Beschreibung des Oberamts Nagold/Kapitel B 10
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Die am südlichen Ende des Orts gelegene, sehr ansehnliche Pfarrkirche, hat die Stiftungspflege zu unterhalten, welche aber wegen Mittellosigkeit von der Gemeinde unterstützt werden muß; das im germanischen Geschmack erbaute, mit einfachen Strebepfeilern versehene Langhaus stammt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und die spitzbogigen Fenster desselben enthalten sogenannte Fischblasenfüllungen. Der mit einem halben Achteck schließende Chor ist wenigstens 100 Jahre älter als das Langhaus und enthält schlanke Spitzbogenfenstern mit Kleeblattfüllungen; die schön ausgeführten Streben waren mit Giebelblumen geschmückt, die jedoch abgefallen sind. Neben dem Eingang an der westlichen Giebelseite ist ein uralter Grabstein eingemauert, dessen Inschrift nicht entziffert werden kann. Das ansprechende Innere der Kirche ist dreischiffig und das schöne Netzgewölbe des Mittelschiffs ruht auf 6 achteckigen Pfeilern, die durch Spitzbogen mit einander verbunden sind; auch die Seitenschiffe haben Netzgewölbe, die, wie auch die Decke des Mittelschiffs, durchaus bemalt waren. Von den Malereien, welche weiß getüncht wurden, haben sich nur noch die Symbole der 4 Evangelisten an der Decke des Mittelschiffs, und die mit weiblichen Heiligenbildern bemalten Schlußsteine der Seitengewölbe erhalten. Die Schlußsteine des Mittelschiffs enthalten von Westen nach Osten folgende Bildwerke: 1. das Wappen der Familie Grückler, zwei gekreuzte Spitzhämmer auf 3 grünen Bergen, die Grückler sollen die Kirche erbaut haben; 2. ein laufender Affe; 3. die Öffnung für das ewige Licht, um welche die oben angeführten Symbole der 4 Evangelisten gemalt sind; 4. die Mutter Gottes mit dem Kinde. Die Kanzel ist aus Stein im germanischen Geschmack ausgeführt und der weit | ältere Taufstein mit Rundbogenverzierungen stammt noch aus der romanischen Periode.
Von dem Langhaus führt ein spitzer Triumphbogen in den Chor, der mit einem doppelten Kreuzgewölbe gedeckt ist, dessen Gurten theils von Brustbildern, theils von einem Affen ausgehen und an den Kreuzungspunkten Schlußsteine mit einem Christuskopf und Agnus Dei enthalten. Der Chor bewahrt überdieß noch einige alte, gut gemalte Fenster, eine schön gearbeitete Wandnische und eine Grabplatte des Herrn von Falkenstein. Der viereckige Thurm, welcher gegen oben in ein mit Blech beschlagenes Achteck übergeht, enthält 2 Glocken, von denen die größere 1473 gegossen wurde, die kleinere trägt die 4 Evangelistennamen als Umschrift.
Der Begräbnißplatz liegt um die Kirche.
Das im Jahr 1824 neu erbaute, von der Kirche ziemlich entfernt gelegene Pfarrhaus bildet mit seinem Öconomiegebäude und Garten einen wohlerhaltenen, freundlichen Pfarrsitz; die Unterhaltung desselben liegt dem Staat ob.
Das Schulhaus wurde im J. 1838 mit einem Gemeindeaufwand von etwa 6000 fl. erbaut; es enthält 2 Lehrzimmer, die Wohnungen des Schulmeisters und des Lehrgehilfen, wie auch die Gelasse für den Gemeinderath.
Ein Armenhaus und zwei öffentliche Waschhäuser sind vorhanden.
Südlich der Kirche steht das ehemalige Grückler’sche Schlößchen, das in eine Bauernwohnung umgewandelt wurde; dasselbe ist mit einem noch ziemlich gut erhaltenen, viereckigen Graben umgeben.
Im Ort befindet sich auch der sogenannte Schafhof, zu dem 150 Morgen Felder gehören, von denen der Staat die dritte und zehnte Garbe hatte, dagegen durften die Besitzer aus den Staatswaldungen jährlich 24 Klafter und 600 Stück Wellen, auch das nöthige Bauholz zur Unterhaltung von 2 Gebäuden unentgeldlich beziehen. Beiderlei Rechte wurden im Jahr 1831 abgelöst.
Der Ort erhält sein Trinkwasser aus einem Pumpbrunnen, 4 Zug- und 23 Schöpfbrunnen, die jedoch häufig ausgehen, so daß das Wasser 1/4 Stunde südwestlich vom Ort an dem sogenannten Knappenbrunnen geholt werden muß; außer diesem bestehen auf der Markung noch der Götzenbrunnen, der Weiherbrunnen etc. Zum Tränken des Viehs sind 2 Hülben im Ort angelegt und 1/4 Stunde nördlich vom Ort besteht der Egelsee.
Die verhältnißmäßig große, ziemlich ebene Feldmarkung hat im | Allgemeinen einen mittelfruchtbaren, düngerbedürftigen, rothsandigen Boden, der nördlich vom Ort in die Zersetzungen der dolomitischen Wellenmergel und Wellenkalke übergeht, auch stellenweise mit fruchtbarem Lehm bedeckt ist.Im Ort besteht ein Plattensandsteinbruch, der gute auch in der Umgegend gesuchte Platten liefert. Überdieß sind ein Steinbruch im Wellenkalk für Straßenmaterial und eine Lehmgrube vorhanden.
Das Klima ist etwas rauh, übrigens gedeiht das Obst noch ziemlich gerne, besonders die Zwetschgen, welche hier häufig gezogen und in günstigen Jahren in namhafter Ausdehnung nach Außen verkauft werden. Die Kernobstsorten leiden dagegen nicht selten durch Frühlingsfröste. Hagelschlag ist seit 47 Jahren nur einmal vorgekommen, indem der westlich gelegene Buhlerwald eine Wetterscheide bildet.
Die Einwohner sind im Allgemeinen großgewachsene, kräftige Leute, die sich trotz ihrer Sparsamkeit und ihres Fleißes, doch in ziemlich geringen Vermögensumständen befinden; ein großer Theil derselben sind Taglöhner, Maurer und Zimmerleute, welche größtentheils auswärts arbeiten und einen unbedeutenden Güterbesitz, öfters nur 3/4–6/4 Morgen haben. Eigentliche Bauern, von denen der vermöglichste 70 Morgen Felder und 41/2 Morgen Wald besitzt, giebt es nur wenige, dagegen ist der sogenannte Mittelstand mit etwa 20 Morgen Grundeigenthum nicht unbeträchtlich. Das Einsammeln von Waldsamen bildet in günstigen Jahren für manche Familie eine namhafte Einnahmsquelle.
In dreizelglicher Bewirthschaftung mit zu 1/4 angeblümter Brache baut man die gewöhnlichen Feldfrüchte und erntet durchschnittlich 6–8 Scheffel Dinkel, 4–5 Scheffel Haber und 2–3 Scheffel Gerste. Die Preise eines Morgens Acker steigern sich von 30–250 fl. Von den Felderzeugnissen werden jährlich etwa 250 Scheffel Dinkel und 300 Scheffel Haber nach Außen abgesetzt.
Der Wiesenbau ist ausgedehnt und liefert etwa 35 Ctr. Futter per Morgen, das jedoch nicht besonders nahrhaft ist; die durchaus zweimähdigen Wiesen können nicht bewässert werden; ihre Preise bewegen sich von 90–600 fl. per Morgen. Etwa 1/2 Stunde südlich vom Ort, bei dem sogenannten Götzengraben, einem südlich gelegenen, gegenwärtig mit Wald bestockten Abhange, soll früher Weinbau getrieben worden sein.
Ein namhafter, meist aus Allgäuer Race bestehender Viehstand wird gehalten und der Handel mit Kuh- und Stiervieh bildet eine | Haupterwerbsquelle der Einwohner. Zur Nachzucht sind 2 Farren aufgestellt, die ein Bürger Namens der Gemeinde hält.Auf der Markung läßt ein fremder Schäfer 250 Stück Schafe laufen und entrichtet hiefür ein Pachtgeld von 200 fl., überdieß trägt die Pferchnutzung der Gemeinde 3–400 fl. jährlich ein.
Einige Schweinezucht besteht, übrigens werden die meisten Ferkel von Außen bezogen.
Die Geflügelzucht ist nicht unbedeutend und erlaubt einen lebhaften Handel mit Eiern nach Calw.
Von den Gewerben sind außer den nöthigsten Handwerkern 2 Schildwirthschaften, 3 Krämer und die 1/8 Stunde nördlich vom Ort gelegene Ziegelhütte zu nennen.
Den Verkehr mit der Umgegend sichern Vicinalstraßen nach Wildberg, Schönbronn und Rothfelden.
Die Gemeinde besitzt 190 Morgen Waldungen, deren jährlicher Ertrag (42 Klafter) der Gemeindekasse 3–400 fl. einträgt; überdieß sind 8 Morgen Gemeindewiesen vorhanden, welche zu Gunsten der Gemeindekasse um 80 fl. jährlich verpachtet sind.
In den Waldungen der Umgegend findet man allenthalben Spuren früherer Agrikultur.
Wie Ebhausen u. s. w. kam E. ein ursprünglich gräflich hohenbergischer Ort, 1364 an die Kurpfalz und von dieser 1440 mit der Herrschaft Wildberg an Württemberg.
Die hiesige Kirche war Mutterkirche für Alt- und Neu-Bulach, Breitenberg mit 1/2 Ober-Kollwangen, Liebelsberg, Ober-Haugstett und Schönbronn.
Der Ort erscheint, als Affraninga, erstmals unter den Orten, womit als aus dem Reichsgut K. Heinrich II. den 1. Okt. 1005 das nach Stein am Rhein versetzte Kloster Hohentwiel begabte. Ist die Urkunde auch unterschoben (s. VII, 1 Anm.), so ist doch an dem uralten Besitz, welchen das Kloster Stein hier hatte, nicht zu zweifeln. Solches verkaufte am 20. Juli 1379 für 645 Pfd. Heller den Meierhof in E. nebst einem Theil des großen und kleinen Zehnten im Kirchspiel für 646 Pfd. Heller an Konrad Grückler und war mit dem Kaufpreis so zufrieden, daß es dem Käufer das Patronatrecht der Mutterkirche in E. und der Filialkirche in Neu-Bulach sammt allen dazu gehörigen Rechten mit in den Kauf gab. Papst Paul II. bestätigte 1466 dem Bernhard Grückler das auf dem Meierhof in E. ruhende Präsentationsrecht. Weil sich aber die Kirchherrn aus der Grücklerischen Familie meist in Wildberg oder Neubulach aufhielten, klagten die Kirchspielangehörigen und am 2. Febr. 1423 entschieden der Johanniter-Comthur | zu Rexingen, der Vogt in Wildberg, der Dekan in Herrenberg, der Kirchherr in Haiterbach und ein Kaplan in Wildberg: Pfaff Konrad Grückler muß bis nächst Sommer-Johannis seinen Sitz von Wildberg nach E. verlegen, oder hieher einen tauglichen Pfarrer setzen. Diese Bestimmung wurde in einem neuen Vergleich vom 19. Okt. 1443 wiederholt; Konrad Grückler und seine Nachkommen sollen beständig einen von ihnen zu ernennenden Pfarrer in E. halten, der hier sitzen muß und die Pfründe zu genießen hat, wie’s von Alters Herkommen ist. Die Heiligenpfleger in E. aber soll das Gericht daselbst setzen und sie müssen alljährlich dem Kirchherrn vor Amtmann und Gericht Rechnung ablegen. So besaßen die Grückler das Patronat bis zur Reformation; den 26. Aug. 1539 aber übergab Gallus Grückler dem Herzog Ulrich, weil wegen der, beiden Theilen gemeinsamen Zehnten häufig Irrungen entstanden, welche beiden verdrießlich und kostspielig waren, den Zehnten dem Herzog ganz für ein Leibgeding (zu welchem noch ein Theil des Zehnten bestimmt wurde). Wenn er die Pfarreien E. und Bulach wegen Leibesblödigkeit nicht mehr versehen kann, soll er dahin einen andern tauglichen evangelischen Prädikanten verordnen und besolden, nach seinem Tod aber die Ernennung und Besoldung des Geistlichen an den Herzog fallen, doch unter der Bedingung, daß so oft bei Erledigung der Pfarrei Bulach eine taugliche Person aus der Grückler’schen Familie vorhanden sey, diese bei der Wiederbesetzung derselben allen andern vorgezogen werden sollte. Am 24. Jan. 1549 verzichtete dann auch Bernhard Grückler für sich und seine Nachkommen um 150 fl. gegen Herzog Ulrich auf den großen und kleinen Zehnten in E. und Bulach, auf den Kirchensatz und die Verleihung der Kaplaneien in beiden Orten. Herzog Ulrich setzte nun den Jakob Weber als Pfarrer nach E., nach dessen Abgang 1554 aber wurde die Pfarrstelle nicht mehr besetzt, sondern den Gottesdienst in E. und dessen Filial Schönbronn versah der Diacon zu Wildberg, Anfangs allein, später in Gemeinschaft mit dem Diakon in Bulach (Binder 556. 557. Cleß 2b, 384. Reyscher Statutarrechte 558 ff.) Erst 1814 erhielt E. wieder einen eigenen Pfarrer.Sämmtliche Ortschaften des Effringer Kirchspiels hatten ein gemeinsames Kirchspiel-Gericht. Wer dieses Gerichts bedürftig war, mußte, nach der Verordnung vom 22. September 1462 (Reyscher a. a. O. 565), zum Waldvogt in Wildberg gehen und ihn um dessen Zusammenberufung bitten. Der Waldvogt befahl hierauf dem Schultheißen in E., die Richter zusammentreten zu lassen, „die dazu geschicktesten und vernünftigsten, die auch lauter ungesippte | Leute sind“, und den Vogt in Bulach zu bitten, daß er ihm ebenfalls die nöthigen Richter schicke, wofür er 5 Pf. erhielt. Der gewöhnliche Versammlungsort des Gerichts war Effringen, wenn aber der Fall „somlicher Feindschaft“ vorkam, konnte es der Waldvogt auch nach Bulach verlegen.
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