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Kapfenhardt,
Gemeinde III. Kl. mit 352 Einw., Pfarr-Filial von Langenbrand.


Das freundliche Dorf, welches abgesehen von der zugehörigen im Reichenbachthal gelegenen oberen Mühle nur aus einer, beinahe 1/4 Stunde langen Straße besteht, an der sich zu beiden Seiten weitläufig, durch schöne Baumgärten unterbrochen, die ländlichen Gebäude lagern, hat auf dem Gebirgsstock zwischen Enz und Nagold, an dem südlichen Abhange gegen das Reichenbachthal eine sehr angenehme | und geschützte Lage. Die Luft ist rein, gesund und in Vergleichung mit der Umgegend mild, daher auch die Ernte etwas früher beginnt als in den höher gelegenen Nachbarorten; übrigens schaden Frühlingsfröste zuweilen der Obstblüthe und den Wintersaaten, während Hagelschlag zu den Seltenheiten gehört. Auch der Boden ist fruchtbarer als in den übrigen Schwarzwaldorten und besteht aus einer günstigen Mischung von Sand und etwas Lehm; Hafer, Roggen, auch Dinkel, Waizen, Kartoffeln, Hanf und Flachs gerathen in demselben gut.

Beinahe in der Mitte des reinlich gehaltenen Dorfs, dessen Gebäude theilweise noch mit Schindeln gedeckt sind, steht das 1839 namhaft erweiterte, ansehnliche Schulhaus, mit Thürmchen und Uhr auf dem First; dasselbe enthält ein Schulzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und ein Zimmer für den Gemeinderath.

Der Ort hat nur einen Brunnen, der überdieß kein gutes Wasser liefert und öfters ganz versiegt; dagegen befinden sich in dem nahen Reichenbachthal, welches unter der Benennung Eulenloch bei Schömberg beginnt, gegen 30 frische, sehr gute Quellen, aus denen die Einwohner häufig ihr Wasser beziehen. Der unterhalb der unteren Mühle entspringende sogenannte gute Brunnen soll besondere Heilkräfte und eine Temperatur von 19° R. besitzen. Nur einige 100 Schritte südlich vom Ort, übrigens schon auf Schömberger Markung, entspringt der sogenannte Heiligenbrunnen, der eigentlich den Ursprung des Reichenbachs bildet, indem der weiter oben beginnende Eulenbach erst von hier an den Namen Reichenbach erhält. Der Reichenbach, welcher durch ein tief eingeschnittenes Waldthälchen, dessen schmale Sohle mit guten Wiesen kultivirt ist, fließt und bei Ober-Reichenbach in die Nagold mündet, treibt mehrere Mahl- und Sägmühlen und auf der Markung Kapfenhardt die sogenannte obere Mühle mit 3 Mahlgängen und einen Gerbgang, nebst einer Sägmühle, Hanfreibe, Öl- und Schleifmühle. Der klare, Forellen führende Bach wässert die im Thal gelegenen Wiesen, denen er jedoch auch durch seine Überschwemmungen zuweilen schadet. Ein sogen. Hungerbrunnen befindet sich im Reichenbacherthal.

Die im Allgemeinen körperlich kräftigen Einwohner, sind fleißig und einfach in Lebensweise und Sitten; ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht, Holzhandel und Holzmachen; die Gewerbe beschränken sich außer den schon angeführten Mühlen auf 2 Schildwirthschaften und die nöthigsten Handwerker. Den Vermögensumständen nach gehören die Einwohner zu den mittleren des Bezirks. Der größte Güterbesitz beträgt 10 Morgen Felder und 20 | Morgen Waldungen, der mittlere 5 Morgen und der geringste 1/4 Morgen Feld.

Die Landwirthschaft ist in gutem Zustande, obgleich der öftere Mangel an Streumaterial und Dünger störend auf dieselbe einwirkt. Außer dem gewöhnlichen Stalldünger wird auch die Asche, besonders auf Wiesen in Anwendung gebracht; die Jauche wird fleißig benützt und an einzelnen Düngerstätten sind Pumpröhren angebracht.

Der willkürlich betriebene Ackerbau beschäftigt sich außer den gewöhnlichen Getreiden (vorzugsweise Hafer und Roggen) noch mit dem Anbau von Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Wicken, Kohlraben, Hanf und Flachs, welch letzterer gut gedeiht. Auf den Morgen rechnet man Aussaat 6–61/2 Sri. Hafer und 4 Sri. Roggen; der durchschnittliche Ertrag wird zu 6–61/2 Scheffel Hafer und 5 Scheffel Roggen pr. Morgen angegeben. Die höchsten Preise eines Morgen Ackers betragen 110 fl., die mittleren 100 fl. und die geringsten 75 fl., während sich die der Wiesen von 400–500 fl. bewegen. Brodfrüchte werden zuweilen noch auswärts aufgekauft. Die durchgängig wässerbaren Wiesen sind ergiebig und meist 3mähdig, zuweilen sogar 4 und 5mähdig; ein Morgen erträgt durchschnittlich 50 Cent. Futter. Die im Zunehmen begriffene, nicht unbeträchtliche Obstzucht beschäftigt sich vorzugsweise mit Mostsorten und Zwetschgen; feinere Sorten gedeihen nicht. Das Obst wird im Ort selbst verbraucht und die Jungstämme bezieht man aus einigen von Bürgern angelegten Baumschulen. Die Rindviehzucht ist in gutem Zustande und bildet eine besondere Erwerbsquelle; man hält einen gesunden, kräftigen Landschlag, der durch tüchtige Farren, welche ein Bürger Namens der Gemeinde hält, nachgezüchtet wird. Die Stallfütterung ist beinahe allgemein eingeführt.

Die Zucht der Schafe, Schweine und Ziegen ist von keinem Belang; auch die Bienenzucht ist im Abnehmen.

Mit Lang- und Scheiterholz wird ein nicht unbeträchtlicher Handel in das Badische getrieben. Vicinalstraßen führen nach Langenbrand, Salmbach, Grunbach und Reichenbach; über den Reichenbach ist eine steinerne Brücke angelegt. Die Entfernung von der Oberamtsstadt beträgt 21/4 Stunden und die von dem Mutterort beinahe eine Stunde.

Die Gemeinde ist im Besitz von 325 Morgen Waldungen, die einen jährlichen Ertrag von 110 Klafter liefern; hievon erhält jeder Bürger 1/2 Klafter, während der Erlös aus dem Rest in die Gemeindekasse fließt. Ferner bezieht die Gemeinde 38 Klafter Gerechtigkeitsholz, von denen das Abholz an die Bürger ausgetheilt wird.

| Über das Vermögen der Gemeinde- und Stiftungspflege s. Tabelle III.; eine unbedeutende Stiftung zu Brod für die Armen ist vorhanden.

Im 13. Jahrhundert gehörte die hiesige Mühle den Herren von Liebenzell; Reinhard und Wolfram von Liebenzell schenkten den 14. März 1260 dem Kloster Herrenalb 10 Schilling Gülten daraus (Mone, Zeitschr. 1, 248).

Der Ort, dessen Name waldiger Bergkopf bedeutet und welcher mit dem gleichnamigen bei Weissach Oberamts Vaihingen nicht zu verwechseln ist, kam mit Neuenbürg an Württemberg. Im J. 1332 begabte Graf Ulrich von Württemberg die von ihm gestiftete Pfründe zur Egidien-Kapelle in Nürnberg mit Gefällen aus seinem Orte Kapfenhardt (Kausler 154) und 1565 kommen Güter und Zehnten, welche die Klosterfrauen in Pforzheim allhier besaßen, durch Tausch von Baden an Württemberg.

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