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Röthenberg.
Gemeinde III. Klasse mit 833 Einw., wor. 3 Kath. a. Röthenberg, Pfarrdorf, 741 Einw. b. Brandsteig, Haus, 9 Einw. c. Etzenbühl, Haus, 4 Einw. d. Heftenbach, Hof, 9 Einw. e. Kiener, Weiler, 30 Einw. f. Reint, Weiler, 40 Einw. – Ev. Pfarrei; die Katholiken sind nach Aichhalden eingepfarrt. Die Entfernung von der östlich gelegenen Oberamtsstadt beträgt 3 Stunden.


Auf der östlich vom Kinzigthal sich erhebenden Hochebene, in der noch ganz flachen Thaleinsenkung des Röthenbaches liegt sehr weit zerstreut, von Wiesenflächen ganz umschlossen und durchzogen, der ziemlich große Ort, dessen nördlicher Theil mit dem Dorf Bach zusammenhängt. Die mitunter stattlichen Bauernhäuser stehen unregelmäßig| an den bald breiten, bald wieder sehr engen, gutgehaltenen, theilweise gekandelten Straßen. Auf dem sog. Schänzle an der badischen Grenze eröffnet sich eine prachtvolle Fernsicht das Kinzigthal hinab bis zu den Vogesen und gegen Süden hin an die Alb und den Heuberg.

Die freundliche, dem h. Johannes geweihte Kirche steht etwas erhöht in der Mitte des Dorfes auf dem alten Friedhofe. Das Schiff ist in schlichtem Rundbogenstil erbaut und im Westen halb achteckig geschlossen; über dem südlichen Eingange steht 1774, das Jahr der Erbauung. Der auch vieleckig schließende Chor dagegen ist ein treffliches spätgothisches Bauwerk, das auf einen hervorragenden Baumeister schließen läßt; er hat schöne, sehr schlanke, eigenthümlich gefüllte Spitzbogenfenster; in dem gegen Südosten sitzt auf der Fensterbank ein uraltes Steinbild, Maria mit dem Kinde, das der Baumeister des Chors von der alten Kirche her hier wieder aufstellen ließ, und in dem gegen Süden heraustretenden Strebepfeiler, dem einzigen am Chore, ist ein Stein eingemauert mit einer lateinischen, höchst merkwürdigen Inschrift, wonach die Kirche den 18. Mai 1128 durch den Bischof Ulrich II. von Constanz eingeweiht wurde.

Innen zeigt das Schiff eine flache Decke; zwei ihrer hölzrenen Emporenpfeiler ruhen auf sehr schönen römischen Säulenbasen attischer Ordnung, die auf dem nahen Schänzle ausgegraben wurden. Der Triumphbogen ist spitz und ward mit dem Chor errichtet; dieses hat ein herrliches spätgothisches Netzgewölbe mit dem Zeichen des Baumeisters auf dem ersten Schlußsteine. An der Nordwand des Chores ist ein schönes steinernes Sakramenthäuschen in demselben Geschmacke angebracht und daneben führt ein hübsches Stabwerkspförtchen in die alte Sakristei, die von einem Rippenkreuzgewölbe mit Rosettenschlußstein überspannt wird. Der Taufstein ist hohl, achteckig und schön gothisch verziert, er trägt die Jahreszahl 1487, an einer Ecke seines Fußes ist eine Fledermaus ausgemeißelt. Auf dem Boden liegt die Grabplatte eines Geistlichen, in die ein einfaches Kreuz, ein Kelch und die Jahreszahl 1470 geritzt ist. Hinten im Chore findet sich ein altes Bild, Christus auf ein ausgeschnittenes Brett gemalt. Auf der westlichen Empore steht die schöne gothisch gefaßte Orgel, verfertigt von Braun in Balingen. Die neugetünchte Kirche macht einen recht freundlichen Eindruck. Der Thurm steht südlich am Chore, ist dreistockig, spätgothisch und mit vierseitigem Zeltdache bedeckt; sein drittes Geschoß hat gefüllte Spitzbogenfenster; im Gewände des südlichen Fensters sitzt der Rechberg’sche Wappenschild, an| seinen unteren Stockwerken sind von der romanischen Kirche her ein Hund und eine Maske eingemauert. Von den 2 Glocken hat die größere die Umschrift: Gebrüder Meinrad Grüninger gos mich in Villingen 1841; die kleinere stammt aus der Zeit des Thurmes und trägt die Namen der vier Evangelisten und o rex glorie criste veni cum pace. Früher war um die Kirche her ein sehr fester Kirchhof und dabei ein Vorwerk, worauf unter drei uralten Linden steinerne Bänke standen.

Die Unterhaltung der Kirche ruht zu 2/3 auf der Gemeinde Röthenberg, zu 1/3 auf der Gemeinde Bach.

Seit 1841 ist der Begräbnißplatz östlich vom Orte verlegt worden.

Das stattliche Pfarrhaus liegt samt Garten südlich von der Kirche und ist vom Staate zu unterhalten.

Das ansehnliche zweistockige Schul- und Rathhaus wurde 1816 erbaut und enthält neben den Gelassen für den Gemeinderath 2 Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters und des Lehrgehilfen.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 12 laufende und 16 Ziehbrunnen; das Wasser kommt durch eine etwa 1/4 Stunde lange Leitung in den Ort herein und wird von da weiter zur Ölmühle geleitet, es enthält Eisentheile und wirkt gelinde abführend. Die Markung ist reich an guten Quellen und auch die Parzellen sind hinreichend mit gutem Trinkwasser versehen. Aus dem 1/4 Stunde südwestlich vom Ort gelegenen Keßlermoos entspringt der Röthenbach und der Kirnbach, beide in die Kinzig gehend; im Osten der Markung beginnt der in den Röthenbach fließende Heftenbach. Auf den südlich gelegenen Weiherwiesen befand sich früher ein dem Kloster Alpirsbach gehörender 16 Morgen großer Fischweiher, hier entspringt die Eschach. Periodisch fließende Quellen sind einige vorhanden. Der obere Müller hat einen kleinen Weiher zum Gebrauch für seine Mühle.

Eine Wette und ein Teich zum Verschwellen der Deuchel besteht.

Vicinalstraßen gehen nach Winzeln, Aichhalden und eine sehr steile nach Röthenbach hinunter.

Über den Röthenbach geht im Ort eine steinerne Brücke mit 2 Durchlässen und außerhalb des Orts ein hölzernes und ein steinernes Brückchen; ferner über den Kirnbach ein hölzernes und über den Heftenbach ein steinernes; ihre Unterhaltung hat die Gemeinde.

Die Einwohner, ein gutgewachsener gesunder Menschenschlag, sind sehr fleißig, tüchtig in der Arbeit, sparsam und geordnet; Leute, die| über 80 Jahre alt sind, gibt es nur wenige im Ort. Die kleidsame Volkstracht verschwindet bei den Männern mehr und mehr.

Haupterwerbsquellen sind Feldbau, Viehzucht und Handel; auch befinden sich beträchtliche Buntsandsteinbrüche auf der Markung; die große Kirche zu Schiltach wurde aus diesen Steinen erbaut, gegenwärtig werden viele zum Eisenbahnbau abgesetzt. Ferner wird hier Töpferthon und südöstlich vom Ort „in Römlichen“ Lehm für die hiesige Ziegelhütte gegraben, dann Mergel, den man vielfach als Düngungsmittel benützt. Im sog. Keßlermooß wird Torf gestochen und die Porzellanfabrik in Schramberg besitzt daselbst 36 Morgen, welche sie jährlich zum eigenen Gebrauch ausbeuten läßt; von dem Torfe wird, namentlich von Privatleuten, an Ort und Stelle verbrannt und die Asche zur Düngung der Wiesen benützt. Die ausgebeuteten Flächen werden alsdann zu Wiesen umgewandelt; in dem Torfe findet man zuweilen Eichenstämme. Im Jahr 1829 wurden 1.500.000 und im Jahr 1831 gegen 2 Millionen Stück Torf gestochen.

Unter den Gewerbetreibenden sind am häufigsten und arbeiten auch nach außen die Weber, Waldhauer, die das Langholz zurichten, und die Torfstecher, die bei Donaueschingen vielen Verdienst finden; auch wird fleißig das Strohflechten für die Manufaktur in Schramberg getrieben; ferner Handel mit Zündhölzchen, Asche, Werg und Flachs, mit Holz und mit Vieh getrieben.

Eine Ziegelhütte, die aber nicht streng betrieben wird, eine Säg- und Ölmühle, jedoch mit zu wenig Wasserkraft, ferner 3 Schildwirthschaften und 5–6 Kramläden bestehen.

Das Vermögen der Einwohner, namentlich der Grundbesitz ist nicht beträchtlich, deßhalb legen sich viele auf Handel und Gewerbe. Der begütertste Bürger besitzt 80 Morgen Feld und 40 Morgen Wald, einzelne haben 40–46 Morgen Feld, worunter 3–4 Morgen Wald, die mittlere Klasse hat ein Grundeigenthum von 18–20, die ärmere 5–10 Morgen Feld.

In R. wurde geboren als Sohn des Pfarrers 1744 Wilhelm Gottfried Ploucquet, 1778 Professor der Medicin in Tübingen, als welcher er 1814 starb. Ein fruchtbarer Schriftsteller über alle Theile der Medicin, besonders über die gerichtliche, auch als praktischer Arzt ausgezeichnet.

Die mittelgroße Markung hat mit Ausnahme des mäßig eingefurchten Röthenbachthälchens eine ziemliche ebene Lage und bei tüchtiger Düngung einen mittelfruchtbaren Boden, der theils aus den| Zersetzungen des Buntsandsteins, theils aus denen des dolomitischen Wellenmergels besteht. An einigen Stellen kommt ein eisenhaltiger Lehm und in den Thalebenen theilweise ein mooriger bis zum Torf ausgebildeter Boden vor, der saures Futter erzeugt.

Die Luft ist wegen der nahen balsamisch ausdünstenden Nadelwaldungen gesund und das Klima trotz der hohen Lage nicht auffallend rauh, indem der wärmehaltende Sandboden die klimatischen Verhältnisse etwas mildert. Auch liegt der Ort etwas vertieft und genießt deshalb einigen Schutz gegen die größte Gewalt der Stürme. Hagelschlag kommt selten vor, weil der Hohenberg eine Wetterscheide bildet. Kalte, aus den nahen Torfmooren aufsteigende Nebel, wie auch Frühfröste kommen zuweilen vor.

Der Feldbau wird in der sog. Wechselwirthschaft gut und fleißig betrieben; nach 6–8jähriger Bebauung bleibt das Feld für den Graswuchs, der sich von selbst bildet, 3–4 Jahre liegen. Zur Besserung des Bodens bedient man sich außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln des Gipses, der Hallerde, des Mergels, Komposts und der Asche; auch wird das Schürfen und Brennen der Felder mit Nutzen angewendet. Die Suppinger Pflüge, die Walzen und eisernen Eggen haben allgemeinen Eingang gefunden. Angebaut werden Dinkel, Weizen, Gerste, Roggen, Kartoffeln, Futterkräuter (dreiblätteriger Klee, Luzerne, ziemlich viel Esparsette, Wicken), Flachs, der auch zum Verkauf kommt, Hanf, Reps und Mohn zum eigenen Gebrauch.

Die erzeugten Brodfrüchte reichen nicht für das örtliche Bedürfniß, daher noch von außen bezogen werden müssen; an Haber werden etwa 100 Scheffel meist ins Badische abgesetzt.

Der mäßig ausgedehnte Wiesenbau erträgt im allgemeinen ein mittelmäßiges, theilweise saures Futter und nur auf den Wässerwiesen (etwa 50 Morgen) und auf den öde liegenden Äckern wächst gutes Futter. Die Wiesen sind 1–3mähdig.

Die Obstzucht wird des Schutzes wegen hauptsächlich nur zunächst den Häusern getrieben; man pflegt meist spät blühende Mostsorten (Langstieler Äpfel, Luicken, Fleiner, Palmischbirnen, Grunbirnen, Muskatellerbirnen etc.); Zwetschgen und Pflaumen gerathen gut. Eine Gemeindebaumschule besteht, auch ist ein Baumwart aufgestellt. Nur in ganz günstigen Obstjahren kann ein kleiner Theil des Obstertrages nach außen verkauft werden.

Die Gemeinde besitzt 2642/8 Morgen Nadelwaldungen, die jährlich 107 Klafter abwerfen, hievon werden 30 Klafter an die| Schule, an das Rathhaus, und an die Pfarrei abgegeben; das Übrige wird verkauft und sichert der Gemeindekasse eine jährliche Einnahme von 600–800 fl.

Die Zucht der Pferde ist unbedeutend, dagegen die des Rindviehs gut und namhaft; man züchtet eine Kreuzung von Land- und Simmenthalerrace und hat 3 Farren aufgestellt. Das Vieh wird auf die brach liegenden Wechselfelder theilweise noch ausgetrieben. Der Handel mit Vieh auf den benachbarten Märkten ist von Bedeutung. Im allgemeinen bildet die Rindviehzucht einen besondern Erwerbszweig, der noch mehr ausgedehnt würde, wenn die Markung Futter-erzeugender wäre.

Einige Schweinezucht findet statt, übrigens werden die meisten Ferkel (halbenglische und deutsche) von außen bezogen. Die Schweinehaltung ist sehr namhaft und die aufgemästeten Schweine werden theils ins Haus geschlachtet, theils verkauft.

Die Zucht des Geflügels (meist Hühner) und die der Bienen findet nur für den eigenen Bedarf statt.

Auf dem sog. Schänzle etwa 1/2 Stunde südwestlich vom Ort stand eine befestigte römische Niederlassung, von der man schon verschiedene Mauerreste, einen ausgemauerten Brunnen, Anticaglien, Münzen, namentlich mehrere Säulen,[1] drei Steine mit Inschriften, von denen 2 zu Grunde gingen, und nur der 1823 aufgefundene, der Göttin Abnoba geweihte in das K. Antiquarium nach Stuttgart gebracht wurde. Im Jahr 1835 ließ das K. statistisch-topographische Bureau hier Nachgrabungen anstellen, welche neben ansehnlichen Gebäudesubstruktionen, ein aus Stein ausgeführtes Reliefbild einer menschlichen Figur, viele Münzen aus dem ersten und zweiten christlichen Jahrhundert, zu Tage förderten; von Bronce fand man eine 5″ 2‴ hohe Ariadne, 2 Hündchen, mehrere Glöckchen, von Gold ein Plättchen in der Größe eines Sechskreuzerstücks, von Silber ein Plättchen, auf dem ein Genius abgebildet war, und ein 11/2″ großes Äxtchen u. s. w. Auch wurde zufällig eine Goldmünze mit dem Kopf des Domitian gefunden. (S. hier. den allgemeinen Theil, Abschnitt „Alterthümer.“) Von diesem wichtigen Punkt, der den Eingang in den eigentlichen Schwarzwald vertheidigte, lief eine von Waldmössingen herkommende Römerstraße die Brandsteig hinab in das Kinzigthal und ohne Zweifel in diesem weiter bis in die| Rheinebene. Eine zweite Römerstraße kreuzte die erstere 1/4 Stunde südöstlich von Röthenberg im Walde Götzenstruth; sie hat ihre Richtung von Südwesten nach Nordosten. In der Nähe des Kreuzungspunktes will man auch schon auf Mauerspuren gestoßen sein.

Zu der Gemeinde gehören:

b. Brandsteig, ein vereinzeltes, 1/4 Stunde südwestlich vom Mutterort gelegenes Haus.

c. Etzenbühl, ein einzelnes Haus, nur einige 100 Schritte südwestlich von Brandsteig gelegen.

d. Heftenbach, liegt über dem nahen Heftenbachthälchen 1/4 Stunde östlich vom Mutterort.

e. Kiener, ein aus vereinzelten Häusern bestehender Weiler, der mit dem südlichen Ende des Mutterorts beinahe zusammenhängt.

f. Reint, liegt in einem kleinen Thälchen 1/8 Stunde östlich von Röthenberg.

Röthenberg trugen die Hack und die Herren von Reuthin von den Herren von Falkenstein zu Lehen und der Ort kam meist von den genannten Lehensmannen (1309. 1337. 1411. 1416), die Vogtei und andere Gerichtsbarkeit von Wilhelm von Bach 1511 an das Kloster Alpirsbach, welches auch über die Pfarrei das jus collaturae und advocatiae mit aller Jurisdiction besaß. Mit diesem Kloster kam alles an Württemberg.

Über die Erdmännlein, die sich früher bei Röthenberg aufhielten und den Bewohnern von R. unsichtbar verschiedene Arbeiten verrichteten, jetzt aber längst verschwunden sind, s. Meier, Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben Thl. I., S. 61.

Früher opferten manche Einwohner dem Sturme. Dieses Opfer bestand in einem Schüßelchen voll Mehl nebst einem Stückchen Brod und Speck, welche Dinge sie, sobald ein Wind kam, aus dem Fenster hinausstreuten.


  1. Die Säulen wurden zum Theil als Träger für Backöfen benützt und eine steht im Garten des Schulmeisters.


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