Beschreibung des Oberamts Rottweil/Kapitel B 3
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Das schöne, große Dorf hat eine freie gesunde Lage auf der Muschelkalkhochebene westlich vom Neckar-Thale und besteht aus meist ansehnlichen, getünchten, die Wohlhabenheit der Einwohner verrathenden Bauernhäusern, die meist mit Ziegelplatten gedeckt sind. Die Zwischenräume der weitläufig hingebauten Häuser werden von Obstbaumgärten ausgefüllt, oder von Linden und Pappeln belebt, was Alles zur Schönheit des von reinlichen Straßen durchzogenen Orts wesentlich beiträgt.
Die am Ostrande des Dorfes freigelegene, dem h. Wendelin geweihte Kirche wurde im Jahre 1817 neu erbaut, macht aber von außen einen kahlen und etwas baufälligen Eindruck, hat lange schmucklose Rundbogenfenster, einen rechteckigen Chor und auf dessen First einen großen achtseitigen Dachreiter mit zwei Glocken. Über dem Haupteingang steht die Jahreszahl 1817. Das sehr freundliche,| helle, geräumige Innere zeigt an der Chorwand zwei große neue Ölbilder, das Abendmahl und die Himmelfahrt mit der Unterschrift: H. Kraneck pinxit. 1830; und enthält außerdem einen alten hohlen achteckigen Taufstein. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Kirchenstiftung.Ziemlich weit östlich von der Kirche streckt sich am Rande eines Thälchens der im Jahre 1827 angelegte, ummauerte Friedhof hin, mit prächtiger Aussicht, und bemerkenswerth durch seine hübschen Steindenkmäler und besonders noch durch die Menge und z. Th. bedeutende Schönheit seiner schmiedeisernen Kreuze; auch viele zierliche bemalte Holzkreuze schmücken den mit frommer Sorgfalt gepflegten Ort.
Zwischen dem Friedhof und der Kirche steht das 1858 erbaute, sehr hübsche Pfarrhaus, dessen Unterhaltung ebenfalls der Kirchenstiftung obliegt. Das zweistockige Rathhaus wurde 1845 erbaut und befindet sich in gutem Zustande, das frühere 1801 erbaute Rathhaus, mit Thürmchen und Glocke auf dem First, dient jetzt als Schulhaus, und enthält 2 Lehrzimmer. Die ansehnliche Wohnung des Schulmeisters ist an das neue Rathhaus zu gleicher Zeit mit demselben angebaut worden. Außer diesen der Gemeinde gehörigen Gebäuden bestehen noch ein Armenhaus, ein Brechhaus und außerhalb des Orts in der Nähe des Kasparlenshof ein Schafhaus (Schafhof, früher Herderershof). Vicinalstraßen nach Beffendorf, Epfendorf, Herrenzimmern und Dunningen vermitteln den Verkehr mit der Umgegend.
Gutes Trinkwasser liefern ein laufender, ein Schöpf- und 88 Pumpbrunnen, das Wasser wird jedoch in trockenen Jahreszeiten so spärlich, daß der Bedarf aus dem 1/4 Stunde entfernten Mühlgrabenbrunnen herbeigeholt werden muß. Auch ist die Markung nicht reich an Quellen, die bedeutendsten sind der Mühlgrabenbrunnen, der Wittsteigbrunnen und eine Quelle im sog. Wälle (Wäldle).
Die körperlich kräftigen, wohlgewachsenen Einwohner, von denen gegenwärtig fünf achtzig und mehr Jahre zählen, sind fleißig, geordnet und befinden sich in erfreulichen Vermögensumständen, indem die wohlhabendsten Bürger 60–80 Morgen, die mittelbegüterten 20–30 Morgen und die minderbemittelten 5–10 Morgen Grundeigenthum haben. Auf angrenzenden Markungen besitzen die Ortsbürger etwa 150 Morgen Güter. Die Haupterwerbsquellen sind Feldbau und Viehzucht; die Gewerbe, unter denen die Linnenwebererei am stärksten vertreten ist, dienen mit Ausnahme der Stroh- und Palmflechterei für die Fabriken in Schramberg nur den| örtlichen Bedürfnissen. Vier Schildwirthschaften, worunter 2 mit Bierbrauereien, und 3 Krämer sind vorhanden.Die große Markung hat eine hügelige, von Trockenthälchen und Rinnen vielfältig durchzogene Lage und einen mittelfruchtbaren Boden, der aus den Produkten der Lettenkohlengruppe, des Muschelkalkdolomits und des Hauptmuschelkalks besteht und in etwas nassen Jahrgängen ergiebiger ist als in trockenen; auch fruchtbarer Lehm kommt stellenweise vor.
Einige Steinbrüche im Muschelkalkdolomit und Lehmgruben sind angelegt. Erdfälle (trichterförmige Einsenkungen) kommen im Luzenhau nordwestlich vom Ort und beim Lehenwald vor.
Das Klima ist, wie überhaupt auf der Hochfläche links des Neckars, ziemlich rauh und überdieß ist die Gegend starken Winden ausgesetzt; schädliche Frühlingsfröste und kalte Nebel stellen sich zuweilen ein, auch gehört Hagelschlag nicht zu den Seltenheiten. Feinere Gewächse gedeihen nicht. Die Landwirthschaft wird mit vielem Fleiß gut betrieben und zur Besserung des Bodens wird neben den gewöhnlichen in zweckmäßigen Düngerstätten gesammelten Düngungsmitteln noch Gips und Asche angewendet. Von verbesserten landwirthschaftlichen Geräthen haben der Hohenheimer Pflug, die Acker-und Dreschwalze und die eiserne Egge Eingang gefunden; auch ist eine Dreschmaschine und eine Repssämaschine vorhanden. Zum Anbau kommen Dinkel, Haber, Gerste, Weizen, Roggen, ziemlich viel Mengfrüchte, Kartoffeln, Futterkräuter, Reps, Mohn, Flachs und Hanf. Von den Felderzeugnissen können über den eigenen Bedarf jährlich etwa 2000 Scheffel Dinkel, 500 Scheffel Haber, 100 Scheffel Gerste und etwas Reps und Flachs nach außen verkauft werden. Die Wiesen, von denen nur 3 Morgen bewässert werden können, liefern reichlich sehr gutes Futter, von dem ein Theil nach außen abgesezt wird. Mit Eifer wird die Obstzucht getrieben, obgleich das Obst wegen des rauhen Klimas nicht besonders gut gedeihen will und nur in ganz günstigen Jahrgängen einen Verkauf von etwa 100 Simri zuläßt; man pflanzt meist späte Mostsorten und Zwetschgen. Eine Gemeindebaumschule und einige Privatbaumschulen, aus denen die Jungstämme bezogen werden, sind vorhanden, und zur Pflege der Obstbäume ist ein Baumwart aufgestellt.
Aus den 330 Morgen Gemeindewaldungen (Nadelholz) werden jährlich 110 Klafter und 5000 St. Wellen geschlagen; hievon erhält jeder Bürger 1/2 Klafter, das übrige Holz wird verkauft, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von etwa 600 fl. abwirft. Überdies bezieht die Gemeinde neben dem Pachtgeld aus der Weide und der Pferchnutzung noch aus 300 Morgen Allmanden,| die an Ortsbürger verliehen werden, 296 fl., aus 80 Morgen Gemeindegütern 300–350 fl. und aus 30 Morgen Gemeindewiesen 700–1000 fl.Die Pferdezucht ist unbedeutend, dagegen die Pferdehaltung (80 St.) ziemlich namhaft; die Stuten kommen zur Bedeckung auf die Beschälplatten nach Rottweil und Waldmössingen. In ganz gutem Zustande befindet sich die Rindviehzucht (Kreuzung von Simmenthalerrace und Neckarschlag), zu deren Nachzucht 2 reine Simmenthaler- und 2 von gekreuzter Race aufgestellt sind. Herbstaustrieb findet noch statt. Der Handel mit Vieh auf benachbarten Märkten ist beträchtlich. Auf der Markung läßt ein fremder Schäfer den Sommer über 400 St. deutsche Schafe laufen; die Wolle wird in das In- und Ausland abgesetzt, fettgemachte Hämmel gehen meistens nach Frankreich. Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, die Ferkel bezieht man von außen, dagegen werden viele aufgemästete Schweine verkauft.
An Stiftungen sind vorhanden: 1) der Kirchenfonds, von dem Kloster St. Blasien gestiftet, ursprünglich 9200 fl. betragend, gegenwärtig aber in Folge des Kirchenbaus auf 4000 fl. vermindert; 2) ein Schulfonds von 300 fl., gestiftet von Theresia Baumann und 3) ein Armenfonds von 300 fl., von verschiedenen Ortsbürgern gestiftet.
Von Spuren aus früher Vorzeit nennen wir die von Epfendorf nach Röthenberg führende ehemalige römische Heerstraße, welche einige 100 Schritte südlich am Kasparlenshof vorbei zieht. Etwa 10 Minuten westlich von Bösingen kommt die Flurbenennung „Bebenstall“ vor, was auf eine abgegangene Befestigung (Burgstall) hindeutet.
Zu der Gemeinde gehört:
b. Kasparlenshof, 1/2 Stunde nordwestlich vom Mutterort an der Vicinalstraße nach Beffendorf gelegen.
Bösingen, früher auch Bosinga, Bosingin geschrieben, tritt zuerst in der Geschichte auf durch Erwerb geistlicher Korporationen: Herzog Burkhards von Alemannien Wittwe Hadwig schenkte hiesigen Besitz als Zugehörung des Guts Epfendorf an das Kl. Petershausen, welchem zu gut auch K. Otto III. den 4. Nov. 994 darüber verfügte; einer der Stifter des Kl. Alpirsbach, Graf Adelbert von Zollern, begabte dieses Kloster, als er selbst in dasselbe eintrat, mit hiesigem Besitz, was P. Paschalis II. den 12. Apr. 1101 bestätigte (Wirt. Urk.-B. 1, 231. 328).
Nach der Aufzeichnung der Hohenberger Lehen aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts war der Ort ein solches Lehen der| Familie von Justingen (O.A. Münsingen). Als Angehörige dieses letzteren Geschlechts vertauschten die Rottweiler Bürger Heinrich von J. den 13. Dec. 1308 Gülten aus einem hiesigen Gut, das Heinrich von Lackendorf baute, gegen ein anderes hiesiges Gut und Berchthold von J. im J. 1331; ebenso jenes Gut selbst an das Kl. Rottenmünster (vergl. auch Glatz Regg. Seite 34). Den 26. Febr. 1380 verpfändete Graf Rudolf von Hohenberg sein Dorf Bösingen um 411 Pfd. Hllr. auf Wiederlosung an den Edelknecht Hans von Gültlingen den Schwarzhansen (Schmid Monum. Hohenb. 640). Zwar erwarb kurze Zeit darauf der Horber Vogt, Pfost von Neuneck, von Österreich, welchem Graf Rudolf seine Grafschaft im J. 1381 verkaufte, das Wiederlosungsrecht und begehrte von dem Rottweiler Hofgericht die Einsetzung in den Besitz des Ortes; allein die zu Schiedsrichtern erwählten württembergischen Räthe wiesen ihn den 21. Mai 1459 mit seiner Klage ab. Schon ums J. 1390 erscheint aber der Ort im Besitz des Grafen Rudolf des Älteren von Sulz, welcher Wernher den Vogt zu Böhringen und Konrad von Justingen zu gleichen Theilen damit belehnte. Der letztere verschrieb den 13. März 1399 dem Johann von Zimmern und der hiesigen Bauerschaft, die sich bei Berthold von Balgheim für ihn mitverschrieben hatten, die Nutzungen aus seiner Hälfte des Dorfes, gelobte am selben Tage eidlich die Belassung der Bauerschaft bei ihren alten Rechten und Gewohnheiten und verglich sich den 23. Okt. d. J. mit ihr wegen verschiedener gegenseitiger Rechte. Wernhers Sohn und seit 1399 Lehensnachfolger Hugo und Konrad geriethen im J. 1427, wie es scheint, wegen eines Baumguts, der Justinger Baumgarten genannt, in Streit, wurden aber zu Rottweil durch den Herz. Reinold von Urslingen und den Gr. Rudolf den Jüngeren von Sulz dahin verglichen, daß Hugo gegen Hinausbezahlung von 30 Pfd. Hllr. den Garten allein bekam. Die Böhringensche Hälfte des Lehens kam nach Hugos Tode im J. 1429 an dessen Wittwe Anna Kantzler, 1436 an deren 2. Gemahl, den Rottweiler Bürger Heinrich Freiburger, der im J. 1453 seinen Baumgarten allhier an U. L. Frauen in Bösingen verkaufte (Glatz Regg. 98), und dessen Descendenz, den gleichnamigen Sohn, und Dorothea, Gemahlin des Bürgermeisters Hans Hettinger von Horb, zuletzt 1533 an den Rottweiler Bürger Konrad Hettinger. Die Justingersche, bei der Kirche gelegene Hälfte dagegen kam nach Konrads Tode an dessen Wittwe Gertrud, von ihr durch Kauf um 150 fl. Rh. im J. 1433 an Sophie von Uffenloch, Gemahlin Konrads von Stain von Staineck, von dieser im J. 1455 an ihren Sohn Konrad von Stain, von dem letzteren| den 4. Febr. 1468 zugleich mit 2 Höfen in Epfendorf um den Kaufpreis von 297 fl. an den Hofgerichtsprotonotarius Bertold Eberhard gen. Egen und nach dessen Tode im J. 1479 an seinen Sohn Augustin Eberhard gen. Egen, welcher in den Jahren 1503 und 1513 noch einige hiesige Güter und Gülten von der Rottweiler Bruderschaftspflege erkaufte und seinen Lehensantheil auf seine Söhne, den Dr. Jur. Johann Wolfgang Egen und den Kaplan in der Altstadt, Johann Berchtold Egen, vererbte. Endlich kaufte die Stadt Rottweil mit Genehmigung des Grafen Johann Ludwig von Sulz, der sie damit belehnte, den 29. Mai 1539 die eine Hälfte des Dorfes von Konrad Hettinger um 460 fl., die andere Hälfte nebst einem Lehengut zu Dautmergen und einem hiesigen Gütlein von Joh. Berchtold Egen um 500 fl., ferner noch im J. 1546 12 Jauchert Ackers vom Kl. Rottenmünster um 8 fl., und den 10. Mai 1595 einen Hof (bis 1460 dem Augustinerkloster in Oberndorf gehörig) und einen Theil des großen Zehnten von den gräflich zimmerischen Erben.[1] Als die Grafen von Sulz im J. 1687 ausstarben, kam die bösingensche Lehensherrschaft an die Grafen, nachherigen Fürsten von Schwarzenberg, die auch noch 1767 der Stadt Rottweil die Belehnung ertheilten.Die Frohndienste, welche Bösingen der Stadt Rottweil, als seiner Obrigkeit zu leisten hatte, kaufte es den 14. Okt. 1539 – Kriegszeiten abgerechnet, wo es sich zu Frohndiensten wie andere schuldig erklärte – mit der jährlichen Summe von 31 fl. ab.
Den 3. März 1368 eigneten Konrad und Aigelwart (Gebr.), sowie Eglof und Erhard (Gebr.) von Falkenstein dem Wernher von Zimmern hiesige Güter. Einen hiesigen Kornzehnten „uff Studholz bei der Linden“ hatte im J. 1384 Konrad der Tunninger, der Schmid, Bürger zu Rottweil, als zimmerisches Lehen inne; sein Vater hatte ihn denen von Wolfach abgekauft und er selbst schenkte ihn 1399 der Frauenkirche zu Rottweil, gegen Ende des 16. Jahrhunderts ging die Lehensherrlichkeit durch Kauf auf letztere Stadt über.
Ein hiesiger Pfarr-Rektor wird schon im liber decimationis u. s. w. vom J. 1275 genannt (s. oben S. 158). Das Kl. Alpirsbach, welches hier in späterer Zeit namentlich einen Hof und Leibeigene besaß, hatte insbesondere noch im 16. Jahrhundert (1527) die| Pfarrpfründe zu verleihen, den 20/30. Sept. 1649 vertauschte jedoch Herzog Eberhard III. von Württemberg den Kirchensatz an das Kl. St. Blasien (Binder 2, 827). Das Kloster Rottenmünster kommt seit dem J. 1462 hier vor.
- ↑ Den 5. Febr. 1508 belehnte Gottfried von Zimmern die Gemeinde mit dem Hof Herderen und den 29. Mai 1581 verglich sich Rottweil mit den Zimmern wegen Zwing und Bann, Trieb, Tratt und Waidgangs in ihren beiderseitigen Flecken Bösingen und Beffendorf (Ruckgaber, Zimmern 241).
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