« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Weinsberg Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.


1. Bevölkerung.
A. Stand derselben.

Volksmenge. Nach den amtlichen Bevölkerungslisten betrug die ortsangehörige Bevölkerung des Bezirks:

im Jahre männl. weibl. zusammen
1812 Nov. 1 12.361 12.744 25.105
1822 Nov. 1 12.247 12.692 24.939
1832 Nov. 1 13.129 13.591 26.720
1842 Dezbr. 15. 13.631 13.951 27.582 [1]
1846 Dezbr. 3. 13.510 13.901 27.411
1855 Dezbr. 3. 13.426 13.739 27.165
1857 Dezbr. 3. 13.477 13.858 27.335
1858 Dezbr. 3. 13.437 13.900 27.337
1859 Dezbr. 3. 13.498 13.951 27.449
1860 Dezbr. 3. 13.437 13.900 27.337

Die ortsanwesende Bevölkerung belief sich im Jahre 1822, 1. Nov. auf 24.555 Köpfe, worunter sich 1090 Fremde befanden.

Im Jahre 1858 (Dez. 3.), war die Zahl der Ortsanwesenden 24.550 (11.779 männl., 12.771 weibl.), also um 2787 geringer, als die der Ortsangehörigen im gleichen Jahre.

Der Überschuß der weiblichen Bevölkerung über die männliche belief sich im Jahre:

1812 auf 383 Personen.
1822 auf 445 Personen.
1832 auf 462 Personen.
1842 auf 320 Personen.
1846 auf 391 Personen.
1857 auf 381 Personen.
1860 auf 463 Personen.
Es kamen also für letzteres Jahr auf 1000 männliche Angehörige 1028 weibliche, während dieses Verhältniß im Durchschnitt des Landes war = 1000:1040. Nach dem Ergebniß der am 3.| Dezember 1858 vorgenommenen Bevölkerungsaufnahme vertheilte sich die Bevölkerung nach Altersklassen folgendermaßen:
a) Ortsanwesende b) Ortsangehörige
männl. weibl. männl. weibl.
unter 7 Jahren 1770 1787 1807 1797
von 7 bis 14 Jahren 2213 2167 2171 2194
von 14 bis 24 Jahren 2199 2685 2949 3127
von 25 bis 39 Jahren 2110 2459 2733 2967
von 40 bis 59 Jahren 2554 2754 2790 2862
von 60 bis 79 Jahren 881 888 930 925
von 80 und darüber 52 31 57 28
11.779 12.771 13.437 13.900
24.550 27.337

In die Altersklasse bis zum 25. Jahre gehören hiernach zusammen 12.821 Ortsanwesende und 14.045 Ortsangehörige und bilden also die Hälfte der ganzen Bevölkerung. Die schulpflichtige Jugend von 6 bis 14 Jahren zählte 4380 unter Zugrundlegung der Zahl der Ortsanwesenden und 4365 Kinder unter Zugrundlegung der Zahl der Ortsangehörigen; (= 14,5 Proc.) und auf das höhere Alter von 70 Jahren und darüber 522 (= 1,9 Proc. der ortsanwesenden Bevölkerung).

In dem Jahr 1822 zählte man unter 24.939 Ortsangehörigen

Personen:
männl. weibl.
unter 14 Jahren 3728 3917
von 14 bis 18 Jahren 1156
von 18 bis 25 Jahren 1457 8775
von 25 bis 40 Jahren 2533
von 40 bis 60 Jahren 2429
über 60 Jahre 944

Familienstand. Es wurden im Bezirk gezählt:

1. Nov. 1832 3. Dez. 1846 3. Dez. 1858
Verehelichte Personen 8753 8947 7933
Wittwer 495 522 590
Wittwen 900 881 1008
Geschiedene 18 23 24
Unverehelichte und Kinder 16.554 17.038 782
26.720 27.411 27.337

Die Zahl der Ehen betrug hiernach im Jahr 1832: 4376, im J. 1846: 4474 und im J. 1858: 3967.

| Ortsanwesende Familien waren vorhanden:
im Jahr 1846 6404
im Jahr 1855 5304
im Jahr 1858 5429

Es treffen hiernach für das Jahr

1846.
Personen.
1855.
Personen.
1858.
Personen.
auf eine Ehe 6,1 5,1 5,2
auf eine Familie 4,3 5,2 5,3

Kirchliches Verhältniß:

      a) Christen:       i. J. 1832 1846 1858.
evangel. luth. Confession 25.485 26.083 25.819
röm.kathol. Confession 885 915 891
Dissent., Baptist. 5 213
      b) Juden: 345 413 414
26.720 27.411 27.337

Gewerbs- und Nahrungsverhältniß:

Im Jahre 1822, wo eine spezielle Aufnahme in dieser Richtung stattfand, zählte man:

im königl. Militärdienst stehende Bedienstete 276
im königl. Civildienst stehende Bedienstete 124
in gutsherrschaftl. Diensten stehende Bedienstete 38
in Commundiensten stehende Bedienstete 394
Ohne bürgerl. Gewerbe von eigenem Vermögen lebend 93
Handelsleute, Wirthe, Professionisten etc. 1385
Bauern und Weingärtner 2476
Taglöhner 698
im Almosen Stehende 149
5633

Im Jahr 1852 dagegen, wo letztmals eine allgemeine Aufnahme der Gewerbe stattfand, ergab sich für den Oberamtsbezirk Weinsberg folgendes Resultat:

I. Mechanische Künstler und Handwerker sammt Landbautreibenden und Gesinde.
Meister Gehilf.       Meister Gehilf.
Bäcker 100 28 Schuhmacher 179 50
Kuchenbäcker, Pfefferküchler
und Conditoren
1 Handschuhmacher 1
Kürschner 3
Fleischer oder Schlächter 73 16 Sattler 6 1
Seifensieder und Lichtzieher 4 Seiler 7 3
Gerber aller Art 6 3 Schneider 110 23 |
Hutmacher 1 1       Seiden-, Baumwollen-,
  Wollen-, Leinwaarenhändler
5 14
Färber 2 1
Zimmerleute, Schiffbauer 42 8 Sonstige Kaufleute mit
  offenen Läden
1 1
Tischler etc. 61 9
Wagner 43 9 Krämer mit kurzen Waaren
  Nürnberger- u. Nadlerkram
54 6
Kübler 72 11
Drechsler 22 2 Victualienhändler 6
Korbmacher 1 Herumziehende Krämer und
  Lumpensammler
293
Maurer 74 9
Steinsetzer und Pflästerer 1 Frachtfuhrleute 21 81
Schornsteinfeger 2 2 Gasthofbesitzer 20
Ofenfabrikanten, Töpfer 28 2 Wirthschaften mit Wägen und
  Ausspannungen für das Frachtfuhrwesen
77
Glaser 21 5
Zimmermaler, Anstreicher und Gypser 7 1 Speisewirthe und Garköche 37
Grobschmiede 70 29 Schlosser 24 11
Kupferschmiede 1 Roth-, Gelb- und Glockengießer 7 15
Zinngießer 15 17 Klempner 15 17
Nadler 1 Uhrmacher 1
Barbiere 1 Fischer 1
Gärtner 2 1 Buchbinder 5
Apotheker 3 7 Schäfer und Hirten 14 7
Strumpsstricker 2 Feldfruchtmesser 4 1
Holzhändler 53 Gewürz-, Material- und Spezereihändler 17 20
Musikanten 20
Handarbeiter (Nähterinnen, Wäscherinnen, Taglöhner, Holzhauer etc.)             519 männl. und 22 weibl.
Gesinde a) Bediente, Kutscher, Gärtner, Köche etc. 8
Gesinde b) Knechte und Jungen bei der Landwirthschaft und bei anderen Gewerben 398
Gesinde c) Kammer-, Stubenmädchen, Köchinnen, Ammen 8
Gesinde d) Mägde und Mädchen bei der Landwirthschaft und anderen Gewerben 588
Ausschließlich Acker- und Weinbautreibende 2345
Personen, die neben einzelnen Gewerben noch Landbau (Acker- und Weinbau) treiben 1242
II. Bei Fabrikationsanstalten und Fabrikunternehmungen beschäftigte Meister, Gehilfen und Lehrlinge.
Seide- und Halbseideweber 1 (mit 1 Webstuhl),
Baumwolle- und Halbbaumwolleweber 12 (auf 12 Webstühlen),
Leinen- und Halbleinenweber 203 (auf 229 Webstühlen),
Müller 53 (in 33 Mühlen mit 71 Mahlgängen),
Ölmüller 4,|
Sägmüller 12,
Besitzer von und Arbeiter in sonstigen Mühlwerken 18,
Eisenwerkpersonal 8 (in 2 Fabriken) mit 1 Hochofen, 1 Frischfeuer und 1 Flammfeuer,
Irdenwaarenfabrikpersonal 2 (in 1 Fabrik),
Personal in 1 chemischen Fabrik 2,
Personal in 1 Pottasch-Siederei 2,
Personal in Ziegeleien 15,
Personal in 3 Bierbrauereien 5,
Personal in 46 Branntweinbrennereien 46.

Betreffend die Dichtheit der Bevölkerung des Bezirkes, so tritt zwar auch hier die Verschiedenheit der höher und tiefer gelegenen Gegenden des Bezirks einigermaßen zu Tag.

Nimmt man indessen den ganzen Bezirk zusammen, so lebten am 3. Dezember 1858 auf 1 geogr. Quadratmeile 6667 Ortsangehörige und 5983 Ortsanwesende; und da im ganzen Lande durchschnittlich 4773 Ortanwesende auf die Quadratmeile kommen, so gehört der Bezirk zu den am dichtesten bevölkerten des Königreichs.

Von dem Flächenraum des Oberamts treffen auf 1 ortsanwesenden Einwohner 2,901 Morgen.

B. Gang der Bevölkerung.

Nach den vorliegenden Durchschnittsberechnungen für die Jahrzehnte 1811/22 und 1846/56 haben betragen:

die jährlichen Geburten, und zwar 1812/22 1846/56
männliche 434,6 536,1
weibliche 397,5 483,5
zusammen 832,1 1019,6
darunter uneheliche 103,7 154,4
      todt geborene
Knaben 21,1
Mädchen 11,0
zusammen 32,1
die jährlichen Todesfälle, und zwar
männliche 333,9 447,1
weibliche 310,3 416,6
zusammen 644,2 863,7
Wanderungen.
Es sind im Durchschnitt jährlich eingewandert:
aus fremden Staaten: männl. 3,6 2,3
aus fremden Staaten: weibl. 2,1 2,6
zusammen 5,7 4,9 |
aus anderen Orten des K.reichs: männl. 92,2 140,2
aus anderen Orten des K.reichs: weibl. 119,7 179,4
zusammen 212,0 319,6
      ausgewandert:
nach fremden Staaten: männl. 30,1 85,8
nach fremden Staaten: weibl. 29,5 67,9
zusammen 59,6 153,7
nach andern Orten des K.reichs: männl. 83,7 150,5
nach andern Orten des K.reichs: weibl. 112,1 189,8
zusammen 195,8 340,3
Es sind hiernach mehr aus- als eingewandert:
männliche 17,9 93,8
weibliche 19,8 75,7
zusammen 37,7 169,5
Betreffend die Zahl der Ehen, so sind in dem
  Jahrzehend 1812/22 im Durchschnitt jährlich
neue Ehen geschlossen worden 154,6
durch Einzüge zugegangen 13,2
167,8
durch Tod wurden Ehen aufgelöst 154,4
durch Scheidung 0,5
Abgang durch Auswanderung 21,1
176,0

Es betrug also der Abgang jährlich 8,2 und die Zahl der Ehen, welche 1812 4444 betragen hatte, belief sich im Jahr 1822 nur noch auf 4158. Auf 1 Ehe kamen hiernach 5,87 Seelen, und 1 Trauung jährlich auf 156,6 Einwohner, während im Durchschnitt des Landes 1 auf 143,3 Einwohner kam. Das Ergebnis der neuesten Aufnahme zeigt die angebogene Tabelle.

C. Verhältniß und Wachsthum der Bevölkerung.

Das Verhältniß der Geborenen berechnete sich für 1812/22 wie 1:29,05 oder es trafen auf 10.000 Einwohner jährlich 344,1 Geburten; für 1846/56 wie 1:27,12, oder es kamen auf 10.000 Einwohner jährlich 368,6 Geburten.

Dabei kamen auf 1000 geborene Mädchen für 1812/22 1093,3, für 1846/56 1108,7 geborene Knaben.

Das Verhältniß der unehelich Geborenen stellt sich für 1812/22 wie 1:8,02, für 1846/56 wie 1:6,60. (Nach der Zählung der ortsangehörigen Bevölkerung vom 3. Dezbr. 1858 kamen auf im Jahr 1857/58 geborene 578 Knaben 497 weibliche, oder auf 1000 Knaben kamen 859 weibl.) Es befanden sich nämlich unter 100 Geborenen des| Jahrzehends 1812/22 12,46 und des Jahrzehends 1846/56 15,14 Uneheliche; (für das Jahr 1857/58 kamen auf 847 Eheliche 228 Uneheliche oder 26,8 %).

Die Todtgeborenen werden in den neueren Listen nicht ausgeschieden. Für das Jahrzehend 1812/22 berechnete sich das Verhältniß derselben wie 1:25,92, oder es kamen hiernach auf 1000 Geborene 38,57 Todtgeborene, während dieses Verhältniß für das ganze Land = 1:26,0 sich berechnet.

Das Sterblichkeits-Verhältniß stellte sich für 1812/22 wie 1:35,75; für 1846/56 wie 1:32,02; oder es starben von 10.000 Lebenden jährlich beziehungsweise 266,4 und 312,3, so daß sich also dieses Verhältniß später ungünstiger gestaltet hat. Für das Jahr 1857/58 kamen auf 27.336 Lebende 813 Gestorbene, oder auf 10.000 nahezu 298.

Mit Unterscheidung der Geschlechter kamen auf 1000 Gestorbene weibl. Geschlechts: für 1812/22 1075,3; für 1846/56 1073,2 Gestorbene männlichen Geschlechts, für das Jahr 1857/58 auf 813 Gestorbene 446 (54,8 % männl. und 367 (45,2 %) weibl. Geschlechts.

Betreffend die Altersklassen der Gestorbenen, so geben die neueren Listen auch darüber keine Aufschlüsse.

In dem Jahrzehend 1812/22 starben bei 10.000 Todesfällen

männl. weibl.
vor der Geburt 595 342
unter 1 Jahr alt 3687 3025
vom 1. bis 7. Jahr 1051 1049
vom 7. bis 14. Jahr 228 212
vom 14. bis 25. Jahr 394 293
vom 25. bis 45. Jahr 862 1077
vom 45. bis 60. Jahr 910 1232
über 60 Jahr 2273 2770
10.000 10.000

Von sämmtlichen Gestorbenen dieses Jahrzehends, mit Einschluß der Todtgeborenen, hatten also 38,24% das erste Lebensjahr nicht vollendet und nur 25,21% das 60ste Lebensjahr zurückgelegt.

Die Todesfälle verhalten sich zu den Geburten in dem Jahrzehend 1812/22 wie 1000:1291,6, 1846/56 wie 1000:1180,5.

Mit Unterscheidung der Geschlechter fallen auf 1000 Gestorbene männlichen Geschlechts für 1812/22 1301,5, für 1846/56 1199,0 männlich Geborene, und auf 1000 Gestorbene weiblichen Geschlechts für 1812/22 1281,0 und für 1846/56 1160,5 weibl. Geborene.

| Es betrug ferner im Bezirke:
1) der natürliche Zuwachs, von 1812/22 von 1846/56
  oder der Überschuß männl. weibl. männl. weibl.
  der Geborenen über die Gestorbenen 796 762 890 669
      zusammen 1558 1559
2) die Abnahme der Bevölkerung überhaupt 114 52 16 55
      zusammen 166 71
      oder 0,661 Proc. 0,259 Proc.
3) es befanden sich unter 1000 Seelen des natürl. Zuwachses       510,9 489,1 570,9 429,1
unter 1000 Seelen der Abnahme überhaupt 686,7 313,3 225,4 774,6

Aus den vorliegenden Durchschnittsberechnungen ergeben sich für die 10jährige Periode 1846/56 folgende bemerkenswerthe Verhältnisse für die einzelnen Gemeinden des Oberamts:

Die größte Zahl von Geborenen hatte die Gemeinde Geddelsbach, wo auf 1000 Einwohner jährl. 48,73 Geborene kamen; sodann Dimbach 47,45; Grantschen 42,58; Höslinsülz 41,15; Neulautern 40,98; Rappach 40,68; Ellhofen 40,54 etc.

Die wenigsten Geborenen zählten: Wimmenthal, wo auf 1000 Einwohner 28,10 Geborene kamen; sodann Siebeneich 28,89; Weiler 30,77; Unter-Heimbach 31,29; Waldbach 31,67; Willsbach 32,96; Eichelberg 33,88 etc.

Durch die wenigsten unehelichen Geburten zeichneten sich aus: Grantschen, wo unter 100 Geborenen überhaupt 2,70 vorkamen; ferner Bitzfeld 2,93; Steinsfeld 5,36; Affaltrach 5,73; Hölzern 8,41; Wimmenthal 9,32; Weinsberg 9,14 etc.

Die meisten unehelichen Geburten hatten: Unter-Heimbach, wo unter 100 Geborenen 21,12 unehelich waren; sodann Neulautern 20,47; Maienfels 20,03; Ammertsweiler 19,80; Rappach 19,79; Unter-Heinrieth 19,22; Löwenstein 19,09 u. s. w.

Die Sterblichkeit war am geringsten zu Gellmersbach, wo von 1000 Einwohnern jährl. 15,76 starben; sodann in Hölzern 16,32; Unter-Heinrieth 21,85; Schwabbach 23,42; Scheppach 27,85; Steinsfeld 27,94; Neuhütten und Siebeneich 28,02; Bretzfeld 28,17 u. s. w.

Die größte Sterblichkeit herrschte zu Weinsberg, wo von 1000 Einwohnern 38,56 starben; ferner in Maienfels 38,45; Neulautern 37,23; Finsterroth 37,07; Rappach 35,88; Ellhofen 34,36; Eschenau 34,11 u. s. w.

Die meisten alten, mehr als 70 Jahre zählenden Leute| fanden sich bei der letzten Volkszählung von 1846 zu Bitzfeld, woselbst unter 1000 Einwohnern deren 32,63 waren; sodann zu Willsbach 32,01; Steinsfeld 30,44; Eichelberg 28,92; Hölzern 28,88; Siebeneich 28,44; Weiler 25,84 etc.

Die wenigsten Personen dieses Alters fanden sich zu Ammertsweiler, unter 1000 Einwohnern nur 2,12; sodann zu Mainhardt 6,64; Höslinsülz 8,07; Finsterroth 9,14; Unter-Heinrieth 10,74; Waldbach 12,06; Neulautern 12,09 u. s. w.


2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.

In Beziehung auf den Menschenschlag treten merkliche Verschiedenheiten zu Tage. Die Eingeborenen des Sulmgebietes gehören dem schwäbischen Stamme an, obwohl die Mundart sich schon mehr der rhein-fränkischen, beziehungsweise pfälzischen, nähert und sich der Heilbronn’schen durch den vielfachen Verkehr mit dieser Nachbarstadt assimilirt hat. Die Eingebornen des an das Hohenlohe’sche gränzenden untern Brettachgebiets, schwäbischen Stammes an der Gränze von Schwaben und Franken – s. oben 2. b. der Schwabbach – haben ein Gemisch des schwäbischen und fränkischen Typus, und die Mundart nähert sich, wie auch sogar die Tracht und Sitte, noch entschiedener der fränkischen, als in dem Sulmgebiet.

Von den Bewohnern der Hochebene gehören Löwenstein und Wüstenroth noch mehr zum schwäbischen, Mainhardt und größtentheils Ammertsweiler mit Hohenstraßen dagegen zum Hallischen (ostfränkischen) Schlag, meistens mit schwarzen Haaren und Augen[2]. Wie eine Insel liegt zwischen diesen eingekeilt die eigenthümliche Bevölkerung von Finsterroth, Neuhütten, Oberheimbach und Maienfels mit Kreuzle und Busch. Auf Abstammung von Einwanderern weist der ganze Habitus der Männer und Weiber; Letztere sind kräftig, meist mehr untersetzt als groß und dabei breitschulterig. Sie stillen ihre Kinder, deren Geburt selten eine Geburtshülfe in Anspruch nimmt, bis zu 2 Jahren, wodurch sie freilich schneller altern. Die Männer sind meist groß und höher gewachsen, als dieses im Verhältniß zwischen Mann und Weib anderwärts der Fall ist. Ihre Schubkarren mit Schindeln, Besen und dergl. wissen sie mit einer eigenthümlichen Grandezza zu schieben. Indem sie damit handelnd herumziehen, überlassen sie den Weibern in der Heimath Haus und| Feld allein zu bestellen. Sie sind heiter, gesprächig, neugierig, singen gerne, besonders die Mädchen, von welchen man oft schon jüngere Kinder an Thalabhängen, des Echo’s halber, steyerisch jodeln hören kann. Man hält sie für Abkömmlinge von Schweden, von denen sich (nach Sattler) 2000 Mann auf einmal in unserem Lande nach dem 30jährigen Kriege niedergelassen haben. Die ursprüngliche Race wird auch dadurch erhalten, daß sie sich äußerst selten mit Auswärtigen verheirathen.

Der Menschenschlag des Brettachgebiets, wo mehr Ackerbau und weniger Weinbau ist, erscheint auch weniger verkümmert („verbuttet“, wie man es nennt), als der des Sulmgebiets, wo der Weinbau vorherrscht und wo „der schwere Butten“ von Jugend an den Körper niederdrückt und die das ganze Jahr fortdauernde schwere Arbeit das Wachsthum hindert. Einen besonders armseligen Menschenschlag findet man hier in einzelnen Orten, wie in Höslinsülz und Weiler, wo man fast instinctmäßig das Blut durch häufiger als sonst irgendwo vorkommende Heirathen mit auswärtigen kräftigeren Naturen zu verbessern sucht. Übrigens zeigt sich der Einfluß größeren Wohlstandes und kräftigerer Nahrung auch in den Weinorten so unverkennbar, wie in den mehr ackerbautreibenden Orten des Brettachgebiets; und wenn auch die Orte des unteren Brettachthales bei größerem allgemeinem Wohlstand Leute von größerem Maße stellen, so kommen doch auch von Eberstadt, Unter-Heinrieth, Reisach und Eichelberg junge Leute, deren körperliche Beschaffenheit Nichts zu wünschen übrig läßt.

Gerade die strenge Arbeit von Jugend auf macht indessen die Bewohner des Weinsberger Thals abgehärtet, ausdauernd und kräftig und es würde hierin wohl noch besser seyn, wenn nicht in einzelnen Orten übermäßiger Genuß geistiger Getränke entschiedenen Schaden anrichtete und wenigstens Einiges zum häufigeren Vorkommen des Cretinismus beitrüge.

Dieser Cretinismus, in den geringeren Graden und Formen, als Kropf, verkümmertes Wachsthum, körperliche Krummstellung, als Übelhörigkeit, leibliche und geistige Trägheit, Lallen u. s. w., oder in den höheren Graden, als Taubstummheit, Stumpfsinn und Blödsinn, kommt nach dem Bericht des 1844 mit besonderer Untersuchung beauftragten O.A.-Arzts Dr. Rösch ungewöhnlich häufig vor in 10 Orten des Sulmgebietes, Sülzbach, Lehrensteinsfeld, Wimmenthal, Willsbach, Affaltrach, Eschenau, Weiler, Höslinsülz, und den Parzellen Buchhorn und Lennach; etwas weniger häufig in den 3 Orten: Ellhofen, Eberstadt und Weinsberg. In der unteren| Brettachgegend fand Rösch ihn nur in Brettach häufiger. Auf den Höhen (Löwensteiner Berge, Mainhardter Wald, Burgfrieden) zeigte sich keine Spur von demselben. Als Ursachen bezeichnet er: gewisse klimatische Zustände, namentlich Feuchtigkeit der Luft, eine gewisse höhere Temperatur, wechselnd mit bedeutender Abkühlung, ungünstige äußere Lebensverhältnisse, wie schlechte, feuchte Wohnungen, Schmutz und Unreinlichkeit, Trunkliebe und Vererbung. Nach einer vorliegenden Übersichts-Tabelle vom Jahr 1852 hatte
Blinde, Taubstumme
und Geisteskranke
das Sulmgebiet bei 12.945 Seelen 155
das Brettachgebiet bei 5270 Seelen 20
die Hochebene bei 9191 Seelen 27
zusammen 202
Unter diesen hatten die meisten verhältnismäßig im Sulmgebiet:
Affaltrach bei 1000 Seelen 27
Weiler bei 0503 Seelen 17
Willsbach bei 1187 Seelen 19
Weinsberg bei 1934 Seelen 22
Eberstadt mit Parz. bei 1225 Seelen 10
Wimmenthal bei 0426 Seelen 8
Ellhofen bei 0763 Seelen 9
Eschenau bei 1069 Seelen 7
Unter-Heinrieth bei 1211 Seelen 11
Höslinsülz bei 0372 Seelen 5
Steinsfeld bei 0887 Seelen 7
Eichelberg bei 0415 Seelen 4
Sülzbach bei 0509 Seelen 4
      die wenigsten:
Grantschen bei 0253 Seelen 0
Hölzern bei 0277 Seelen 1
Reisach bei 0452 Seelen 1
Gellmersbach bei 0462 Seelen 3
155
      Im Brettachgebiet hatten die meisten:
Unter-Heimbach bei 0980 Seelen 7
Siebeneich bei 0211 Seelen 5
Geddelsbach bei 0303 Seelen 2
Bretzfeld bei 0488 Seelen 2
      die wenigsten oder vielmehr gar keine:
Bitzfeld bei 0521 Seelen 0
Rappach bei 0481 Seelen 0 |
Waldbach bei 0746 Seelen 1
Scheppach bei 0572 Seelen 1
Schwabbach bei 0510 Seelen 1
Dimbach bei 0458 Seelen 1
20
      Auf der Hochebene hatten die meisten:
Löwenstein bei 1455 Seelen 5
Mainhardt bei 1506 Seelen 6
Maienfels bei 0739 Seelen 3
Neuhütten bei 0997 Seelen 4
Ammertsweiler bei 0943 Seelen 3
Wüstenroth bei 1632 Seelen 3
      die wenigsten:
Ober-Heimbach bei 0721 Seelen 1
Neu-Lautern bei 0651 Seelen 1
Finsterroth bei 0547 Seelen 1
27

Die mittlere Größe der Conscriptionspflichtigen in unserem Bezirk beträgt nach einer 5jährigen Durchschnittsberechnung (württemb. Jahrbücher von 1833, S. 384 ff.) 5′ 7,88″, während dieselbe im Oberamt Wangen 5′ 8,87″ (mit den meisten großen Männern) und im Oberamt Maulbronn 5′ 7,77″ (mit dem dießfalls ungünstigsten Verhältniß) betrug. Unter 1000 Rekrutirungspflichtigen hatten 166 eine Größe von 6′ und darüber; ein günstigeres Verhältniß wiesen 60 andere Oberämter auf, darunter das günstigste das Oberamt Rottweil (mit 382), ein ungünstigeres aber nur 3, worunter wieder Maulbronn mit nur 145. Dagegen hatten unter 1000 Conscriptionspflichtigen 223 ein geringeres Maß, als das vorgeschriebene von 5′ 5″, ein Verhältniß, das, von dem Oberamt Marbach (mit 229) abgesehen, das ungünstigste im ganzen Lande ist, während sich dasselbe am günstigsten gestaltet im Oberamt Waldsee (mit nur 42 unter 100).

Untüchtig wegen Gebrechlichkeit waren nach gedachter Durchschnittsberechnung unter 1000 Pflichtigen 422, während auf das Oberamt Canstatt 535, und auf das Oberamt Mergentheim 250 fallen. Wegen allgemeiner Körperschwäche und Kränklichkeit fanden sich unter 1000 Pflichtigen 78 untaugliche; das Maximum ergab sich bei Ulm (mit 157), das Minimum bei Saulgau (mit 26). Mit Kröpfen Behaftete fanden sich unter 1000 Pflichtigen 89, mit Brüchen 25, was hinsichtlich des im Sulmthal nach Obigem häufig vorkommenden Cretinismus und der schweren Arbeit beim Weinbau bemerkt zu werden verdient. Scrophulös waren unter 1000 Pflichtigen| 1,5 (am meisten – 25 – im Oberamt Canstatt und gar keine in 10 Oberämtern).

Das Gesundheitsverhältniß[3] ist wohl im Sulmgebiet das am wenigsten günstige, wozu theilweise eine weniger einfache Lebensweise, als die der Bewohner der anderen Bezirksorte, theils die feuchtern, unreinlichen und engen Wohnungen, theils die schwerere Arbeit beim Weinbau und wohl auch der Verkehr mit Heilbronn Etwas beitragen.

Besser ist das des Brettachgebiets, wo meist bei mehr Wohlhabenheit bessere Wohnungen und eine bessere Lebensweise gefunden werden; mit Ausnahme des armen Unter-Heimbach. Auch erreichen die Leute hier verhältnißmäßig ein höheres Alter.

Auf dem Löwensteiner Gebirg und dem Mainhardter Wald ist das Gesundheitsverhältniß im Allgemeinen günstig und es erreichen verhältnißmäßig Viele ein hohes Alter.

An der Abdachung des Waldes gegen die Brettach kam früher der Bandwurm ziemlich häufig vor.

Die entzündlichen Krankheiten sind im ganzen Bezirk im Allgemeinen vorherrschend, insbesondere Lungenentzündungen, die sich häufig aus Katarrhen bilden und sich besonders vielfach beim Typhus und andern ähnlichen Krankheiten etc. finden. Diese Lungenentzündungen traten in einzelnen Orten, wie in dem hochgelegenen Reisach, gerne mit Eintritt des Winters auf. Doch zeigen sie sich im ganzen Bezirk auch das übrige Jahr hindurch. Meist eröffnen die Kinder mit entzündlichen Lungenkatarrhen den Reigen, ehe sie bei Erwachsenen auftreten. In den letzten 14 Jahren zeigte sich der Typhus sehr häufig, und zwar zuerst 1843 in Neu-Lautern als Epidemie, 1844 in Neuhütten, 1845 wieder in Neu-Lautern, 1846 in Neuhütten in großer Ausdehnung, doch nie mit großer Sterblichkeit. Nun zog er sich offenbar mehr in das Thal, doch immer mehr sporadisch, bis er im Sommer 1854 in Eschenau 300 Personen von der ganzen Einwohnerzahl befiel, wovon mehr denn 30 starben. Viele wurden zugleich von der Ruhr befallen. Auch in Unter-Heimbach war eine Typhusepidemie in großer Ausdehnung und der kleine Ort Dimbach hatte im gleichen Jahre viel durch Typhus und Ruhr zu leiden. Zu gleicher Zeit erkrankten mehrere Familien zu Eberstadt am Typhus. Im Herbst 1855 trat der Typhus zu Ellhofen auf, jedoch in viel milderer Form als bisher. Im Sommer 1856 begann in Höslinsülz eine Typhusepidemie, welche bis in’s Spätjahr 1857 sich fortsetzte. Im| Jahr 1857 zeigte sich der Typhus in Ellhofen wieder, weniger der Zahl nach, aber mit viel schwereren Fällen. Sonst trat der Typhus allerwärts im Thale, ausnahmsweise auch in der Stadt auf, wo er von einigen jungen Leuten aus Heilbronn eingeschleppt wurde. In letzterer Zeit kam er aber auch dort bei alten Leuten in schwererer Form mit sehr langsamem Verlauf vor.

Die epidemischen Krankheiten wie Masern, Scharlach, Keuchhusten kamen in den auch anderwärts stattfindenden Intervallen und in Aufeinanderfolge vor; aber eigenthümlich ist, daß, wie der Typhus, auch diese Epidemien auf dem Mainhardter Walde zuerst auftraten, sich auf dem Walde verbreiteten, das Brettachthal bis Bitzfeld herabzogen und erst dann Eschenau, Steinsfeld, Ellhofen, Sülzbach, Grantschen und dann Löwenstein aufsuchten. Die Oberamtsstadt machte auch hier eine Ausnahme, indem in den letzten 11/2 Jahren der Scharlach ununterbrochen vorkam, aber nur wenige Kinder zugleich davon ergriffen wurden. Denselben Weg, wie diese Kinderkrankheiten, machen auch die epidemischen Katarrhe. Hiebei zeichnet sich vor allen anderen Orten Eschenau aus durch den häufigen und tödtlichen Verlauf des Croups (der Luftröhrenentzündung). Gastrische Fieber kamen keine vor; Rheumatismen nicht häufiger als anderwärts. Reisach zeichnet sich durch Erkrankung der Milz aus. In Eschenau kamen 2 Fälle von Markschwamm vor. Scropheln und Rachitis finden sich wohl, aber nicht häufig. Pocken kamen im Jahr 1848 und 49 in ziemlicher Ausdehnung vor, doch meist als Varioliden. Besonders zeigten sie sich in Ortschaften, wo, wie die Impfbücher nachweisen, das Impfen früher schlecht betrieben worden. Zuerst traten sie in Scheppach, sodann im angränzenden Unter-Heimbach und Geddelsbach auf, in beiden letzteren Orten in ziemlicher Ausdehnung; von da kamen sie nach Neuhütten. Dann kamen einzelne Erkrankungen vor in den Gemeinden Eschenau, Willsbach, Wüstenroth, in großer Ausdehnung zu Unter-Heinrieth; sodann in Ellhofen, Sülzbach und Löwenstein. Viele Fälle wurden wie gewöhnlich verläugnet. Bei dem ganzen Verlauf konnte wahrgenommen werden, daß da, wo das Impfwesen in Ordnung war, die Erkrankungen viel seltener waren, und daß z. B. frühere Militärs, wo regelmäßig revaccinirt worden, niemals von den Pocken befallen wurden. Puerperalfieber treten in dem Thalbezirk gerne auf, wogegen auf dem Walde das Terrain den Wöchnerinnen etwas günstiger zu sein scheint.

Geistesstörungen erscheinen in den niedriggelegenen Orten häufiger, als auf den Bergen. Die meisten beobachteten Fälle kamen| bei Solchen vor, welche einer religiösen Secte angehörten, wo es zum sogenannten Durchbruch gekommen. Doch sind solche Fälle meist gutartig und gehen innerhalb weniger Wochen in Genesung über. Auch einige sogenannte Besessene rumorten längere Zeit im Bezirk. (S. „Dr. Kerner über das Vorkommen von Besessensein etc.“)

Die Syphilis kommt vor, aber gewöhnlich in sekundären Formen. Sie wird meist von Dienstboten in Heilbronn oder im Badischen geholt, und war früher auch bei den auf der Handelschaft herumziehenden Bewohnern von Neuhütten und Neulautern häufig zu finden, ist aber in neueren Zeiten seltener. In letzterem Ort findet man häufig den Lupus im Gesicht – eine Hautkrankheit, welche sicher in früherer Syphilis ihren Grund hat. Über den so häufigen Cretinismus, besonders im Sulmgebiete, s. oben.

Die Krätze – theilweise auch die Phthiriasis (Läusesucht) – fand sich in den letzten Mangeljahren auf dem Mainhardter Walde in furchtbarer Ausdehnung, namentlich bei den handeltreibenden Ortschaften und Parzellen, wozu auch Neulautern gehört. Aber auch die Ortschaften des Thales, besonders die ärmeren, stellten ihr Contingent. Seit dem Aufhören der Noth und seitdem die vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln möglichst durchgeführt werden, verschwindet diese Kalamität immer mehr und erscheint nur noch bei einzelnen, ärmeren unreinlichen Familien.

Der Volkscharakter prägt sich je nach den verschiedenen Gegenden des Bezirks in seinen Eigenthümlichkeiten aus. Die Bewohner des Sulmgebiets haben im Allgemeinen die Tugenden und Fehler der schwäbischen Weinorte; unermüdlichen Fleiß Jahr aus Jahr ein, um den Weinbergen und Feldstückchen den größtmöglichen Ertrag abzugewinnen; Sparsamkeit und Einfachheit der Lebensweise und Sitten; Sinn für bürgerliche und kirchliche Ordnung, jedoch ohne Neigung zu Pietismus und Separatismus, außer einigen Wenigen in Eberstadt, wo seit neueren baptistische Bewegungen vorgekommen sind. Vor den Bewohnern der höher gelegenen Gegenden, besonders des Burgfriedens und des Mainhardter Waldes zeichnen sie sich mit denen der untern Brettachgegend aus durch fleißige Benützung der Schule für ihre Kinder. Dagegen ist hier auch die Trunksucht, und wenn es an Wein gebricht, der Genuß des Branntweins nicht selten und kommt namentlich auch beim weiblichen Geschlecht öfters vor. Die Nähe einer Fabrik- und Handelsstadt, wie Heilbronn, übt auf sehr Viele, besonders vom Handwerkerstand, einen sichtlichen, nicht immer vortheilhaften Einfluß.

In dem durchschnittlich wohlhabenderen unteren Brettachgebiete,| wo der Ackerbau vorherrscht, nähert sich der Volkscharakter dem angrenzenden Hohenloh’schen in Lebensweise, Sitte, Tracht und Sprache. Man könnte ihn geschliffener nennen. An Sinn für Religiosität fehlt es hier nicht. In Brettach ist er aber seit ungefähr 9 Jahren in förmlichen Separatismus ausgeartet, indem es eingeschlichenen Baptisten gelungen ist, gegen 70–80 Personen beiderlei Geschlechtes für ihre Secte zu gewinnen und der Kirche nicht nur zu entfremden, sondern feindlich gegenüber zu stellen.

In den höher gelegenen Gegenden ist der Volkscharakter im Allgemeinen rauh, wie das Gebirge, das sie bewohnen. In vielen einzelnen Weilern und Höfen zerstreut, von ihrer eigenen Obrigkeit, von Kirche und Schule und noch viel mehr von den Bezirksbehörden weit entfernt, fügen sie sich nur sehr ungerne der gesetzlichen Ordnung. Das Herumziehen so Vieler auf der Handelschaft und – unter dieser Form dem Bettel, – entfremdet sie regelmäßiger, anstrengender Arbeit und gewöhnt sie oft von Jugend auf an müßiges Wirthshausliegen, wo sie den letzten erlösten Pfenning vergeuden, statt ihn für Weib und Kind heimzutragen. Selbst die Kinder werden häufig auf diese Wanderungen mitgenommen, versäumen darüber die Schule und gewöhnen sich an Müßiggang und Bettel mit allen ihren verderblichen Folgen. Betteln heißt ihnen „Fordern“, wie Holzstehlen „Holzholen“.

Der bessere Kern der Wohlhabenderen und Ordnungsliebenden leidet selbst Manches von diesem Proletariat und vermag der Strömung keinen Einhalt zu thun. Darum war die Stellung mehrerer hiesiger Gemeinden unter unmittelbare Staatsaufsicht und die Aufstellung tüchtiger Ortsvorsteher in Maienfels, Neuhütten, Finsterroth, Wüstenroth, Neulautern, Ober- und Unterheimbach, eine von den Verhältnissen gebotene Maßregel, welche schon in den ersten Jahren, zusammentreffend mit dem Aufhören der Theurungsnoth, gute Früchte getragen hat. Zu Hebung der sittlichen und kirchlichen, sowie der Schulzustände wurden die allzugroßen Parochieen verkleinert und eigene Pfarrverwesereien in Neuhütten, Finsterroth und Neulautern gebildet, um eine speziellere Seelsorge und Schulaufsicht zu ermöglichen und den zerstreut und von einander entfernt Wohnenden den Besuch der Gottesdienste zu erleichtern. In Finsterroth wurde zu diesem Behufe auf Staatskosten das bisherige Interimslocal, die Schule, zu einem Betsaale umgebaut. In Neuhütten will der Staat eine Kirche bauen, statt des bisher dazu gemietheten früheren Tanzsaales. In Neu-Lautern wird bis jetzt die Schule dazu genützt. Neben dem religiösen Indifferentismus, welcher hier bei gar| Vielen zu Hause ist, fand der Baptismus, auf der einen Seite von Brettach her (s. oben), auf der anderen Seite von Dauernberg, Oberamts Backnang, her, offenes Feld zum Eindringen in Neuhütten und Parzellen, Wüstenroth und Parzellen, und einigen andern. Die große Parochie Mainhardt hat sich bis jetzt davor bewahrt.

Mangelhafte Kinderzucht geht mit den oben gezeichneten Mißständen Hand in Hand. Die Schule wurde von der Mehrzahl als eine lästige, unnöthige, große Kosten machende Zwangsanstalt betrachtet und dem Lehrer sein dürftiger Gehalt oder eine Ausbesserung seiner oft kaum zureichenden Wohnung erschwert, oder es verübelt, wenn er die Unmasse von Schulversäumnissen notirte, die schon bei einer einzigen Gemeinde innerhalb 2 Jahren auf 23.000 stiegen. Es kostete die kräftigsten Maßregeln der Bezirksbehörden, um die Ortsbehörden bei Bekämpfung dieses Unwesens zu unterstützen, das noch jetzt, bei der Entfernung so vieler isolirter Höfe von der Schule, bei den im Winter oft lange ungebahnten, im Frühjahr und Herbst grundlosen Wegen, bei der langen Abwesenheit handeltreibender Eltern u. s. w. nur gemindert, nie ganz gehoben werden kann. Entgegnen doch nicht selten die Eltern: „ihre Kinder müssen (mit ihren Besen oder Sandsäcklein und – gelegenheitlichem Bettel) das Brod in’s Haus schaffen.“

Auch in Beziehung auf die Tracht besteht ein merkwürdiger Unterschied in dem Bezirk. In der Oberamtsstadt hat bei den Professionisten der obligate Frack als Feierkleid den deutschen Rock, der runde Hut den dreieckigen verdrängt. Auch bei den Bauern und Weingärtnern verschwindet in Stadt und Land die ältere Volkstracht immer mehr; der runde Hut oder eine tuchene runde Stilpmütze tritt an die Stelle des Dreispitzes, die lange Tuchhose, im Sommer die leinene oder Zwilchhose an die Stelle der kurzen weiß oder schwarz ledernen, besonders durchweg bei den jüngeren Burschen; der lange hohe Stiefel weicht ebendamit dem kurzen. Den Rock vertritt bei den ledigen jungen Leuten und ebenso bei vielen älteren Männern – ausserhalb der Kirche etc. ein Tuchwams, meistens von blauer Farbe. Bei dem weiblichen Geschlecht ist fast keine Spur mehr von der älteren Volkstracht zu finden. Die Köpfe der Bürgersfrauen zieren künstliche weiße Hauben mit farbigen Bändern, die der Bauern- und Weingärtnersfrauen schwarze mit schwarzen Bändern. Die jüngern Mädchen erscheinen meist in bloßem Kopf mit aufgesteckten Zöpfen. Selbstgewobenes sog. Zeugle und Barchet ist den neumodischen leichteren, bunten Stoffen gewichen. Schwarzer oder auch farbiger Zeug wird| vielfach getragen und der Schnitt wird hinsichtlich der langen Taille und der Länge der Röcke immer modischer.

In dem an Hohenlohe angrenzenden unteren Brettachthale findet sich, wie hohenloh’sche Lebensweise und Sitte, so auch mehr hohenloh’sche Tracht, besonders in den Öhringen am nächsten liegenden Ortschaften. Hier kommt besonders bei den Männern der dreispitzige Hut mit der breiten, hochaufstehenden Krempe auf der 3. Seite, und mit dem großen Knopf am linken Aufschlag, bei dem weiblichen Geschlecht die große schwarze Schnepphaube mit den breiten, den Rücken hinab flatternden Seidenbändern vor. Bei den ältern Männern dominirt noch mehr die gelbe kurze Lederhose mit langen Stiefeln und der blaue Rock. Bei dem jüngeren Nachwuchs dagegen hat schon die blaue Tuchhose mit kurzen Stiefeln, die blau- oder schwarztuchene Stilpmütze und das blaue kurze Tuchwams die Herrschaft gewonnen. Die weibliche Kleidung ist meist von schwarzem Zeug mit ziemlich langen, faltenreichen Röcken. Die Haare sind meist unter der Haube und den Bändern verborgen und nur vorn in einem wohlgeordneten Scheitel sichtbar. Silberne, oft auch goldene Ohrringe und ein sammtnes Halsband, oder ein buntes Seidenhalstuch vollenden den Putz.

Die Hochebene, so weit sie an’s Hällische gränzt, hat hällische mit der hohenloh’schen theilweise verwandte Tracht, nur daß der eigenthümliche Dreispitzhut mit der hochaufstehenden 3. Grempe fehlt und

die weibliche Haube minder bänderreich ist. Blaue Röcke mit einer engen Reihe metallener Knöpfe, Manchesterwesten und Wämser, gelbe kurze Lederhosen mit langen Stiefeln kommen hier häufiger vor; aber auch kurze Schnürstiefeln dicht mit Nägeln beschlagen und im Sommer kurze Zwilchhosen, zuweilen mit Zwilchkittel oder Zwilchwams. Die Fuhrleute und Händler tragen oft eine blaue Blouse und einen niederen runden schwarzen Hut mit einer Schnalle über einer rothgestreiften oder schwarzen Zipfelkappe. Das weibliche Geschlecht hat so ziemlich dieselbe Tracht, wie das der untern Brettachgegend. Von eigenthümlichen Gebräuchen und Volksbelustigungen kann nicht viel bemerkt werden. Das früher auch hier in manchen Orten übliche Eierlesen am Ostermontag kommt nur noch zuweilen in einzelnen Orten vor. Im Sommer belustigt sich mancher Orten Jung und Alt mit Kegelspiel in Wirthschaftsgärten oder auf einem freien öffentlichen Platze. Tänze finden an Märkten, Feiertagen, Kirchweihen und bei sogenannten lauten Hochzeiten (Wirthshaushochzeiten) statt. Bei Letzteren und bei Einzügen, nicht aber bei Taufen, ist in vielen Orten das Schießen, in der Stadt zuweilen sogar mit auf dem Burgberg aufgestellten Böllern üblich und veranlaßt eine Collation, welche| der also Geehrte den Schießenden geben muß. Auch sogenannte Reunionen in Wirthschaftsgärten, Musik ohne Tanz, kommen in neueren Zeiten hie und da vor. Und die Liederkränze, welche sich in den letzten Jahrzehnten auch in manchen Landgemeinden gebildet haben, finden sich oft an freien Sommerabenden in öffentlichen Gärten oder größeren Wirthschaftslocalen zusammen, wobei fröhlich gesungen und getrunken wird. Das Jahresfest des landwirthschaftlichen Vereins, welches abwechselnd in 4–5 verschiedenen Orten des Bezirks gehalten wird, gibt ebenfalls Gelegenheit zu allgemeinen geselligen Vergnügungen. Bei Hochzeiten finden sonst keine besondere Gebräuche statt. Bei Kindstaufen wird gewöhnlich den Gevattern und nächsten Verwandten eine kleine Collation im Wohnhause, auf dem Walde, wo sie oft weither zur Kirche kommen, in einem Wirthshause des Mutterorts gegeben. Bei Leichenbegängnissen sind, zumal wo viele Auswärtige zusammen kommen, die sogenannten Leichentränke nicht ungewöhnlich. Die Leichen werden von den betreffenden Lehrern und der singfähigen Schuljugend vor dem Hause des Verstorbenen abgeholt und mit Gesang, wenn der Sarg zum Ausruhen niedergestellt wird, zu Grabe begleitet. Wohnte der Verstorbene in einem entfernten Filiale, so wird der Sarg mit seinem eigenen Zugvieh unter Begleitung der Leidtragenden und der Schuljugend zum Gottesacker gefahren. Der Geistliche empfängt ihn am Kirchhofthor und die Schuljugend singt vor und nach seiner Parentation am Grabe. Oft bewegt sich auch der Zug nach der Einsenkung des Sarges in die Ortskirche und hört da die Leichenpredigt des Geistlichen. Nach dieser gehen die Leidtragenden zum Opfer um den Altar.

Neueingeführter kirchlicher Gebrauch an so vielen Orten des Bezirkes sind die Gottesdienste am letzten Abend des Jahres bei beleuchteter Kirche, welche immer sehr viele Theilnehmer finden. In Löwenstein ist der alte Brauch, daß an diesem Abende ein großer Theil der Gemeinde mit Fackeln auf die schöne alte Burgruine zieht und da ein passendes geistliches Lied miteinander singt, während die Abendglocke zum Letztenmale geläutet wird.

Dieses Läuten der Abend- und Morgenglocke beim Grauen des Tages und nach der Abenddämmerung, der sogenannten Betglocke, ist in allen Gemeinden des Bezirkes von jeher üblich und selbst in Parzellen der Hochebene, wo ein neues Schulhaus mit einem Glockenthürmchen erbaut wurde, auf besonderen Wunsch der Schulgemeinden eingeführt worden, wofür sie freiwillig dem Lehrer eine besondere kleine Remuneration verwilligten.

Auch das in manchen Gemeinden schon übliche Einläuten des| Sonntags am Samstag Abend, und zwar mit allen Glocken, ist durch einstimmigen Beschluß der Diöc.-Synode neuerdings in allen Gemeinden eingeführt worden.

Über die Mundart s. das oben über die Volksstämme Gesagte. Das Breite der reinschwäbischen Sprachweise wird an dieser Grenze von Schwaben und Franken durch den Übergang in den fränkischen Dialect sehr bemerklich gemildert.

|
Jahr-
gang.
1.
Zahl
der
getrau-
ten
Paare.
2.
Zahl der Trauungen,
bei welchen der
Bräutigam alt war
3.
Zahl der Trauungen,
bei welchen die
Braut alt war
4.
Zahl der Trauungen
5.
Zahl der
gemischten
Ehen.
von Jung-
gesellen
von
Wittwern
von geschied.
Männern
weniger
als volle
25 J.
25 bis
mit 30
Jahre.
30 bis
mit 40
Jahre.
40 bis
mit 50
Jahre.
über
50
Jahre.
weniger
als volle
20 J.
20 bis
mit 25
Jahre.
25 bis
mit 30
Jahre.
30 bis
mit 40
Jahre.
über
40
Jahre.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
m. ge-
schied.
Frauen.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
m. ge-
schied.
Frauen.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
m. ge-
schied.
Frauen.
Bräu-
tigam
evang.
Bräu-
tigam
kath.
(Parochien)
1838 ev. 205 20 97 69 12 7 17 67 71 36 14 166 9 24 6 1
1838 kath. 7 6 1 3 4 6 1 1
1838 isr. 5 1 2 1 1 2 3 4 1
1839 231 24 110 68 18 11 19 73 73 52 14 160 13 4 43 9 1 1 2 1
9 6 3 2 3 3 1 8 1 1
3 1 2 1 2 1 2
1840 201 12 88 75 20 6 17 66 61 40 17 149 15 2 27 5 1 2
6 1 1 2 1 1 1 2 1 2 4 2 1
4 2 2 3 1 3 1
1841 211 15 97 66 18 15 12 73 72 35 19 156 4 36 12 1 2 1
8 2 5 1 1 3 3 1 8 2
2 2 1 1 2
1842 202 13 107 58 15 9 20 81 60 30 11 155 14 26 6 1 1 1
5 3 1 1 3 1 1 3 2 2
5 3 1 1 1 3 1 5
1843 198 28 84 60 17 9 14 69 58 38 19 141 18 2 26 9 2
5 1 3 1 2 2 1 4 1 2
1 1 1 1
1844 195 15 94 65 16 5 10 75 55 43 12 145 15 30 4 1 1
1 1 1 1
4 3 1 1 1 2 4
1845 235 21 107 74 22 11 17 85 80 36 17 181 7 2 34 11 1
4 1 2 1 1 2 1 2 1 1
1 1 1 1
1846 205 21 102 60 16 6 14 86 61 34 10 162 7 3 26 5 2
8 2 3 2 1 2 2 2 2 5 3 1
8 4 2 2 2 3 2 [–] 1 6 2
1847 199 21 104 53 17 4 15 76 63 [35] 10 162 9 20 7 1 2
5 1 2 2 2 1 [2] 4 1 1
5 1 4 1 1 [3] 4 1
1848 198 16 96 62 16 8 10 67 66 41 14 142 13 2 32 8 1 1
2 1 1 1 1 2
1 1 1 1
1849 184 22 82 54 23 3 8 62 65 37 12 143 7 1 28 5 2
4 4 1 2 1 4 1 1
4 4 1 3 3 1
1850 176 17 88 44 16 11 9 66 50 36 15 127 12 1 26 8 1 1 1
4 2 1 1 1 2 1 3 1
4 2 1 1 2 1 1 3 1
1851 169 17 72 60 13 7 5 84 44 24 12 135 6 21 7 2
2 1 1 1 1 2 1
2 1 1 1 1 2
1852 126 14 64 30 13 5 8 52 37 19 10 92 7 1 19 4 2 1
5 1 1 2 1 1 3 1 3 2
5 1 4 1 4 3 1 1
1853 141 9 81 34 12 5 8 52 47 29 5 109 6 23 2 1
6 4 1 1 4 1 1 5 1
1854 112 3 63 31 9 6 8 43 29 16 16 89 3 11 9
2 2 1 1 2 2
2 1 1 2 1 1 2
1855 123 3 61 38 17 4 5 43 41 22 12 84 13 18 7 1 1
2 2 1 1 2
1856 149 4 76 53 10 6 12 53 49 29 6 115 8 19 6 1
2 1 1 1 1 1 1 1
1857 163 11 79 48 14 11 8 56 47 38 14 126 10 20 6 1 2
2 1 1 2 2
Evangel. 3623 306 1752 1102 314 149 236 1329 1129 670 259 2739 196 18 509 136 7 17 1 13 9
Kathol. 87 5 36 3 11 4 7 16 28 28 8 69 3 12 3 1 15
Israel. 58 2 18 27 8 3 3 18 21 13 3 45 2 10 1
Im Ganzen 3768 313 1806 1160 333 156 246 1363 1178 711 270 2853 201 18 531 140 7 17 1 14 24
3768 3768 3768 38

[Anmerkungen WS:
In der Säule "3", Spalte "30 bis 40 Jahre" sind in der Vorlage die Zahlenwerte von 1847 um eine Position nach oben verrutscht.]


  1. Hiebei ist zu bemerken, daß im Jahr 1842 die Gemeinde Geiselhardt von dem Bezirk Weinsberg getrennt und dem Oberamt Öhringen einverleibt wurde.
  2. Zum Theil nach Mittheilungen des Herrn Oberamtsarzts Dr. Maurer.
  3. Nach den Mittheilungen des Herrn Oberamtsarzts Dr. Maurer.


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