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29. Gemeinde Rettersburg,
mit Linsenhof, Drexelhof und Kieselhof, Gemeinde dritter Classe mit 554 evangel. Einwohnern.


a) Das Dorf Rettersburg liegt in den „Berglen“ in einem romantischen Thälchen, deren hier drei zusammentreten, und wird durch einen aus dem Gebirge bei Königsbronnhof herkommenden namenlosen Bach bewässert. Mit Oppelsbom an das Oberamt Welzheim grenzend, liegt es nächst dem daselbst erwähnten Waldgebirge, nordöstlich, 4 Stunden von Waiblingen. Der Ort hat eine Fülle von Wasser, steht auf sumpfigem Grund und theilt im Übrigen seine natürlichen Verhältnisse mit Oppelsbom. Der Boden ist theilweise sehr mager.

Die Gemeinde gehört zum Forstamt Reichenberg. Die Zehenten und andere Gefälle von Rettersburg bezieht das Königl. Hofcameralamt Winnenden; an letztern hat das Dorf seit 1818 einen Capitalbetrag von 417 fl. 58 kr. abgelöst, so, daß außer den Zehenten noch 19 fl. 12 kr., 10 Scheffel 5 Simri Haber und 5 Imi 4 Maas Bodenwein zu erheben sind.

Das Thälchen, in welchem das Dörflein liegt, ist gegen Süden offen, westlich, nördlich und nordöstlich von Anhöhen umgeben. Das Clima ist milder als in Kieselhof und Drexelhof. Ein eigenes Schulhaus wurde erst 1848 von der Gemeinde erbaut. Mit diesem zählt die Gemeinde 79 Haupt- und 142 Neben-Gebäude. Die Nachbarschaftwege sind gut. Die Markung begreift 6102/8 Morgen, worunter 332/8 Morgen Weinberge. Es treffen etwa 7 Morgen auf eine Familie.

Über den landwirthschaftlichen Betrieb s. Oppelsbom. Unter den Futterkräutern ist der ewige Klee das gewöhnlichste. Der Ort hat eine eigene Kelter. Der Weinertrag ist gering; die Qualität mittelmäßig. Die Gemeinde hat beträchtliche Eichen- und Buchen-Waldungen. Es wird mehr Brodfrucht eingeführt als ausgeführt. Butter, Eier und Geflügel werden von Händlern aufgekauft. Der Haupthandel ist der Viehhandel. Die Viehzucht aber ist unbedeutend und der Viehstand hier am Kleinsten (S. 61). Von den Gewerben sind nur 8 Weber, einige Maurer und Schreiner zu erwähnen.

| b) Drexelhof, 1524 „Hof zum Trechsel,“ Weiler mit 46 Einwohner und eigener Markung, südöstlich 1/2 Stunde von Rettersburg auf der Höhe. Die Boden- und Cultur-Verhältnisse wie zuvor. In früherer Zeit gehörte der Hof dem Kloster Lorch. Die Vogtei Winnenden erhob 1 Scheffel 1 Simri Vogthaber.

c) Kieselhof, Weiler mit 32 Einwohnern und eigener Markung, nordwestlich 1/2 Stunde von Rettersburg, gleichfalls auf der Höhe, zwischen Waldgebirg gelegen. Die Kulturverhältnisse gleichen jenen von Rettersburg. Drexelhof und Kieselhof haben ihre grundherrlichen Gefälle an den Staat zu entrichten: für den großen Zehenten 5 Scheffel Frucht nach Rauhem, 5 fl. für den kleinen Zehenten, 1 fl. Surrogatgeld und 1 fl. 33 kr. Lehengefälle.

d) Linsenhof, Weiler mit 35 Einwohnern und eigener Markung, liegt nordöstlich, 1/2 Stunde von Rettersburg, in einem Seitenthälchen, am Fuße des Waldes Zwerenberg, und hieß deßwegen früher auch Zwerenberg. Die Boden- und Kultur-Verhältnisse sind wie in Rettersburg. Der Wein ist ziemlich gut. Auch hier hat das Hofcameralamt Winnenden die Zehenten und andere Grundgefälle zu beziehen; an letzteren, die gegenwärtig noch in 4 fl. 8 kr. und einer kleinen Landacht bestehen, hat der Weiler nur 1 fl. 20 kr. abgelöst. Vor der Reformation soll hier ein Bruderhaus gestanden haben.

Die Verhältnisse der Gemeindepflege sind nicht ungünstig. Kein Stiftungsvermögen. Im Allgemeinen ist der Nahrungsstand der Einwohner ungünstig und sind ihre Vermögensumstände dürftig.

Rettersburg hat keine Kirche und ist mit den Parcellen Filial von Oppelsbom. Die Schule ist für die politische Gemeinde gemeinschaftlich; an derselben steht ein Schulmeister. Eine Industrieschule ist nicht vorhanden.

Rettersburg erscheint bei seiner erstmaligen Nennung im Jahr 1293, Juli 22., unter denselben Verhältnissen, wie Öschelbronn. Das Kloster Lorch besaß noch 1542 13 kleinere Lehen, welche der Kellerei Vogthaber entrichteten. Die Zelge „Bürkenzelg“ scheint, wie der Ortsname selbst, auf eine Burg hinzuweisen, von welcher übrigens nichts zu erheben war.

Die Gemeinde gehörte zu dem äußeren Gericht in Winnenden. Die Zehentrechte der Hofdomainenkammer in Rettersburg, ausschließlich des Heu- und Noval-Zehenten, die mit den übrigen Grundgefällen von der Kellerei Winnenden herrühren, standen dem Stift Constanz (der Pfarrei Oppelsbom) zu und gingen mit letzterm 1807 vom Staat an dieselbe über. Die Zehentrechte derselben in Linsenhof, die in den frühesten Zeiten Württemberg | gehörten und 1665 durch dieses vom deutschen Orden wieder erworben wurden, erwarb sie ebenfalls 1807.
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