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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Ausbau der Marineanlagen am Lande: Docks und eine dritte Einfahrt in Wilhelmshaven, eine Nordwerft in Kiel, eine Vervollständigung in Danzig, sowie die Errichtung der notwendigen Kasernen, Lazarette und Bildungsanstalten. Für letztere griff die Verwaltung auf die früher noch nicht beanspruchten Strände und Reeden von Flensburg und Sonderburg über. Gleichzeitig wurde dem Ausbau der Küstenbefestigungen insbesondere in der Nordsee entsprechend Rechnung getragen.

Die im Jahre 1906 eingebrachte Gesetzesnovelle, welche die noch fehlenden Auslandskreuzer forderte, fand unbestrittene Annahme, denn der Flottengedanke war seither dem deutschen Volke durch fortgesetzte Aufklärungsarbeit durch die überzeugende Macht der Tatsachen und nicht zuletzt durch den Ausblick auf die unverdrossene zielbewusste Arbeit innerhalb der Marine in Fleisch und Blut übergegangen. Eine letzte Ergänzung fand endlich die gesetzliche Grundlage des Flottenausbaus durch die mit dem Etat für 1908 angeforderte Änderung, indem die im Gesetz von 1900 festgesetzten Dauerzeiten der Schiffe einheitlich auf nur noch 20 Jahre bemessen wurden. Die ältere Festsetzung, die für die Linienschiffe 25 Jahre verlangte, trug den Wandlungen der Technik nicht in genügendem Masse Rechnung, zumal das zu ersetzende Schiff, bis der Neubau nach Absolvierung seiner Probefahrten in die Schlachtlinie eintreten konnte, fast 30 Jahre lang auf seinem Posten ausharren musste.

Inzwischen war, nicht völlig unvermittelt aber doch nach allen Seiten bedeutungsvoll, ein sehr erheblicher Umschwung in den Schiffstypen in die Erscheinung getreten. In der Hoffnung, einen nicht einzuholenden Vorsprung zu erlangen, hatte England schon 1905 einen folgenschweren Schritt getan, indem es ein im Deplazement und der Zahl seiner schweren Geschütze erheblich gesteigertes Linienschiff, den „Dreadnought“ auf Stapel legte, der mit der Gewalt seiner Breitseite allen vorhandenen Linienschiffen der fremden Marinen überlegen sein sollte.

Die britische Admiralität hatte nicht bedacht, dass es angesichts dieses Schrittes auch für die übrigen Seemächte kein Zurück gab, und dass vor allem die deutsche Marineverwaltung, deren Werften in ihrer Leistungsfähigkeit den englischen kaum nachstanden, durch nichts behindert war, ihr auf dem beschrittenen Wege zu folgen. Wie sehr sich für England die Frage der unbestrittenen Vormacht auf den Meeren hierdurch verschärfte, wie der Unmut und die Sorge des englischen Volkes in schlimmen Hetzereien und Verdächtigungen gegen Deutschland zum Ausdruck kamen, ist heut so gut wie vergessen. Es genügt zu erwähnen, dass bereits die Schiffe des Etats für 1906 dem „Dreadnought“ im Deplazement folgten, und dass nach Fertigstellung des ersten Geschwaders derartiger Schiffe, der sogenannten „Nassau“-Klasse, die nächste Gruppe sich die inzwischen gewonnenen Erfahrungen und Verbesserungen zu Nutze machte, dergestalt, dass die älteren schwächer armierten Schiffe mit der Zeit ganz in die Reserveformationen zurückgezogen werden konnten. Die Kritik des Auslandes an unserer Marinepolitik kann uns nur den Beweis erbringen, dass wir uns auf dem rechten Wege befinden, und dass unsere Flotte mehr und mehr ein geeignetes Werkzeug geworden ist, uns, wie das Gesetz es wollte, den „Frieden in Ehren“ zu wahren. Der Erörterungen über die Verhältniszahl zwischen den englischen und deutschen Linienschiffen sei gedacht, sie haben ebenso wie die Frage des „Feierjahrs“ nur akademische Bedeutung.

Entsprechend der Durchführung des gesetzlichen Bauplanes wurde auch die Organisation der Flotte in Gemässheit dieser Grundlage ausgestaltet. An die Stelle der alten nur vorübergehend zusammentretenden Übungsflotte trat die aus einem Flottenflaggschiff und zwei Geschwadern von Linienschiffen gebildete und dauernd im Dienst befindliche Hochseeflotte. Zu dieser gehören zwei Gruppen von Aufklärungsschiffen, aus grossen und kleinen Kreuzern gebildet, und die aus je zwei Halbflottillen zusammengesetzten Torpedobootsflottillen, während die Stammschiffe der Reservedivision organisatorisch als zu den Stationskommandos gehörig betrachtet wurden, und nur gelegentlich ihrer Aktivierungen zur Flotte treten.

Die Durchführung des Bauplanes hat es in letzter Zeit nunmehr auch ermöglicht, das Rückgrat unserer überseeischen Vertretung, das sogenannte Kreuzergeschwader, mit modernen grossen Schiffen auszustatten, während allerdings die einzelnen Auslandsstationen zum Teil noch immer mit älteren in ihrer Gefechtskraft minderwertigen Fahrzeugen besetzt sind.

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/318&oldid=- (Version vom 27.12.2021)