« Kapitel B 2 Beschreibung des Oberamts Nagold Kapitel B 4 »
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Altensteig, das Dorf.
Gemeinde III. Kl. mit 164 Einwohner. – Ev. Pfarrei.


Der kleine, nur aus einer Straße bestehende, übrigens sehr freundliche Ort liegt 1948 württ. Fuß über der Meeresfläche auf dem Bergrücken zwischen dem Nagold- und dem Kollbach-Thale; die Entfernung von der Oberamtsstadt beträgt 3 Stunden und die von Altensteig, Stadt, 1/4 Stunde. Der Ort besteht aus meist ansehnlichen, im ländlichen Geschmack erbauten Bauernwohnungen, die häufig noch an den Wänden verschindelt und zuweilen auch mit Schindeln gedeckt sind.

Beinahe in der Mitte des Dorfs steht die Pfarrkirche mit dem sie umgebenden Begräbnißplatz; die Unterhaltung derselben, wie die des Pfarr- und Schulhauses liegt dem Staate ob, jedoch müssen alle diejenigen Orte, welche früher in kirchlicher Verbindung mit | Altensteig stunden, (Kirchspielsorte) bei vorkommenden Bauwesen an Kirche, Pfarrhaus etc. Frohnen leisten. Das styllos veränderte Langhaus der Kirche zeigt von seiner ursprünglichen germanischen Bauweise nur noch den spitzen Eingang und ein in den Bogentheilen mit reichem Maßwerk verziertes Spitzbogenfenster; das Innere desselben hat nichts Bemerkenswerthes, dagegen führt ein runder Triumphbogen von dem Schiff in das untere Stockwerk des 4eckigen Thurms, welches die Stelle des Chors vertritt und im früh romanischen Style gehalten ist. Breite, scharfkantige Gurtbögen gehen hier von 4 romanischen Säulen aus und kreuzen sich in der Mitte des Gewölbes, an dessen Kreuzungspunkt ein Schlußstein mit einfacher Rosette angebracht ist. Überdieß führen noch an den Wänden runde Blendbögen hin, welche die Säulen unter sich verbinden. Im Triumphbogen hängt ein gut gearbeitetes Bild des Gekreuzigten. Der mit einem Zeltdach gedeckte Thurm selbst besteht aus 4 Stockwerken, von denen das Oberste aus neuerer Zeit stammt und an den Außenseiten verschindelt ist. Die auf dem Thurme hängenden 2 Glocken haben folgende Umschriften und zwar die größere: Bonifacius Heyla gos mich 1499; die kleinere die 4 Evangelistennamen und anno domini 1467.

Das in der Nähe der Kirche gelegene, gut erhaltene Pfarrhaus bildet mit seinem Ökonomiegebäude, Hofraum und Garten einen wohlgeschlossenen, angenehmen Pfarrsitz.

Das ansehnliche Schulgebäude enthält ein Lehrzimmer und die Wohngelasse des Schulmeisters.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 12 Pumpbrunnen; überdieß sind für das Vieh Hülben angelegt.

Mittelst Vicinalstraßen nach Altensteig (Stadt), Simmersfeld und Überberg (Hesselbronn, Lengenfeld und Zum Weiler) ist dem Ort der Verkehr mit der Umgegend gesichert.

Vermöge der hohen, freien Lage des Dorfs genießt man daselbst eine sehr ausgebreitete, anziehende Aussicht, dagegen ist die Luft etwas rauh, so daß das Obst nicht gerne gedeiht. Hagelschlag kommt höchst selten vor.

Die Einwohner sind fleißige, geordnete Leute, die sich in ziemlich guten Vermögensumständen befinden und deren Erwerbsquellen in Feldbau und Viehzucht bestehen; der vermöglichste Bürger besitzt 40 Morgen Felder und 16 Morgen Wald, der sog. Mittelmann 12–15 Morgen Felder, während die minder bemittelten Taglöhner immer noch ein Grundeigenthum von 3–4 Morgen haben. Gegenwärtig wird Niemand von Seiten der Gemeinde unterstützt.

Die nicht große, übrigens beinahe eben gelegene Markung hat | einen rothsandigen Boden, der bei reichlicher Düngung guten Ertrag liefert; zur Besserung des Bodens kommt außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln, auch Gyps, Hallerde und Laugenasche in Anwendung.

In der üblichen Wechselwirthschaft baut man Dinkel, Haber, Roggen, Weizen, dreiblättrigen Klee, Kartoffeln, Kraut, weiße Rüben, Hanf und Flachs; beide letzteren gedeihen gut, während der Anbau des Dinkels und des Weizens sich für diese Gegend weniger zu eignen scheint. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens beträgt 4–5 Scheffel Dinkel, 4–5 Schffl. Haber, 2–3 Schffl. Roggen und 3 Schffl. Weizen. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 100–200 fl. Die Felderzeugnisse bleiben im Ort und werden großentheils auch zur Viehmastung verwendet.

Die Wiesen sind, mit Ausnahme von 20 Morgen zweimähdigen, nur einmähdige Ackerwiesen; erstere ertragen durchschnittlich 20 Ctr. Heu und 10 Ctr. Öhmd, letztere 10–12 Ctr. Heu pr. Morgen. Der höchste Preis eines Morgens Wiese beträgt 500 fl. Futter wird viel nach Außen verkauft.

Der aus einer gewöhnlichen Landrace bestehende, verhältnißmäßig beträchtliche Rindviehstand, wird mittelst eines Farren, den ein Bürger gegen Entschädigung hält, nachgezüchtet. Mit Vieh, namentlich auch mit gemästetem, wird Handel getrieben. Die Stallfütterung ist eingeführt und nur im Herbst findet noch Austrieb statt.

Schweinezucht besteht nicht, indem sämmtliche Ferkel von Außen aufgekauft und theils für den Hausbedarf, theils zum Verkauf gemästet werden.

Die Gemeinde ist im Besitz von 580 Morgen Waldungen, welche übrigens meist auf auswärtigen Markungen liegen; von dem jährlichen, in 280 Klaftern bestehenden Ertrag erhält jeder Bürger 4–5 Klafter, die er jedoch nur theilweise bezieht, indem der Wald-Ertrag meist als Langholz verwerthet und der Erlös unter die Bürgerschaft vertheilt wird, so daß jedem Bürger 50–60 fl. jährlich zukommen. Überdieß wird ein Theil des Holzerzeugnisses zu Gunsten der Gemeindekasse verkauft, was derselben eine jährliche Rente von 600–1000 fl. sichert. Gemeindeschaden wird keiner umgelegt.

In Beziehung auf seine Oberherrn theilt das Dorf meist die Schicksale der Stadt.

Im 14. Jahrhundert war es übrigens Eigenthum der von Berneck, welche das halbe Dorf mit Zugehörde 1390 an den Markgrafen von Baden verkauften; die andere Hälfte kam, ungewiß wann und | wie, an die von Gültlingen und von diesen auch an Baden. In dem Testament des Markgrafen Jakob von Baden von 1453 erscheint ausdrücklich auch „A. zum Dorf genannt.“ (Schöpfl. Hist. Zar. Bad. 6, 280).

Bis 1570 war die Stadt hieher eingepfarrt (s. Stadt A.). Die Besetzung der Dorfpfarrei steht der Krone zu.

Bei A. überhaupt ist auch des Kirchspiels zu erwähnen. Solches war nach dem Landbuch von 1623 „ein mit seinen Marken umschriebener Bezirk, darin Stadt und Dorf A., Beuren, Ettmannsweiler, Fünfbronn, (damals Neuenbürger Amts), Simmersfeld und die von Gültlingischen Weiler Hesselbronn, Lengenloch, Mittelweiler und Sachsenweiler (beide letztere jetzt Zum Weiler) gelegen waren. Diese Orte waren von Alters her mit einander in die Kirche des Dorfs A. eingepfarrt gewesen, hatten Wunn’, Weid’ und Wasser, Viehtrieb und Äckerich insgemein zu genießen und in den im Bezirk gelegenen Wäldern (10.962 Morgen) Bau- und Brennholz zu ihrem Hausbrauch unentgeldlich zu empfangen; den Stab über das Kirchspiel aber hatte die Herrschaft.“

Diese Genossenschaft stammte aus uralten Zeiten; das Stadtbuch von A. 1490 sagt: sie sei schon vor 300 Jahren also hergebracht, genützt und gebraucht worden. Vielleicht entstand sie schon bei der ersten Ansiedlung in dieser Gegend, erhielt sich auch noch, als 1570 die Stadt A., 1598 Simmersfeld (wozu Beuren, Ettmannsweiler und Fünfbronn Filialien) einen eigenen Pfarrer bekam. Alljährlich ein-, wenn es die Noth erforderte, auch mehrmal, hielt der Vogt in Altensteig auf dem Rathhaus daselbst, in Gegenwart von Bürgermeister, Gericht und Rath der Stadt und vom Besitzer von Berneck oder von dessen Abgeordneten, einen Kirchspielstag, zu dem die Schultheißen der genannten Orte und die 4 Kirchspielsmänner (1 von der Stadt, 1 von Simmersfeld, 1 von Fünfbronn, 1 von den Gültlingischen Orten) berufen wurden. Die Kirchspielsmänner waren Aufseher über die Kirchspielswaldungen und mußten schwören: Getreuen Fleißes ihrem Amte abzuwarten, die Gerechtsamen des Kirchspiels handzuhaben, die Aufsicht über dessen Wälder zu führen, das Holz daraus zu vertheilen und was sie erfuhren, das den Gerechtsamen und Verträgen zuwiderlaufe, am gehörigen Orte anzubringen. Bis 1603 waren Württemberg und Baden als Oberherren der Kirchspielsorte dabei zugleich betheiligt, von da an hatte Württemberg allein den Stab. Alle Frevel, die hier geschehen, sollten in A. gerichtet werden, wo das von römischen Kaisern und Königen erlangte und bestätigte Hofgericht mit Stock und Galgen | war; das Recht in diesem Bezirk zu fischen gehörte den Kirchspielsgenossen. (Merkwürdige Urkunden über dieses Kirchspiel nebst genauer Grenzbeschreibung, s. bei Reyscher Statutar-Rechte 71–83).

Die völlige Auflösung der Kirchspiels-Genossenschaft erfolgte durch den zwischen ihr und der Regierung den 14. Jan. 1830 geschlossenen Vertrag, indem ihr ein Theil des noch 10.430 Morgen großen Kirchspielwalds eigenthümlich überlassen wurde, wofür sie im übrigen Theil desselben ihre früheren Gerechtsamen aufgab (Württ. Jahrb. 1830, S. 98).


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