem Obersten Kuczkowski den Bau dieser Erdwerke ab und machten bei Sebastopol davon einen dienlichen Gebrauch, obgleich weder der wichtige „Grüne Hügel,“ noch endlich der massive Malakow die Eroberung der Stadt zu verhindern vermochte.

Lassen wir nun unsern Berichterstatter wieder reden. „Ich begab mich,“ erwähnt er, „der übrigen Gesellschaft folgend, in die innere Stadt. Einer von unsern Begleitern, ein schäbig gekleidetes Subject, dem Volke angehörig, das sich das auserwählte nennt und darauf eine oft wahrzunehmende Arroganz begründet, warf sich zum Führer auf. Diesen Anspruch leitete er daher, daß er schon früher einmal in Silistria gewesen und der türkischen Sprache ziemlich mächtig sei. Der Nimbus, den diese letztere Behauptung um ihn verbreitet hatte, zerfloß sehr bald, denn schon nach den ersten fünf Minuten konnten wir uns überzeugen, daß er auch nicht ein Wort vom Türkischen mehr verstand, als wir Anderen, d. h. gar keines. Nachdem mehrere winklige und schmutzige Straßen durchwandert, manche Einkäufe in Buden mit Tabak, Süßigkeiten, Parfümerien und Seife – beide Wiener Fabrikat – getroffen und einige nicht übel gebaute, sogar geschmackvoll verzierte und nur durch wiederholten Kalkanstrich entstellte Moscheen betrachtet worden waren, hielt mich unerwartet ein reizendes Bild an einem Brunnen fest. Im Orient, wo die Hitze so groß, der Boden so trocken, gutes Wasser so selten ist, sind die Brunnen ein von der ganzen Bevölkerung sehr beachteter Gegenstand; ja sie stehen gleichsam mit dem Cultus in Verbindung und wegen der im Koran gebotenen täglichen Waschungen genießen sie eine, ich möchte sagen, andächtige Verehrung; sie sind die Sammelplätze, um die sich das Leben der sonst todten und öden Straßen der türkischen Orte gruppirt.“

„Der Brunnen, vor dem ich stand, war gemauert, und die im Laufe der Jahrhunderte verwitterte Mauer schillerte in verschiedenen angenehmen Farbentönen; einzelne herausgebrochene Steine und fahle Gräser, die auf dem obern Simse wucherten, erhöhten noch den Reiz dieses Anblicks. Lustig quoll das klare Wasser in einer eisernen Rinne hervor und rieselte zwischen den Steinen, die das Wasser holende Publicum gelegt hatte, um so trocken als möglich zu stehen, in eine kleine Pfütze. Aus dieser trank ein Schimmel, den ein Negerknabe an sehr langem Halfterstricke hielt – scheinbar aus Furcht, sich dem Pferde allzusehr zu nähern, in der That jedoch aus Zutrauen zu dem guten, gemüthlichen Thiere. Die orientalischen Pferde nämlich, die selten in einen Stall kommen, sind so harmlos, daß sie wie Hunde ihren Herren nachlaufen, und der Schimmel würde eben so ruhig bei seinem Trinken gestanden haben, hätte ihn der Knabe auch gar nicht gehalten. Ein Bulgarenmädchen, das dem europäischen Gepräge seiner Tracht nach, im Dienste eines fremden Consuls oder Kaufmanns stehen mochte, hatte zwei kupferne Kessel, außen berußt, innen aber blank und glänzend, mit frischem Wasser gefüllt, hängte sie vorn und hinten an eine Stange, die auf ihrer Schulter ruhte, und schritt damit vorsichtig über die einzelnen Steine, was bei den hohen Absätzen ihrer Holzsandalen und den beständigen Schwingungen der Kessel nicht ohne Beschwerde sein mochte, jedoch ihre Gewandtheit hervortreten ließ. Ein türkischer Privatmann in bunter Tracht und ein Soldat in weißem Mantel, welche beide eben die vorgeschriebene Waschung, jedoch nur in Bezug auf Gesicht und Hände, beendet hatten, saßen in sehr einsilbigem Gespräch auf dem Rande des Brunnens. Einige Gebäude, worunter eine Moschee mit ihrem zierlichen Minaret, als näherer, der Hügel der berühmten Arab Tabia als weiterer [320] und der entlegene Hämus als fernster Hintergrund, vollendeten ein Gemälde, bei dem ich lange verweilte. Weiter wandernd, bemerkte ich an den Fugen der Gartenplanken und durch die Spalten der Thüren lauschende türkische Weiber, die, noch viel neugieriger als unsere Frauen, in der Verstellungskunst aber weniger bewandert, und daher ihren Antrieben unbesorgter folgend, das Häuflein Franken in ihrer fremden Tracht mit den Augen verfolgten.

An einer offenen Hofthüre überraschte mich der Anblick eines schönen Weibes mit unverschleiertem Gesicht, natürlich einer Christin trotz ihrer türkischen Beinbekleidung. Sie hatte eben drei Kinder, die vor der Thür auf offener Straße spielten, hineinrufen wollen, allein der unerwartete Anblick einer fremdartig aussehenden Gesellschaft machte sie sowie die Kinder einen Augenblick stutzen. Gleich faßte sie sich jedoch und musterte uns mit naiver Unbefangenheit, wobei wir Zeit hatten ihre frappante Erscheinung zu bewundern. Auf dem schönen, ausdrucksvollen Kopfe saß ein Feß, der, umwickelt von einem weißen Tuche und üppigen schwarzen Haarflechten, kaum zu sehen war. Um den Hals trug sie Granatenschnüre nebst Silber- und Goldmünzen; ihre entblößte Brust war von einem blendend weißen Hemde eingerahmt; ein gestreiftes Leibchen mit engen Aermeln und ein rother Gürtel umspannten ihren Leib. Ihre Beine steckten in lichtvioletten Pumphosen und ihre nackten Füße in Holzsandalen. Die größern Kinder liefen zu ihr und klammerten sich an ihr Kleid, während das jünqste ungenirt sitzen blieb.“

„Nachdem wir noch einige Kaufläden besucht und namentlich zwei Damen unserer Gesellschaft sich reichlich mit Süßigkeiten versorgt hatten, lenkten wir unsere Schritte dem Schiffe wieder zu. Wir begegneten einem feisten Reiter, der sich, obwohl in Civilkleidern, doch durch den Tepelik – ein kleines rundes Messingschildchen auf dem Ursprung der Fußquaste – als Militair kennzeichnete. Er saß nichtsweniger als schulgerecht auf einem gedrungenen Schimmel mit rother Schabrake und trabte in lebhaftem Paß einher, indeß ihm athemlos keuchend ein bunt gekleideter Diener mit Tschibuk und Säbel folgte. Es sah in der That mehr als komisch aus, den mit allerlei Plunder behangenen, nicht jungen Diener, keuchend und schwitzend hinter dem Pferde hertraben zu sehen, während der Herr sich gar nicht um den gehetzten Menschen bekümmerte und ruhig weiter ritt. Das ist die barbarische Weise im Orient, einen Reitknecht mit sich zu führen und sich doch die Kosten für Anschaffung eines zweiten Pferdes zu sparen.“

„Das helle Geläut vom Dampfschiffe unterbrach aber sehr bald meine Betrachtungen: ich eilte in Hast dem Landungsplatze zu und langte in eben dem Augenblicke an, als man im Begriff stand, die Landungsbrücke einzuziehen.“

Ein türkischer Heiliger.

„Als ich an Bord gelangte, fand ich einen namhaften Zuwachs an meist türkischen Passagieren. In bunten, malerischen Gruppen hatten sich mehrere Bulgaren, Türken und Griechen, theils am Deck des zweiten Platzes, theils um die Maschine herumgelagert, wo sie sich bei der Frische des heiteren Märztages recht behaglich zu befinden schienen. Fast alle hatten entweder Teppiche in bunter frischer Farbenpracht, oder gewöhnliche zottige Wolldecken auf den Boden gebreitet und sich nach Ablegung der Schuhe in recht orientalischer Gravität darauf niedergelassen. Einige türkische Cavalleristen in dunkelblauen Uniformen, hohen Stiefeln und langen Lanzen mit blauen Fähnchen saßen zunächst am Rauchfang auf dem rund um demselben aufgestapelten Steinkohlenvorrathe. Auf Waarenkisten hockten oder lagen in den groteskesten Attitüden griechische Handwerksleute mit dem weiten, in zahllose Falten gelegten kurzen, weißen Tuchrocke, der enganliegenden kamaschenartigen Wadenbekleidung und dem im Verhältniß zum türkischen sehr hohen Feß. Ganz unten am Boden auf ihren Teppichen saßen die echten Osmanlis mit Turban.“

„Nachdem ich unter diesen anziehenden Gruppen bis zu dem Momente herumgewandelt war, wo mich endlich nach der warmen Cajüte verlangte, betrat ich den Salon erster Classe. Hilf Himmel! wie fand ich da die Scene oder vielmehr die darin handelnden Personen verändert.“

„Unsaubere türkische Officiere und Privatleute hatten sich mit verdächtig aussehenden Pelzen und nicht sehr appetitlich duftenden Mundvorräthen auf den Divans und Fauteuils etablirt. Einige hatten ihre Schuhe ausgezogen und ihre in durchlöcherten Socken steckenden Füße ganz ungenirt heraufgezogen.“

„Die merkwürdigste Persönlichkeit unter diesem neuen Zuwachs blieb aber unstreitig ein ganz in schwarzes Leder gekleideter Mann, den sein turbanartig um den Feß gewundenes grünes Tuch jedem in orientalischer Sitte unterrichteten Reisenden als eine religiöse Notabilität kenntlich machte. Rock und Weste waren mit wenigen, aber desto colossaleren Messingknöpfen von ziemlich hübschem Dessin versehen; sein Beinkleid, keineswegs von türkischer Façon, verjüngte sich aus seiner obern Weite schon über dem Knie zur Enge eines Reiterstiefels und endete in Kamaschenform. Seine Bewaffnung machte ihn zu einem wahren ambulanten Arsenal. Zwei Pistolen und ein Handschar steckten in dem weiten Gürtel; ein grades Fangmesser hing nach Römerart an seinem rechten Schenkel, ein Karabiner an einem Ueberschwungriemen quer über die Schulter; endlich führte seine rechte Hand eine eigenthümliche, einer Hellebarde ähnliche Stoß- und Hiebwaffe. Ein lederner Schlauch mit messingenem Hahn über seiner Schulter vollendete seinen Aufzug.“

„So stolzirte dieser sonnverbrannte, durchwetterte Gesell mit unheimlicher Zuversicht und Keckheit nicht blos unter seinen Glaubensgenossen, sondern auch unter dem gesitteten Theile der Schiffsgesellschaft auf und ab. Auf meine Erkundigung über dieses sonderbare Individuum eröffnete mir der Capitain, daß es ein im Geruche göttlicher Inspiration und der daraus folgenden Heiligkeit stehender sogenannter Fakir sei, der, scheinbar bettelnd, eigentlich aber peremtorisch fordernd, alle Länder, soweit Mahomed als Prophet verehrt wird, durchziehe, nie etwas zahle und selbst im Dampfschiffe, dieser ganz unmohamedanischen Anstalt, frei mitgenommen werde. Mißbilligend äußerte ich mich über die Zulassung eines solchen Gaudiebes in die Räume des ersten Platzes und schlug vor, ihn aus dem Salon zu entfernen. Der Capitain aber, der dieses Gelichter genau kannte, bat mich dringend, kein Aufsehen zu erregen und den Kerl gewähren zu lassen, weil ein schiefer Blick, ein [321] barsches Wort gegen diesen „wunderlichen Heiligen“ eine Revolte unter den an Zahl überlegenen Türken im Schiffe und eine traurige Katastrophe herbeiführen würde.“

„Dem uns unverständlichen Gallimathias des Fakirs hörten die Moslims mit tiefer Andacht zu. Einige Lieder, die er halb näselnd, halb gurgelnd zum Besten gab – gewiß der monotonste und widerwärtigste Gesang, den ich je gehört –, wurden von dem jüngern Theile seiner Glaubensgenossen sogar mit lauten Beifallsäußerungen entgegen genommen. Seine sämmtlichen Waffen ließ er von Hand zu Hand gehen und war sichtlich vergnügt, daß alle Welt sie bewunderte. Hierauf ließ er sich, versteht sich ohne einen Heller zu bezahlen, Wein bringen, trank auf unser aller Wohl und kredenzte zugleich seinen Glaubensgenossen aus seinem Lederschlauche Wasser, das, wie er sagte, einer Quelle am Grabe des Propheten zu Mekka entsprungen war. Nach reichlich genossenem Weine sang er wieder, näselte und rasselte dabei wo möglich noch ärger und machte seinem benebelten Gemüthe durch häufige Zärtlichkeitsausbrüche gegen verschiedene Gäste, besonders gegen den Capitain, Luft.“

Türkische Manier, einen Reitknecht ohne Pferd zu halten.

„So ein Fakir hat die größten Vorrechte, die man in einem mohamedanischen Lande nur immer haben kann: er darf Wein trinken, Schweinfleisch essen nach Belieben, hat vollen Anspruch auf die unbeschränkteste Gastfreundschaft, wohin er kommt und sogar ungehinderten Eintritt in jeden Harem. Auch trägt er einen grünen Turban, ein Prärogativ, welches sonst nur der Sultan, die Mollahs und Imams – Geistliche – so wie die Hadschis, Leute, die das Grab des Propheten besucht haben, genießen.“

„Bei Hirsova verließ der Heilige mit fast allen türkischen Passagieren das Dampfboot und das gesammte Publicum des ersten Platzes athmete auf.“