« Kapitel B 32 Beschreibung des Oberamts Nagold Kapitel B 34 »
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Unter-Schwandorf,
Gemeinde III. Kl. mit 131 Einw. worunter 32 Evang., Filialisten von Haiterbach; – Dorf, Filial von Gündringen.


Das kleine, größtentheils aus unansehnlichen, Armuth verrathenden Wohnungen bestehende Dorf, welches in dem anmuthigen Waldachthale eine Stunde südwestlich von der Oberamtsstadt liegt, zerfällt in 2 Gruppen, von denen die eine mit dem Schloß auf eine kleine Anhöhe am Fuß der rechten Thalgehänge hingebaut ist, während die andere auf der entgegengesetzten Seite der Waldach eine freundliche und sommerliche Lage hat. Beide Gruppen sind durch eine Straße und mittelst 2 Brücken (einer steinernen und einer hölzernen), welche über die beiden Arme der Waldach angelegt sind, mit einander in Verbindung gesetzt. Dem Ort selbst ist sein Verkehr mit der Umgegend durch Vicinalstraßen nach Iselshausen, Ober-Schwandorf und Haiterbach gesichert. Die Ortsstraßen hat die Gutsherrschaft zu unterhalten.

Das den Freiherrn von Kechler gehörige Schloß liegt erhöht auf einem Tuffsteinfelsen und bietet, vom Thal aus gesehen, eine freundliche Ansicht; es ist ein ansehnliches, aus drei Stockwerken bestehendes, mit 2 Flügeln versehenes Gebäude, welches im Styl des 17. Jahrhunderts massiv aus Steinen erbaut, und ein | Werk des bekannten Baumeisters Schickart von Herrenberg ist, mit Ausnahme des mit starken Streben versehenen Unterstocks, der einer weit früheren Zeit anzugehören scheint. In dem unteren Stockwerke befindet sich die ehemalige Schloßkapelle mit germanischen, in den Bogenfeldern mit schönem Maßwerk gefüllten Fenstern; Kapelle und Chor sind mit einem Netzgewölbe gedeckt, von dem einer der Schlußsteine das von Kechler’sche Wappen enthält. In einem der oberen Gelasse des Schlosses hängt eine Gedächtnißtafel, auf der Begebenheiten und Portraits aus der Familie von Anwyl gut dargestellt sind. Außer dem Schloß sind noch 2 große neue Ökonomiegebäude vorhanden und unten am Fuß des Berges steht ein ebenfalls der Familie v. Kechler gehöriges Haus, das der Gutsjäger, welcher zugleich Hausvogt ist, bewohnt. Im Schloßhof befindet sich ein 2röhriger Brunnen, der vortreffliches Wasser liefert.

Das am östlichen Ende des Orts frei stehende Schulhaus enthält ein Schulzimmer, die Wohnung des Lehrers und die Gelasse für den Gemeinderath; es wurde im Jahr 1843 mit einem Aufwand von 2420 fl. erbaut, wozu der Staat 800 fl. beitrug und überdieß noch eine Collecte in dem Donau- und Schwarzwaldkreise für den Bau bewilligte.

Eine kleine Synagoge steht am Fuß des Schloßbergs, welche in neuester Zeit verkauft wurde.

Begräbnißplatz befindet sich keiner im Ort und die Verstorbenen evangel. Confession werden in Haiterbach, die Katholiken in Gündringen beerdigt.

Der Ort erhält aus 6 laufenden Brunnen vortreffliches Trinkwasser im Überfluß; überdieß fließt die Waldach durch das Dorf und setzt daselbst eine Mühle mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang, wie auch eine Sägmühle in Bewegung. Das Fischrecht in der Waldach und im Haiterbach gehört der Gutsherrschaft, welche auch die Fischerei ausübt.

Die Einwohner sind rührige, sparsame Leute, die sich in ungünstigen öconomischen Verhältnissen befinden, indem sie beinahe kein Grundeigenthum haben. Die ganze Markung ist nämlich, mit Ausnahme von 12 Morgen, Eigenthum der Freiherrn v. Kechler, welche im vorigen Jahrhundert heimathlosen Leuten, wie Schacherjuden, Korbmachern, Scheerenschleifern etc. die Erlaubniß gaben, sich hier anzusiedeln; sie waren daher genöthigt, sich auf den angrenzenden Markungen Nagold, Haiterbach, Gündringen und Ober-Schwandorf allmählig Güterstücke anzukaufen. Übrigens sind im Ort keine eigentliche | Bauren ansäßig und der reichste Bürger besitzt nur 10 Morgen Feld, der mittelbegüterte 5–6 Morgen und die ärmere Klasse 1/2 Morgen. Die Israeliten sind in neuerer Zeit weggezogen und die Lebensweise der ursprünglichen Ansiedler ist allmälig eine andere, geordnetere geworden, indem die meisten Einwohner jetzt als Taglöhner bei der Gutsherrschaft, oder als Holzmacher in den Waldungen ihr Auskommen zu sichern suchen. Von den Gewerben sind nur 2 Schildwirthschaften, worunter eine mit Brauerei, und ein Krämer zu nennen.

Der Boden ist im Allgemeinen fruchtbar und besteht auf den Anhöhen aus den Zersetzungen des Hauptmuschelkalks, in der Thalsohle aber aus fruchtbaren, dem Wiesenbau sehr zuträglichen Alluvialablagerungen. Unterhalb des Orts ist im Waldach-Thale ein Tuffsteinbruch (jüngerer Süßwasserkalk) angelegt, der gute Bausteine liefert. Das Klima ist ziemlich mild und das Obst gedeiht gerne, wenn es nicht gerade im Frühjahr durch Fröste leidet.

Die Grundherrschaft besitzt etwa 250 Morgen Feld und 200 Morgen Wald; letzterer wird von dem freiherrlichen Gutsjäger bewirthschaftet, während die Güter an 2 Hauptpächter und an einzelne Bürger verpachtet sind. Das freiherrliche Gut wird in 3zelgiger Eintheilung bewirthschaftet, während die übrigen Felder nur willkürlich angebaut werden. Außer den gewöhnlichen Cerealien zieht man viel Kartoffeln, Futterkräuter (dreiblättr. Klee, Luzerne, Esparsette), Angersen, Ackerbohnen, Hanf und in neuerer Zeit etwas Hopfen, welche guten Ertrag liefern. Der Ertrag wird zu 10 Scheffel Dinkel, 5 Scheffel Haber und 4–5 Scheffel Gerste pr. Morgen angegeben. Äcker werden keine verkauft und von den Getreideerzeugnissen setzen nur die Hauptpächter nach Außen ab, während die übrigen Einwohner noch Früchte zukaufen müssen.

Die Wiesen, welche beinahe alle der Gutsherrschaft gehören und von denen etwa 12 Morgen bewässert werden können, ertragen per Morgen 25–30 Centner Heu und 12–15 Centner Öhmd.

Die mit Mostsorten und Zwetschgen sich beschäftigende Obstzucht ist nicht bedeutend und der Ertrag derselben wird im Ort selbst verbraucht.

Die Rindviehzucht wird mittelmäßig betrieben und zur Nachzucht haben die Pächter einen Farren aufgestellt; Jungvieh wird zuweilen verkauft.

Auf der Markung laufen etwa 150 Stück Bastardschafe, welche den Pächtern gehören.

Was die Zucht der Schweine betrifft, so werden sämmtliche | Ferkel von Außen bezogen und theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf gemästet.

Das Schafhaus, welches im Thale unterhalb des Dorfs steht, ist Eigenthum des Freiherrn v. Mönch.

Die Bienenzucht ist von einigem Belang.

Oberhalb des Dorfs auf der rechten Seite der Waldach soll eine Kapelle gestanden seyn; man findet daselbst zuweilen Mauerwerk und die Stelle wird noch zu St. Antoni genannt.

Bevor das gegenwärtige Dorf entstand, muß hier ein Ort mit Kirche gestanden, jedoch wieder abgegangen sein, denn im Jahr 1543 den 25. Juni verkaufte die Stadt Zürich das Lehen über die Pfarre Unter-Schwandorf, mit andern Gütern und Rechten, welche die Abtei Stein am Rhein besessen hatte, an Württemberg (Scheffers chronol. Gesch. S. 105).

Unter–Schwandorf wird lange Zeit von Ober-Schwandorf nicht unterschieden, so daß das bei letzterem berührte Geschichtliche auch hieher gilt.

Wie die Herrschaft Nagold ihre Besitzer, so wechselte zugleich der hiesige Adel seine Dienstherren, welches also zuerst die Pfalzgrafen von Tübingen, später die Grafen von Hohenberg, endlich die Grafen, Herzoge, Könige von Württemberg wurden. Die Ritter von Schwandorf nannten und nennen sich „die Kechler“, später einfach Kechler, jetzt Freiherrn von Kechler. Ihr Wappen ist ein vorwärts gekrümmter goldner Karpfen in rothem Felde.

Untersch. sammt Zugehörungen mit der niedern Jurisdiction war altwürttembergisches Weiberlehen, während der weitere Besitz der Kechler, Ober- und Unter-Thalheim, ursprünglich östreichisches Lehen von der Grafschaft Hohenberg war.

Ehmals zur Ritterschaft Cantons Neckarschwarzwald gehörend, kam Unter-Schwandorf 1805 unter württemb. Staatshoheit.

Conradus miles de Swaindorf ist im Jahr 1270 Zeuge Graf Burkards von Nagold (Schmid, Grafen v. Hohenberg, Urkd. 36.). Nach ihm erscheinen Diemo miles dictus Kächeller (1283 Zeuge der Pfalzgrafen Otto und Ludwig Gebrüder von Tübingen; 1285 herr Dieme, der Keckheler. Schmid, Grafen von Hohenberg, Urkd. 75) und Craft und Markward Kecheler und ihr Brudersson Diemo (ebd. 94). Im 14. Jahrh. nannten sich Hugo und Albrecht „von Rüdenberg“, der Burg bei Crespach (O.A. Freudenstadt), welche sie damals besaßen. Der Name Diemo verpflanzte sich noch bis in’s 15. Jahrhundert herunter. „Benz“ als Taufname erscheint in der Mitte des 14. und 15. Jahrhunderts, Konrad in der 2. Hälfte des | 14. Jahrhunderts. Im Anfang des 15. Jahrhunderts waren Melchior und Hans Deutschordensritter und Georg Andreas Johanniterordenscomthur in Rohrdorf. Jakob war 1488 Mitglied des schwäbischen Bundes (Datt 280).

Württemberg hatte Obrigkeit, Frevel und Bußen in Unter-Schwandorf; die Kechler machten ihm diese streitig. Ein Vergleich von 1516 machte jedoch den Spänen ein Ende dadurch, daß Hans Kechler d. j. Frevel und Buße, welche er jetzt verwilligt erhielt und seinen ganzen Besitz in und um Schwandorf (aufgeführt bei Lünig R.A. 12, 153) an Württemberg zu Lehen auftrug; nach Aussterben des Mannsstamms sollten die Töchter belehnt werden, dabei aber einen Wappengenossen als Träger aufstellen.

Hans Caspar v. K. († 1575 als württemb. Oberhofmarschall) machte sich durch seinen Eifer für die Reformation bemerklich. Von drei Frauen hinterließ er sieben Söhne, deren jedem der Taufname Johann beigelegt wurde. Der zweite derselben, Johann Caspar, wurde durch seinen mit Agnes von Frauenberg erzeugten Sohn Melchior Stammhalter der Familie (Cast, Adelsb. 243).

Die gegenwärtigen Besitzer des Lehenguts sind Frhr. Victor Gustav Ernst Karl Christoph und Frhr. Emil Karl Aug. Christian, beide in württemb. Militärdiensten.


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