Bestand und Mehrung der Kriegsmarine

Textdaten
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Autor: Paul Koch
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Titel: Bestand und Mehrung der Kriegsmarine
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Dritter Band: Die Aufgaben der Politik, Achtzehntes Hauptstück: Die politischen Ziele der Mächte in der Gegenwart, 98. Abschnitt, S. 299−303
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[299]
b) Bestand und Mehrung der Kriegsmarine.
Von
Geh. Admiralitätsrat P. Koch, Berlin.


Wenig mehr als sechzig Jahre sind vergangen, seit zum ersten Male nach Jahrhundertelanger Pause ein Hoheitszeichen in deutschen Farben an der Gaffel eines Kriegschiffes gehisst ward, und erst im ersten Jahr des laufenden Jahrhunderts ward der Bestand der deutschen Kriegsflotte auf die feste gesetzmässige Grundlage gestellt, auf der sich nunmehr der Bau der Schiffe und die Ausgestaltung ihrer Organisation vollzieht.

Dieser Tatbestand kann nicht wundernehmen. Die Kleinstaaterei, die bis zum Jahre 1867 die deutsche Landkarte für sich in Anspruch nahm, konnte die Vertretung ihrer geringen Seeinteressen ruhig den wenigen Schiffen der Königlich Preussischen Flotte überlassen, die seit 1850 ihre Flagge in fernen Meeren zeigte, und von 1870 bis 1900 hatte das deutsche Reich mit der Ausgestaltung seines im Kriege mit Frankreich nur in den Grundvesten errichteten Baus so viel zu tun, dass für den Blick auf das Meer hinaus völlig die Zeit fehlte.

Dieses Blickes hatte sich das deutsche Volk in der lange Generationen währenden Beschäftigung mit Religions- und Bürgerkriegen durchaus entwöhnt. Hamburg und Bremen fühlten sich als Vertreter kosmopolitischer Interessen und der Volksgenosse, der über das grosse Wasser ging, blieb für die Heimat in weitaus der grössten Zahl der Fälle verloren. Erst als sich unter [300] dem Schutze des kaiserlichen Aars die Verhältnisse soweit verschoben hatten, dass auch den fernsten Binnenländern der Wert und die Bedeutung des Seeverkehrs für sein wirtschaftliches Wohlergehen nicht länger verschlossen bleiben konnte, ward man inne, dass ohne eine hinreichende Flottenmacht dieser Seeverkehr nicht so frei sich entfalten konnte, wie dies für die mit ihm verknüpften und in immer grösserem Massstabe anwachsenden Interessen unbedingt erforderlich war.

Immerhin bedurfte es einer nicht geringen Mühe, bis diese Ueberzeugung Gemeingut wurde, und es wird allezeit dem im Sommer 1897 an die Spitze der Marineverwaltung berufenen Staatssekretär Tirpitz als ein besonderes Verdienst anzurechnen sein, dass seine erste Arbeit darin bestand, den Begriff der Seeinteressen in seiner Bedeutung klar zu stellen, und ihn den Bewohnern des deutschen Binnenlands unter immer neuen Gesichtspunkten Tag für Tag vor Augen zu führen.

Auf Grund dieser Vorarbeit konnte er den weiteren Schritt unternehmen, die deutschen Politiker davon zu überzeugen, dass es ohne einen bestimmten gesetzlich anerkannten Plan nicht angängig sei, eine Flottenmacht zu organisieren und zu erhalten, die für ihren Kriegszweck jederzeit sich in voller Bereitschaft befinde.

Die militärischen Grundzüge dieser Organisation waren schon vorher wenn auch mit unzulänglichem Material und beschränkt in ihren Hilfsmitteln herausgearbeitet und erprobt, es handelte sich für Tirpitz nur darum, dem Bestand der Geschwader von Linienschiffen mit ihren Aufklärungskreuzern die gesetzmässige Unterlage zu schaffen, die für das Heer, soweit ein Vergleich bei den abweichenden Verhältnissen zulässig ist, in der Feststellung seiner Friedenspräsenzstärke und in der sonstigen gesetzlichen Ordnung der Heeresverfassung seit Begründung des Reiches vorhanden war.

Die Aufgabe der Marine ist eine doppelte. Einmal soll sie im Kriege der Flotte des Gegners entgegentreten und mit ihr um die Seeherrschaft ringen. Hierfür bedarf sie einer planmässigen Gliederung, wie sie im Heere in den Regimentern und Batterien vorhanden ist. Ausserdem soll sie im Frieden überall da erscheinen, wo dies zur Förderung heimatlicher Interessen erwünscht ist, sei es, dass diese unmittelbar bedroht sind, sei es, dass es sich darum handelt, den deutschen Landsleuten draussen vor Augen zu führen, dass das Vaterland zu ihrem Schutze bereit ist, und ihrer fremden Umgebung zugleich, dass deutsche Volksgenossen nicht ungestraft in ihrer friedlichen Betätigung gestört werden dürfen.

Für die Kriegsgliederung vermochte der Staatssekretär des Reichs-Marine-Amts auf eine lange Reihe geschichtlicher Vorgänge hinzuweisen, denn in ihrem Verwendungszweck und der Einsetzung ihrer Kräfte in der Schlacht haben die gewaltigen Wandlungen der Technik für die Linienschiffe und Kreuzer der Schlachtflotte kaum eine Veränderung hervorgebracht; für die Auslandsflotte waren Umfang und Bedeutung der vorhandenen Seeinteressen in Betracht zu ziehen.

Der Flottenplan, für den die Marineverwaltung im Jahre 1897 die gesetzliche Anerkennung forderte, umfasste demgemäss eine Schlachtflotte von zwei Geschwadern zu acht Linienschiffen nebst einem Flottenflaggschiff sowie 6 grosse und 16 kleine Kreuzer, die in entsprechenden Gruppen den planmässigen Aufklärungsdienst bei der Flotte zu versehen hatten. Für den Auslandsdienst wurden 3 grosse und 10 kleine Kreuzer vorgesehen, weiterhin für beide Bestandteile der Flotte eine entsprechende Materialreserve. Ausserdem wurden in den gesetzlichen Sollbestand die vorhandenen Küstenpanzerschiffe aufgenommen, die im Frieden in Reserveformationen Verwendung finden sollten, um im Kriege die entstehenden Lücken auszufüllen. Von jeder technischen Festlegung des Begriffes der einzelnen Schiffsklassen sah die Vorlage grundsätzlich ab.

Ausser für den Sollbestand traf das Flottengesetz für die Ausnutzung des Schiffsmaterials Vorsorge. Die eine Hälfte der Flotte sollte in dauernder Indiensthaltung zu steter Verwendung bereit sein, während von den übrigen Schiffen und den Küstenpanzern je die Hälfte als Stammschiffe von Reserveformationen die Besatzungen für den Rest der im Kriege in Dienst zu stellenden Schiffe ausbilden sollten. In ähnlicher Weise ward über die Bereithaltung der Kreuzer Bestimmung getroffen. Diesen Indiensthaltungplänen entsprechend wurde der Personalbedarf an Besatzungen in den gesetzlichen Plan mit einbegriffen, der in einem Bauplan und in der Feststellung an Altersgrenzen für die verschiedenen Schiffsklassen seine Bekrönung fand.

[301] Dass dieser Plan nur die Grundlage des Vorgehens und nicht zugleich einen bindenden Zwang darstellte, kam dadurch zum Ausdruck, dass die Bereitstellung der Mittel für die Durchführung des planmässigen Ausbaus der jährlichen Festsetzung durch den Reichshaushaltsetat in allen Beziehungen vorbehalten ward. Gleichzeitig wurde über die Höchstgrenze der Summen, auf deren Bewilligung die Marineverwaltung für die Ausführung ihres Planes imd die daraus sich ergebende Steigerung der fortdauernden Ausgaben in den nächsten Jahren rechnete, in dem Flottengesetz Bestimmung getroffen.

Es erübrigt, an dieser Stelle der schweren parlamentarischen Kämpfe zu gedenken, die der am 10. April 1898 erfolgten Verkündung des ersten Flottengesetzes vorangingen. Seine beste Begründung findet der darin verkörperte Gedanke dadurch, dass dieser selbst in seinen Grundlinien die unveränderte Basis des Ausbaus unserer Flotte in den seither vergangenen sechzehn Jahren geblieben ist, wenn auch der Sollbestand der Schiffe inzwischen nach der Zahl, der Altersgrenze und schliesslich in den Abmessungen erheblichen Veränderungen unterworfen werden musste. Gerade darin, dass dieser feste Rahmen doch eine so grosse Bewegungsfreiheit gestattete, liegt der nicht hoch genug einzuschätzende Vorzug des Tirpitz’schen Flottenplans. Bereits im folgenden Herbst wurde eine Erweiterung des Flottengesetzes durch Verdoppelung der Schlachtflotte und durch Vermehrung der grossen Auslandskreuzer für erforderlich erachtet. Der gesamten Kulturwelt war durch schwer wiegende Ereignisse, den spanisch-amerikanischen Krieg, den englisch-französischen Faschoda-Zwischenfall, die Wirren von Samoa, den Burenkrieg und die Beschlagnahme deutscher Dampfer, die von Kapitän Mahan vorgetragene Lehre von der Bedeutung der Seegewalt für die Geschichte der Völker zu klarem Bewusstsein gekommen, allenthalben schickte man sich an, den Bestand der Flotten zu mehren und Deutschland konnte nicht zurückbleiben, wenn es ferner seine Stellung in der Welt gegenüber Frankreich und England und neben Russland und Amerika behaupten wollte.

Die im Januar 1900 beim Reichstag eingebrachte Novelle zum Flottengesetz umfasste die Bildung eines zweiten Doppelgeschwaders für die Schlachtflotte bei gleichzeitiger Streichung der Küstenpanzerschiffe aus dem Sollbestand, die aber bis zu ihrem planmässigen Ersatz auf die Linienschiffe in Anrechnung kommen sollten. Ausserdem wurden fünf grosse und fünf kleine Kreuzer für den Auslandsdienst und die notwendige Materialreserve für diesen vermehrten Schiffsbestand gefordert. In bezug auf die Verwertung dieses Materials traf die Novelle analoge Bestimmungen, wie das in Geltung befindliche Flottengesetz während zugleich für den Personalbestand, die Ersatzbaufrist und die Bereitstellung der Mittel die Grundsätze dieses Gesetzes aufrecht erhalten wurden.

Einen wesentlichen Bestandteil der Gesetzesvorlage bildete der Bauplan, nach welchem alljährlich für die Herstellung des Sollbestands und den planmässigen Ersatz drei grosse und drei kleine Schiffe auf Stapel gelegt werden sollten.

In den Beratungen über das Gesetz stand nicht eigentlich dieses selbst, sondern vielmehr die Frage der Kostendeckung im Mittelpunkt der Erörterungen. Sie endete mit der Annahme der Vorlage unter Absetzung der Auslandsschiffe. Hiermit konnten die verbündeten Regierungen sich einverstanden erklären, weil nach dem Bauplan ohnehin die Schlachtflotte vorangehen und die in Frage kommenden Kreuzer erst von 1906 an in Bau genommen werden sollten.

Mit der Annahme des Gesetzes hatten Regierung und Volk den festen Willen bekundet, dass das Deutsche Reich in der Weltpolitik und auf dem Weltmarkt seine Stellung und seine Interessen behaupten, sichern und fördern wollte. Der Zweck dieser Flotte war die Wahrung des Friedens, aber „nicht eines Friedens um jeden Preis sondern eines Friedens in Ehren, der den berechtigten Bedürfnissen des Volkes Rechnung trug.“ – Sie sollte so stark sein, dass auch der stärkste Gegner „sich dreimal besinnen sollte, mit ihr auzubinden.“ Diesen Zweck hat man in England nicht verstehen wollen, wo jeder dem Plan entsprechende den Fortschritten der Technik angepasste Neubau als Bedrohung aufgefasst wurde.

In der Durchführung des gesetzlichen Planes ist seit seiner Annahme nicht einen Augenblick geschwankt oder gezögert worden. Der Schiffbauetat wie die Mannschaftsvermehrungen stützten sich überall auf die dem Gesetz zu Grunde gelegten Berechnungen, Hand in Hand damit ging der [302] Ausbau der Marineanlagen am Lande: Docks und eine dritte Einfahrt in Wilhelmshaven, eine Nordwerft in Kiel, eine Vervollständigung in Danzig, sowie die Errichtung der notwendigen Kasernen, Lazarette und Bildungsanstalten. Für letztere griff die Verwaltung auf die früher noch nicht beanspruchten Strände und Reeden von Flensburg und Sonderburg über. Gleichzeitig wurde dem Ausbau der Küstenbefestigungen insbesondere in der Nordsee entsprechend Rechnung getragen.

Die im Jahre 1906 eingebrachte Gesetzesnovelle, welche die noch fehlenden Auslandskreuzer forderte, fand unbestrittene Annahme, denn der Flottengedanke war seither dem deutschen Volke durch fortgesetzte Aufklärungsarbeit durch die überzeugende Macht der Tatsachen und nicht zuletzt durch den Ausblick auf die unverdrossene zielbewusste Arbeit innerhalb der Marine in Fleisch und Blut übergegangen. Eine letzte Ergänzung fand endlich die gesetzliche Grundlage des Flottenausbaus durch die mit dem Etat für 1908 angeforderte Änderung, indem die im Gesetz von 1900 festgesetzten Dauerzeiten der Schiffe einheitlich auf nur noch 20 Jahre bemessen wurden. Die ältere Festsetzung, die für die Linienschiffe 25 Jahre verlangte, trug den Wandlungen der Technik nicht in genügendem Masse Rechnung, zumal das zu ersetzende Schiff, bis der Neubau nach Absolvierung seiner Probefahrten in die Schlachtlinie eintreten konnte, fast 30 Jahre lang auf seinem Posten ausharren musste.

Inzwischen war, nicht völlig unvermittelt aber doch nach allen Seiten bedeutungsvoll, ein sehr erheblicher Umschwung in den Schiffstypen in die Erscheinung getreten. In der Hoffnung, einen nicht einzuholenden Vorsprung zu erlangen, hatte England schon 1905 einen folgenschweren Schritt getan, indem es ein im Deplazement und der Zahl seiner schweren Geschütze erheblich gesteigertes Linienschiff, den „Dreadnought“ auf Stapel legte, der mit der Gewalt seiner Breitseite allen vorhandenen Linienschiffen der fremden Marinen überlegen sein sollte.

Die britische Admiralität hatte nicht bedacht, dass es angesichts dieses Schrittes auch für die übrigen Seemächte kein Zurück gab, und dass vor allem die deutsche Marineverwaltung, deren Werften in ihrer Leistungsfähigkeit den englischen kaum nachstanden, durch nichts behindert war, ihr auf dem beschrittenen Wege zu folgen. Wie sehr sich für England die Frage der unbestrittenen Vormacht auf den Meeren hierdurch verschärfte, wie der Unmut und die Sorge des englischen Volkes in schlimmen Hetzereien und Verdächtigungen gegen Deutschland zum Ausdruck kamen, ist heut so gut wie vergessen. Es genügt zu erwähnen, dass bereits die Schiffe des Etats für 1906 dem „Dreadnought“ im Deplazement folgten, und dass nach Fertigstellung des ersten Geschwaders derartiger Schiffe, der sogenannten „Nassau“-Klasse, die nächste Gruppe sich die inzwischen gewonnenen Erfahrungen und Verbesserungen zu Nutze machte, dergestalt, dass die älteren schwächer armierten Schiffe mit der Zeit ganz in die Reserveformationen zurückgezogen werden konnten. Die Kritik des Auslandes an unserer Marinepolitik kann uns nur den Beweis erbringen, dass wir uns auf dem rechten Wege befinden, und dass unsere Flotte mehr und mehr ein geeignetes Werkzeug geworden ist, uns, wie das Gesetz es wollte, den „Frieden in Ehren“ zu wahren. Der Erörterungen über die Verhältniszahl zwischen den englischen und deutschen Linienschiffen sei gedacht, sie haben ebenso wie die Frage des „Feierjahrs“ nur akademische Bedeutung.

Entsprechend der Durchführung des gesetzlichen Bauplanes wurde auch die Organisation der Flotte in Gemässheit dieser Grundlage ausgestaltet. An die Stelle der alten nur vorübergehend zusammentretenden Übungsflotte trat die aus einem Flottenflaggschiff und zwei Geschwadern von Linienschiffen gebildete und dauernd im Dienst befindliche Hochseeflotte. Zu dieser gehören zwei Gruppen von Aufklärungsschiffen, aus grossen und kleinen Kreuzern gebildet, und die aus je zwei Halbflottillen zusammengesetzten Torpedobootsflottillen, während die Stammschiffe der Reservedivision organisatorisch als zu den Stationskommandos gehörig betrachtet wurden, und nur gelegentlich ihrer Aktivierungen zur Flotte treten.

Die Durchführung des Bauplanes hat es in letzter Zeit nunmehr auch ermöglicht, das Rückgrat unserer überseeischen Vertretung, das sogenannte Kreuzergeschwader, mit modernen grossen Schiffen auszustatten, während allerdings die einzelnen Auslandsstationen zum Teil noch immer mit älteren in ihrer Gefechtskraft minderwertigen Fahrzeugen besetzt sind.

[303] Durch das Flottengesetz ist nur die Organisation der Schlachtflotte und der Bestand der Auslandsschiffe geregelt. Es umfasst nicht die für den Ausbildungsbetrieb notwendigen Schiffe, ferner nicht die Zahl der Torpedoboote und endlich nicht die neue Waffe der Unterseeboote, an deren militärischem Wert nicht mehr zu zweifeln ist, und die doch allzulange ihre Bedeutung mehr im Streit der politischen Parteien fanden.

Schon General v. Caprivi hatte – seinerzeit allerdings für die Linienschiffe – vor dem Luxus fehlgeschlagener Experimente gewarnt, es wird für alle Zeiten dem Chef der Marineverwaltung hoch angerechnet werden müssen, dass er auch bei diesen Booten erst vorging, nachdem durch das von fremden Nationen gezahlte Lehrgeld hinreichende Erfahrungen gesammelt waren. Auch die deutsche Marine hat inzwischen erfahren müssen, dass das Unterseeboot eins der schwierigsten Werkzeuge unserer maritimen Rüstung ist, und dass die ihm auch im Friedensdienst drohenden Gefahren vielseitiger und furchtbarer sind, als sie in irgendeinem anderen Zweige des Seemannsberufes angetroffen werden. Die Haltung der Offiziere und Mannschaften des in der Kieler Bucht gesunkenen Bootes gab uns eine freudige und stolze Gewähr dafür, dass das deutsche Volk sich auf seine Marine unter allen Umständen verlassen kann.

Mit dem Rechnungsjahr 1912 war die Gesamtzahl der Schiffe des Flottengesetzes in Bau genommen und damit der Zustand erreicht, dass für die jährlich anzufordernden Schiffe nur noch Ersatzbauten in Frage kamen. Gleichzeitig waren durch die bereits mehrere Jahre andauernden Übungen vollwertiger Schiffe in den im Gesetz vorgesehenen Verbänden hinreichende Erfahrungen gesammelt.

Die letzteren wiesen darauf hin, noch einen weiteren Ausbau der Organisation ins Auge zu fassen. Infolge der allgemeinen Wehrpflicht kann es unserer Flotte an ausreichenden Mannschaftsersatz zwar niemals fehlen, anderseits aber muss auf die Ausbildung der Ersatzmannschaften eine äusserst umfangreiche Arbeit verwendet werden, und alljährlich tritt ein Zeitpunkt ein, wo nach Entlassung der Reserven die Kriegsbereitschaft der Schlachtflotte herabgesetzt wird. Diesem Missstande sollte die zugleich mit der Heeresvorlage eingebrachte Flottennovelle abhelfen, die unter teilweisem Verzicht auf die Reserveformationen die Indiensthaltung eines dritten aktiven Geschwaders forderte. Diese organisatorische Massnahme erheischt eine geringfügige Ergänzung des gesetzmässigen Sollbestandes, während sich an der von Anfang an feststehenden Zweckbestimmung der Flotte nichts ändert. Die überwältigende Mehrheit bei der Annahme dieser Novelle bewies, dass das deutsche Volk nach wie vor willens ist, für die Wahrung des Friedens in Ehren die von ihm verlangten Opfer darzubringen. Ein neues Gebiet eröffnete sich der Marineverwaltung durch die Einbeziehung der Luftschiffahrt in die ihr obliegenden Aufgaben. Es handelte sich hier um ein Gebiet, auf dem wir den anderen Marinen folgen mussten, und auf dem es der Voraussicht nach kein Halten mehr gibt.

Seit nunmehr 16 Jahren ist in der oberen Leitung des Reichs-Marine-Amtes kein Wechsel eingetreten. Unbeirrt vom Wandel der Meinungen ist in dieser Zeit ein Werk geschaffen, auf das die Mitarbeiter mit gerechtem Stolz und unsere maritimen Nebenbuhler mit schlecht verhehltem Neide blicken. Die Geschichte der jüngsten Zeit lehrte uns augenfällig, wie die Flotte mehr und mehr durch ihr Schwergewicht ihren Zweck erfüllt, uns den Frieden zu wahren, und diese Periode rastloser Arbeit wird für alle Zeiten in der Geschichte unserer Marine einen ehrenvollen Platz für sich in Anspruch nehmen.