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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Dass dieser Plan nur die Grundlage des Vorgehens und nicht zugleich einen bindenden Zwang darstellte, kam dadurch zum Ausdruck, dass die Bereitstellung der Mittel für die Durchführung des planmässigen Ausbaus der jährlichen Festsetzung durch den Reichshaushaltsetat in allen Beziehungen vorbehalten ward. Gleichzeitig wurde über die Höchstgrenze der Summen, auf deren Bewilligung die Marineverwaltung für die Ausführung ihres Planes imd die daraus sich ergebende Steigerung der fortdauernden Ausgaben in den nächsten Jahren rechnete, in dem Flottengesetz Bestimmung getroffen.

Es erübrigt, an dieser Stelle der schweren parlamentarischen Kämpfe zu gedenken, die der am 10. April 1898 erfolgten Verkündung des ersten Flottengesetzes vorangingen. Seine beste Begründung findet der darin verkörperte Gedanke dadurch, dass dieser selbst in seinen Grundlinien die unveränderte Basis des Ausbaus unserer Flotte in den seither vergangenen sechzehn Jahren geblieben ist, wenn auch der Sollbestand der Schiffe inzwischen nach der Zahl, der Altersgrenze und schliesslich in den Abmessungen erheblichen Veränderungen unterworfen werden musste. Gerade darin, dass dieser feste Rahmen doch eine so grosse Bewegungsfreiheit gestattete, liegt der nicht hoch genug einzuschätzende Vorzug des Tirpitz’schen Flottenplans. Bereits im folgenden Herbst wurde eine Erweiterung des Flottengesetzes durch Verdoppelung der Schlachtflotte und durch Vermehrung der grossen Auslandskreuzer für erforderlich erachtet. Der gesamten Kulturwelt war durch schwer wiegende Ereignisse, den spanisch-amerikanischen Krieg, den englisch-französischen Faschoda-Zwischenfall, die Wirren von Samoa, den Burenkrieg und die Beschlagnahme deutscher Dampfer, die von Kapitän Mahan vorgetragene Lehre von der Bedeutung der Seegewalt für die Geschichte der Völker zu klarem Bewusstsein gekommen, allenthalben schickte man sich an, den Bestand der Flotten zu mehren und Deutschland konnte nicht zurückbleiben, wenn es ferner seine Stellung in der Welt gegenüber Frankreich und England und neben Russland und Amerika behaupten wollte.

Die im Januar 1900 beim Reichstag eingebrachte Novelle zum Flottengesetz umfasste die Bildung eines zweiten Doppelgeschwaders für die Schlachtflotte bei gleichzeitiger Streichung der Küstenpanzerschiffe aus dem Sollbestand, die aber bis zu ihrem planmässigen Ersatz auf die Linienschiffe in Anrechnung kommen sollten. Ausserdem wurden fünf grosse und fünf kleine Kreuzer für den Auslandsdienst und die notwendige Materialreserve für diesen vermehrten Schiffsbestand gefordert. In bezug auf die Verwertung dieses Materials traf die Novelle analoge Bestimmungen, wie das in Geltung befindliche Flottengesetz während zugleich für den Personalbestand, die Ersatzbaufrist und die Bereitstellung der Mittel die Grundsätze dieses Gesetzes aufrecht erhalten wurden.

Einen wesentlichen Bestandteil der Gesetzesvorlage bildete der Bauplan, nach welchem alljährlich für die Herstellung des Sollbestands und den planmässigen Ersatz drei grosse und drei kleine Schiffe auf Stapel gelegt werden sollten.

In den Beratungen über das Gesetz stand nicht eigentlich dieses selbst, sondern vielmehr die Frage der Kostendeckung im Mittelpunkt der Erörterungen. Sie endete mit der Annahme der Vorlage unter Absetzung der Auslandsschiffe. Hiermit konnten die verbündeten Regierungen sich einverstanden erklären, weil nach dem Bauplan ohnehin die Schlachtflotte vorangehen und die in Frage kommenden Kreuzer erst von 1906 an in Bau genommen werden sollten.

Mit der Annahme des Gesetzes hatten Regierung und Volk den festen Willen bekundet, dass das Deutsche Reich in der Weltpolitik und auf dem Weltmarkt seine Stellung und seine Interessen behaupten, sichern und fördern wollte. Der Zweck dieser Flotte war die Wahrung des Friedens, aber „nicht eines Friedens um jeden Preis sondern eines Friedens in Ehren, der den berechtigten Bedürfnissen des Volkes Rechnung trug.“ – Sie sollte so stark sein, dass auch der stärkste Gegner „sich dreimal besinnen sollte, mit ihr auzubinden.“ Diesen Zweck hat man in England nicht verstehen wollen, wo jeder dem Plan entsprechende den Fortschritten der Technik angepasste Neubau als Bedrohung aufgefasst wurde.

In der Durchführung des gesetzlichen Planes ist seit seiner Annahme nicht einen Augenblick geschwankt oder gezögert worden. Der Schiffbauetat wie die Mannschaftsvermehrungen stützten sich überall auf die dem Gesetz zu Grunde gelegten Berechnungen, Hand in Hand damit ging der

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/317&oldid=- (Version vom 27.12.2021)