« Kapitel B 25 Beschreibung des Oberamts Riedlingen Kapitel B 27 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
26. Heiligkreuzthal,

ein kath. Dorf und Kloster mit Marktgerechtigkeit, am Soppenbach, 11/2 St. s w. von Riedlingen, mit 245 kath. und 10 evang. Einw. Filial von Andelfingen, Sitz eines K. Cam. Amts und eines Revierförsters, F. A. Zwiefalten. Zehnten, den großen bezieht der Staat, den kleinen die Pfarrey Andelfingen.

Gefälle beziehen: der Staat 216 fl. 46 kr., 2 Sch. 23/4 S. D., 1 Sch. 23/4 Sr. H.; F. Taxis 1 fl. 20 kr. Die Landgarbengefälle des Staats betragen 907 fl. 4 kr.; die Gegenleistungen 63 fl. 55 kr. Die vormals schupflehenbaren Güter sind nun größtentheils in Zinslehen verwandelt. Dem Staat gehört auch die Schafweide.

Name und Ursprung des Orts rührt von dem Kloster her, einem Frauenkloster Cisterz. Ordens, dem auch der Ort gehörte. Das Kloster wurde zwar 1803 aufgehoben, den Frauen wurde jedoch der fernere Aufenthalt darin, und später auf ihr Bitten, auch die Beybehaltung der Clausur gestattet; es befinden sich gegenwärtig noch 11 Frauen und 2 Schwestern darin. Wie gewöhnlich, so waren mehrere, noch jetzt betriebene, Gewerbe – Brauerey, Pfisterey, Metzgerey, Mühle, Ziegelhütte etc. mit der Klosterwirthschaft verbunden. Sie sind nun mit den Gebäuden in Staatseigenthum übergegangen und verpachtet. Die Brauerey ist bedeutend, S. 79. Sie zahlt dermalen mit Mühle und Bäckerey einen jährlichen Pachtschilling von 1565 fl. In erstere sind 6 Orte gebannt. Das Kloster hat auch noch seine eigene Apotheke, welche von einer Klosterfrau, mit erprobter Geschicklichkeit, versehen wird und auch Auswärtige bedient. Die Ziegelhütte ist seit 1811 Privateigenthum. Die Jahrmärkte bestehen in 2 Vieh- und Krämermärkten, und wurden erst 1811 errichtet.

Das Kloster ist mit starken Mauern umgeben, an welche sich der Klostergarten und an diese ein anmuthiges, wieder von einer Mauer umschlossenes Tannenwäldchen, die weitere Klausur der Frauen, anschließt. In dem Klosterhofe stehen das ehemalige Gasthaus jetzt Cameral-Verwaltung, das vormalige Oberamtsgebäude, jetzt Sitz des Försters und andere| Gebäude. Das eigentliche Kloster ist ein altes unregelmäßiges Gebäude. Die Klosterkirche hat schöne Glasmalereyen, einige Denkmähler, und unter andern zwey sehr schöne alte Gemählde im Chor der Frauen, auf 2 Thüren, so wie ein drittes in der Kirche selber über einem Seitenaltar, die Anbetung der Weisen darstellend. Die Kirche, wie sie jetzt ist, entstand allmählig, wie folgende Inschriften darin beweisen: 1319 ist dieses Münster erbaut und geweiht worden; 1502 hat Veronica von Rieth (Äbtissinn) dieses Gewölbe erbauen lassen; 1699 wurde das Münster renovirt und der Chor in die Höhe gebaut. – Nach einer Urkunde v. J. 1256 ist die Kirche (vermuthlich die alte) schon in diesem Jahre von dem Bischof Siboto von Augsburg, mit Erlaubniß des Bischofs von Constanz, geweiht worden. Merkwürdig ist der Kreuzgang durch die Bilder sämmtlicher Äbtissinnen und viele Denkmähler der Grafen von Grüningen-Landau und Anderer, worunter sich hauptsächlich das Grabmahl des Grafen Lutz von Landau, gest. 1397, auszeichnet. Das Kloster Heiligkreuzthal wurde 1227 gestiftet. Es bestand aber schon vor dieser Zeit in dem benachbarten Dorfe Altheim eine klösterliche, aus einer Beguinen-Gesellschaft hervorgegangene Anstalt, deren Ursprung auf das Jahr 1140 gesetzt wird; diese Gesellschaft, von ihrer Kleidung die grauen Schwestern genannt, wandte sich, da sie, wie andere ähnliche, an einen Mönchsorden sich anschließen sollte, an den Abt von Salem, der i. J. 1204 dieselbe in den Verband seines Klosters (Cisterz.- oder Bernhardiner-Ordens) aufnahm, wie denn auch über dem Bogen des Kirchenchors die Inschrift steht: Anno 1204 ist hier der St. Bernhards-Orden und die Prälatur eingeführt worden. In Folge dieser Veränderung war der Abt darauf bedacht, der Anstalt eine angemessene Ansiedlung zu verschaffen. Er wählte dazu das Gut Wasserschapfen, (Wazzirschaphen) das Ritter Werner von Altheim von Conrad von Marchdorf zu Lehen trug. Das Gut wurde, laut Urkunde von 1227, dem Lehensträger für 21 Mark S. abgekauft, und Conrad verzichtete| auf die Lehensherrlichkeit, worauf dann die feyerliche Übergabe in Gegenwart und unter Gewährleistung mehrerer Ritter, auch eines Conradus miles de Wazzirschaphin et Eberhardus cognatus suus erfolgte. Schnell wurde nun die klösterliche Einrichtung gemacht. Doch die Einrichtung scheint schlecht gewesen zu seyn, und darum rühmen alle alten Schriften den Grafen Egon von Grüningen-Landau als den zweyten und eigentlichen Stifter, der „das gering und schlecht Wesen zu Wazirschapfen“ mit seiner Schwester Hailwilgilde auf einen bessern und festern Fuß stellte. Hailwilgilde starb als erste Äbtissinn des Klosters 1240 und unter ihrem Bilde in dem Kreuzgange steht geschrieben:
Fraw Hailwilgildis ist gesin
desselben erste Äbtissin
deß Stifters schwester thugentsam
geboren von Hoch Edlen stamm
der Grafen von Landow etc.

Was aber Hailwilgilde und ihr Bruder Egon gestiftet haben, darnach forscht man vergeblich, auch gibt es keine eigentliche Stiftungsurkunde. Indeß bezeugen nicht nur alle alten Schriften, Inschriften und Überlieferungen, sondern auch die Todtenregister des Klosters, daß dieses seine feste Begründung den Grafen von Grüningen-Landau verdanke. Selbst das Wappen des Klosters – die Landauischen 3 Hirschgeweihe – weißt unverkennbar auf diese Familie hin. Auf diese Zeugnisse, so wie insbesondere auf Hans Jakobs von Landau Geschlechts- und Wappenbuch berufen sich auch Äbtissinn und Convent, wenn sie in einem, 1667 urkundlich gefertigten, sogenannten Indicte Egon und Hailwilgilde als eigentliche Stifter des Klosters benennen; und noch Heinrich von Landau beschwert sich in einem Originalschreiben von 1561 bey einem Streit gegen die Klosterfrauen darüber, daß von ihnen so wenig dankbar erkannt sey, daß seine Vorältern des Klosters Stiftsherren gewesen.

Der Name Wasserschapfen wurde mit dem von Heiligkreuzthal vertauscht. Die Veranlassung dazu soll| Graf Egon gegeben haben, indem er einen Splitter vom Kreuze Christi, den er zu Reichenau, nach Andern auf dem Heiligenberge sich verschaffte, in das Kloster stiftete, eine Reliquie, die bis auf den heutigen Tag im Kloster aufbewahrt wird[1]. Der Name Heiligkreuzthal kommt zum ersten Mahl in der päpstlichen Bulle von 1231 vor. Durch eine Urkunde v. J. 1247 schenkt Anselm von Justingen dem Kloster das Eigenthum einiger Güter „in Wazzersawen, jetzt Heiligkreuzthal genannt“ (in Wazzersawen nunc mutato nomine in valle S. crucis). Der alte Name des Gutes muß sich aber auch später noch erhalten haben, denn 1274 überläßt Heinrich d. ä. von Gundelfingen dem Kloster Güter in loco Wasserschaffen. Im Jahr 1251 wurde das Kloster von Papst Gregor IX. bestätigt und mit den gewöhnlichen Privilegien (Befreyung von der Bischöflichen Gewalt, von weltlichen Gerichten etc.) und mit allen Freyheiten des Ordens der Cisterzienser versehen. 1233 wurde es von dem Abt von Zisterz in den allgemeinen Ordensverein aufgenommen und unter die väterliche Zucht und Aufsicht des Abts von Salem gestellt, und 1234 nahm K. Heinrich das Kloster in des Reichs besondern Schutz. Glücklich und schnell hob sich der Wohlstand des Stiftes, und da es meist Töchter des Adels waren, welche darin ihre Unterkunft suchten, so wurde es in der Folge auch ein adeliches, freyadeliches Stift genannt. Unter den ersten Wohlthätern des Klosters erscheinen auch die beyden Grafen Ulrich und Eberhard von Würtemberg. Laut einer Urkunde von 1241 geben sie ihre Einwilligung zu der Erwerbung einer Wiese, Hilsenreute genannt, aus der Hand des Ritters Werner, gen. Stolle, und schenken dem Kloster das Eigenthum, und nach einer Urkunde von 1251,| actum apud Wirtenberc, schenken eben dieselben Grafen das Eigenthum eines Hofes zu Enslingen, welchen der Ritter von Weiler an das Kloster verkauft hatte[2]. Unter den vorzüglichsten Wohlthätern des Klosters wird auch die Familie von Hornstein gerühmt. Den bedeutendsten Theil seiner Besitzungen aber erwarb das Kloster von den Grafen von Grüningen-Landau, theils durch Schenkungen, theils und hauptsächlich durch Kauf. Sowohl die Hornstein, als die Landau hatten auch ihr Begräbniß in dem Kloster. Das Schutz- und Schirmsrecht über das Kloster war eine Zugehör der Grafschaft Sigmaringen, in deren altem Umfange das klösterliche Gebiet, mit Ausnahme von Ertingen lag. Mit der Grafschaft war im Jahre 1286 auch die Schirmsvogtey über H. an das Östreichische Haus und später an die Grafen von Werdenberg gekommen. S. S. 15. Mit Mäßigung übten die Werdenberger diese Schirmsvogtey, womit die peinliche Gerichtsbarkeit, so wie das Forst- und Jagdrecht verbunden war. Das Kloster entrichtete mehr nicht dafür als 1 Ochsen, oder 15 Pf. 5 Sch. H. und an Roggen, Dinkel und Haber je 7 Malter. Eine ganz andere Ausdehnung aber gab der Schirmsvogtey Graf Karl I. von Zollern, der nach dem Aussterben des Werdenbergischen Hauses mit der Grafschaft Sigmaringen und Veringen von K. Karl V. belehnt wurde. Es entstanden darüber langwierige Händel, welche das Kloster vergeblich durch verschiedene Opfer und Verträge beyzulegen hoffte, hauptsächlich die Verträge von 1542, 1579 und 1610. Noch klagte das Kloster 1667, wie es an Sigmaringen jährlich 400 fl. baaren Geldes, 100 Malter Früchte und nebst noch andern Leistungen alle 3 Jahre 1 Ochsen und 6 Lämmer liefern müsse, den Schaden von etlich hundert Maltern Früchten nicht zu rechnen, der alle Jahr durch das Wild in den Markungen| verursacht werde. Ein neuer Vertrag von 1719 setzte endlich das Verhältniß dahin fest, daß 1) das Kloster jährlich mehr nicht, als 7 Malter Dinkel, 7 M. Haber und 6 M. Roggen als Schirmsfrüchte und 1 Schirmochsen oder 20 fl. bezahlen, alle übrige Leistungen aber aufhören sollen; 2) daß dem Kloster die hohe Gerichtsbarkeit über Ertingen, so wie das Blutgericht zu Friedingen wieder ganz, über die übrigen Orte aber mit Ausnahme bestimmter Fälle, eingeräumt werden solle. Dafür tritt das Kloster an das Fürstl. Haus Sigmaringen 4 Schupflehenhöfe und den halben Groß- und Kleinzehnten nebst Zehentscheuer in Bilafingen ab, und zahlt überdieß die Summe von 23.000 fl. Forst- und Jagdrecht des Fürstl. Hauses blieb unverändert.

Die Belehnung des Grafen Karl mit der Grafschaft Sigmaringen war mit ausdrücklichem Vorbehalt der östr. Landeshoheit und des Besserungsrechts geschehen, und so kam denn auch das Kloster Kreuzthal unter diese Landeshoheit, wurde zur schwäb. österreichischen Kasse steuerbar, vorderöstr. Landstand und dem Kreisamte Nellenburg untergeordnet.

Die innere Verfassung des Gotteshauses war durch die Ordensregel bestimmt. Der Abt von Salem blieb bis ans Ende Oberaufseher und Visitator des Klosters und hatte sein besonderes Absteigquartier, (Prälaturgebäude) neben dem Kloster; der Convent bestand gewöhnlich aus 25 Frauen und 15 Schwestern. An der Spitze stand die Äbtissinn und unter ihr eine Priorin und Subpriorin, eine Bursirerin führte die Rechnung des Haushalts. Ein Klostergeistlicher von Salem versah die Stelle eines Beichtvaters, und ein anderer, von 1727 an, die eines Pfarrers und Seelsorgers bey den weltlichen Einwohnern innerhalb der Mauern. Vergl. Andelfingen. Die Verwaltung der weltlichen Angelegenheiten wurde von einem Oberamtmann mit einem Secretär, welcher die Amtsschreibereygeschäfte führte, besorgt. Das klösterliche Gebiet umfaßte 8 Dörfer und Weiler. Heiligkreuzthal, Andelfingen, Binswangen, Beuren, Ertingen, Friedingen, Hundersingen, Waldhausen und die Höfe Landau, Thalhof| und Dollhof, ferner mehrere auswärtige Güter und Gefälle, auch Rebgüter zu Markdorf und Hedingen, welche von Würtemberg verkauft wurden.

Die Einkünfte des Klosters betrugen nach einer Fassion des Klosterconvents 49.970 fl.; Activ-Kapitalien fanden sich bey der Auflösung für 94.900 fl., Schulden 48.400 fl. Vorräthe für 35.548 fl.

Heiligkreuzthal kam mit seinem Gebiete durch den Reichsdeputations-Schluß 1803 an Würtemberg. Dieses sah sich jedoch durch die Einwendungen von Seiten Östreichs genöthigt, den Vertrag vom 2. Jul. 1804 einzugehen, wodurch die Östreichische Landeshoheit über das ganze Gebiet, so wie auch das berüchtigte Heimfallrecht, anerkannt wurde[3]. Die Wirkung dieses Vertrags war jedoch nur von kurzer Dauer, bis zum Preßburger Frieden. Aus dem Klostergebiete wurde ein eigenes Oberamt gebildet, das aber nur bis 1807 bestand. S. 17.



  1. Eine andere Herleitung des Namens gibt die Legende von einem Messingkreuzlein mit dem Christusbilde an die Hand, das bey der Gründung des Klosters von einem wilden Schweine ausgegraben worden seyn soll, und ebenfalls noch als Reliquie aufbewahrt wird.
  2. In der erstern steht Eberhard, in der zweyten Ulrich zuerst; Das Siegel der letztern – das der erstern ist zerbrochen – führt die Umschrift: S. Ulrici et Eberhard...
  3. Der Vertrag ist mit Bemerkungen in Häberlins Staatsarchiv, B. 12. H. 17, 1804, abgedruckt.