« Kapitel B 20 Beschreibung des Oberamts Weinsberg Kapitel B 22 »
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Neulautern,


Gemeinde III. Cl. mit 593 Einw., worunter 7 nach Affaltrach eingepfarrte Katholiken und 3 Dissent. a) Neulautern mit 572 Einw., worunter 7 Kath. b) Altlautern, Weiler mit 63 Einw. c) Eisenlautern, Weiler mit 28 Einw. d) Roßstaig, Weiler mit 30 Einw. Ständige evang. Pfarrverweserei.

Neulautern liegt 43/8 Stunden (geom.) südöstlich von der Oberamtsstadt, 11/2 Stunden von Löwenstein entfernt, in dem tiefen, romantischen Lauterthale jenseits des Löwensteiner Gebirges. Bis auf die Höhe oberhalb der alten Burg Löwenstein vermittelt die Heilbronn–Mainhardt–Haller Post- und Landstraße die Verbindung mit der Oberamtsstadt. Von da zieht eine neu angelegte, die frühere schroffe Steige umgehende Vicinalstraße durch den Wald in das Lauterthal hinab und führt durch dasselbe hindurch bei Sulzbach in das Murrthal und nach Backnang. Ein am südlichen Abhange der Wüstenrother Höhe entspringender kleiner Bach, der Buchenbach, bildet einen südwestlich ziehenden Thaleinschnitt, welcher bei Neulautern in das Lauterthal ausmündet. Von hier aus stieg die bei Wüstenroth genannte alte Poststraße (Backnang–Mainhardt) in Schlangenwendungen durch den Buchenwald auf die Höhe von Wüstenroth hinauf und bildet noch jetzt die Verbindung mit diesem Ort und der Umgegend.

Das schmale Wiesenthal der, ihren Namen mit Recht führenden, klaren, raschfließenden Lauter, welche, wie ihre Namensschwestern, Forellen beherbergt, ist zu beiden Seiten mit mattenreichen, steilen, baumbewachsenen, zum Theil waldigten Anhöhen eingefaßt und gewährt mit dem freundlichen, von der Straße durchschnittenen, Dörfchen einen anmuthigen Anblick.

Die Gebäude sind zum Theil unansehnlich, aber ziemlich reinlich gehalten, wie auch die Ortsstraße, was einen günstigen Eindruck macht. Mehrere Wohnungen sind von städtischem Ansehen und verblendet. Ziemlich viele steinerne Stöcke. Einzelne kleine Wohnungen hängen wie Schwalbennester am westlichen Bergesabhange. Nahe am südwestlichen Ausgange des Dorfes steht das erst 1838 neu erbaute stattliche Schul- und Rathhaus, dessen geräumiges helles Lehrzimmer, seit der im Jahr 1852 erfolgten Exparochirung von dem gar zu entfernten Löwenstein, provisorisch zu Haltung der Gottesdienste durch einen eigenen ständigen Pfarrverweser benützt wird, bis der längst in Aussicht gestellte Betsaal (auf Staatskosten) errichtet seyn wird. Im unteren steinernen Stock ist das geräumige| Rathszimmer mit Registratur und Gefängniß und einem freundlichen Zimmer für eine Industrie- und Kleinkinderschule, welche in diesem wegen seiner Armuth längst unter besondere Staatsfürsorge genommenen Orte, schon seit 1838 auf Kosten der Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins errichtet sind; die Kleinkinderschule ist jetzt in Gefahr einzugehen.

Rückwärts wurde erst 1859 eine Scheuer zu Ökonomiehaltung erbaut und dem Lehrer wurden 41/2 Morgen Güter als Besoldungstheile überlassen; im zweiten Stock ist zunächst dem Lehrzimmer die Wohnung des Lehrers. Über dem Dach ist ein Thürmchen mit einer Uhr und einer Glocke. Der Pfarrverweser wohnt in einem kleinen gemietheten Lokale.

Ein eigener Gottesacker auf der Anhöhe vor dem nordwestlichen Anfange des Dorfes ist in den Jahren 1850 angelegt worden. Derselbe ist mit einem Bretterzaun umfriedigt.

Ein gutes Schildwirthshaus steht unweit dem südöstlichen Ausgange des Dorfes; außer diesem sind noch zwei Schildwirthschaften im Orte.

Gutes Trinkwasser liefern drei laufende öffentliche Brunnen.

Die Einwohner sind im Allgemeinen gesunde, aufgeweckte, durch ihr Handlerleben routinirte Leute. Zu diesem Händlerleben nöthigt sie der Mangel an Grundbesitz (s. unten) und Manche sind Wochen- und Monate lang auf der Handelschaft von Hause abwesend, was für ihre eigene Sittlichkeit, wie für das Familienleben und die Kinderzucht von höchst nachtheiligem Einfluß ist und die Staatsfürsorge um so dringender forderte. Die bei Weitem größere Zahl ist durchaus unbemittelt und der größte Güterbesitz in einer Hand beträgt 20–25 Morgen, während zwei Drittel kaum 1/2–3 Morgen und ein Drittel gar keinen Grundbesitz haben. Zu Taglohnarbeiten ist deßhalb auch fast gar keine Gelegenheit gegeben, außer auf den Gütern des Hammerwerks des benachbarten Eisenlautern, und bei der auf höhere Anregung im Jahr 1844 errichteten mechanischen Webefabrik, welche zwischen Neu- und Eisenlautern an der Lauter steht und gegen 40 Arbeiter beschäftigt. Eigenthümer davon sind Gebr. Pilger von Heilbronn. Hier sind 104 mechanische Webestühle aufgestellt und auch auswärtige Weber erhalten von hier aus Arbeit. Die Handelschaft, welche Andere treiben, beschäftigt sich mit Glas, Hafnergeschirr, Holzwaaren, Waldbeeren, Lumpen, alt Eisen, Knochen u. s. w.

Die 1302 Morg. große Gemeindemarkung enthält nur 22 Morg. Gärten und Länder, nur 52 Morg. Äcker, 157 Morg. einmähdige| Wiesen und 1027 Morg. Laubwaldung, wovon 1024 Morg. der Grundherrschaft, dem Fürsten von Löwenstein, und nur zwischen 2 und 3 Morg. der Gemeinde gehören. Von den 52 Morg. Äcker sind 4 Morg. und daneben 19 Morg. Wiesen Gemeindeeigenthum. Der Grundherrschaft gehören von den Wiesen 27 Morg.

Wo eine ganze Gemeinde nur 52 Morg. Ackerfeld hat, da kann von Landwirthschaft kaum die Rede seyn. Es leuchtet von selbst ein, daß kaum der Bedarf weniger Familien gebaut werden kann. Der Boden wäre übrigens nicht unergiebig. Die Wiesen, meist an den Abhängen und im Thale gelegen, liefern per Morgen 20–25 Ctr. Heu, und ca. 10–12 Ctr. Öhmd. Das Nachgras der nahe gelegenen Gärten wird grün verfüttert. Die Preise eines Morgens Ackers bewegen sich zwischen 100–200 fl., die eines Morgens Wiesen zwischen 175–180 fl.

Die Obstzucht ist im Verhältniß zur Markung bedeutend. Die Bäume werden sorgfältig behandelt und gewähren einen guten Ertrag. Übrigens findet man mehr Most- als edlere Sorten wegen der langdauernden Frühlingsfröste.

Der Ertrag der Wiesen wird für 81 Stück Rindvieh benützt. Unter diesen waren bei der neuesten Aufnahme nur 10 Ochsen und Stiere, 45 Kühe und 26 Stück Schmalvieh. Man findet hier, wie überall in der Gegend, den sog. kleineren Neckarschlag, wiewohl von minderer Stärke, zu dessen Nachzucht ein tüchtiger Farren auf Kosten der Gemeinde von einem Bürger gehalten wird. Die Gemeinde überläßt ihm hiezu 31/2 Morgen Wiesen und das Sprunggeld von etwaigen Auswärtigen. Pferde sind nur 6 in der Gemeinde vorhanden; Schafe keine; Ziegen dagegen, besonders bei den vorhandenen vielen Armen, 29; Schweinszucht kommt nur bei den wenigen Wohlhabenderen vor. Es waren bei der letzten Aufnahme 10 Mutterschweine und 12 Mastschweine vorhanden; die Bienenzucht ist auch nicht bedeutend. Es waren am 1. Januar d. J. 32 Stöcke in der Gemeinde.

Vor einem Jahrzehnt ungefähr wollte der Gemeinde durch Errichtung einer Thonwaarenfabrik aufgeholfen werden, wozu die Thongruben im benachbarten Stangenbach Veranlassung gaben. Die Sache fand aber weniger Fortgang, weil es an Absatz fehlte, und das Etablissement wurde von den Gebrüdern Pilger in Heilbronn angekauft und in eine mechanische Weberei mit Färberei umgewandelt, welche durch ihre Bauten und Anlagen die Gegend belebt und gegen 60 junge und alte Leute der Umgegend beschäftigt und in Nahrung setzt.

| Neben den gewöhnlichsten Gewerben für Lokalbedürfnisse sind zu nennen drei Schildwirthschaften in Neulautern und eine in Roßstaig und zwei kleine Krämereien.

Über den Gemeindehaushalt s. Tab. III. Stiftungen sind keine vorhanden, außer der Heilbr. Schuler’schen Stiftung von 600 fl. (s. Wüstenroth); aber in den 1830ger Jahren wurde auf Anregung des Stadtpfarrers von Löwenstein, wohin die Gemeinde damals noch eingepfarrt war, eine Ortsarmenkasse errichtet, welche durch ständige jährliche Beiträge der Vermöglicheren auf 900 fl. angewachsen ist und bald die Stelle eines pium Corpus vertreten wird. Der Ortsschulfond ist ganz unbedeutend und hat nur 10 fl. Activa im Vermögen.

b) Altlautern, Weiler mit 63 Einw., liegt schwach 5/8 Stunden oberhalb Neulautern, an einem Thaleinschnitte, der vom Fuße des Stocksbergs mit einer Quelle herkommend, in das hier sehr schmale Lauterthal einmündet. Armselige, einstockige Hütten zwischen hohen Waldbergen, welche kaum der Lauter und der Vicinalstraße von Löwenstein her den Durchzug gestatten. Die Einwohner, fast ohne allen Grundbesitz, nähren sich mit Holzmachen und Kohlenbrennen oder Weben. Die Häuser werden allmählig angekauft und abgebrochen, so daß der Weiler bald von der Karte verschwinden wird. Bereits sind drei abgebrochen, vier stehen noch.

c) Ein erfreulicheres Bild von Wohlhabenheit und Rührigkeit gibt der Weiler Eisenlautern mit 28 Einw., auch Hammerschmidte genannt, etwas über 3/8 Stunden unterhalb Neulautern an der Straße gelegen. Die Lauter, hier in einen kleinen mit Erlen etc. bewachsenen See gefaßt, treibt ein schon im Jahr 1710 gegründetes Werk von zwei Hämmern, einem Groß- und einem Kleinhammer, welches 1832 neun Arbeiter beschäftigte. Im Vordergrund steht das freundliche Wohnhaus des Hammerwerkbesitzers Ludwig Bruckmann mit den erforderlichen Magazin- und Ökonomiegebäuden und einem anmuthigen Garten. Seinen Absatz findet das Werk vorzüglich im Inland. Die ganze Parcelle mit allen Gütern und Häusern gehört jetzt dem genannten Hammerwerkbesitzer.

d) Der zur Gemeinde gehörige Weiler Roßstaig mit 30 Einw. ist Filial der kirchlichen Gemeinde Spiegelberg, Oberamts Backnang, von welcher er nur 1/4 Stunde entfernt ist, 1/8 Stunde südwestlich von Eisenlautern, eine starke halbe Stunde von Neulautern entfernt. Zum Oberamt Weinsberg gehört nur Unter-Roßstaig, eine an der Straße liegende, schöne Bierbrauerei und Wirthschaft und noch drei unansehnliche Häuser an der Anhöhe. Ober-Roßstaig gehört zum Oberamt Backnang. Die ökonomischen Verhältnis sind so ziemlich| dieselben, wie in der ganzen Gemeinde. Trinkwasser hat der Ort von einer aus dem Berg quillenden in einen Trog gefaßten Quelle.

Der Ort kommt schon im 8. Jahrhundert vor unter dem Namen Luutra, da das Kloster Fulda mit Gütern allhier und in der Nachbarschaft im Jahr 779 von einem Grafen Kunibert (Wirt. Urk.-Buch 2, 437) und um dieselbe Zeil noch anderen (Traditiones Fuldenses H. v. Dronke 7) beschenkt wurde. Er gehörte in späterer Zeit zur Herrschaft Löwenstein, theilte deren Schicksale und blieb bei derselben bis auf die neueste Zeit, wie denn noch jetzt der Fürst von Löwenstein-Wertheim-Freudenberg allhier Grundherr ist. Die hiesige Glashütte, wovon der Ort auch den Namen Glaslautern trug, ist seit 1821 nach einem Bestand von ein paar Jahrhunderten abgegangen. Die mitten im Ort stehende Hütte wurde abgebrochen und andere Häuser auf dem Platze aufgeführt, der noch jetzt der Hüttenplatz heißt. Bis 1852 Filial von dem 11/2 Stunden entfernten Städtchen Löwenstein wurde es in diesem Jahre exparochirt und eine eigene ständige Pfarrverweserei hier errichtet.

Gefällberechtigt war hier zur Zeit der Ablösungsgesetze von 1848 und 1849: a) der Fürst von Löwenstein-Freudenberg, b) der Fürst von Löwenstein-Rosenberg, c) das Cameralamt Weinsberg.


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