« Kapitel B 7 Beschreibung des Oberamts Nürtingen Kapitel B 9 »
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8. Frickenhausen,

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde II. Cl. mit 1334 Einwohnern (darunter 6 Katholiken, Filialisten von Unter-Boihingen), 11/8 Stunde südlich von Nürtingen, an der Steinach und der Straße von Nürtingen nach Neuffen und auf die Alp.

Frickenhausen hat eine angenehme und freundliche Lage im Steinach- oder sogenannten Neuffener Thal, das sich hier gegen Nürtingen erweitert. Die Felder der verhältnißmäßig sehr beschränkten Markung liegen theils im Thal, theils an den flachen Hängen und auf den Höhen zu beiden Seiten, sind sehr parcellirt, aber um so fleißiger angebaut, und mit Reallasten nur unbedeutend belegt. Im Jahr 1844 hat die Gemeinde Gülten und Hellerzinse im Capitalbetrag von 3485 fl. abgelöst. Der Boden im Thal ist flachgründig mit kiesiger Unterlage; rechts und links wechseln Mergel mit Lehm und Thon. Der Fruchtbau ist übrigens ein sehr untergeordneter Nahrungszweig und bei weitem nicht zureichend. Viel wichtiger, ausgedehnter und an vorzüglichem Futter ergiebig ist der Wieswachs, dessen Ertrag zum Theil auch nach außen und an die Schafhalter verkauft wird. Die | gegenwärtigen Äckerpreise sind: 200, 300–450 fl. Die Wiesenpreise 280, 300–500 fl. Weinbau wird auf 67 Morgen an zwei sehr sonnigen Halden, zwar nicht mit gleicher Ergiebigkeit wie in Beuren, aber hinsichtlich der Güte des Erzeugnisses mit demselben Erfolge betrieben. Der Wein ist nicht so bald trinkbar und angenehm wie der Linsenhofer, aber haltbarer und auf der Alp und in der Gegend von Urach besonders beliebt; die Preise eines Morgens sind 400, 600–900 fl. Eine Haupterwerbsquelle fließt den Einwohnern aus dem Obst-, namentlich dem Kirschenbau. Außerdem daß Obstmost, Dürrobst, Kirschen in Menge nach außen verkauft, letztere auch zu Kirschengeist, oder um den Saft zu gewinnen (s. Beuren), verwendet werden, wird auch viel feines Tafelobst cultivirt. Weniger gedeihen die Zwetschen. Die Rindviehzucht hält sich in gleicher Höhe mit den Nachbarorten; die Gemeinde fühlte lange die Nachwehen der großen Verheerungen, welche zu Ende des vorigen und in den ersten Jahren des gegenwärtigen Jahrhunderts wiederholte Seuchen im Viehstande anrichteten. Es ist Thatsache, daß einzelne Bürger in 15 Jahren 60 bis 70 Stücke verloren haben. Das Vieh wird im Spätjahr auf die Wiesen getrieben. Schafe werden von einzelnen Einwohnern in ziemlicher Anzahl gehalten; der Weidpacht erträgt 650 fl. Noch verdient die Bienenzucht erwähnt zu werden, indem die Zahl der Stöcke die stärkste im Oberamt ist. Die Einwohner unterscheiden sich durch nichts Eigenthümliches von ihren Nachbarn, als insofern, daß sie bei ihrem beschränkten Feldbau mehr auf Gewerbe gewiesen sind, und zwar ist das Hauptgeschäft die Barchentweberei (auf 70 Stühlen), welche größtentheils für Rechnung von Kirchheimer und Nürtinger Meistern und Handelsleuten betrieben wird. Die Handspinnerei, welche früher sehr fleißig geübt wurde, hat wie überall merklich abgenommen. Die Gemeinde besitzt ein Backhaus. Schildwirthschaften sind 4, Mahlmühle 1, Ölmühle 1 vorhanden. Die Corporation ist im Besitz eines Waldes von 350 Morgen in schönem Bestand, der aber für die lokalen Bedürfnisse nicht zureicht. Der Sage zufolge besaß die Gemeinde einen schönen und ausgedehnten Wald, den sogenannten Kirchert (s. Nürtingen), welchen sie im 15ten Jahrhundert gegen eine bedeutende Geldsumme zum Behuf ihres Kirchenbaues der Stadt Nürtingen verpfändete. Das Pfand aber sey nicht wieder eingelöst und so der Wald Nürtinger Stadteigenthum geworden. Daher glauben die Frickenhauser immer noch eine Art Anrecht an den alten Besitz zu haben – eine Vorstellung, welche zur Sicherheit der Nürtinger Waldungen eben nicht beiträgt. Der Walddistrikt Eichenfürst, südlich vom Ort, ist | Staatseigenthum. Der große-, Heu- und Wein-Zehnte steht dem Staat, der kleine und Obstzehnte der Pfarrei zu.

Der Ort ist ziemlich regelmäßig angelegt und hat wenigstens in der, mitten hindurchführenden breiten Hauptstraße, ein reinliches und gutes Aussehen. Die Pfarrkirche, ein geräumiges und ansehnliches Gebäude, so ziemlich mitten im Dorf, ist ihrer Bauart nach aus dem 15ten Jahrhundert.[1] Der massive hohe Thurm ist durch ein Satteldach verunziert. Der Begräbnißplatz umgibt die Kirche. Zu der Kirchenbaulast concurrirt die Gemeinde bei der Unvermöglichkeit des Heiligen zu 2/3. Das Pfarrhaus ist vor wenigen Jahren erst erbaut und Staatseigenthum, das Schulhaus aber und das Rathhaus sind alt, doch letzteres kürzlich erneuert. An der Schule unterrichten ein Knaben-, ein Mädchenlehrer und ein Lehrgehülfe. Auffallend ist es bei der Lage des Orts im Thal, daß es bisweilen an gutem Trinkwasser mangelt und daß es keine öffentlichen und gar keine laufenden Brunnen gibt, sondern immer eine Anzahl Häuser einen gemeinschaftlichen Zieh- oder Pumpbrunnen unterhält. Eine steinerne Brücke auf der neu angelegten Straße nach Tischardt und Metzingen führt über den Krummbach, der unterhalb der Mühle in die Steinach fällt.

Im Ort oder in der Nähe desselben scheint eine Burg, der Sitz der Spät von Frickenhausen gestanden zu haben, von welcher sich übrigens jede Spur verloren hat. Auch von einem Nonnenkloster in der Nähe will die Sage wissen. Aber mit Unrecht wird die Bruderklause Michelfelden auf diesseitiger Markung gesucht (s. Nürtingen).

Im Jahr 1304 besaß der Eßlinger Hospital allhier Wiesen. Begütert und berechtigt waren die Hörnlingen (1320), die Mörhild (1350 u. f.), die Spät (1386 u. f.), die Schilling (diese waren im Jahr 1359 Pfandbesitzer von Frickenhausen und Linsenhofen gewesen), die Kayb (1468).

Im Jahr 1468 wurde das Gericht von Stuttgart zum Obergericht von Frickenhausen bestellt (Sattler, Grafen 2te Ausg. 4, 93, 251). Das Frickenhauser Erbrecht, im Jahr 1493 niedergeschrieben, gibt Fischer in der Geschichte der deutschen Erbfolge 232.

Die hiesige Kirche wurde im Jahr 1436 von Neuffen getrennt, eine eigene Pfarrei errichtet und ihr der Zehnte in Raidwangen, welchen 1428 Ulrich Schilling besaß, übergeben. (Gabelk. Sattler, Topogr. 190.) In der Pfarrkirche bestand noch 1526 auch eine Frühmesse. Das Patronat stand der Herrschaft zu. Auch war eine | Badstube hier. Mit 1/4 des Laienzehnten wurde ums Jahr 1365 Utz von Ogolshausen von Württemberg belehnt; es wurde ihm aber später abgekauft und dem Stifte Urach geeignet. Weitere hiesige Zehntrechte übergab 1482 das Kloster Salmannsweil dem Stifte Urach und erhielt dagegen von demselben seine Zehntrechte zu Nürtingen. Über das Geschlecht der Mörhild s. die Oberamtsbeschreibung von Rottenburg S. 215. Wir finden 1358 einen Berthold Merhelt von Wurmlingen, Edelknecht zu Frickenhausen und 1366 einen Ernst Mernhelt von Frickenhausen.

Bei Frickenhausen lag noch 1379 der jetzt abgegangene Ort Linghartsweiler (s. Oberamtsbeschreibung von Eßlingen 227).

Frickenhausen ist mit Neuffen 1301 württembergisch geworden.

Fußnote:

  1. Die Jahreszahl 1581 auf einem Quaderstein der Sakristei deutet gewiß nun auf eine spätere Restauration.
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