Bilder aus Oberägypten

Textdaten
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Autor: Heinrich Brugsch
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Titel: Bilder aus Oberägypten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 510–111
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Reisebericht vom oberen Nil
Teil 2 erschien nicht, Erklärung 1884 in: Im Lande des Machdi
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Bilder aus Oberägypten.

Von Heinrich Brugsch.
I.

Die schönen Tage des sonnigen Aegyptens sind längst vorüber, und trauernd sitzt die Göttin des Nilthales, das jüngste Kind des Elends, an den Ufern des heiligen Stromes. Seit Jahrtausenden ein auserlesenes Opfer des politischen Wankelmuths seiner Beherrscher und von seinen einheimischen pharaonischen „Söhnen der Sonne“ ebensowohl als von äthiopischen, asiatischen, persischen, griechischen, römischen, arabischen und türkischen Machthabern und Eroberern ausgebeutet, ist das gottgesegnete Land heutzutage unter europäischer Verwaltung bis an den äußersten Rand des Abgrundes seines socialen und politischen Unglücks gedrängt. Die vielgepriesenen Wohlthaten, mit welchen Frengistan nie müde ward seinen ägyptischen Schützling im Laufe der letzten Jahrzehnte zu überschütten – gegen reichliche Baarzahlung aus dem vollen Säckel seines Lieblings – sind in das gerade Gegentheil umgeschlagen. Ohne Widerstand leisten zu können, hat Aegypten eine Hydra aufgezogen und genährt, die ihm den letzten Tropfen seines Herzblutes aussog. Eine internationale Conferenz ist im Begriff an den Ufern der Themse zu tagen, um einen neuen Modus der Verwaltung zu ersinnen und den früheren Anleihen eine neue von 160 Millionen Mark hinzuzufügen. Inzwischen dauert die Mißwirthschaft am Fuße der Pyramiden weiter fort, Handel und Wandel liegen gelähmt, Noth und Elend halten ihren Einzug in Stadt und Land, und die trübste Stimmung hat den Muth des Einzelnen wie der Masse gebrochen. Nur das Nahen eines fanatischen Glaubenshelden, des sudanesischen Machdi [1], erhält die Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufrecht und belebt die stillen Wünsche im Herzen der Bedrückten nach blutiger Rache gegen die Bedrücker.

Wenn in irgend einem Theile des Landes die allgemeine Unzufriedenheit in Folge der eingetretenen Noth ihren Höhepunkt erreicht hat, so ist es sicher Oberägypten, dem nach dieser Richtung hin der traurige Löwenantheil gebührt. In jener langen Rinne des Nilthales, welche sich im Süden von Kairo aus durch die Regionen der Kalk-, Sandstein- und Granitgebirge bis nach Assuan hin erstreckt, auf eine Länge von nahe 100 deutschen Meilen, ist der angeschwemmte Culturboden oder der „Rif“ mit wenigen Ausnahmen nur ein schmaler Streifen dunkler Erde. Zum Theil ungenügend bewässert und von wüsten Sandflächen und bis an den Fluß vorgerückten Felswänden unterbrochen, erfordert der Ackerboden außerdem eine harte und anstrengende Arbeit. Jahr aus und Jahr ein haben die oberägyptischen Fellachen vollauf zu thun, in der heißen Sonne des Tages an den einfachen Hebegestellen der Schadufs mit dem Lederriemen das Wasser aus dem Flusse zu schöpfen und durch künstlich angelegte Rinnsale nach den Feldern zu leiten. Das Hacken der thonartig festen schwarzen Erde ist ein mühseliges Geschäft und das Pflügen mit Rinder-, Büffel- und Kameelgespannen nur denen gestattet, welche noch im Besitz von Thieren dieser Gattung sind. Eine seit Jahren in Oberägypten herrschende Rinderpest hat den Bestand der bovinen Rasse ungemein gelichtet, und der beliebte Nachschub aus Dongola ist in Folge der sudanesischen Unruhen ausgeblieben. Das stete Herumwaten im feuchten Schlamme und das Säen und Ernten erfordern eine ebenso langwierige als gesundheitsgefährliche Arbeitsthätigkeit. Fängt die Saat an zu sprossen und geht die Feldfrucht ihrer Reise entgegen, so tritt eine neue Plage ein. Durch Knallen mit Peitschen, durch Schleudern von Steinen, Abschießen von Gewehren und durch sonstige Mittel sind Millionen diebischer Sperlinge fern zu halten, welche wie dunkle Wolken über die Felder dahinziehen, um das Ergebniß des menschlichen Fleißes zu vernichten. Und ist die Ernte glücklich eingeheimst, das heißt der Halm mit der Hand ausgerissen oder mit der Sichel geschnitten, so ist der Steuereintreiber nicht mehr fern und dem säumigen Zahler wird die landesübliche Bastonade zu Theil. Das sind keine Schattenbilder, wie sie eine erregte Phantasie oder der sogenannte Humanitätsschwindel auszumalen versteht, sondern getreue Photographien einer durchlebten Wirklichkeit. Oberägypten oder das Land Saïd liegt weitab von Kairo, das Klagen kostet Zeit und Geld, und Seine Excellenz, der gewaltige Herr Mudir oder Gouverneur der Provinz, behält am letzten Ende doch immer Recht.

Die Hütten, in welchen das arme geplagte Volk unter Palmen, Akazien und Sykomoren die nothwendige Ruhe nach des Tages Last und Arbeit findet, sind kaum noch menschenwürdige Wohnstätten zu nennen. Das kleine geflügelte Hausvieh lebt inmitten der Fellachenfamilie und geht vergnügt durch die Thüröffnung aus und ein. Das Mobiliar der Behausung, die aus Nilschlamm aufgebacken ist, entspricht der ganzen Anlage, denn es ist weniger als nur einfach und bescheiden. Eine geflochtene Matte, seltner ein alter, zerfetzter kleiner Teppich, ein paar Körbe, Kessel und Krüge, eine steinerne Handmühle und ein paar sonstige elende Geräthschaften für den häuslichen Bedarf stellen das ganze bewegliche Besitzthum eines besser situirten oberägyptischen Fellachen dar. Daß die Reinlichkeit unter solchen Verhältnissen keinen besonderen Gewinn davon trägt, liegt auf der Hand, und ich erinnere mich kaum eines Beispiels, jemals ein Stück Seife bei irgend einem Bauern bewundert zu haben. Den Kindern das Gesicht wenigstens mit Wasser zu reinigen, gilt als Verstoß gegen Landessitte und Brauch. Die häusliche Wäsche, ein so wichtiges Capitel in dem Wirthschaftsbuche unserer ehrsamen Hausfrauen, wird in der denkbar schnellsten Weise erledigt. Madame geht mit ihrem Anzuge Nr. 2, das heißt mit dem langen blauen Kattunhemde, an’s Ufer des Flusses, taucht es in das Wasser und schlägt das genäßte Zeugstück nach Art unserer Färber auf einem glatten Steine windelweich. Ist der Proceß beendigt, so wird das Gewand an der Sonne getrocknet, wobei die beiden ausgebreiteten Arme und Hände als Waschleine dienen. Das Glätten und Bügeln der Wäsche ist nicht einmal dem Namen nach gekannt.

Eines wenigstens dem Aeußeren nach anständigeren Wohnsitzes dürfen sich die oberägyptischen Tauben rühmen, vielleicht weil sie Geld einbringen und den Melonenfeldern durch ihre Leistungen nützlich werden. Vierseitige, thurmähnliche Bauten, die sich aus der Ferne wie altägyptische Pylone ausnehmen, erheben sich in stolzer Höhe über den niederen Fellachenhütten. Kleine, wie Schießscharten neben einander laufende Oeffnungen bilden die Zugänge des geräumigen, meist aus Backsteinen aufgeführten Taubenschlages in großem Stile. Der gewonnene Guano wird an griechische Händler (nass Rumi) verkauft oder zu eigenen Zwecken verwendet. Das beliebte Schießen der Tauben durch reisende Europäer ist deshalb für Fellachen kein angenehmer Anblick. Allein was hilft die Klage des armen Besitzers der Tauben? Eine gehörige Tracht Prügel wäre das Ende vom Klageliede.

Doch ein Genuß bleibt dem geplagten Manne und seiner getreuen Ehegenossin nie versagt: die jeweilige Ruhe an der Wand seines Hauses oder unter der breitästigen dickbelaubten Sykomore, in deren Schatten der Büffel mit verbundenen Augen das knarrende Wasserrad dreht. Diesem „Kef“, wie er es nennt, steht der Haupttröster in allen seinen Leiden treu zur Seite, der glimmende Tschibuk oder die kollernde Wasserpfeife, die er sich selbst mit Hülfe einer Cocosnuß und zweier Holzröhren zurechtzimmert. Bei solchem „Kef“ geht ihm die Pfeife nie aus, es müßte sich denn etwas ganz Außerordentliches ereignen, z. B. eine Sonnen- oder Mondfinsterniß. In diesem Falle versammeln sich die Männer und Weiber des Dorfes, heulen und schreien, daß sich Gott erbarm’, und schlagen mit Stöcken und Haken auf ihre Kessel und Pfannen, um durch den Höllenlärm den bösen Geist der Finsterniß zu bannen und der leidenden Sonne, respective dem Monde zu Hülfe zu kommen. Auch der Dame des Hauses ist die Pfeife eine unzertrennliche Lebensgefährtin. Die Länge des Rauchinstrumentes entspricht genau der socialen Lage der Rauchenden. Man muß nämlich wissen, daß nicht nur in Oberägypten, sondern im ganzen lieben Morgenlande das Maß der Pfeife im gleichen Verhältnisse mit der vornehmen Länge des Rauchenden steht. Je [511] angesehener der letztere ist, je länger ist die erstere und vice versa. Es ist daher sehr natürlich, daß der Fellach in berechtigter Selbstschätzung seiner socialen Stellung sich den allerkürzesten Pfeifenstiel construirt.

Der oberägyptische Fellach hat, nach den altägyptischen Wandgemälden zu urtheilen, genau die Farbe seiner Vorfahren. Von Norden nach Süden hin variirt dieselbe von einem hellen Roth zum tiefsten Braun, eine natürliche Folge seines Aufenthaltes im Freien unter den Strahlen der afrikanischen Sonne. Weiber und Kinder, soweit die lagernden Schmutzschichten die Grundfarbe der Haut zu erkennen gestatten, zeichnen sich durch einen helleren Teint mit olivenfarbiger Schattirung aus. Dichte Augenbrauen über den mandelförmigen schwarzen Augen, eine niedrige Stirn über der wohl proportionirten Nase, starke Backenknochen und ziemlich aufgeworfene Lippen sind die eigenthümlichen Merkmale der Gesichtsbildung, die aber bei Knaben und Mädchen bisweilen den Typus vollendetster Schönheit erreicht. Ihr kräftig gebauter Körper ist schlank und elastisch, und fettleibige Fellachen dürften gezählt werden.

Nur der Schech-el-belled oder Dorfschulze zeichnet sich unter seinen fellachischen Brüdern durch ein behäbigeres Aeußere vortheilhaft aus. Seine Nahrung ist eine vornehmere, wobei der mästende Reis eine Hauptrolle spielt. Seine amtlichen Beziehungen zum gestrengen und gefürchteten Mudir und den koptischen Schreibern des Divan sind zwar nicht immer die reinlichsten, haben ihm aber die Sehnsucht nach einer höheren Stufe des irdischen Daseins erweckt, und sein stattliches Haus mit der weißen Tünche darauf enthält so manchen Gegenstand, welcher geeignet ist, das böse Auge des neidischen Fellachen zu erwecken. Zieht der Schech in Begleitung seiner reisigen Diener über Land, so trägt ihn sein feuriges junges Roß, und im vollsten Waffenschmucke galoppirt er mit seinen Reitern über das Feld oder verfolgt den Weg auf dem hohen Damme am luftigen Ufer des Stromes. (Vergl. Illustration S. 508 und 509.) Seine Lieblingswörter, mit welchen er den halbnackten Fellachen an der Straße anzureden pflegt, sind „Kelb“ und „Chansir“, auf gut deutsch „Hund!“ und „Schwein!“ Verlegen lächelt der Fellach zu den wenig schmeichelhaften Worten und erwidert höchstens ein freundlicheres: „Malesch ja Schech“, „Laß es nur gut sein, o Schech!“

Im Kaffeehause des Dorfes oder am Strande „des Meeres“, wie der Aegypter seinen Nil bezeichnet, sitzen die männlichen Bewohner der Ansiedelung auf ihren Bänken aus Palmenstöcken. Ihre Unterhaltung betrifft vor Allem den wandelbaren Piaster. Es ist eine Landeseigenthümlichkeit, daß Geld und immer nur wieder Geld den Hauptstoff sämmtlicher Gespräche bildet. Die Größe der monetären Einheit, welche der Sprecher im Munde führt, steht wiederum mit der Länge der Pfeife in einem genauen Verhältnisse. Der Pascha spricht von „Beuteln“, der Europäer von „Guineen“, der Bürger von „Talleris“ und der Bauer von „Piastern“. Kommt der Schech mit seinem Gefolge angesprengt, so verstummt jedes Gespräch, und das Volk erhebt sich von seinem Sitze, verbeugt den Oberkörper nach altägyptischer Weise, und Jeder beeilt sich, dem Würdigen den Steigbügel zu halten und ihm bei seinem Herabsteigen behülflich zu sein.

Der kecke, fröhliche, fast übermüthige Sinn der jungen Fellachen macht im reiferen Alter einem stillen Ernste und einer gewissen Abgeschlossenheit Platz. Arbeit und Noth des Lebens haben den Mann gebeugt und seine angeborene Geistesfrische frühzeitig erstickt. Die Freude am Dasein ist ihm durch seine Peiniger verbittert, und der ewige Steuerdruck nebst Beischlag hat ihm gründlich die gute Laune verdorben. Seine religiöse Genugthuung findet er in dem Vollziehen der vorgeschriebenen äußeren Handlungen, um sich wenigstens die Hoffnung auf ein besseres Dasein im Paradiese zu sichern. Die Schulbildung unter den oberägyptischen Bauern ist gleich Null. Der Vorsänger und Schulmeister beschränkt seine scholastischen Themata auf das Auswendiglernen von Koranversen. Was darüber hinaus geht, ist vom Uebel. Lesen und Schreiben erhebt den Fellachen zu einer Person, die sich schon sehen lassen und eine längere Pfeife zulegen darf.

Wenn auch der Landbewohner im Saïd geldgierig ist und dem Bachschisch mit ungebührlichem Eifer nachjagt, so habe ich selten Gelegenheit gehabt, ihn als treulos, betrügerisch und schwindelhaft kennen zu lernen. Er ist mit wenigen Ausnahmen gutwillig, dienstbar und gehorsam, und nur die Aussicht auf Arbeit ohne Lohn macht ihn verstockt und widerspenstig.

In den Städten Oberägyptens, wie Benisuef, Minieh, Siut, Girgeh, Kenneh und Achmim, ist der unverfälschte Typus des Fellachen als erloschen zu betrachten. Der im Dienst der Regierung stehende handelnde und gewerbetreibende muhammedanische Araber und christliche Kopte liefert das Hauptcontingent der Bewohner. Die Kopten (ihre Zahl im ganzen Lande schwankt nach den verschiedenen Angaben darüber zwischen 150 bis 300 Tausend Seelen), die echten und rechten, das heißt ungemischten Nachkommen der alten Aegypter, haben die Vorzüge ihrer Abstammung körperlich und geistig durch eine nach den Verhältnissen des Landes angemessene feinere Nahrungs- und Lebensweise zu erhalten gewußt. Ein heller, olivengrün angehauchter Teint, im Gegensatz zu der gerötheten rissigrauhen Haut des Fellachen, und ein bis zur Fettleibigkeit wohlgepflegter Körper lassen beim ersten Blick den Unterschied zwischen den Kopten und den eingeborenen Landbewohnern erkennen. Zu allen Handwerken, Künsten und Wissenschaften gut angelegt und der Bebauung des Landes nur nothgedrungen zugethan, zeichnen sich die Kopten durch eine besondere Schärfe der Intelligenz, die sich im schlimmsten Falle bis zur unglaublichsten Schlauheit steigert, in allen geschäftlichen Angelegenheiten aus. Das Rechnen und Berechnen ist daher ihre Hauptstärke und ihre unentbehrliche Anwesenheit in allen mit dem Finanzwesen verbundenen Aemtern der ägyptischen Verwaltung deshalb leicht erklärlich.

Der koptische „Moallim“ oder „Gelehrte“, wie die „Geheimsecretäre“ im Staatsdienste von den Aegyptern betitelt zu werden pflegen, ist eine angesehene Person und sein Talent ebenso geschätzt als gefürchtet. Die Kopten neben den eingewanderten Arabern bilden somit das eigentliche Element des Bürgerstandes in Unter- wie in Oberägypten. Ein reiches Vermögen gestattet ihnen nach Landesweise in aller Gemächlichkeit zu leben und sich den Genüssen des Orientes und des Occidentes bis zum Luxus des Hausstandes hin im vollsten Umfange ihrer Wünsche hinzugeben. Für die Reisenden ist der Kopte in Oberägypten der eigentliche Typus des zuthulichen Städters. Die zahlreichen Consular-Agenturen, welche die europäischen Großmächte in den Hauptstädten der einzelnen Provinzen zum Nutzen und zum Schutze ihrer wandernden Staatsangehörigen unterhalten, sind koptischen Christen anvertraut, deren bürgerliche Stellung und Vermögen die genügendste Garantie für die ihnen bewilligte internationale Protection darbietet. Daß der Einzelne die europäische Schutzgenossenschaft in seinem persönlichen Interesse auszubeuten im Stande ist, darf bei den Charakteranlagen der koptischen Rasse nicht in Verwunderung setzen. Titel- und ordenssüchtig, wie die Consularagenten in Folge ihrer Stellung und ihres Reichthumes sind und sich darin vor allen übrigen Kindern Mizraïm’s auszeichnen, haben sie nur die kleine Genugthuug, sich mit dem europäischen langgedienten, biederen Nachtwächter auf einer Rangstufe zu befinden.

Von den Söhnen der Berge, welche ihre Zelte in den öden und traurigen Gebirgsthälern und auf den steinigen und sandigen Flächen der Wüste aufgeschlagen haben und von Zeit zu Zeit den oberägyptischen Dörfern ihre durchaus nicht beliebten Besuche abstatten, ist nicht viel zu sagen, da in ihren Adern libysches oder arabisches Blut rollt und sie nichts weniger als Aegypter sind, und es auch gar nicht sein wollen. Ihre vielgerühmte Kriegstüchtigkeit ist heutzutage höchstes ein poetisches Märchen. Raufereien unter sich in Begleitung eines heidenmäßigen Lärmes, durch welchen sie sich gegenseitig bange zu machen suchen, und Ueberfälle auf wehrlose Wanderer bilden die Capitel der Heldenthaten der ebenso schmutzigen als unedlen Beduinen. Die schlimmsten von ihnen sind diejenigen, welche auf dem Boden der libyschen Wüste in der Nähe der Oasengebiete ihr unstätes Leben führen, die sanftesten dagegen die in den Gebirgsthälern zwischen dem Nilufer und der Küste des Rothen Meeres bis südlich zum Breitegrad der Stadt Kenneh hinwandernden „Kinder des Berges“, welche den Karawanenverkehr vermitteln und eine Hauptquelle ihrer Einnahmen in der Kameelzucht finden. Die eigentlichen Ritter der Wüste sind die Nachkommen der ehemaligen Aethiopen, der alten Bewohner des Landes Kusch, die erbittertsten Gegner der Aegypter und – der Engländer.


  1. Wir bringen auf Seite 52 einen trefflichen nach einer englischen Vorlage ausgeführten Original-Holzschnitt, der als das beste Portrait des falschen Propheten angesehen wird. „Machdi“ und nicht „Mahdi“ ist nach Angabe der Orientalisten die richtige Schreibweise. Vergl. übrigens „Gartenlaube“ Nr. 10 und 11. Anmerk. der Red.