« Kapitel B 17 Beschreibung des Oberamts Nagold Kapitel B 19 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Gültlingen,
Gemeinde II. Kl. mit 1025 Einw., worunter 2 Kath. a. Gültlingen, Pfarrdorf, b. obere Papiermühle, c. untere Papiermühle, d. Haselstall, Hof. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Rohrdorf eingepfarrt.


An der Stelle, wo sich das Heidenthal, das Buchenthal und das Käsbrunnenthälchen vereinigen, liegt geschützt und angenehm in einer wiesenreichen Thalweitung der ansehnliche, gedrängt gebaute Ort, welcher mittelst Vicinalstraßen nach Wildberg, Sulz, Deckenpfronn, Gechingen und Stammheim mit der Umgegend in Verkehr gesetzt ist. Die aus Holz erbauten, mit steinernen Unterstöcken versehenen Gebäude sind meist ansehnliche, im ländlichen Style des Unterlandes gehaltene Bauernwohnungen, welche sich ziemlich regelmäßig an den reinlich gehaltenen, meist mit Kandeln versehenen Ortsstraßen lagern.

Am südöstlichen Ende des Dorfs steht die Pfarrkirche, deren Langhaus im Laufe der Zeit stylwidrig verändert wurde, während der mit einem halben Achteck schließende, mit Strebepfeilern versehene Chor sich in seiner ursprünglichen germanischen Bauweise noch erhalten hat. Der 4eckige Thurm ist in seinen 3 unteren Stockwerken noch alt und massiv erbaut, dagegen besteht das 4te im Jahr 1738 aufgesetzte Stockwerk aus Holz und trägt ein einfaches Zeltdach. Das untere Stockwerk des Thurms enthält einen spitzbogigen mit einem Kreuzgewölbe versehenen Durchgang, und im obersten Stockwerke hängen 3 Glocken, von denen die größte 1798, die mittlere 1699 und die kleinste 1817 gegossen wurde. Das mit flacher, hölzerner Decke versehene Innere der Kirche hat außer einem noch aus romanischer Periode stammenden Untersatz des Taufsteins und einem sehr alten steinernen Altar, der einem Taufstein gleicht, nichts Bemerkenswerthes. Zunächst des Taufsteins liegt eine Grabplatte mit einem Kreuz und der Umschrift: anno domini 1476 ..... zu Gültlingen dem Gott gnedig sei. Hinter dem Altar befindet sich ein Grabdenkmal mit der Umschrift: Anno domini 1471 ... An einer der Innenwände des Chors ist ein Schlußstein, das Brustbild Christi vorstellend, eingemauert, welches noch von dem ursprünglichen Chorgewölbe herrührt. Die Sacristei trägt noch sichtbare Spuren ihres ursprünglichen | germanischen Baustyls. Die Kirche soll im Jahr 1465 (an dem Thurm steht 1467) auf der Stelle der ehemaligen Burg der Herren von Gültlingen erbaut worden sein; die frühere Kirche sei bei der Wohnung des Friedrich Gingenbach, Zimmermann, gestanden. Unweit dieser Stelle soll nach der Sage ein Begräbnißplatz bestanden haben, von dem man immer noch Gräber aufdeckt. An der Stelle der gegenwärtigen Kirche stand ohne Zweifel eine Kirche im Verband mit den früheren Schloßgebäuden, die später in die gegenwärtige Kirche vergrößert wurde; für eine frühere Kirche als die gegenwärtige sprechen wenigstens die im romanischen Styl erbaute Sacristei, der romanisch gehaltene Taufstein und Altar.

Die Unterhaltung der Kirche hat die Stiftungspflege, welche übrigens wegen Mittellosigkeit von der Gemeinde unterstützt werden muß.

Der Begräbnißplatz liegt um die Kirche; er war ursprünglich sehr fest und ist jetzt noch mit einer starken Mauer umfriedigt. Um die mit einem sogenannten Umlauf versehene Kirchhofmauer lief ein tiefer Graben, der mit dem Wasser, das gegenwärtig eine Mühle treibt, gefüllt werden konnte. Über den Graben führte eine Zugbrücke zu dem noch bestehenden Haupteingang in den Kirchhof. Die Einwohner des Orts und die von Holzbronn, welche hieher eingepfarrt sind, hatten das Recht, in Kriegszeiten ihre Habseligkeiten in den Kirchhof zu flüchten, den Kirchgraben mit Waid und Wasser zu benützen und den Kirchhof mit einer Besatzung zu versehen. Auf dem Kirchhof standen Gebäude, wovon eines getheilt war; der obere Stock gehörte dem Flecken, die 2 unteren Stöcke aber einigen Bürgern, die dem Heiligen eine gewisse Summe jährlich bezahlen mußten. Die Neuerung des geistlichen Einkommens vom Jahr 1551 gedenkt aber noch eines weiteren Hauses auf dem Kirchhof „St. Michaels Heiligen Pflegschaft hat auch ein Hauß dahinten auf dem Kirchhof neben dem Herrschaft Hauß, darinn 3 Gemächt, da man die Frucht legt, gehabt.“ Dieses Haus muß älter gewesen sein, als das obige, weil man dasselbe das „neue Haus“ nannte. Vermuthlich gehörten diese Gebäude zu dem ehemaligen Schloß der Herren von Gültlingen, wenigstens führt das Landbuch von 1624 an: „die alte Burg zu Giltlingen in dem Fleckchen, ist der Edlen von Giltlingen ihr Stammhauß gewesen.“

Das im Jahr 1799 erbaute Pfarrhaus liegt ziemlich entfernt von der Kirche an der Hauptstraße des Orts; es ist ein gut erhaltenes, wohnlich eingerichtetes Gebäude, welches der Staat zu unterhalten hat.

Das Schulhaus, ein zweistockiges im Jahr 1772 erbautes und | im Jahr 1855 wesentlich verbessertes Gebäude, enthält 2 Lehrzimmer, die Wohnungen des Schulmeisters und des Lehrgehilfen.

Beinahe in der Mitte des Orts liegt das gut erhaltene, im Jahr 1773 erbaute Rathhaus.

Ein Gemeindewaschhaus und ein Schafhaus sind vorhanden.

Der Ort ist mit frischem gutem Trinkwasser, das ein laufender, 2 Schöpf- und 9 Pumpbrunnen liefern, hinreichend versehen; von den Schöpfbrunnen ist der in der Steingasse gelegene sehr reichhaltig und läßt auch in den trockensten Jahrgängen nicht nach. Überdieß vereinigen sich im Ort 3 Bäche, der aus dem Berfeldinger Thal (Heidenthal) kommende Fuchtbach, der 1/4 Stunde östlich vom Ort entspringende Buchenbach und der 1/4 Stunde westlich vom Dorf entspringende Käsbrunnenbach; diese vereinigten Bäche bilden den Fischbach, der unterhalb des Orts eine Ölmühle und eine Hanfreibe in Bewegung setzt. Wegen des frischen Wassers beherbergt der Fischbach Forellen; das Fischrecht in demselben hat die Gemeinde, welche es um 36 kr. jährlich verpachtet. Der Buchenbach, welcher bei Feuersbrünsten durch den größten Theil des Orts geleitet und geschwellt werden kann, treibt innerhalb des Orts 2 Mühlen (die obere und untere), die je 2 Mahlgänge und einen Gerbgang enthalten.

Die im Allgemeinen körperlich wohlgestalteten Einwohner gleichen in Sitte, Tracht etc. den Gäubewohnern; sie sind fleißig, geordnet und zeigen viel religiösen Sinn, der sich häufig bis zum strengen Pietismus steigert, wie denn die Secten der Michelianer und Pregizerianer sich hier ziemlich ausgebreitet haben.

Die Vermögensumstände gehören zu den besseren des Bezirks, obgleich es keine eigentliche Reiche gibt, dagegen herrscht der sogenannte Mittelstand vor und Bettler befinden sich nicht im Ort, indem gegenwärtig nur etwa 6 kränkliche und altersschwache Personen von Seiten der Gemeinde unterstützt werden.

Der vermöglichste Bürger besitzt 65 Morgen Felder, der sogenannte Mittelmann 20 Morgen und die ärmere Klasse 2–6 Morgen; jede Familie hat wenigstens 1–2 Stück Rindvieh. Die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht; von den Gewerben sind außer den schon angeführten Mühlen, 3 Schildwirthschaften, worunter 2 mit Brauereien, ein Kaufmann, ein Krämer und die nöthigen Handwerker vorhanden.

Die sehr ausgedehnte, über die Hälfte unebene Markung hat größtentheils einen fruchtbaren, aus den Zersetzungen des Muschelkalks und des bunten Sandsteins bestehenden Boden, der in etwas nassen Jahrgängen mehr Ertrag liefert als in trockenen. In Folge | der unebenen Lage der Güter wird der Humus bei Platzregen und Wolkenbrüchen häufig weggeführt, daher die an den Abhängen gelegenen Güterstücke einer starken Düngung bedürfen.

Der bunte Sandstein liefert gute Bausteine und der Hauptmuschelkalk das nöthige Straßenmaterial. Bei der 3/4 Stunden westlich vom Ort gelegenen Gaisburg werden weithin gesuchte Mühlsteine gewonnen; der Steinbruch ist Eigenthum des Staats, der ihn verpachtet.

Ein Tuffsteinbruch besteht im Fischbachthälchen, in welchem der Kalktuff (jüngerer Süßwasserkalk) überhaupt ziemlich verbreitet ist und sich bis in das Dorf hereinzieht, so daß ein großer Theil desselben auf Kalktuff steht, der beim Kellergraben etc. allenthalben zu Tage kommt. Lehmgruben sind 2 vorhanden und fruchtbarer Lehm überlagert sporadisch, namentlich bei Haselstall die hier anstehenden Gebirgsformationen. Töpfererde wird in dem Walde Bahn gegraben.

Das Klima ist ziemlich mild und begünstigt noch den Anbau von Bohnen, Gurken etc., dagegen gedeiht das Obst etwas seltener, als im Gäu, weil dasselbe durch Frühlingsfröste und kalte Nebel, welche aus dem Nagoldthale heraufziehen, zur Blüthezeit zuweilen leidet. Hagelschlag kommt selten vor. Früher bestanden auch in der Weingarthalde am Killberg Weinberge, die nun in Baumgüter umgewandelt sind.

Die Landwirthschaft wird dreizelglich und mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe gut und fleißig betrieben, übrigens sind viele der Felder, theils wegen der zu großen Entfernung vom Ort, theils wegen der vorkommenden Abschwemmungen im Verhältniß zu dem Aufwand nicht besonders lohnend.

Bei einer Aussaat von 8 Simri Dinkel, 4 Sri. Haber, 3 Sri. Gerste, 3 Sri. Roggen und 3 Sri. Weizen beträgt die Ernte von einem Morgen 4–10 Scheffel Dinkel, 3–6 Scheffl. Haber und 4–6 Scheffl. Gerste; Roggen und Weizen kommt nur wenig zum Anbau. In der zu 1/3 angeblümten Brache baut man Kartoffeln, dreibl. Klee, Angersen, wenig Zuckerrüben, Linsen, etwas Reps und viel Wicken, die auch häufig unter dem Haber gepflanzt werden; Kraut und Hanf kommt nur in eigenen Ländern zum Anbau. Mit dem Hopfenbau sind in neuerer Zeit Versuche mit günstigem Erfolg gemacht worden. Die höchsten Preise eines Morgens Acker betragen 5–600 fl., die mittleren 200 fl. und die geringsten 4–20 fl. Von den Getreideerzeugnissen werden jährlich 6–800 Scheffel Dinkel auf der Schranne in Calw abgesetzt.

Der ausgedehnte Wiesenbau, dem etwa zur Hälfte Wässerung | zukommt, liefert gutes, nahrhaftes Futter und erlaubt die Haltung eines bedeutenden Rindviehstandes; die Wiesen ertragen durchschnittlich 20–25 Centner Heu und 8–12 Centner Öhmd pr. Morgen. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 100–600 fl. Neben dem beträchtlichen Futterertrag wird noch von Außen Futter zugekauft.

Die ziemlich bedeutende Obstzucht beschäftigt sich sich hauptsächlich mit Luiken, Zipperäpfeln, Goldparmänen, Knausbirnen, Palmischbirnen, Steinlacherinnen etc., die Zwetschgenbäume liefern selten guten Ertrag. In günstigen Jahren wird ziemlich viel Obst nach Außen verkauft.

Die Rindviehzucht ist sehr bedeutend und bildet eine Haupterwerbsquelle der Einwohner; es wird ein tüchtiger Landschlag gehalten, den man durch 4, von Seiten der Gemeinde aufgestellte Farren (Simmenthaler Kreuzung) immer mehr zu verbessern sucht. Im Spätjahr wird ziemlich viel Jungvieh und Zugvieh, namentlich auch gemästetes, auf benachbarten Märkten abgesetzt; Butter kommt viel nach Calw zum Verkauf.

Was die Schweinezucht betrifft, so hebt sich diese in neuerer Zeit, indem gegenwärtig gegen 30 Mutterschweine (englische Bastarde) gehalten und ziemlich viele Ferkel nach Außen verkauft werden.

Einige Ortsbürger lassen etwa 600 Stücke rauhe Bastardschafe auf der Markung laufen und entrichten hiefür von dem Schaf 1 fl. 12 kr., von dem Lamm 48 kr. Weidgeld, welches an Bürger, die von ihrem Weidrecht keinen Gebrauch machen, vertheilt wird. Die Pferchnutzung trägt der Gemeinde gegen 1000 fl. jährlich ein.

Der Gemeindehaushalt ist geordnet und eine Gemeindeschadensumlage bis jetzt nicht nöthig gewesen. Die Gemeinde besitzt 1050 Morgen Waldungen, von deren jährlichem, in 300 Klaftern bestehendem Ertrag jeder Bürger ein Klafter erhält, während das Scheidholz und die Rinde zu Gunsten der Gemeindekasse verkauft wird, was derselben durchschnittlich 1000 fl. einträgt. Von 17 Morgen Gemeindegütern bezieht die Ortskasse ungefähr 270 fl. und von dem aus 160 Morgen Feldern und 75 Morgen Ödung (Schafweide) bestehenden Haselstaller Hof 900 fl. Pachtgelder. Überdieß sind 1262/4 Morgen fruchtbare Allmandgüter vorhanden, welche an die verheiratheten Bürger in der Weise vertheilt sind, daß jeder derselben nach der Zeit seiner Verheirathung 1/87/8 Morgen zur Benützung erhält; hiefür muß an die Gemeindekasse ein geringes Pachtgeld entrichtet werden, was derselben etwa 40 fl. jährlich einträgt.

Eine Armenstiftung, welche den Unbemittelten alljährlich 2mal Unterstützung reicht, ist vorhanden.

Westlich am Ort, unter dem Wohnhaus des Schultheißen Haug | wurden Reihengräber, welche alte Waffen enthielten, aufgefunden, und unter der Wagenremise des Rathschreibers Widmann ist ein altgermanisches Gefäß ausgegraben worden.

Auf der Burghalde oberhalb der von Gültlingen nach Wildberg führenden Vicinalstraße soll eine Burg gestanden sein, die jedoch spurlos verschwunden ist.

Die Gaisburg, von der nur noch einiges Gemäuer und Burggraben sichtbar sind, stand 3/4 Stunden westlich vom Ort auf einem schmalen Bergvorsprung gegen das Nagold-Thal.

Auf dem Kapellberg soll eine Kapelle gestanden sein.

Nördlich am Ort kommt der Flurname „Berfeldingen“ vor, was auf einen abgegangenen Ort hindeutet.

Zu der Gemeinde gehören:

Die im Jahr 1795 erbaute obere Papiermühle mit Säge, 1/4 Stunde südwestlich vom Ort an dem Agenbach gelegen; sie ist Eigenthum von Ludwig Schweikhardt und Joseph Rivinius, und fabricirt mit 4–5 Personen Pappendeckel und Fließpapier. Der Absatz geht nach Stuttgart.

Die untere Papiermühle am Einfluß des Agenbachs in die Nagold wurde im Jahr 1756 erbaut und war früher ein Pochwerk für das Bergwerk in Neu-Bulach; sie ist Eigenthum von Michael Lazerus und fabricirt mit 4–5 Personen Packpapier, Fließpapier und Pappendeckel. Die Fabrikate werden nach Stuttgart abgesetzt.

Haselstall, ein aus ansehnlichen Gebäulichkeiten bestehender Hof, der Eigenthum der Gemeinde Gültlingen ist und 3/4 Stunden nordöstlich von dem Mutterort in einem mäßig eingefurchten Thälchen ziemlich abgeschieden liegt. In geringer Entfernung liegt die zu dem Hof gehörige Ziegelhütte.

Trinkwasser liefern 3 Brunnen, die jedoch häufig ihren Dienst versagen, so daß das Wasser auswärts geholt werden muß; auch ist ein Weiher zum Tränken des Viehs angelegt. Der Hof ist verpachtet (s. hierüber oben).

Auf dem alten Meiereigebäude ruht das Recht, das Bauholz unentgeldlich aus den Staatswaldungen zu beziehen.

Haselstall war ehemals ein Burgstall, der im Jahr 1440 den 10. August mit der Herrschaft Wildberg und Bulach von Württemberg erkauft und mit seinen Gütern und Rechten zu einem Erbmaierhof gemacht wurde.

Von dem Staat soll ihn die Familie der Däublen gekauft und später an die Gemeinde Gültlingen verkauft haben. Der Burgstall | soll auf der Stelle des Hofs, nach Anderen auf einem Bergvorsprung zunächst des Hofs gestanden sein.

In den nahe gelegenen Waldungen „Weiler und Heimen,“ sieht man noch deutliche Spuren früherer Agrikultur.

Die erstmalige Nennung Gültlingens fällt ums Jahr 1100; damals verkauften Reginboto und Friedrich Gebrüder von „Gildelingen“ Güter bei Hirschlanden an das Kl. Reichenbach (Wirt. Urk. Buch 2, 407).

Die Oberherrlichkeit über den Ort kam mit Wildberg (s. d.) durch Kauf von der Grafschaft Hohenberg an die Kurpfalz, zuerst den 14. Juli 1363 die Hälfte hiervon mit Ausnahme des Kirchensatzes. Im J. 1419 geriethen Graf Eberhard von Württemberg und Pfalzgraf Otto mit einander in Streit, indem der Graf behauptete, ihm gebühre hier den Stab zu führen, weil er oberster Schirmherr in G. sei, so lange das Dorf stehe, auch den Kirchensatz besitze, wogegen der Pfalzgraf sich darauf berief, daß G. in seiner landesherrlichen Obrigkeit liege und also er als Landesherr den Stab zu führen habe. Ein deßwegen niedergesetztes Schiedsgericht sprach im Jahr 1419: der Schultheiß des jeweiligen Besitzers von Wildberg solle dort Gericht gebieten und den Stab führen, und an diesem Gericht sollen der Pfalzgraf Otto 11/2 Viertel, der Graf von Württemberg 1 Viertel und die von Gültlingen 11/2 Viertel haben. So kam G. (mit Gaisburg und Haselstall) erst 1440 unter würt. Herrschaft (s. VII., 1.), und 1445 kaufte Graf Ulrich den Ort vollends von Kaspar von Gültlingen für 2022 fl.

G. ist der Stammsitz und bis 1445 ein adeliches Hauptgut der hienach benannten Herren (ursprünglich gräflich hohenbergischer Vasallen), welche bis zur Auflösung der Reichsritterschaft dem Canton Neckarschwarzwald angehörten und aus denen manche Hauptleute, Ritterräthe und Ausschußmitglieder dieses Cantons hervorgingen. Schon obiger um 1100 vorkommender Reginboto und Friedrich mochten derselben Familie angehören. Am Ende des 13. Jahrhunderts blühten Balduin (1286 in einer Kl. Reuthiner Urkunde; noch 1338 wird ein Balduin genannt) und Gumpold von G., im 14. des letzteren Söhne Gumpold und Johann (s. Berneck), ferner Paul, Ernst, Schimpf, Heinrich, Burkhard und Konrad, im 15. kommen neu vor die Namen Fabian, Wilhelm, Melchior, Caspar. Sitze verschiedener Zweige von ihnen waren Berneck, Neuenbürg (Sattler Grafen 2. Beil. Nr. 13), Hohenentringen, Sindlingen; sie besaßen auch zeitweise Zavelstein, Pfäffingen, Antheile an Jesingen, Poltringen, Oberndorf, Deufringen, Pflummern (vergl. Mone Zeitschr. 6, 341. 8, 438). Bereits im 16. | Jahrhundert kamen sie auch in die Eifel und in den Besitz der Herrschaft Ouren; am 12. Nov. 1517 wurde Philipp von Gültlingen, Herr zu Ouren, von dem Abte Wilhelm von Prüm mit Arzfeld und Zubehör belehnt. Um 1670 verschwindet die Familie aus diesen Gegenden. (Schannat Eiflia illustrata übers. v. Bärsch 2b, 514–517.) Die Bernecker Linie ist die noch blühende.

Hans von G. glänzte unter K. Friedrich IV. in den Türkenkriegen. Andere Glieder des Hauses zeichneten sich aus als Domherren an dem Hochstift Augsburg und dem Stift Ellwangen. Bei Errichtung des Erbkämmereramtes nach Erhöhung Württembergs zum Herzogthum wurde ihm die Würde des Erbkämmerers – fortan bleibend – zu Theil. Wolf von G., Vogt in Wildberg, erscheint als solcher unter Herzog Ulrich; unter der österreichischen Regierung war er einer der zwölf Landesregenten in Stuttgart. Balthasar von G., Wolfs Vetter und Nachfolger als Erbkämmerer, der vertraute Rath des ebengenannten Herzogs, wurde von diesem 1546 zum Religionsgespräch und Reichstag nach Regensburg, 1548 zum Reichstag in Augsburg geschickt. Während des schmalkaldischen Krieges war er Hauptmann der schwäbischen Kreistruppen und trug wesentlich zur Wiederaussöhnung des Kaisers mit dem Herzoge bei. Zuletzt Landhofmeister leitete er hauptsächlich die Kirchen- und Schulcommission bis zu seinem Ende.

Der jetzige Senior der Familie ist Freih. Adolf Wilh. Balthasar geb. 1815. Ihr gegenwärtiger Besitz ist das Mannlehen Berneck nebst Zugehörungen.

Ihr Wappen zeigt drei schwarze Adler (2 und 1) im silbernen Felde, und auf einem Helme einen von Silber und Schwarz quergetheilten Adler; nach Erlangung der Kämmererwürde quadrirten sie zuweilen dieses Wappen mit zwei kreuzweis gelegten Schlüsseln.

An der hiesigen Kirche kommt vor im J. 1270 der Leutpriester Chrafto (Schmid; Pfalzgr. v. Tüb. Urk. 35). Den Pfarrsatz vertauschten der Abt Wernher und der Convent zu Bebenhausen am 26. Merz 1392 gegen Häuser, Höfe und Hofreithen in Ulm an den Grafen Eberhard von Württemberg. Vor der Reformation war hier ein Pfarrer, eine Caplanei und eine Frühmesserei. Neben dem Pfarrhaus hatte unser Frauen Caplaneipfründ ein eigenes Haus, eigene Güter und stete Einkünfte; letzteres Haus wurde bald nach der Reformation, die Güter aber erst 1551 verkauft und die steten Einkünfte zur Verwaltung Wildberg gezogen. Die Katharinenfrühmeß hatte gleichfalls ihr eigenes Haus; diese Pfründe wurde aber schon 1537 verkauft. | Zu der Pfarrei gehört der Hof Haselstall und das Dorf Holzbronn (O.A. Calw). Die Pfarrcollatur ist landesherrlich.

Unter den widrigen Geschicken des Orts ist zu erwähnen, daß am 14. April 1611 der Brand 13 Häuser verzehrte.


« Kapitel B 17 Beschreibung des Oberamts Nagold Kapitel B 19 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).