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Iptingen,
Gemeinde III. Kl. mit 892 Einw. wor. 2 Kath. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Hohen-Asberg eingepfarrt.

In der schmalen Ebene des Kreuzbachthales liegt in die Länge gezogen der größte Theil des Dorfs und nur der kleinere desselben, zu dem auch die Kirche und das Schulhaus gehört, ist an den linken Thalabhang hingebaut. Die an den gut unterhaltenen Ortsstraßen gelegenen Wohnungen, meist durch Hofräume von einander getrennt, sind größtentheils zweistockig und haben ein freundliches, ländliches Aussehen.

Die hochgelegene, im Laufe der Zeit stylwidrig veränderte Pfarrkirche, wurde nach einer, über dem südlichen, spitzbogigen Eingang angebrachten Jahrszahl im Jahr 1513 erbaut, oder was wahrscheinlicher ist, vergrößert und verändert, indem auf eine ursprünglich frühere Erbauung sowohl der platte Chorschluß als auch einzelne Spuren der romanischen Bauweise, an dem Triumphbogen zwischen Langhaus und Chor hindeuten. Der an der Westseite stehende, viereckige Thurm, welcher ursprünglich zur Vertheidigung gedient haben mag, ist in seinen unteren Theilen sehr alt und nur das oberste, hölzerne, mit einem Zeltdach gedeckte Stockwerk stammt aus neuerer Zeit, welcher auch die vorhandenen drei Glocken angehören. Das untere Stockwerk enthält ein Kreuzgewölbe, dessen Gurten von Fratzengesichtern ausgehen und dessen Schlußstein ein Agnus | Dei darstellt. Das freundliche, weißgetünchte Innere der Kirche enthält einen schön germanisch gehaltenen Taufstein und eine im Jahr 1830 von Johannes v. Huber gestiftete Orgel, an welcher dessen Bildniß aufgehängt ist. Auf dem hinter der Kirche gelegenen ummauerten, im Jahr 1845 vergrößerten Begräbnißplatz steht eine Grabkapelle, welche der gedachte Huber noch zu seinen Lebzeiten mit der Bestimmung, hier einst seine irdischen Reste beizusetzen, in einem einfachen, modernen Style massiv erbauen ließ; sie trägt über dem Eingang die Inschrift „Hubers Denkmal“ und enthält einen kleinen Altar mit den einfachen Worten „Johannes v. Huber geboren zu Iptingen den 2. April 1760, gestorben zu Honfleur den 15. Mai 1844“ (s. unten).

Etwas entfernt von der Kirche liegt das auf Kosten des Staats im Jahr 1851 gründlich erneuerte Pfarrhaus, und auf der Anhöhe bei der Kirche das im Jahr 1836 mit einem Gemeindeaufwand von 4500 fl. erbaute, wohleingerichtete Schulhaus, in welchem auch die Wohngelasse des Schulmeisters und des Lehrgehilfen sich befinden. Eine Industrieschule besteht schon längst.

In der Nähe des ziemlich alten Rathhauses mit Thürmchen und Glocke steht eine geräumige Kelter mit zwei Bäumen, einer Obstmühle und einer eisernen Obstpresse. Ein Gemeindebackhaus wurde 1841 erbaut.

Durch den Ort fließt der klare Kreuzbach, der daselbst zwei Mahlmühlen, mit je drei Mahlgängen und einem Gerbgang und unterhalb des Dorfs eine Öl- und Sägmühle in Bewegung setzt. Der Forellen und Gruppen beherbergende Bach tritt nicht selten aus und droht zuweilen den Wohnungen Gefahr, besonders aber wird er den Thalwiesen durch Überschwemmung schädlich, welchen er andererseits mit großem Vortheil zur Bewässerung dient. Das Fischrecht hat der Staat, welcher es um 1 fl. 30 kr. jährlich verpachtet. Im Ort führen eine steinerne und drei hölzerne Brücken über den Kreuzbach.

Außer den Mühlgewerben befinden sich drei Schildwirthschaften, eine Brauerei, zwei Krämer und eine Ziegelei in dem Ort; die übrigen Handwerker dienen nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen.

Dem Ort liefern zwei laufende Brunnen vortreffliches Trinkwasser in Fülle; überdieß befinden sich noch einige unbedeutende Quellen außerhalb des Orts.

Allda wurde geboren im Jahr 1757 Joh. Georg Rapp und war hier Bauer und Weber, als welcher er über der Lesung der Bibel und Betrachtung der Natur eine merkwürdige Geisteskraft | entwickelte und in der jetzigen Kirche eine Polizeianstalt erblickend – ein ergreifender Prediger – Haupt einer neuen Secte wurde. Im Jahr 1803 zog er mit Anhängern nach Amerika, wo er, der erste in seiner Art, mit Hilfe des religiösen Bandes den Communismus in seiner Gemeinde mit vielem Geschick durchführte und die von ihm geordneten Ansiedelungen zu wahren Musterwirthschaften machte. Er gründete im Staat Pennsilvanien die Stadt „Harmonie“, darauf in Indiana „Neu-Harmonie“, zuletzt wieder in Pennsilvanien „Oeconomie“, in welch’ letzterer bewunderungswürdigen Ansiedelung er im Alter von 90 Jahren noch rüstig und geisteshell – eine wunderbare Erscheinung – den 7. Aug. 1847 verstarb (vergl. Löher Gesch. und Zustände der Deutschen in Amerika 258–269). Der schon erwähnte Joh. Huber war der Sohn eines hiesigen Heiligenpflegers und als mittelloser Schusterjunge auf die Wanderschaft gegangen; durch Fleiß und Geschicklichkeit sich auszeichnend, erwarb er in Frankreich ein sehr bedeutendes Vermögen und gründete ein kaufmännisches Geschäft in Honfleur im Departement Calvados, wo er auch starb. Huber zeigte sich immer sehr anhänglich an seinen Geburtsort, unterstützte seine Anverwandten mit beträchtlichen Summen, ließ im Jahr 1842 am Westende des Orts ein geräumiges Armenhaus mit einem Aufwand von 4675 fl. erbauen, und in demselben Jahr den östlich vom Ort gelegenen Thalabhang mit 1500 Obstbäumen auspflanzen, welchem Berge der Name Johannes Hubersberg beigelegt ist. Ferner stiftete er ein Kapital von 3200 fl., von dessen Zinsen alljährlich für die Ortsarmen 100 fl. und für Schulbücher und Prämien 50 fl. verwendet werden; auch ist von ihm eine weitere Stiftung von 500 fl. für den Gesangverein vorhanden. Die Ortskirche hat Huber außer der Orgel (s. oben) mit wertvollen Nachtmahl- und Taufgefäßen beschenkt. In Anerkennung dieser wohlthätigen nützlichen Stiftungen wurde demselben im Jahr 1842 von dem König der Orden der württ. Krone (womit Personal-Adel verbunden ist) verliehen.

Im Allgemeinen sind die Einwohner von Iptingen schöne, kräftige Leute, fleißig, sparsam und befinden sich in ziemlich befriedigenden Vermögensumständen. Was die Religionsverhältnisse betrifft, so bekennen sich etwa 40 Personen zu einer besondern, dem Separatismus sich nähernden Secte, sie weichen zwar von den gottesdienstlichen Einrichtungen ab, dürfen aber im Allgemeinen zu den ruhigen, geordneten Bürgern des Orts gezählt werden. Die Haupterwerbsquellen der Einwohner bestehen in Feldbau und Viehzucht; der Weinbau ist untergeordnet.

Die ziemlich große Markung besteht, mit Ausnahme des tief | und schroff eingeschnittenen Kreuzbach-Thales, aus einer welligen Hochebene, deren Boden meist fruchtbar und kalkreich ist, und dem eine Menge losgewordener Muschelkalkbruchstücke beigemengt sind. Die ergiebigsten Güter liegen auf den breiten Egerten und im Ortengrund. Der Güterbesitz der Einzelnen ist höchstens 80 Morgen, gewöhnlich 8–10 Morgen in Parzellen von etwa 1/2 Morgen.

Die klimatischen Verhältnisse sind etwas rauher als in dem nahe gelegenen Groß-Glattbach und die Ernte tritt um 8–10 Tage später ein als in Vaihingen; schädliche Frühlingsfröste kommen nicht selten vor und werden durch den starken Thalzug noch befördert, daher auch das Obst nicht gerathen will. Hagelschlag ist in neuerer Zeit selten.

Die Landwirthschaft, bei der man wegen des steinigen Bodens immer noch den deutschen Wendepflug vorzugsweise anwendet, wird sehr fleißig betrieben; ein Vortheil für dieselbe sind die beträchtlichen Gemeindewaldungen, indem aus diesen ein großer Theil des Streubedürfnisses bezogen wird, was einen namhafteren Viehstand und somit eine reichlichere Düngerbereitung zuläßt. Man baut vorherrschend Dinkel, weniger Hafer und Gerste; im Durchschnitt liefert ein Morgen 10 Scheffel, in ganz günstigen Jahren und auf den besten Feldern 14 Scheffel Dinkel, 5–6 Scheffel Hafer und 4 Scheffel Gerste. In der zu 1/6 angeblümten Brache werden vorzugsweise Futterkräuter, dann Kartoffeln, Ackerbohnen, wenig Hanf und Mohn gebaut. Die höchsten Preise eines Morgens Acker betragen 400 fl., die mittleren 300 fl. und die geringsten 80 fl. Dinkel wird ziemlich viel von Händlern aufgekauft. Etwa 140 Morgen zweimähdige Wiesen, denen mit wenig Ausnahmen Wässerung zukommt und die nicht selten noch einen dritten Schnitt erlauben, liefern ein nahrhaftes Futter; der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 25–30 Centner Heu und 12–15 Centner Öhmd angegeben. Der Preis eines Morgens beträgt 500 fl. Der Weinbau, welcher sich hauptsächlich mit Affenthalern, Silvanern und Klevnern beschäftigt, wird auf etwa 120 Morgen betrieben und liefert meist einen dickrothen Wein, der sich sehr gut auf das Lager eignet. Der Morgen erträgt durchschnittlich 5–6 Eimer und die Preise eines Eimers betrugen in dem Jahr 1846: 66 fl., 1847: 33 fl., 1848: 30 fl., 1849: 24–40 fl., 1850: 12 fl., 1851 konnte der Wein nicht verkauft werden, 1852: 30 fl. und 1853: 30 fl. Der Wein, welcher hinter der Kapelle und in den Kapellenhälden am besten gedeiht, wird meist gegen den Schwarzwald abgesetzt. Als Nebennutzungen werden in den Weinbergen | Bohnen, junge Obstbäume und Welschkorn gezogen. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 250–300 fl. Die Obstbaumzucht ist sehr ausgedehnt, der Ertrag aber, wegen der häufigen Frühlingsfröste und schädlichen Thaue, verhältnißmäßig gering; es werden nur Mostsorten und ziemlich viel Zwetschgen gezogen. Eine Gemeindebaumschule ist vorhanden.

Die Rindviehzucht (Neckarschlag) befindet sich in gutem Zustande und wird durch drei Landfarren, welche die Widdumgutsbesitzer halten, nachgezüchtet. Der Handel mit Schmal- und Stiervieh ist ziemlich beträchtlich. Die früher stark betriebene Schweinezucht darf nur noch mittelmäßig genannt werden; dagegen ist die Zucht des Geflügels nicht unbedeutend und erlaubt einen mäßigen Verkauf an Gänsen und jungen Hahnen.

Der Ort ist zwei Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt und zwei Stunden südlich von der nächsten Eisenbahnstation Illingen gelegen und durch Vicinalstraßen mit Nußdorf, Wiernsheim, Mönsheim und Weissach verbunden.

Die Einnahmen der Gemeindepflege sind so beträchtlich, daß eine Gemeindeschadensumlage nicht nöthig wird. Neben einem Kapitalvermögen von 8000 fl., besitzt die Gemeinde 840 Morgen, meist gut bestockte Laubwaldungen, die gegenwärtig noch im 40jährigen Umtriebe bewirthschaftet sind, aber in den Hochwaldbetrieb übergeführt werden sollen; sie ertragen jährlich etwa 200 Klafter und 12.000 St. Wellen, von denen jeder Bürger 60 St. Wellen erhält, der Verkauf des übrigen Holzes gewährt der Gemeindekasse eine jährliche Rente von etwa 4000 fl. An Weiden sind 165 Morgen vorhanden, sie werden nebst der Brach- und Stoppelweide zur Schäferei verpachtet und sind mit ungefähr 500 Stück Bastarden, die auch im Ort überwintert werden, beschlagen. Neben dem Pachtgeld von 200 fl. trägt die Pferchnutzung der Gemeindekasse noch 3–400 fl. jährlich. Die gewonnene Wolle wird an Händler abgesetzt und der Abstoß der Schafe geht auf den Canstatter Markt. Aus Gemeindegütern werden jährlich 60 bis 70 fl. Pachtgeld erzielt. Die Stiftungspflege leidet an einem Deficit, das die Gemeinde alljährlich deckt. Außer den oben angegebenen Huber’schen Stiftungen befinden sich unter den Kapitalien der Stiftungspflege 300 fl., deren Zinse zu Schulbücher und Brod verwendet werden. Überdies hat der Ort Theil an der sog. Egonsgerechtigkeit und erhält deßhalb jährlich 16 Scheffel, 3 Vierling, 2 Ecklen Dinkel, welcher an die Ortsarmen ausgetheilt wird (s. übrigens Tab. III. über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt).

Etwa 1/8 Stunde nördlich vom Ort soll auf einem Bergvorsprung, | wo noch wenige Grundreste sichtbar sind, ein sog. Nonnenhaus gestanden sein; ein von dem Nonnenhaus gegen Groß-Glattbach führender Weg wird der „Nonnenpfad“ genannt. Eine Anhöhe südwestlich vom Ort wird „auf der Wart“ genannt. Auf der Anhöhe 1/4 Stunde südöstlich vom Ort führte eine Römerstraße von Nußdorf her durch das Lichthölzle an der Flur „Steckhof“ vorüber nach Mönsheim; noch werden die Felder daselbst theilweise „die Straße“ genannt. Die Benennung Steckhof weist auf einen abgegangenen Wohnplatz hin, ebenso der 1/4 Stunde nördlich von Iptingen vorkommende Flurname „Birkhof“; an beiden Stellen sind übrigens keine Spuren mehr sichtbar.

Die früheste Nennung des Orts fällt in die Zeit um 1120. Um diese Zeit beschenkt Ulrich von „Ubtingen“ das Kloster Hirschau (Cod. Hirsaug. 39b); nicht viel später treten auf Erlefried von „Ubtingen“ und sein Bruder Udalrich Zeugen in einer Urk. eben dieses Klosters (ibid. 41b). Gegen Ende desselben Jahrhunderts beschenkte ein freier Herr, Ritter Ulrich von „Ubetingen“ das Kloster Maulbronn mit seiner hiesigen Burg und dem anliegenden Dorfe und sonstigen Besitzungen, und begründete hiemit einen dauernden Besitz für das Kl. Maulbronn. Am 28. Jan. 1194 bestätigte K. Heinrich VI. die Stiftung. Nach einiger Zeit reute aber den Schenkgeber, welcher sich in Maulbronn als Mönch hatte einkleiden lassen, seine Handlungsweise; er verließ das Kloster und verkaufte den Ort an einen Pfalzgrafen von Tübingen. Das Kloster klagte bei dem königlichen Gericht in Rottweil vor K. Philipp selbst, worauf der Pfalzgraf Iptingen an das Kloster zurückgeben mußte; K. Philipp seinerseits bestätigte diese Rückgabe unter dem 4. Febr. 1206 zu Eßlingen. Um 1130 beschenkte Untrost von Nußdorf das Kl. Hirschau mit einer hiesigen Wiese (Cod. Hirs. 42a).

Leibeigene allhier erkaufte Württemberg im Jahr 1384 von denen von Höfingen und im Jahr 1423 von Heinrich von Gerlingen. Das Dorf selbst kam im Jahr 1504 mit dem Kl. Maulbronn unter den Schutz von Württemberg (Besold Documenta 861), mit welchem es durch die Reformation noch enger vereinigt wurde.

Der älteste bekannte Pfarrer ist Marquard (Marq. plebanus de Uobetingen) in Urkunden von 1237 und 1254. Das Kirchenpatronat kam mit der Burg und Dorf durch obige Schenkung an das Kloster Maulbronn; dieses vertauschte es aber den 1. Febr. 1249 dem Hochstift Speier gegen das Patronatrecht in Ketsch (Remling Gesch. der Bisch. von Speier, ält. Urk. 239). Später | jedoch kam die hiesige Kirche wieder an das Kl. Maulbronn. Am 5. Jan. 1355 bestätigte Bischof Gerhard von Speier die Stiftung einer Pfründe in der Margarethen-Capelle in Iptingen durch das Gericht daselbst und gab diesem für das erste Mal, für die Zukunft aber dem Abt und Convent in Maulbronn das Präsentationsrecht zu derselben. In den Jahren 1637–39 war an Iptingen vorübergehend Wiernsheim als Filial zugetheilt und 1639–44 wurde Iptingen selbst als Filial von Mönsheim aus versehen. Durch die Reformation kam der Pfarrsatz an Württemberg, wie er auch heut zu Tage der Krone zusteht.

Im Jahr 1842 kam das Dorf vom O.A. Maulbronn an das O.A. Vaihingen.

Gefällberechtigt waren zur Zeit der Ablösungs-Gesetze von 1848/49 und erhielten in Folge der Vollziehung derselben an Ablösungs-Capitalien für Zehnten: die Finanzverwaltung 23.240 fl. 44 kr., die Ortspfarrei 6400 fl.


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