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31. Tiefenbach,


Gemeinde III. Kl., Dorf, mit Müssigmühle, 530 Einw., wor. 2 Ev., welche nach Kochendorf eingepfarrt sind.

Der nicht große Ort, ziemlich lang gezogen, liegt etwas abgelegen im Thälchen des Tiefenbachs an dessen westlichem Rand. Die Vertiefung, in welcher der Ort liegt, scheint für die Gesundheitsverhältnisse nicht besonders günstig zu sein; der Untergrund ist feucht und sumpfig, auch scheint der Kirchhof auf dem Abhang unmittelbar am Ort nicht günstig situirt, sofern dadurch das Wasser im Ort infizirt werden könnte. In der That haben schon Typhus- (1847), Scharlach- (1868–69) und Pocken- (1871–72) Epidemien stark im Ort geherrscht. In Folge einer Verlegung des Laufes des Tiefenbachs jedoch, der früher durch den Ort führte, jetzt aber in einer überwölbten Dohle an demselben vorbei thalabwärts geleitet wird, ist der Ort selbst trockener gelegt und entsumpft worden. Vizinalstraßen verbinden den Ort mit Gundelsheim, Bachenau und Höchstberg.

Mitten im Ort steht die kleine, dem h. Jakobus geweihte Kirche, 1747 erbaut. Über dem westlichen Eingang in das Schiff befindet sich im abgebrochenen Schnörkelgiebel das Buseksche Wappen, welches sich am Chorbogen oben wiederholt. Der Chor, eine halbrunde Apsis bildend mit 3 Fenstern, enthält den Hauptaltar. Auf dem westlichen First des Kirchendaches| sitzt ein kleines schiefergedecktes Glockenthürmchen mit 2 Glocken: 1. Gegossen von Chr. Bachert in Dallau 1878, als Bernhard Dickmann Vicar und Xaver Feil Schultheiß in Tiefenbach waren; 2. (die kleinere) unter dem Bild des Apostels Jakobus: St. Jakobus. Diese Glocke ist gestiftet von Joh. Georg Bolch und dessen Ehefrau Maria Magdalena der Gemeinde Tiefenbach 1878. Gegossen von Christian Bachert in Dallau. – Die Stiftungspflege hat die Unterhaltungspflicht an der Kirche.

Das Pfarrhaus für den lokalisirten Vikar von Höchstberg, wurde 1875 aus dem sog. Pfarrhausbaufonds (8000 fl. betragend, ursprünglich 900 fl. aus einem Prozeß mit der Pfarrei Höchstberg) erkauft; es ist ein im J. 1866 neu erbautes Haus. Unterhalten wird es von demselben Fonds.

Das Schulhaus wurde 1842 erbaut und enthält ein Lehrzimmer, sowie die Wohnung des Lehrers. Es ist zugleich das Lokal für die Industrieschule.

Das Rathhaus ist mit dem Schulhaus vereinigt. Dasselbe enthält auch ein Gemeindebackhaus.

Die Gemeinde besitzt außerdem ein Armen- und ein Schafhaus.

Das Trinkwasser im Ort ist nicht durchaus gut; es sind 4 laufende und 2 Pumpbrunnen vorhanden. Die Markung wird vom Tiefenbach, der nördlich im Sonderteich entspringt, in der Richtung von Norden nach Süden durchflossen; der Bach tritt bei Regen- und Thauwetter aus, ohne indessen sonderlichen Schaden zu thun. Über ihn führen 3 steinerne Brückchen und ein hölzernes. Im Ort ist ein Feuersee.

Die nicht ausgedehnte Markung, welche viel Wald enthält, hat vorherrschend naßkalten und wenig ergiebigen Boden. Das Klima ist schon etwas rauh, Frühlingsfröste sind häufig; Hagelschlag kommt selten vor. Es gibt auf der Markung 4 Steinbrüche, aus denen Kalksteine und Werksteine gewonnen werden; letztere werden auch nach außen abgesetzt. Ebenso sind gute Lehm- und Töpferthongruben vorhanden.

Die Einwohner, von denen derzeit 3 über 80 Jahre alt sind, finden verhältnißmäßig guten Erwerb mit Taglohn im Staatswald und in den Steinbrüchen; die weiteren Erwerbsmittel bestehen in Feldbau und Viehzucht. Es sind 4 Schildwirthschaften und 2 Krämer im Orte. Bildhauerei wird betrieben, wobei beständig 3 Mann beschäftigt sind. Zwei Ziegeleien bestehen, sowie eine Mahlmühle, die hübsch im Tiefenbachthal| südlich vom Ort gelegene Müssigmühle, mit Mahlgang, Gerbgang und Hanfreibe.

Die Landwirthschaft befindet sich im allgemeinen in gutem Zustand. Verkauft werden außer 7–800 Ctr. Getreide etwas Reps, Mohn, Flachs, Hanf und Cichorien. Der Morgen Acker kostet zwischen 800 und 150 fl.

Der Wiesenbau ist beschränkt und liefert ein mittelmäßiges Futter. Der Morgen kostet zwischen 1000 und 500 fl.

Der Obstbau ist im Zunehmen begriffen, da das Obst gerne geräth. Eine Privatbaumschule ist vorhanden und von der Gemeinde ist ein besonderer Baumwart aufgestellt.

An Waldungen besitzt die Gemeinde 58 Morgen Laubwald, welche jährlich ca. 12 Klafter Holz und 800 Wellen ertragen. Der Erlös, ca. 500 bis 1000 M. betragend, fließt in die Gemeindekasse.

Die Brach- und Stoppelweide wird im Sommer mit 150, im Winter mit 200 Stück Bastardschafen befahren, welche im Ort überwintert werden. Die Gemeinde bezieht als Pachtsumme aus der Schafweide ca. 600 M. jährlich; die Pferchnutzung erträgt 400 M.

Eigene Güterstücke der Gemeinde, in Allmanden bestehend, sind verpachtet und tragen ca. 360 M. Pachtgeld.

Die Viehzucht wird verhältnißmäßig stark betrieben.

Stiftungen. Es existirt eine Almosenstiftung von weil. Stephan Schuster, im Betrag von 1700 M., deren Zinsen unter Ortsarme vertheilt werden. Außerdem hat Tiefenbach Antheil an der Gundelsheimer Hospitalstiftung.

Alterthümer. Man glaubt Spuren gefunden zu haben, daß die alte Römerstraße, die nach Norden führte, die sog. Dallauerstraße, auf der Höhe oberhalb Bachenau nordöstlich eine Abzweigung unter dem Namen Schelmengraben nach Tiefenbach und von da ins Schefflenzthal nach Allfeld hatte (?) (W. F. 1865).

In dem sog. Sonderteich, dem oberen Theil des Tiefenbachs nördlich vom Ort, befindet sich der sog. Schloßbuckel. Auf einer Anhöhe rechts vom Thal gegen den Gemeindewald Dachsberg ist dort eine Umwallung erkennbar, in deren Mitte eine Vertiefung ist. In der Umwallung fanden sich Bausteine und Mörtel (W. F. 1866).

| Eine schöne römische Silbermünze wurde in Tiefenbach gefunden, A.: Vespasian, R.: Augur.

Flurnamen: Schanzäcker, Schelmengraben, Schloßbuckel.

Tiefenbach, was wohl trotz dem Diepenbach 773 den tiefen Bach bedeutet (vgl. Diffenbach 798) wird schon in diesen beiden frühen Jahren unter den Orten des Bezirks genannt, in welchen dem Kloster Lorsch an der Bergstraße Schenkungen zugewandt wurden. Nachher hatten daselbst auch die Klöster Amorbach und Gnadenthal Einkünfte, das Stift St. Peter zu Wimpfen einen Hof. (Ob Dieffenbach, wo Graf Diemo von Prozelten dem Kloster Hirschau 2 Huben schenkte, Cod. hirs. 50, unser T. ist?) Wann und durch wen der Ort an den Deutschorden gekommen, zu dessen Amt Horneck er bis zur Säkularisation in unserem Jahrhundert gehörte, ist nicht mehr bekannt.

In T. ist am 5. Februar 1823 geboren Dr. Joseph Florian Rieß, studirte und war Repetent im Wilhelmsstift zu Tübingen, 1848 ff. Redakteur des Deutschen Volksblatts in Stuttgart, trat 1857 in den Jesuitenorden.

773. Scolant schenkt dem Kloster Lorsch zwei Tagwerk Feld in villa Diepenbach im Neckargau. Cod. Lauresh. 2464.

798. Bernus schenkt dem Kloster Lorsch all sein Besitzthum in Gundelsheim, Böttingen, Offenau, Duttenberg und Diffenbach. Cod. Laur. 2458.

1343. Das Stift St. Peter in Wimpfen hat einen Hof in T. Frohnhäuser, Wimpfen 84.

1345. Elsbeth Metzlerin gibt dem Kloster Gnadenthal unter Anderem 1 Huhn zu T. auf dem Obernhof. W. F. 9, 51.

1450. März 1. Kloster Amorbach kauft ein Drittel des großen und kleinen Zehnten zu Dieffenbach um 100 Pfd. Hlr. von Dietrich Seume v. Krautheim und seiner Hausfrau. Amorb. Kop.Buch.

1450. Okt. 21. Kloster Amorbach kauft ein Drittel des Zehnten zu D. um 130 Gulden von Heinrich v. Gosheim, gen. Blaz. Siegler: Hans Wittstadt und Konr. Caplan sein Schwager. Ebend.

1453. Dietrich v. Tiefenbach Zeuge in einer Heilbronner Urkunde. W. F. 9, 74.

1558–95. Kloster Amorbach verpfändet seinen Antheil am großen Zehnten in T. an den Deutschorden und verkauft ihn später an den Spital in Mosbach. W. F. 5, 343.


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