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Seedorf,
Gemeinde III. Kl. mit 907 Einw., worunter 2 Ev. – Kath. Pfarrei; die Ev. sind nach Fluorn eingepfarrt. Der Ort liegt 21/2 Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt.


Mitten auf der Hochebene zwischen dem Neckar- und dem Schiltachthale, in der sanften Einmuldung des hier einen starken Bogen machenden Eschachthälchens liegt an der Einmündung des Seebachs in die Eschach der große schöne weitläufig gebaute Ort, der theils in die Thalebenen, theils auf den zwischen denselben leicht ansteigenden Flachrücken hingebaut ist. Seine hübschen stattlichen Schwarzwaldbauernhäuser lagern sich angenehm zerstreut, von Wiesen, die oft mit Waldbäumen besetzt sind, unterbrochen, an den breiten reinlichen chaussirten Straßen; seit dem Brande vom 10. Oktober 1861 hat| der Ort sehr gewonnen. Von den höheren Stellen der Markung aus genießt man weite Aussichten, namentlich an die Albkette.

Die sehr ansehnliche, dem h. Georg geweihte Kirche wurde in tüchtigem Rundbogenstile 1842–44 aus buntem Sandstein erbaut und steht in der Mitte des Dorfes, mit dem Thurm und dem schönen Haupteingang an der Straße von Waldmössingen nach Dunningen. Der Thurm, unten in die Kirche eingebaut, steigt weiter oben darüber hinaus und ist mit einem niedrigen vierseitigen Zeltdache bekrönt. Das Innere macht einen großartigen und sehr angenehmen Eindruck; an das rechteckige Schiff schließt sich eine schmälere dreiseitige Chornische, beide haben schöne ebene Balkendecken; zierliche Emporen ziehen an den Wänden umher, auf der westlichen steht die große prächtige und sehr gute Orgel mit 24 Registern, angeschafft von der Gemeindepflege und verfertigt von dem Orgelbauer Klingler in Stetten bei Haigerloch. Schöne neue Altäre und treffliche von Maler Reichstadt in Rottweil in Holz geschnittene Brustbilder der 12 Apostel beleben den lichten wohlthuend bemalten Raum. Auf dem linken Seitenaltare steht ein altes Muttergottesbild. Die 4 Glocken sind neu und schön verziert und gegossen von Benjamin Grüninger in Villingen in den Jahren 1864, 1862 und die beiden kleinsten 1843; beim Abbruch der alten Kirche fand man am Chor einen hohlen Stein, worin ein Kreuz lag. Die Kirche samt Thurm ist vom Staat erbaut worden; 1855 wurde die Baulast mit 1218 fl. 49 kr. abgelöst und ein eigener Grundstocksbaufonds in Verwaltung der Stiftungspflege gegründet, für welche im Fall eines Deficits die Gemeinde einzutreten hat.

Im westlichen Theile des Ortes befindet sich die S. Agatha-Kapelle, schon ein alter Bau, 1863 erneuert und mit Thürmchen samt Glocke versehen; ihre Unterhaltung hat ebenfalls die Stiftungspflege.

Der einen Morgen große, 1837 angelegte Begräbnißplatz liegt nördlich am Dorfe.

Das hübsche zweistockige steinerne Pfarrhaus wurde nebst Ökonomiegebäude 1851 erbaut und nach dem Brande vom 10. Oktober 1861 wieder hergestellt. Seine Unterhaltung ruht auf dem Baulastenabfindungsfonds, gegründet mit 907 fl. 19 kr. und weiterhin auf der Gemeinde.

Schul- und Rathhaus ist in einem Gebäude, das bis zum Jahre 1825 eine alte Zehentscheuer der Herrschaft Rottweil gewesen war, vereinigt; dasselbe enthält 2 Raths- und 2 Lehrzimmer; die| Wohnung des Schulmeisters und des Lehrgehilfen befindet sich in einem besondern der Gemeinde gehörigen, 1834 erbauten Hause.

Ein öffentliches Backhaus besteht.

Das Armenhaus und das Schafhaus ist unter Einem Dache.

Am nördlichen Ende des Dorfes steht ein alter steinerner Speicher.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 50 Pumpbrunnen und 1 Schöpfbrunnen; einzelne Brunnen sind schwefelhaltig, z. B. der beim Lehrerhaus, welcher der Gesundheit sehr zuträglich sein soll; der Kirchenbrunnen spendet das reinste und frischeste Trinkwasser. Die Markung ist im Westen reich, im Osten von den Felbenwiesen an arm an Quellen, weil hier das Wasser unterirdisch dem Neckarthale zufließt; die bedeutendsten Quellen sind der Hefterbrunnen und der Seebachbrunnen; dann fließt die Eschach, auch Esch genannt, und ihr Zufluß, der Seebach, über die Markung und durch den Ort. Die Eschach hat sehr wenig Fall und tritt nicht selten, die ganze Thalebene überschwemmend, aus ihrem Bett, wobei sie viel Schlamm ablagert, was für die Wiesen ein erwünschtes Düngungsmittel liefert. Früher bestanden zwei Seen in der Nähe des Ortes, die jetzt in Wiesengrund verwandelt sind; daher wohl auch der Ortsname. Die Eschach wird zu 2 Wetten geschwellt.

Früher bestand auch ein Bad im Ort und schon 1488 zinste Christ. Walter jährlich auf den 1. Mai aus der Badstube 4 Pfd. Heller.

Die Vicinalstraße von Waldmössingen nach Dunningen führt hier durch.

Über die Eschach gehen 2 hölzerne Brücken, eine im Ort und eine außerhalb, ferner führt eine Brücke im Ort über den Seebach. Stege gehen 2 über die Eschach, einer über den Heftergraben und einer über den Brambach; die Unterhaltung hat die Gemeinde.

Die Einwohner sind ein frischer, gesunder, kräftiger Menschenschlag und erreichen nicht selten ein hohes Alter; über 80 Jahre lebt gegenwärtig ein Mann im Orte mit Namen Michael Ettwein, von dem ein Ahne, Johann Ettwein, nach dem Todtenregister den 24. April 1727 im Alter von 115 Jahren gestorben ist. Der Charakter der Einwohner ist lobenswerth, Fleiß, Betriebsamkeit, Ordnungsliebe und religiöser Sinn herrscht bei den allermeisten; ihre so kleidsame Volkstracht haben sie glücklicher Weise beibehalten.

Haupterwerbsquellen sind Feldbau und Viehzucht; dann steht die| Strohflechterei für Junghans und Haas in Schramberg hier sehr in Blüthe.

Unter den Gewerbetreibenden sind am meisten vertreten Leineweber, Schuster, Schneider und Zimmerleute; nach außen wird wenig gearbeitet; 3 Schildwirthschaften und 2 Kramläden bestehen.

Die Vermögensverhältnisse der Einwohner sind mittelgut; der begütertste Bürger besitzt 70 Morgen Feld und Wald, der Mittelmann 30 und die ärmere Klasse 2 Morgen.

Nur 3 Familien genießen gegenwärtig Unterstützung von der Gemeinde, in freier Wohnung bestehend.

Die große, schön arrondirte Markung hat, mit Ausnahme des östlichen, etwas hügeligen Theils, eine flachwellige, beinahe ebene Lage, und im allgemeinen einen mittelfruchtbaren Boden, der großentheils aus einem etwas schweren Lehm, im Osten der Markung aber aus den Zersetzungen des Hauptmuschelkalks besteht; ersterer ist etwas naßkalt, letzterer hitzig und steinig. Die Thalebenen sind ziemlich moorgründig und erzeugen stellenweise ein saures Futter.

Muschelkalksteinbrüche und Lehmgruben sind vorhanden; Torf wird in beschränkter Ausdehnung im Bachgebiet der Eschach gegen Heiligenbronn zu gewonnen.

Die meist bewegte, öfters stürmische Luft ist gesund und frisch, die Sommernächte meistens kühl, auch stellen sich zuweilen schädliche Frühlingsfröste und kalte Nebel ein. Hagelschlag kommt selten vor.

Der Zustand der Landwirthschaft ist in Vergleichung mit anderen Orten gut und man bemüht sich mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe (Brabanterpflug, eiserne Egge, Walze) und fleißiger Düngung, wobei neben den gewöhnlichen Düngungsmitteln auch Gips, Hallerde, Salzasche und Kompost in Anwendung kommt, den Boden immer nutzbringender zu machen.

Zum Anbau kommen vorzugsweise Dinkel und Haber, weniger Gerste, Weizen und Roggen; letzterer nur um des Bindstrohs willen. Von den Brachgewächsen sind es hauptsächlich die Kartoffeln, welche sehr gut gedeihen, ferner Futterkräuter (dreiblätteriger Klee, Esparsette, etwas Luzerne); Flachs und Hanf zieht man für den eigenen Bedarf und theilweise zum Verkauf. Der Reps will wegen der Frühlingsfröste nicht gedeihen. Von den Getreideerzeugnissen können jährlich etwa 1800 Scheffel Dinkel und 600 Scheffel Haber, hauptsächlich nach Schramberg und in das badische Kinzigthal abgesetzt werden.

Der Wiesenbau ist sehr ausgedehnt und liefert etwa zu 3/4 ein gutes und zu 1/4 ein saures Futter; obgleich viele Wiesen auf der| Markung auswärtigen angrenzenden Nachbarn gehören, so kann dennoch viel Futter nach außen verkauft werden.

Die Obstzucht ist erst im Entstehen, indem man früher der Meinung war, das Obst gedeihe hier nicht; man pflanzt jetzt meist spät blühende rauhe Mostsorten und hofft auf günstigen Erfolg. Eine Gemeindebaumschule ist vorhanden, auch wurde auf Gemeindekosten ein in Hohenheim ausgebildeter Baumwart aufgestellt.

Im Eigenthum der Gemeinde sind 1350 Morgen Nadelwaldungen, von deren jährlichem in 600 Klaftern und 30.000 St. Wellen bestehendem Ertrag jeder Bürger 2 Klafter nebst Abholz erhält und überdieß der Erlös aus verkauftem Holz mit etwa 2000 fl. in die Gemeindekasse fließt.

An eigentlichen Weiden sind 30 Morgen vorhanden, die nebst der Brach- und Stoppelweide um 600 fl. verpachtet werden; auch trägt die Pferchnutzung der Gemeindekasse 200 fl. jährlich ein.

Weitere Einnahmen bezieht die Gemeinde aus etwa 100 Mrg. Allmanden, welche um 50 fl. an die Bürgerschaft verliehen sind und weitere 30 Morgen liefern ein Pachtgeld von 200 fl.; ferner besitzt die Gemeinde 6 Morgen Äcker und 40 Morgen Wiesen, die ihr etwa 1000 fl. jährlich eintragen.

Die Pferdezucht, welche sich vorzugsweise mit einem tüchtigen Landschlag beschäftigt, ist in mittelgutem, die Rindviehzucht in sehr gutem Zustande und scheint es schon von langer Zeit her gewesen zu sein, indem im Jahr 1576 allein 265 Stück Ochsen im Ort waren; man hält hauptsächlich einen Simmenthaler Schlag, zu dessen Nachzucht 4 Farren aufgestellt sind.

Auf der Markung läßt ein fremder Schäfer den Sommer über 300 Stücke deutsche und Bastardschafe laufen.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, dagegen werden viele Ferkel (halbenglische, Land- und bayerische Race) zur Aufmästung von außen eingeführt und theils ins Haus geschlachtet, theils verkauft.

Die Zucht der Ziegen ist nicht bedeutend, die des Geflügels nur für den eigenen Bedarf und die der Bienen unbedeutend und sehr im Abnehmen.

Das Fischrecht in der Hechte und minder bedeutende Fische führenden Eschach hat oberhalb des Orts die Pfarrei, unterhalb der Staat, der es um 15 fl. jährlich verpachtet.

Außer der Volksschule und einer Industrieschule besteht hier noch eine von Haas und Junghans errichtete Strohflechterei-Anstalt.

An Stiftungen bestehen die Kirchenpflege mit 13.000 fl., die| Schulpflege mit etwa 900 fl. und die Armenpflege mit etwa 600 fl. Kapitalien.

Von Resten aus der grauen Vorzeit finden sich, außer einer an vielen Stellen noch leicht erkennbaren Römerstraße, die von Dunningen in gerader Linie bis zu dem römischen Kastell bei Waldmössingen führt, auf der 1/4 Stunde östlich von Seedorf gelegenen Flur Altdorf eine abgegangene römische Niederlassung, von der schon öfters Grundmauern und römische Anticaglien aufgefunden wurden; ferner stand westlich von Seedorf auf der Flur „Weiler“ ebenfalls ein römischer Wohnplatz, auch auf der Flur „Birken,“ d. i. Bürgen, 1/4 Stunde südlich vom Ort, soll nach der Sage ein Ort gestanden sein.

Am nördlichen Ende des Dorfs, wo jetzt das Gasthaus zum Lamm steht, lag die Burg der Herren von Seedorf, von der noch der im Viereck angelegte Graben und Wall sichtbar sind, die jedoch gegenwärtig eingeebnet werden. Der Graben war mit Wasser gefüllt und noch ist ein kleiner Rest desselben unter Wasser. Die Burg war ein sog. Wasserschloß.

Auf den Käpelesäckern beim Schafhaus stand eine Kapelle, die 1864 an der Straße nach Dunningen von einem Ortsbürger wieder errichtet wurde.

Am 3. Mai 786 beschenkte Graf Gerold das Kloster St. Gallen mit hiesigen Gütern (in Sedorof), welche er auf Lebenszeit gegen einen Jahreszins zurück erhielt und am 17. Nov. 797 die Nonne Ata dasselbe Kloster mit ihrem hiesigen Erbe. Vom Ortsadel macht sich 1084 ff. „Eberhart von Sedorph“ bemerklich (Mone Zeitschrift 9, 207. 200).

Es war allhier altes Reichsgut, womit K. Heinrich II. seine Lieblingsstiftung, das Kloster Bamberg, am 1. Nov. 1007 begabte (quidam proprietatis suae locus Sedorf dictus). Und so läßt sich der hiesige Lehensverband mit dem Bisthum Bamberg noch wenigstens bis ins 15. Jahrhundert hinab verfolgen. Den „Hof zu Seedorf mit dem großen Kornzehenten“ trugen von ihm in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Herren von Thierberg; auf erfolgte Aufsendung des Lehens von Seiten Johannes von Thierberg wurde 1351 belehnt Johann von Reischach. Ein Paar Jahrzehnte darauf kam das Lehen von Konrad von Reischach an dessen Schwager Konrad den Haugg, Bürger von Rottweil. Bernhard Haugg veräußerte 1427 mit Zustimmung seines Bruders, des Priesters Heinrich, solchen Besitz an Hans von Zimmern. (Gräfl. Zimmerisches Copialbuch| in Donaueschingen.) Weitere hiesige Besitzungen kamen 1431 von Ulrichs von Trochtelfingen Wittwe an Zimmern.

Das Meiste übrigens war längst schon in Händen dieser Herren von Zimmern, in deren „unterer Herrschaft vorm Schwarzwald“ es ein Hauptort war (Zimmerische Chronik 1, 243.[WS 1]). Schloß und Dorf war 1312 der Frau Anna geb. Freiin von Falkenstein, Wittwe des 1289 verstorbenen Herrn Werner von Zimmern in Widums Weise verschrieben, als beide durch die Rottweiler niedergebrannt wurden (eb. 1, 162.[WS 2]). Auf dem Schloß starb die Wittwe Johann Werners von Zimmern, Katharina von Erbach, nach deren Ableben das ohnehin fast zerfallene Schloß ganz leer stund, zumal da es hieß, daß ein Gespenst darin spucke (Ruckgaber, Zimmern 205).

Die Erben des letzten Grafen von Zimmern, Wilhelm, verkauften am 10. Mai 1595 S. mit aller Gerechtigkeit, Obrigkeit und Zubehör, Kirchensatz, großem und kleinem Zehenten, an die Stadt Rottweil, welcher es schon 1495 durch Gottfried von Zimmern verpfändet gewesen war.

S. war ursprünglich Filial der Pfarrei Dunningen mit einer Caplanei, welche Johann von Zimmern 1432 in das Schloß stiftete (Zimmerische Chronik 1, 307[WS 3]). Im Anfang des 17. Jahrhunderts wurde es zur Pfarrei erhoben. Der Pfarrsatz kam mit der Stadt Rottweil 1802 an Württemberg und steht auch h. z. T. der Krone zu.

Begütert allhier war das Augustinerkloster Oberndorf und das Clarissinnenkloster Wittichen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. In der zweiten verbesserten Auflage: Zimmerische Chronik 1, 255.
  2. In der zweiten verbesserten Auflage: Zimmerische Chronik 1, 172.
  3. In der zweiten verbesserten Auflage: Zimmerische Chronik 1, 321.
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