Beschreibung des Oberamts Nagold/Kapitel B 9
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Beide Orte bilden ein zusammenhängendes, über 1/4 Stunde langes Dorf, von welchem Wöllhausen auf beiden Seiten der Nagold theils in die Thalebene, theils an die Ausläufer der Thalgehänge hingebaut ist, während Ebhausen auf einem wohlgerundeten Vorsprung gegen das linke Nagoldufer eine freie und sehr angenehme Lage hat. Der Ort ist im Allgemeinen freundlich und mit reinlichen Ortsstraßen, von denen die bedeutenderen gekandelt sind, versehen. Die Gebäude sind in den unteren Stockwerken meist aus Stein, in den oberen aus Holz erbaut und haben, namentlich in Ebhausen, zuweilen ein städtisches Aussehen. Ebhausen hatte auch 2 Thore, das Ebhauser und das Wöllhauser Thor, ersteres stand am südöstlichen Ende des Orts, letzteres etwa in der Mitte des gegenwärtigen Dorfs.
Der um die Kirche gelegene Begräbnißplatz wurde im Jahr 1839 aufgegeben und dagegen ein neuer außerhalb des Orts an der Straße nach Mindersbach angelegt.
Das frei gelegene, gut erhaltene Pfarrhaus hat der Staat zu unterhalten.
An der nördlichen Seite von Ebhausen steht das ansehnliche, dreistockige Schulhaus, welches im Jahr 1840 mit einem Aufwand von etwa 7000 fl. neu erbaut wurde; es enthält 4 Lehrzimmer und 3 kleinere Wohn-Gelasse für das untergeordnete Lehrerpersonal (2 Unterlehrer und ein Lehrgehilfe). Der Schulmeister bewohnt ein abgesondertes, der Gemeinde gehöriges Gebäude.
Das auf dem Marktplatz in Ebhausen gelegene, noch gut erhaltene Rathhaus, wurde nach einer an der Ecke desselben befindlichen Inschrift im Jahr 1678 erbaut; zunächst dieser Inschrift sind 2 Wappenschilde angebracht, von denen der eine die württembergischen Hirschhörner, der andere die mömpelgard’schen Fische enthält. Zwei öffentliche Waschhäuser sind vorhanden.
In Wöllhausen bestehen 3 hölzerne Brücken, eine über die Nagold, eine über den Arm der Nagold und eine über den Mühlbach; überdieß sind über einige Arme der Nagold 3 Steege angelegt, welche die nächste Verbindung zwischen Ebhausen und Wöllhausen herstellen.
Durch Wöllhausen führt die im Jahr 1851 vollendete Staatsstraße | von Nagold nach Altensteig; Vicinalstraßen sind nach Mohnhardt, Rothfelden und über Ebershardt nach Warth angelegt.Der Ort ist mit gutem Trinkwasser hinreichend versehen; es bestehen 4 laufende Brunnen, von denen der dreiröhrige Marktbrunnen im J. 1846 mit einer im germanischen Styl schön gearbeiteten Brunnensäule geschmückt wurde.
Die durch den Ort fließende Nagold tritt öfters aus ihrem Bett, ohne jedoch an den Thalwiesen und an den Gebäuden beträchtlichen Schaden anzurichten; nur in dem Jahr 1824 haben die Hochfluthen des Flusses nicht allein 5 Häuser, sondern auch die steinerne Brücke mit sich fortgerissen. Die Fischerei, vorzugsweise auf Forellen, Aschen und Schuppfische, ist nicht unbeträchtlich und der Absatz der Fische nach Wildbad ein einträglicher. Das Fischrecht haben Privaten. Der Mühlbach vereinigt sich zunächst der Orts-Brücke mit der Nagold. In der Nähe der Ziegelhütte kommt die Benennung „Weiherwiesen“ vor, was auf einen hier bestandenen Weiher hinweist.
Die Einwohner sind im Allgemeinen kräftig und wohlgestaltet; dagegen erscheint hier unter einzelnen Familien der Kretinismus in auffallender Weise, und gegenwärtig befinden sich, außer mehreren Simpelhaften und Kropfigen, etwa 15 ausgebildete Kretins, worunter 8–9 taubstumm sind, im Ort. Die Haupterwerbsquellen sind Gewerbe, Feldbau und Viehzucht; viele der Einwohner suchen sich ihr Auskommen durch Arbeiten in Fabriken und durch Taglohnen zu sichern. Zu Folge des vielseitigen Verkehrs und des häufigen Reisens im In- und Auslande sind die Einwohner aufgeweckter, gewandter im Umgang als die gewöhnlichen Dorfbewohner.
Die Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen, indem die Mehrzahl der Einwohner minder bemittelt ist; der größte Güterbesitz beträgt 50–60 Morgen, der mittlere 15–20 Morgen, der geringste 1 Morgen und mehrere haben gar kein Grundeigenthum. Gegenwärtig erhalten 20 Personen Unterstützung von Seiten der Gemeinde. Von den Gewerben, unter denen die Flanellfabrikation die erste Stelle einnimmt, sind zu nennen:
1) Die mechanische Wollspinnerei von Frick und Reichart mit 10 Spinnstühlen; sie beschäftigt 25–30 Personen und arbeitet um den Lohn für die Meister im Ort und in der Umgegend.
2) Etwa 20 Meister treiben die Flanellfabrikation auf eigene Rechnung und beschäftigen gegen 200 Personen; sie sehen ihre Waaren nach Bayern, Baden, nach der Schweiz und zunächst in das Inland ab.
| 3) Eine Sägmühle mit neuester Einrichtung nebst Ölmühle von Frick und Reichart beschäftigt 6 Personen; die Besitzer derselben treiben zugleich einen ausgedehnten Handel mit Langholz und Schnittwaaren.4) Ein Hechelgeschäft betreibt G. J. Schöttle, der seine Fabrikate in das In- und Ausland absetzt.
Überdieß sind 2 Mühlen vorhanden, die obere mit 3 Mahlgängen, einem Gerbgang und einer Hanfreibe, und die untere Mühle mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang; ganz in der Nähe der letzteren besteht eine Walkmühle. Eine Ziegelhütte steht im Ort. Von den gewöhnlichen Handwerkern arbeiten die Schuhmacher auch nach Außen und setzen ihre Waare auf benachbarten Märkten ab; ein Schmid verfertigt verbesserte Pflüge, die in der ganzen Umgegend Absatz finden.
Im Ort bestehen 5 Schildwirthschaften, worunter 3 mit Brauereien, 2 Handlungen und ein Krämer.
Die verhältnißmäßig nicht große Markung ist im Allgemeinen uneben und deßhalb beschwerlich zu bebauen, auch leiden die an den Gehängen gelegenen Güter bei starken Regengüssen durch Abschwemmungen.
Der im Allgemeinen fruchtbare Boden besteht aus den Zersetzungen des Muschelkalks, vorzugsweise aus denen der Anhydritgruppe, welche hier den ergiebigeren Boden liefern, und an den untersten Thalgehängen wie auch in der Thalebene erscheinen, theils durch die Zersetzungen des bunten Sandsteins, theils durch Anschwemmungen sandiger Bodenarten. Steinbrüche im bunten Sandstein sind 3 vorhanden, einer oberhalb der oberen Mühle, der gute Bau- und Werksteine liefert, und 2 nordwestlich vom Ort aus denen Platten gewonnen werden. Eine Lehmgrube besteht etwa 1/4 Stunde nördlich vom Ort.
Die klimatischen Verhältnisse sind ziemlich mild, so daß noch feinere Gewächse wie Gurken, Bohnen etc. gedeihen, übrigens schaden denselben, wie auch edleren Obstsorten nicht selten Frühlingsfröste und kalte Nebel. Hagelschlag ist seit dem Jahre 1834 nicht mehr vorgekommen.
Die Landwirthschaft wird unter Anwendung verbesserter Ackergeräthe (Brabanterpflug, neuerer Wendepflug, Walze etc.) so gut als es die natürlichen Verhältnisse erlauben, betrieben. Zur Besserung des Bodens wird, außer dem gewöhnlichen Stalldünger, die Jauche, Gyps, Hallerde, Compost und Wollenabfälle benützt.
In dreizelglicher Feldereintheilung baut man die gewöhnlichen | Cerealien und in der zu 3/4 angeblümten Brache dreiblättrigen Klee, Kartoffeln, etwas Erbsen und Reps; Hanf, Flachs, Angersen und Kohlraben zieht man nur in Ländern. Bei einer Aussaat von 7–8 Simri Dinkel, 5–6 Sr. Haber und 3–4 Sr. Gerste beträgt die durchschnittliche Ernte 9–10 Scheffel Dinkel (ausnahmsweise 12 Scheffel), 5 Scheffel Haber und 4 Scheffel Gerste per Morgen. Die höchsten Preise eines Morgens Acker sind 4–500 fl., die mittleren 200 fl. und die geringsten 50–100 fl. Das Getreideerzeugniß reicht nicht für das örtliche Bedürfniß.Der verhältnißmäßig nicht ausgedehnte Wiesenbau liefert von dem Morgen durchschnittlich 18–20 Ctr. Heu und 6 Cr. Öhmd; in trockenen Jahrgängen ist, wegen des sandigen Bodens in der Thalebene, der Ertrag noch geringer. Die Wiesen sind nicht wässerbar und ihre Preise bewegen sich von 100–500 fl. per Morgen. Zum Nachtheil der Landwirthschaft wird von dem Futterertrag nach Außen verkauft.
Die Obstzucht beschränkt sich auf die zunächst um den Ort gelegene Baumgüter, in denen vorzugsweise späte Mostsorten und Zwetschgen gezogen werden.
Der mittelmäßige, aus einer gewöhnlichen Landrace bestehende Rindviehstand wird durch 3 Farren, die ein Bürger Namens der Gemeinde hält, nachgezüchtet. Mit jungem, wie auch mit gemästetem Vieh wird einiger Handel auf benachbarten Märkten getrieben.
Schweinezucht findet statt, übrigens werden immer noch viele Ferkel (halbenglische) von Außen bezogen.
Was die Schafzucht betrifft, so lassen einige Bürger etwa 150 Stück Bastarde auf der Markung laufen und entrichten hiefür ein Weidegeld von etwa 80 fl. jährlich, überdieß trägt die Pferchnutzung 300-350 fl. der Gemeindekasse ein.
Die Ziegenzucht ist ziemlich beträchtlich.
Die Gemeinde hat das Recht alljährlich einen Vieh- und Krämermarkt und einen Vieh-, Krämer- und Flachsmarkt abzuhalten; beide Märkte werden jedoch nicht stark besucht.
Die Gemeindwaldungen ertragen jährlich 3–400 Klafter, aus denen zu Gunsten der Gemeindekasse gegen 3000 fl. erlöst werden.
Die vorhandenen 40–50 Morgen Allmanden sind den Ortsbürgern zur Benützung überlassen.
Ein alter Weg, ohne Zweifel ein römischer, führt unter der Benennung „Zinnweg“ von Rohrdorf her durch den Ort und weiter unter dem Namen „Heidengäßle“, gegen Warth. Am südlichen Ende des Orts wurden im Jahr 1834 Reihengräber, Waffen und | ein Gefäß enthaltend, aufgefunden; ähnliche Grabstätten fand man auch in der Nähe der Kirche und des Schulhauses.Auf dem Stuhlberg soll eine Burg gestanden sein.
Ebhausen wurde, wohl zugleich mit Wöllhausen am 1. Mai 1364 von den Grafen Burkhard von Hohenberg an den Pfalzgrafen Ruprecht verkauft, welchem 1367 die Wetzel von Ebhausen mit ihren hiesigen Lehen zugewiesen wurden, (Reichsständ. Archiv. Urk. 1, 17). Einzelne Rechte und Güter in E. und W. erkaufte derselbe Pfalzgraf noch 1378 von den Gebrüdern von Gültlingen. Beide Dörfer kamen 1440 mit der Herrschaft Wildberg an Württemberg.
In W. erwähnt das Landbuch von 1623 einen „allerdings ganz abgegangenen Burgstall“. Auf demselben saßen einst die bei Altensteig und Berneck erwähnten Vögte von W.; dergleichen kommen vor in einer Urkunde Ritter Heinrichs von Nagold von 1245 (advocatus de Wellehusin. Stuttgart Staatsarch.), Albertus advocatus Wellinhusin, Albero et Hugo filii sui in einer Kloster Heiligkreuzthaler Urkunde vom 30. Aug. 1267, der zuletzt genannte mit einem gleichnamigen Sohn überhaupt später häufig, Heinricus miles advocatus de Wellehusen 1289 (Schmid Pfalzgr. v. Tüb. Urk. 85). – Hugo der Vogt von Welnhusen gab den 31. Mai 1297 mit „seines Herrn Hand Graf Burkhards von Hohenberg“ das Gut Monhart an das Kloster Reuthin[1].
Einen Hof in „Ebhausen“ überließ Graf Burkhard von Hohenberg dem Kloster Reuthin.
Den Pfarrsatz in Ebhausen schenkte Graf Burkhard von Hohenberg mit seinem gleichnamigen Sohne im J. 1305 dem Kloster Kniebis und nichts desto weniger im J. 1318 dem Johanniterhause zu Rohrdorf (Schmid Gr. v. Hohenberg Urk. 162. 217). Zu der Kirche gehörten ehedem Pfrondorf und Rohrdorf (s. d.) als Filialien. Das Patronat ist landesherrlich. |- ↑ Die ganze Sippschaft wird am deutlichsten durch folgende Urkunde: 1330 Nov. 1. Alberus de Bernecke Hainricus de Vogtsperc et Cuonradus de Wellehusen communi cognacionis nomine advocati de Wellehusen appellati übergeben die Kapelle Enzklösterle, eine Stiftung ihrer Ahnen an das Kl. Herrenalb mit Gutheißen ihrer consanguinei Hainricus, Bertoldus, Volmarus et Dyetricus fratres dicti de Hornberc. Stuttg. Staatsarchiv, Schmid Gr. v. Hohenberg Urk. 273. Über das Wappen der Vögte von W. s. Mone, Zeitschrift 7, 201.
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