« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Mergentheim Kapitel A 4 »
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Einwohner.
A. Bevölkerungsstatistik.[1]
1. Stand und Bewegung der Bevölkerung im Allgemeinen.

Der Oberamtsbezirk Mergentheim umfaßt noch dieselben Ortschaften wie nach der Bevölkerungsliste vom 1. November 1812. Nur in der Eintheilung der Gemeindebezirke sind Veränderungen vorgegangen, welche in den Anmerkungen zu der nachfolgenden Übersicht über den Stand der Bevölkerung angegeben sind. Das Oberamt gehörte damals zur Landvogtei an der Jaxt, „(Departement de la Jaxt[2]“ mit dem Sitz in Öhringen und zählte 25.199 ortsangehörige Einwohner, wovon aber 678 im Ausland sich befanden. Dagegen wurden 536 Ausländer gezählt, so daß sich die „Totalsumme sämmtlicher im Ort befindlichen Personen“ auf 25.057 berechnete.

(Siehe Seite 74–77.)
Die Bevölkerung von 25.057 Ortsanwesenden hat sich bis 1834 auf 26.804 und bis 1846 auf 27.620 vermehrt, somit in 34 Jahren um 10,23% oder jährlich um 0,30%. Von 1846 bis 1852, als in manchen Oberämtern in Folge der | Verschlimmerung der wirthschaftlichen Zustände (Kartoffelkrankheit) bei weitgehender Theilung des Grundbesitzes und Überschuldung der Besitzer[3] schon eine Abnahme der Bevölkerung eintrat[4], zeigte sich im Oberamt Mergentheim noch eine Zunahme von 0,55 oder jährlich von 0,09%.

Von 1852–1855 aber, als die allgemeine wirthschaftliche Kalamität in Württemberg bei geringer Geburtenzahl und massenhafter Auswanderung eine große Abnahme der Bevölkerung zur Folge hatte[5], zeigte sich im Oberamt Mergentheim nur eine Abnahme von 1,08% oder im jährlichen Durchschnitt von 0,36%. Denn das in der östlichen Landeshälfte gelegene[6] Oberamt Mergentheim gehört, wie schon im Jahrgang 1874 der Württembergischen Jahrbücher I., S. 25 ff. und 197 ff. näher nachgewiesen ist, zu denjenigen Bezirken, wo sich verhältnismäßig viele größere landw. Besitzungen erhalten haben und daher auch die wirthschaftliche Krisis der 1850er Jahre weder in der Zahl der Gantfälle noch in der Bevölkerungsabnahme bedeutende Wirkung äußerte. Während nemlich damals in dem Gebiet der zahlreichen Gantfälle ein solcher auf 357–137 Einwohner entfiel, zählte man im Oberamt Mergentheim nur einen Gantfall auf 958 Einwohner, und die Bevölkerungsabnahme, welche sich in jenen 3 Jahren für ganz Württemberg auf 3,67%, für die westliche Landeshälfte auf 4,94%, für die östliche auf 1,82, endlich für die Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“ (umfassend die 6 Oberämter Crailsheim, Hall, Gerabronn, Mergentheim, Öhringen, Künzelsau) auf 2,50% belief, blieb daher im Oberamt Mergentheim mit 1,08% oder 0,36% per Jahr hinter allen diesen Durchschnittszahlen zurück.

Die ganze Zunahme der Bevölkerung des Oberamtsbezirks in den 63 Jahren 1812–75 berechnet sich auf 15,78% oder auf 0,25% per Jahr. Bei Fortdauer dieser Zunahme würde sich die Bevölkerung in einem Zeitraum von 278 Jahren verdoppeln. Aus der Bevölkerungszunahme von 1813–1867 berechnete sich die Verdopplungsperiode des Oberamtsbezirks auf 314 Jahre[7] und dabei war derselbe mit den benachbarten Bezirken Öhringen und Künzelsau unter denjenigen 22 Oberämtern,

(Fortsetzung Seite 78.)
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Übersicht über den Stand der Bevölkerung in den 48 Gemeinden des Oberamtsbezirks Mergentheim.
und zwar in den Jahren:
Gemeinden. 1812
am 1. November
1834
Orts-
angehörige
nach der
Zählung
am
15. Dez
.
1834
Orts-
anwesende
nach der
Zoll-
vereins-
zählung
am 15. Dez
.
1846 1852 1855 1871 1875 Flächen-
gehalt
der
Markungen
in
Hektar
.
Orts-
angehörige
Orts-
anwesende
Ortsanwesende nach den
Zollvereinszählungen
am 3. Dezember
Ortsanwesende nach den
Zählungen
des Deutschen Reichs
am 1. Dezember
01. Mergentheim 2477 2493 2336 2702 2781 2856 2917 3713 4021 1654,48
02. Adolzhausen 403 402 363 355 341 345 348 314 330 1344,28
03. Althausen 507 502 537 537 543 587 577 543 532 1263,61
04. Apfelbach 344 347 388 390 393 393 417 453 464 910,42
05. Archshofen 689 684 573 555 581 590 572 637 617 598,45
06. Bernsfelden[8] 301 320 311 330 323 360 367 336 356 866,73
07. Blumweiler[9] 533 549 513 554 570 552 580 559 555 1492,14
08. Crainthal[10] 231 186 181 177 167 160 161 207,40
09. Creglingen 1113 1112 1346 1296 1344 1302 1248 1252 1307 1134,76
10. Deubach 256 248 220 196 209 206 202 203 196 621,73
11. Edelfingen 933 925 1088 1006 1216 1216 1140 1141 1164 747,84
12. Elpersheim 857 851 952 852 892 923 896 849 825 1017,16
13. Finsterlohr 413 413 393 421 436 437 448 481 444 1061,96
14. Frauenthal 260 251 277 312 302 297 285 294 305 855,05
15. Freudenbach 552 545 582 617 578 580 571 542 538 1096,32
16. Haagen 135 134 147 145 140 143 138 143 149 263,24
17. Hachtel[11] 337 304 335 342 347 358 367 821,83
18. Harthausen[12] 586 583 347 362 393 406 400 430 439 1014,78
19. Herbsthausen 267 266 223 217 208 209 238 238 253 357,44
20. Herrenzimmern[13] 248 237 234 228 234 258 250 494,10
21. Honsbronn[14] 153 152 274 246 252 236 234 267 261 744,70
22. Igersheim[15] 781 776 899 956 983 958 992 1010 982 1519,91
23. Laudenbach 995 975 1016 928 953 938 944 1070 997 1023,68
24. Löffelstelzen 322 314 391 375 357 361 370 402 406 509,39
25. Markelsheim 1082 1073 1394 1339 1327 1395 1271 1423 1424 1510,02
26. Münster 558 545 542 508 510 518 513 505 510 930,09
27. Nassau 601 599 652 628 666 648 673 656 650 1785,20
28. Neubronn 317 310 339 379 371 346 353 402 398 1062,55
29. Neunkirchen 346 343 381 344 352 366 353 383 379 255,85
30. Neuseß[16] 253 273 292 282 277 268 269 589,78
31. Niederrimbach 366 364 428 381 410 377 355 390 388 793,28
32. Oberrimbach 542 549 584 588 606 357 345 360 348 1006,36
33. Pfitzingen 599 588 272 259 283 312 320 287 284 561,12
34. Queckbronn 170 169 210 194 195 218 206 201 199 236,67
35. Reinsbronn 594 579 694 653 600 599 604 595 574 998,41
36. Rengershausen 448 422 577 509 504 496 494 499 510 1071,78
37. Rinderfeld 478 474 492 501 475 485 495 487 499 1300,76
38. Roth[17] 596 596 386 384 416 447 469 457 463 814,69
39. Rüsselhausen[18] 183 164 224 225 217 226 223 342,59
40. Schäftersheim[19] 533 533 590 553 580 577 546 572 571 1001,98
41. Schmerbach[20] 286 269 281 297 611,55
42. Simmringen 99 105 113 131 113 132 128 120 122 296,94
43. Stuppach 641 619 763 666 686 667 655 643 674 1530,93
44. Vorbachzimmern 700 696 763 667 681 712 692 683 694 575,93
45. Wachbach 1013 984 1190 1078 1167 970 981 950 984 818,87
46. Waldmannshofen 405 447 450 447 484 492 457 477 474 934,60
47. Weikersheim 1888 1880 1921 1686 1747 1814 1745 1814 1730 957,17
48. Wermutshausen[21] 346 340 353 393 386 409 422 431 427 1091,78
Summe vom ganzen Bezirk 25.199 25.057 27.522 26.804 27.620 27.772 27.472 28.763 29.010 42.700,30
| | | | welche mit der längsten Verdopplungsperiode von mehr als 200 Jahren hervortraten.

Jener geringen Abnahme der Bevölkerung in der Zeit eines allgemeinen wirthschaftlichen Nothstandes steht also bei unserem Bezirk eine im ganzen sehr schwache Zunahme zur Seite, welche sich für die Periode 1813–67 durchschnittlich nur auf 0,23% per Jahr berechnete, während sie für Württemberg 0,54 und für die Bezirksgruppe der Hohenlohischen Ebene 0,29% ausmacht. Es herrscht also im Gang der Bevölkerung des Bezirks eine große Stetigkeit.

Untersucht man die ganze Bevölkerungszunahme von 1812 bis 1875, welche in absoluter Zahl 3953 Personen ausmacht, noch näher, so ergibt sich, daß hievon etwa 3/8 allein auf die Stadt Mergentheim entfallen, welche von 2493 auf 4021, also um 1528 sich vermehrt hat, und circa 5/8 auf alle übrigen 47 Gemeinden des Oberamtsbezirks, deren Bevölkerung von 22.564 auf 24.989, also um 2425 gestiegen ist.

In Prozenten des Standes von 1812 berechnet sich mithin die Zunahme

im Ganzen. per Jahr.
für den Oberamtsbezirk auf 15,78% 0,25%
für die Oberamtsstadt auf 61,29% 0,97%
für die Amtsorte, bestehend aus den übrigen 47 Gemeinden 10,75% 0,31%

Die kleine Bevölkerung der Stadt Mergentheim zeigt also eine mehr als 3mal so große Zunahme als die der Amtsorte und bei den hierunter begriffenen zwei weiteren kleinen Städten gleicht sich die Zunahme von 195 Personen, welche die Bevölkerung der Stadt Creglingen aufweist, fast wieder aus durch die Abnahme um 150 Personen, welche die der Stadt Weikersheim erlitten hat.

Auch die Dichtheit der Bevölkerung des Bezirks ist eine verschiedene. Wenn man denselben entlang dem Laufe des Vorbachs und in der Richtung von Niederstetten OA. Gerabronn gegen den Karlsberg bei Weikersheim in eine östliche und westliche Abtheilung trennt, so kommen in jener[22], bei 170,12 □km. | und 9732 Einwohnern, auf 1 □km. 57 Einwohner, in dieser bei 256,89 □km. und 19.278 Einwohnern, auf 1 □km. 75 Einwohner.

Das ganze Oberamt aber hat einen Flächengehalt von 427,00 □km. oder von 7,7566 □Meilen und es entfallen daher auf 1 □km. 68, auf 1 □Meile 3760[ER 1] Einwohner, womit dasselbe 1875 bedeutend hinter dem Landesmittel von 96,5 Einwohnern per □km. oder 5311 Einwohnern per □Meile zurückbleibt. Auf 1 Einwohner entfallen im ganzen Oberamt durchschnittlich 1,47 Hektar, im östlichen Theil 1,75, in dem dichter bevölkerten westlichen Theil nur 1,33 Hektar.

In dem letzteren Theil ist namentlich auch die städtische und die Bevölkerung der größeren Gemeinden bedeutender, denn es gehören:

A. zum westlichen
Theil des Bezirks
B. zum östlichen
Theil des Bezirks
C. zum Bezirk
im Ganzen
Ge-
mein-
den
Ein-
woh-
ner
in
Proz.
Ge-
mein-
den
Ein-
woh-
ner
in
Proz.
Ge-
mein-
den
Ein-
woh-
ner
in
Proz.
1) die Oberamtsstadt 1 4021 20,86 1 4021 13,86
2) von den übrigen Gemeinden
      mit mehr als 1000 Einwohnern
3 4318 22,40 1 1307 13,43 4 5625 19,39
3) von den Gemeinden
     mit mehr als 500 bis 1000 Einwohnern
8 5728 29,71 7 4485 46,09 15 10.213 35,21
4) von den Gemeinden
     mit 500 Einwohnern u. weniger
17 5211 27,03 11 3940 40,48 28 9151 31,54
29 19.278 100 19 9732 100 48 29.010 100
Mithin erscheint die Bevölkerung, wenn man den Bezirk im Ganzen betrachtet, unter die größeren und kleineren Wohnplätze ziemlich gleich vertheilt, indem etwa 1/3 der Bevölkerung (33,25%) auf die Stadt Mergentheim und die größeren Gemeinden von mehr als 1000 Einwohnern entfällt, sodann etwas mehr als 1/3 (35,21%) auf die Gemeinden von 500–1000 Einwohnern und etwas weniger als 1/3 (31,54%) auf die kleinen Ortschaften | von 500 Einwohnern und weniger. Diese Vertheilung ist aber gleichwohl eine ganz andere im westlichen als im östlichen Theil des Bezirks, denn in jenem entfallen auf die Oberamtsstadt Mergentheim und die größeren Gemeinden 43%, auf die kleineren 57% seiner Bevölkerung, in diesem dagegen auf die größeren Gemeinden nur 13, auf die kleineren 87% der Bevölkerung. Diese wohnt dabei vorherrschend in geschlossenen Orten, und Parzellargemeinden sind verhältnismäßig selten, denn es kommen durchschnittlich an solchen auf eine Gemeinde im Oberamt Mergentheim nur 1,88, in Württemberg 4,30 und in der Gruppe XI „Hohenlohische Ebene“ 3,69; so daß in diesem Oberamt mit wenig dichter und langsam sich vermehrender Bevölkerung sogar noch weniger sind, als in dem jüngst beschriebenen Oberamt Tuttlingen, welches bei erheblich dichterer und rascher sich vermehrender Bevölkerung[23] 3,22 Parzellen auf die Gemeinde zählt. Aber in letzterem Oberamt sind unter 23 Gemeinden nur 6, welche 500 und weniger Einwohner haben und ihre Bevölkerung belauft sich nur auf 9,62% der Gesammtbevölkerung, während unter den 48 Gemeinden des Oberamts Mergentheim 28 solche begriffen sind, und ihre Bevölkerung sich auf 31,54% der Einwohnerzahl des ganzen Bezirks belauft. Man kann schon aus dieser Art und Weise der Vertheilung der Bevölkerung nach Wohnplätzen schließen, daß solche in beiden Oberämtern auch auf die einzelnen Berufsklassen ganz anders sich vertheilt[24]. Denn wie in dieser Beziehung die ganze Bezirksgruppe V des oberen Neckars, zu welcher das Oberamt Tuttlingen zählt, namentlich in den Verhältniszahlen für die Bevölkerung, welche der Landwirthschaft und den Gewerben angehört, großen Unterschied zeigt gegenüber der Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“, wozu Mergentheim zählt[25], so tritt dieser Gegensatz bei Gegenüberstellung jener beiden Oberämter noch weit mehr hervor. Gemäß der besonderen Aufnahme der Bevölkerung nach Berufsklassen, welche mit der ersten Volkszählung im Deutschen Reich am 1. Dezember 1871 verbunden worden ist, entfallen nemlich von je 100 Einwohnern der ganzen Bevölkerung: |
auf die Berufsklasse
A.
Landwirth-
schaft,
Forst-
wirthschaft
B.
Industrie
und Bergbau
mit Bauwesen
C.
Handel und
Verkehr auch
Wirthschafts-
gewerbe
D.
Dienstleistende
ohne Angabe der
Berufsgruppe
E.
Armee und
Kriegsflotte
F.
Alle übrigen
Berufsarten
G.
Personen
ohne
Berufsausübung
Die
absolute Anzahl
beträgt
im Oberamt Mergentheim
50,83 26,33 8,92 5,11 0,08 5,33 3,40 28.336
darunter Selbstwirthschaftende
42,92 18,39 7,02 8,12 0,32 4,27 8,96 5925
im Oberamt Tuttlingen
22,59 52,42 5,95 8,30 5,04 5,70 24.685
darunter Selbstwirthschaftende
20,62 47,90 5,07 9,98 0,02 3,43 12,98 5680

Berichtigung: In der jüngst herausgegebenen Beschreibung des Oberamts Tuttlingen ist in den zwei letzten Zahlenreihen auf S. 92 zu setzen statt 1920 und 4518: 1911 und 4509 und statt 2663 und 5689: 2654 und 5680.

| Hienach kämen auf die landwirthschaftliche Berufsklasse (A) im Oberamt Tuttlingen nicht halb soviele Einwohner als im Oberamt Mergentheim, auf die gewerbliche (B) dagegen fast noch einmal soviel, als in diesem. Dies ist aber, wie in der Beschreibung des Oberamts Tuttlingen S. 92 und 93 dargelegt ist, nicht so zu verstehen, als ob hier nur 23% der Bevölkerung von der Landwirthschaft ihren Unterhalt ziehen, sondern nur in der Weise, daß die Landwirthschaft hier seltener ausschließlich, dagegen häufiger in Verbindung mit dem Gewerbe betrieben wird, als im Oberamt Mergentheim, wo der ausschließliche Betrieb der Landwirthschaft häufiger vorkommt, wie aus der Vergleichung der 1873 ermittelten Anzahl der Viehhalter hervorgeht, welche zugleich Landwirthschaft treiben[26].

Namentlich aus der Vergleichung des Oberamts Mergentheim mit dem jüngst beschriebenen Oberamt Tuttlingen hinsichtlich der Art und Weise der Vertheilung der Bevölkerung auf die Hauptberufsklassen ergibt sich der vorherrschend landwirthschaftliche Charakter des ersteren Bezirks.

Die Landwirthschaft wird hier meistens für den Absatz überschüssiger Produkte betrieben, daher noch ziemlich viele Bauern mit einem für württembergische Verhältnisse ansehnlichen und großen Grundbesitz angetroffen werden.

Das Oberamt Mergentheim gehört ja zur östlichen Landeshälfte und zu denjenigen Bezirken, in welchen die Theilung des Grundbesitzes noch nicht so weit gediehen ist, wie in der Mehrzahl der Oberämter der westlichen Landeshälfte. Der Bezirk weist deshalb auch viel günstigere Verhältniszahlen darüber auf, als das letzt beschriebene Oberamt Tuttlingen. Nach der Grundbesitzaufnahme vom 10. Januar 1873 entfallen nemlich: |
auf 100 ha.
landwirth-
schaftl. Areals
Wirthschaften
O.Z. und kommen
auf 1 Wirth-
schaft ha.
O.Z.
Im Oberamt Mergentheim
im Oberamt Tuttlingen
in Württemberg
17,36
31,09
26,50
17
32
5,76
3,22
3,77
48
33
Ferner
enfallen
von je 100 ha. auf
die Wirthschaften von
und sind unter je
100 Wirthschaften solche
begriffen von
5 ha.
und
weniger
5–10
ha.
mehr
als
10 ha.
5 ha.
und
weniger
5–10
ha.
mehr
als
10 ha.
Im Oberamt Mergentheim
im Oberamt Tuttlingen
in Württemberg
20,41
43,08
32,99
20,17
23,91
20,89
59,42
33,01
46,12
65,15
84,14
80,10
16,75
11,22
11,41
18,10
04,64
08,49

Das Areal der größeren Wirthschaften, welche mehr als 10 Hektar umfassen, nähert sich also dem Doppelten der Quote, welche es im Oberamt Tuttlingen einnimmt, und die relative Anzahl dieser Wirthschaften beträgt fast das vierfache der Prozentzahl für Tuttlingen.

Innerhalb des Oberamts Mergentheim selbst aber ist diese Vertheilung eine andere auf den am oberen Lauf der Tauber rechts und links desselben gelegenen 19 Markungen, welche die östliche Abtheilung des Bezirks bilden, als in den am unteren Lauf der Tauber von Schäftersheim an links und rechts derselben gelegenen übrigen 29 Markungen. Hier in der westlichen Abtheilung des Bezirks, wo die Tauber ihren Lauf in einem | weiteren und flacheren Thale fortsetzt, geht die Vertheilung des Grundbesitzes schon weiter, was damit zusammenhängt, daß im Taubergrund auf den 8 Markungen Weikersheim, Elpersheim, Markelsheim, Igersheim, Mergentheim, Edelfingen, Althausen, Wachbach das Weinbauareal schon beträchtlichere Ausdehnung hat. Denn der Weinbau, welcher viele Arbeit erfordert, ernährt bei seinem höheren Ertrag auf geringerer Fläche eine größere Anzahl Menschen, und bewirkt, theils weil die weinbautreibende Bevölkerung selbst Feldbau damit verbindet, theils durch Herbeiziehung einer gewerblichen Bevölkerung, welche zugleich Landwirthschaft treibt, auch größere Theilung des landwirthschaftlichen Grundbesitzes überhaupt. Daher gehören alle diese Markungen zu derjenigen Klasse von (m Ganzen 21) Markungen des Bezirkes, auf welchen nach den Ergebnissen der Aufnahme des Grundbesitzes vom 10. Januar 1873 das Areal der Wirthschaften von mehr als 10 Hektar nicht über die Hälfte des ganzen landwirthschaftlichen Areals der einzelnen Markungen einnimmt. Außerdem gehören dazu die an die vorigen anstoßenden 6 Markungen Schäftersheim, Löffelstelzen, Neunkirchen, Apfelbach, Rüsselhausen, Haagen, und überdies, getrennt davon, die Markung Rengershausen.

Unter den 29 Markungen der westlichen Abtheilung des Bezirkes sind also 15, unter den 19 Markungen der östlichen Abtheilung dagegen blos 6 solche Markungen begriffen, nämlich die zwei Orte Laudenbach und Vorbachzimmern mit namhafterem Weinbau und die weiteren: Crainthal, Creglingen, Archshofen und Münster.

Vergleicht man das ganze landwirthschaftliche Areal dieser Markungen mit weiter gehender Theilung des landwirthschaftl. Grundbesitzes in beiden Abtheilungen des Bezirks mit dem Areal der übrigen Markungen, auf welchen überall mehr als die Hälfte, meistens sogar mehr als 2/3 des landwirthschaftlichen Areals den Wirthschaften von mehr als 10 Hektar eingeräumt ist, so entfallen von dem ganzen landwirthschaftlichen Areal auf die Markungen:

1) mit vorherrschendem
größerem Grundbesitz
2) mit weitergehender
Theilung des Grundbesitzes
1) in der östlichen Abtheilung
des Bezirks mit 19 Markungen
ha
09492,87
in %
77,51.
ha
02755,29
in %
22,49.
2) in der westlichen Abtheilung
des Bezirks mit 29 Markungen
07816,70 48,29. 08371,08 51,71.
17.309,57 60,87. 11.126,37 39,13.
| In der östlichen Abtheilung des Bezirks macht also das landwirthschaftliche Areal der Markungen mit vorwiegendem größerem Grundbesitz 78%, in der westlichen dagegen nur 48% des gesamten landwirthschaftlichen Areals aus.

Im ganzen Oberamtsbezirk aber hat das landwirthschaftliche Areal derjenigen Markungen das Übergewicht, in welchen der größere Besitz vorherrscht, denn auf diese kommen von 28.436 ha 17.310 oder 61%, auf die übrigen mit weitergehender Theilung nur 11.126 ha oder 39%.

Diesem im Ganzen günstigen Verhältnis der Vertheilung des Grundbesitzes und dem vorherrschend landwirthschaftlichen Erwerb der Bevölkerung entsprechend ist auch die Art und Weise des Zusammenlebens der Bevölkerung in den Haushaltungen. Die größeren Haushaltungen von mehr als 5 Personen sind zahlreich, denn es finden sich unter 100 Haushaltungen durchschnittlich solche mit

1 Person 2–5
Personen
6 u. mehr
Personen
im Oberamt Mergentheim 6,89 55,10 38,01
im Oberamt Tuttlingen 9,35 64,11 26,54
in Württemberg 7,49 62,47 30,04

Die Zusammensetzung der Haushaltungen aber ist im Oberamt Mergentheim derart, daß, gegenüber dem Landesmittel, wie überhaupt in den Landestheilen mit relativ größerem Grundbesitz (Südliches und Nördliches Oberschwaben und Hohenlohische Ebene), namentlich die Zahl der Dienstboten eine bedeutende und die der Gehilfen und Lehrlinge eine namhafte ist (vergl. Jahrgang 1876 der Württemb. Jahrbücher IV. S. 103, 106 und 107). Dagegen nimmt das Oberamt eine Ausnahmestellung ein bezüglich der relativen Anzahl der Hauskinder, welche in solchen Gegenden im Allgemeinen eine geringere zu sein pflegt. Dies ist aus der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen:

Es entfallen nemlich auf je 100 Haushaltungen

in Württemberg In der Bezirksgruppe XI
„Hohenlohische Ebene“
Im Oberamt
Mergentheim
1) Vorstände und zwar
     a) Eheleute
148,34 155,68 152,08
     b) Sonstige Haushaltungsvorstände 024,99 021,09 023,21
2) Kinder 182,47 172,79 195,28
3) Dienstboten 028,27 047,87 042,44
4) Gehilfen, Lehrlinge 025,67 037,84 030,24
5) Verwandte, Gäste und sonstige Hausgenossen 042,60 048,51 047,57
somit
6) Personen im Ganzen 452,34 483,78 490,82
     Die absolute Gesamtzahl
     dieser Personen beträgt:
1.798.644 168.736 28.291.
| In den übrigen Oberamtsbezirken der Bezirksgruppe XI, Hohenlohische Ebene, berechnet sich die Zahl der Kinder in 100 Haushaltungen nur auf 158 bis höchstens 179, so daß der Durchschnitt für die ganze Bezirksgruppe ungeachtet der hohen Zahl derselben im Bezirk Mergentheim nur auf 172,79 sich belauft. Da nun in den übrigen Bezirken hierunter 87 bis 92% unter 14 Jahre alte Personen begriffen sind, im Oberamt Mergentheim aber nur 77%, so kann die hohe Anzahl von Hauskindern in unserem Bezirk nur daher rühren, daß hier verhältnismäßig sehr viele über 14jährige darunter enthalten sind. Es hängt dies vielleicht zum Theil damit zusammen, daß von unserem Bezirk weniger Personen auswärts Beschäftigung suchen, theils aber auch, da bei der Zahl der Hauskinder das weibliche Geschlecht überhaupt sehr stark vorwiegt[27], mit der durchschnittlich später eintretenden Verehelichung bei dem weiblichen Geschlecht, welche sich aus der hiernach folgenden Trauungsstatistik ergibt.

Hinsichtlich der Vertheilung der Bevölkerung nach dem Glaubens-Bekenntnis gehört der Oberamtsbezirk zu denjenigen, in welchen die Zahl der Evangelischen vorherrscht und zugleich zu denen, welche am meisten Israeliten zählen. Es wurden nemlich gezählt:

im Jahr Evan-
gelische
Katho-
liken
Von andern
christlichen
Bekenntnissen
Israe-
liten
Im Ganzen
Ortsangehörige
1812 15.078 09301 12 0808 25.199
1846 17.302 09926 06 1189 28.423.
0 0 0 0 0 Ortsan
wesende
1858 16.825 09966 06 1044 27.841
1871 17.345 10.380 18 1020 28.763
1875 17.455 10.565 19 0971 29.010.
| In Prozenten der Gesamtbevölkerung ausgedrückt betrug 1875 die Verhältniszahl für die
Evan-
gelischen
Katho-
liken
anderen
christlichen
Bekenntnisse
Israe-
liten
anderen
Religionen
im Oberamt Mergentheim 60,17 36,42 0,06 3,35
in Württemberg 68,92 30,17 0,22 0,68 0,01.

Eine größere Verhältniszahl Israeliten weist mit 4,60% nur noch das Oberamt Horb am oberen Neckar auf.

Dagegen haben die benachbarten Oberämter der Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“ gleichfalls eine hohe Prozentzahl Israeliten, nemlich Gerabronn 2,00%, Crailsheim 1,21%, Künzelsau 2,32%, Öhringen 0,93%, Hall 0,81%.


2) Trauungen insbesondere.

Nach der älteren Trauungsstatistik, welche die 20 Jahre 1838/57 umfaßt, wurden innerhalb dieser Periode im Oberamt Mergentheim 3850 Paare getraut, und zwar 2343 von der evangelischen, 1362 von der katholischen und 145 von der israelitischen Kirche. Unter den ersteren sind 28, unter den folgenden 51 und unter den letzteren keine gemischten Ehen. Unter der ganzen Zahl von 79 gemischten Ehen aber waren 30, bei denen der Bräutigam evangelisch und 49, bei denen er katholisch war.

In Beziehung auf den Civilstand theilen sich die Trauungen folgendermaßen: Unter der Gesamtzahl der Trauungen waren

Trauungen von   a) mit Jung-
     frauen
b) mit
     Witwen
c) mit geschie-
     denen Frauen
Zusammen
1) Junggesellen 2875 253 2 3130
2) Witwern 0649 061 2 0712
3) geschiedenen Männern 0007 001 0008
3531 315 4 3850.

Was das Alter der Brautleute anbelangt, so war solches in jener 20jährigen Periode, wie in der östlichen Landeshälfte und namentlich auch in der Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“ überhaupt, so besonders in dem Oberamtsbezirk Mergentheim ein vorgeschrittenes.

Denn nach den im Jahrgang 1874 I, S. 136 ff. enthaltenen Übersichten war die Prozentzahl der Trauungen, bei welchen |
a) der Bräutigam alt war
weniger als
volle 25
Jahre
25 bis
mit 30
Jahre
30 bis
mit 40
Jahre
Über
40
Jahre
in Württemberg 08,39 44,04 33,24 14,33
in der Bezirksgruppe XI
„Hohenlohische Ebene“
06,35 37,81 39,41 16,43
im Oberamt Mergentheim 05,04 35,61 42,21 17,14
im Oberamt Tuttlingen 11,17 50,93 26,98 10,92.
b) die Braut alt war
weniger als
volle 20
Jahre
20 bis
mit 25
Jahre
25 bis
mit 30
Jahre
Über
30
Jahre
in Württemberg 05,06 33,37 31,57 30,00
in der Bezirksgruppe XI
„Hohenlohische Ebene“
05,04 30,14 31,82 33,00
im Oberamt Mergentheim 03,04 24,81 34,86 37,30
im Oberamt Tuttlingen 06,08 39,08 33,83 21,00.

Während also im Durchschnitt für ganz Württemberg die Mehrzahl oder 52,43% aller Bräutigame nicht mehr als 30 Jahre alt war, so findet in der Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“ das umgekehrte Verhältnis statt, daß die Mehrzahl oder 55,84% aller Bräutigame mehr als 30 Jahre war. Überhaupt überwiegt in der östlichen Landeshälfte Württembergs die Zahl der über 30 Jahre, in der westlichen die Zahl der 30 Jahre und weniger alten Bräutigame. Im Oberamt Mergentheim insbesondere beträgt die Zahl der über 30 Jahre alten Bräutigame 59,35% im Gegensatz zu dem Oberamt Tuttlingen, wo sie nur 37,90% ausmacht.

Vergleicht man sodann auch noch die Prozente der 30–40 Jahre alten Bräutigame, so tritt der Kontrast zwischen diesen beiden der westlichen und östlichen Landeshälfte Angehörigen Bezirken noch stärker hervor, denn im Oberamt Tuttlingen waren unter 100 nur 26,98% solcher Bräutigame begriffen, im Oberamt Mergentheim aber 42,21.

Was die Bräute anbelangt, so war in Württemberg während der Periode 1838/57 die große Mehrzahl, nemlich 61,57% mehr als 25 Jahre alt. In der Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“ wird bei 64,82% dieses Landesmittel überschritten. Im Oberamt Mergentheim aber erscheint das vorgerückte Alter der Bräute | ganz besonders auffallend, indem hier 72,16% aller Bräute über 25 Jahre alt waren. Dies ist namentlich auffallend, wenn man erwägt, daß hierunter wieder 37,30% begriffen waren, welche auch das 30. Lebensjahr zurückgelegt hatten.

Hiedurch wird das am Schluß des vorigen Abschnittes bezüglich der großen Anzahl der weiblichen Hauskinder von über 14 Jahren Gesagte bestätigt.

Vergleicht man hiemit die Prozentzahlen des Oberamts Tuttlingen, wo nur 54,83 % aller Bräute mehr als 25 Jahre alt waren, so leuchtet ein, daß solche Verschiedenheiten bezüglich des Lebensalters bei der Eheschließung auch großen Einfluß auf die Geburtenzahlen äußern müssen. Denn die in vorgerückterem Alter geschlossenen Ehen können, ganz abgesehen von andern Einflüssen, schon an und für sich, wegen des späten Lebensalters der Verheirathung, nicht so fruchtbar sein als frühzeitig abgeschlossene Ehen und daher hat auch das Oberamt Mergentheim, wie sich aus dem folgenden Abschnitt ergeben wird, eine geringere Zahl Geborener und einen geringeren natürlichen Volkszuwachs als das Oberamt Tuttlingen.

Die Frequenz der Heirathen hat nach der folgenden Übersicht in jener für Württemberg im Allgemeinen wirthschaftlich ungünstigen Zeit von 1846–55 auch im Oberamt Mergentheim etwas abgenommen, welche Abnahme auch noch in den Jahren 1856 und 1857 fortdauerte.

(Siehe Seite 90.)

Doch erscheint die Häufigkeit der Eheschließungen im Ganzen stetiger als im Oberamt Tuttlingen, indem die Abnahme in jener Zeit in letzterem Bezirk weit stärker war als im Oberamt Mergentheim.

Über die spätere Zeit von 1857 bis 1870 fehlt eine ausführliche Trauungsstatistik, aber aus den bei der Auszählung der Bevölkerung nach dem Lebensalter in den Jahren 1867, 1871 und 1875 gemachten Erhebungen können folgende Verhältniszahlen über die Frequenz und das Lebensalter bei den Eheschließungen vorgemerkt werden:

(Siehe Seite 91.)
|
Es beträgt I. in der 8jährigen
Periode von 1838/45
die durchschnittliche
Zahl der
II. in der 10jährigen
Periode von 1846/55
die durchschnittliche
Zahl der
III. in den 2 Jahren
1856 und 1857
die durchschnittliche
Zahl der
IV. in der 20jährigen
Periode von 1838/57
die durchschnittliche
Zahl der
Trau-
ungen
ortsan-
wesenden
Einwohner
Trauungen
auf je 1000
Einwohner
Trau-
ungen
ortsan-
wesenden
Einwohner
Trauungen
auf je 1000
Einwohner
Trau-
ungen
ortsan-
wesenden
Einwohner
Trauungen
auf je 1000
Einwohner
Trau-
ungen
ortsan-
wesenden
Einwohner
Trauungen
auf je 1000
Einwohner
im Oberamt Mergentheim 202 27.348 7,39 189 27.614 6,84 176 27.657 6,36 193 27.509 7,02
im Oberamt Tuttlingen 172 23.579 7,29 134 23.549 5,71 202 23.069 8,76 156 23.099 6,76
in Württemberg 12.737 1.663.026 7,66 10.436 1.691.849 6,17 10.267 1.676.780 6,12 11.339 1.647.956 6,88
|
     Es berechnete sich:
1) das Lebensalter der mittleren
     Verheirathungs-Wahrscheinlichkeit
für das
Oberamt
Mergentheim
bei den
männl. weibl.
Personen
Für Württem-
berg
bei den
männl. weibl.
Personen
     a) nach der Zählung von 1861 auf Jahre 32 29 31 29
     b) nach der Zählung von 1867 auf Jahre 32 29 30 29
     c) nach der Zählung von 1871 auf Jahre 31 28 30 28
     d) nach der Zählung von 1875 auf Jahre 29 27 28 26
2) die Zahl der Verheiratheten und der
     verheirathet Gewesenen unter je 1000 Einwohnern
     a) nach der Zählung von 1861 auf Personen 374,0 375,0
     b) nach der Zählung von 1867 auf Personen 377,0 384,0
     c) nach der Zählung von 1871 auf Personen 385,0 396,0
     d) nach der Zählung von 1875 auf Personen 388,1 406,5
3) die Zahl der verheiratheten männlichen und
     weiblichen Personen unter je 100 Einwohnern
     von 25–30 Jahren
     a) nach der Zählung von 1861 auf 28,0 44 31,3 44,7
     b) nach der Zählung von 1867 auf 25,0 43 33,5 46,7
     c) nach der Zählung von 1871 auf 27,0 48 39,5 52,0
     d) nach der Zählung von 1875 auf 28,5 53 44,3 58,5
4) die Zahl der unverheiratheten männlichen und
     weiblichen Personen unter je 100 Einwohnern
     von 40–45 Jahren
     a) nach der Zählung von 1861 auf 12,0 17,0 12,2 17,4
     b) nach der Zählung von 1867 auf 19,0 21,0 15,9 21,1
     c) nach der Zählung von 1871 auf 14,0 17,0 13,6 20,6
     d) nach der Zählung von 1875 auf 11,8 15,8 11,1 17,6.
Man ersieht aus allen diesen Zahlen, daß in Württemberg seit 1867 das Lebensalter der mittleren Verheirathungs-Wahrscheinlichkeit ein früheres geworden, daß die relative Anzahl der Verheirateten überhaupt und namentlich die der jüngeren Verheiratheten zugenommen, die relative Anzahl älterer Unverheiratheter dagegen abgenommen hat, worin die Wirkung der Aufhebung der früher bestandenen Beschränkungen der Freiheit der Niederlassung und der Eheschließung zu erkennen ist; man ersieht aber auch, daß der Oberamtsbezirk Mergentheim dieser | Bewegung nur allmählig gefolgt ist und daß die ihn betreffenden Verhältniszahlen über Frequenz und früheres Lebensalter bei den Eheschließungen fast überall hinter dem Landesmittel zurückstehen.

Nach den vom Bundesrath im Deutschen Reich eingeführten bevölkerungsstatistischen Erhebungen kommen im Durchschnitt der 7 Jahre 1871–1877 auf je 1000 Einwohner Trauungen:

in Württemberg 9,37
im Oberamt Mergentheim 8,39
im Oberamt Tuttlingen 8,76.

Dabei entfallen auf je 100 Trauungen solche, bei denen

der Bräutigam die Braut
alt war
unter
30 Jahre
30 und
mehr Jahre
unter
25 Jahre
25 und
mehr Jahre
in Württemberg
im Oberamt Mergentheim
im Oberamt Tuttlingen
55,08
43,60
59,27
44,92
56,40
40,73
36,86
30,88
40,73
63,14
69,12
59,27

Aus diesen Zahlenreihen geht hervor, daß auch bei der höheren Frequenz der Trauungen in neuerer Zeit die überwiegende Mehrzahl der getrauten Männer im Oberamt Mergentheim über 30 Jahre alt war, im Gegensatz zum Durchschnitt für Württemberg und namentlich für das Oberamt Tuttlingen; ferner ist ersichtlich, daß auch ein viel höheres Prozent auf die getrauten über 25 Jahre alten Bräute entfällt, als in Württemberg überhaupt und im Oberamt Tuttlingen.


3. Geburten.
Wie überhaupt in der Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“, so ist namentlich im Oberamtsbezirk Mergentheim die Verhältniszahl der Geborenen eine niedere, denn das Verhältnis der Geborenen einschließlich der Todtgeborenen zur Bevölkerung berechnet sich: |
für die
Periode
in
Württemberg
im Oberamt
Tuttlingen
im Oberamt
Mergentheim
1812/66 1:25,18=3,97% 1:25,30=3,95% 1:30,95=3,23%
1867/70 4,35% 4,56% 3,64%
1871/77 4,60% 4,56% 3,85%

Von den einzelnen Decennien der Periode 1812/66 ist zu bemerken, daß die Verhältniszahl der Geborenen im Oberamte Mergentheim im Durchschnitt der 40 Jahre 1812/52 bei Ordnungszahl 64[28] die geringste war, gegenüber von allen anderen Oberamtsbezirken, und daß der Bezirk auch in der folgenden Zeit bei unbedeutender Steigerung mit den Ordnungszahlen 61 und 60 gegenüber den meisten zurückstand. Wie aus der zweiten und dritten Zahlenreihe hervorgeht, ist aber die Verhältniszahl der Geborenen auch noch in neuerer Zeit beträchtlich unter dem Landesmittel, so daß dieses Ergebnis mit Recht auch dem Einfluß des vorgerückteren Alters der Verheirathung zugeschrieben werden kann.

Die Verhältniszahl der unehelich Geborenen war dabei in der 40jährigen Periode 1812/52 eine hohe, denn es kamen auf 100 Geborene damals unehelich Geborene in Württemberg 11,70, im Oberamt Tuttlingen 8,26, im Oberamt Mergentheim 11,83. Die von da an in Württemberg eingetretene Steigerung der unehelichen Geburten[29] bewirkte sodann, daß der Bezirk Mergentheim bei 9,21 bis 11,33 und 12,47%[30] unehelich Geborener in der Periode 1853/62 öfters unter denjenigen Oberämtern genannt wird, welche die geringste Zahl unehelich Geborener aufweisen. Dieses günstige Verhältnis dürfte daher weniger der Abnahme der unehelichen Geburten in Mergentheim als der größeren Zunahme derselben in anderen Bezirken zuzuschreiben sein.

| Nach den neueren auf Anordnung des Bundesraths durchgeführten reichsstatistischen Erhebungen über die Bewegung der Bevölkerung ergibt sich nicht nur für Mergentheim, sondern auch für Württemberg im Allgemeinen eine Abnahme, worin eine Wirkung der neueren Gesetzgebung zu erkennen ist, welche die polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung beseitigt hat, denn es kommen im Durchschnitt der Jahre 1871/77 auf 100 Geborene unehelich Geborene in Württemberg 9,19, im Oberamt Tuttlingen 6,79, im Oberamtsbezirk Mergentheim 7,67.

Was das Geschlecht der Geborenen anbelangt, so entfallen nach den früheren Berechnungen auf 100 weiblich Geborene männlich Geborene

für die Periode in Württemberg im Oberamt Tuttlingen O.-Z. im Oberamt Mergentheim O.-Z.
1842–52
1846–56
1871–77
106,28
106,31
105,34
104,58
105,18
104,50
54
44
103,73
106,61
106,12
57
26
Bemerkenswerth ist der geringe Knabenüberschuß der Periode 1842/52 beim Oberamtsbezirk Mergentheim. Dabei zeigt sich der Knabenüberschuß auch sehr verschieden bei den ehelich und unehelich Geborenen. Es entfallen nemlich |
1. Auf 100 ehelich weiblich Geborene ehelich männlich Geborene
in der Periode in Württemberg im Oberamt Tuttlingen O.-Z. im Oberamt Mergentheim O.-Z.
1842/52
1871/77
106,51
105,61
103,64
104,07
57
104,15
106,43
56
2. Auf 100 unehelich weiblich Geborene unehelich männlich Geborene
in der Periode in Württemberg im Oberamt Tuttlingen O.-Z. im Oberamt Mergentheim O.-Z.
1842/52
1871/77
104,57
102,68
113,14
110,59
5
100,40
102,37
53

Wie in Württemberg im Allgemeinen der Knabenüberschuß in beiden Perioden bei den ehelich Geborenen größer ist als bei den unehelich Geborenen, so auch im Oberamt Mergentheim, während im Oberamtsbezirk Tuttlingen das entgegengesetzte Verhältnis sich kundgibt.

Zu der Zahl der über 14 Jahre alten weiblichen Personen verhält sich die Zahl der Geborenen

in Würt-
temberg
im Oberamtsbezirk
Tutt-
lingen
O.-Z. Mergent-
heim
O.-Z.
a) in der Periode 1846–56
b) im Durchschnitt der Jahre 1871–77
1:9,39
1:7,71
1:9,29
1:7,52
32
1:11,43
1:8,97
60
Hieraus ergibt sich in Übereinstimmung mit den Eingangs dieses Abschnitts aufgeführten Zahlen, daß die Fruchtbarkeit des weiblichen Geschlechts, obgleich die Zahl der Geburten neuerer | Zeit, wie im ganzen Land, so auch in Mergentheim zugenommen hat, in diesem Bezirk doch erheblich hinter dem Landesdurchschnitt zurückbleibt.

Die Zahl der Mehrgeburten zeigt sich dabei in unserem Bezirk wie schon früher als eine verhältnismäßig hohe, denn:

in Würt-
temberg
im Oberamtsbezirk
Tutt-
lingen
Mergent-
heim
im Durchschnitt der 7 Jahre
     1871–77 waren unter 100
     Geborenen von Mehrgeborenen
2,73 2,51 3,19
und in der Periode 1846–56
     waren unter 100 Geburten
     Mehrlingsgeburten
1,29 1,44 1,53
Die Zahl der Todtgeborenen
     beträgt in der Periode 1871 bis 77
     von je 100 Geborenen
3,77 2,44 3,73
     und in der Periode 1846–56 4,07 3,18 4,25

Weitere Verhältniszahlen über Zahl und Verlauf der Geburten für die Periode 1846/56 sind im Jahrgang 1856 der Württembergischen Jahrbücher II, S. 84 ff. zu ersehen.


4. Todesfälle.

Das Verhältnis der Gestorbenen zur Bevölkerung berechnet sich

in
Württemberg
im Oberamtsbezirk
Tuttlingen Mergentheim
für die Periode 1812–66 wie 1:31,52
=3,17%
1:33,46
=2,99%
1:37,28 =
2,68%
für die 4 Jahre 1867–70 auf 3,33% 3,36% 2,80%
und im Durchschnitt der 7 J. 1871–77 auf 3,36% 3,45% 2,60%
| Die Sterblichkeitsziffer des Oberamtsbezirks Mergentheim war also in der ganzen Zeit von 1812/77 beträchtlich unter dem Landesmittel und ist dieses günstige Verhältnis, wie hienach zu ersehen, vornehmlich der geringen Kindersterblichkeit zuzuschreiben, denn auch in der ganzen natürlichen Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“, welcher Mergentheim angehört, war, wie im Jahrgang 1874 I. Heft, S. 155 für die Periode 1812/66 näher dargelegt ist, die Kindersterblichkeit eine geringe und die Sterblichkeit im Ganzen eine mittlere und niedere.

Hinsichtlich des Geschlechts der Gestorbenen ergeben sich folgende Zahlen:

Auf 100 weiblich Gestorbene
kommen männlich Gestorbene
in
Württemberg
im Oberamt
Tuttlingen
im Oberamt
Mergentheim
in der Periode 1842–52
in der Periode 1846–56
in der Periode 1871–77
104,66
103,08
108,09
100,10
098,71
108,08
098,69
100,69
106,15

Die neuerer Zeit erscheinende größere Sterblichkeit bei dem männlichen Geschlecht erklärt sich daraus, daß bei der im vorigen Abschnitt ersichtlichen Zunahme der Geburtenzahl und dem damit verbundenen Knabenüberschuß auch eine größere Anzahl Knaben durch die Sterblichkeit in den ersten Lebensjahren weggerafft wurde.

Nach den im Jahrgang 1862 der Württembergischen Jahrbücher zu S. 145 des I. Heftes veröffentlichten Tabellen über die Sterblichkeit in der Periode 1. Juli 1846/56 entfielen von je 100 Gestorbenen incl. Todtgeborenen auf die Monate.

April
bis
Juni
Juli
bis
September
Oktober
bis
Dezember
Januar
bis
März
in Württemberg
im OA. Mergentheim
23,63
24,16
24,16
20,84
24,76
25,40[ER 2]
27,45
29,60
| Der Unterschied zwischen geringerer Sterblichkeit in den Sommermonaten und höherer in den Wintermonaten machte sich also im Bezirke Mergentheim viel mehr geltend als in Württemberg im Ganzen. Aus den neueren statistischen Erhebungen sind noch keine Berechnungen hierüber angefertigt. Ferner waren unter 100 Gestorbenen excl.[31] Todtgeborene
in
Württemberg
im Oberamt
Tuttlingen Mergentheim
Verunglückte 0,85 0,93 0,78
Selbstmörder 0,36 0,54 0,39
 und kam
1 Unglücksfall auf Einwohner 3872 3326 5310
1 Selbstmord auf Einwohner 9270 5701 10.621

Hinsichtlich der Benützung des ärztlichen Beistandes ergab sich für 1846/56 Folgendes:

Von 100 Gestorbenen (excl. Todtgeborene[32]) haben

in
Württemberg
im Oberamt
Tuttlingen Mergentheim
1) ärztliche Hilfe genossen
2) keine solche genossen
45,36
54,64
34,35
65,65
59,85
40,15

Wie fast alle Oberämter der Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“, so stand also auch das Oberamt Mergentheim hinsichtlich des Gebrauchs ärztlicher Hilfe voran, was namentlich auch bezüglich der geringen Kindersterblichkeit im 1. Lebensjahr von einiger Bedeutung sein dürfte, wie schon im Jahrgang 1874 der Württembergischen Jahrbücher I. Heft S. 156 hervorgehoben worden ist.

| Unter 100 Gestorbenen excl. Todtgeborene standen im Durchschnitt der 10 Jahre 1846/56
im
1.
im
2.–7.
im
8.–14.
im
15.–20.
im
21.–45.
im
46.–70.
über d.
70.
Lebensjahre
in Württemberg 42,18 9,99 2,39 1,91 10,83 20,69 12,01
im Oberamt Tuttlingen 39,77 12,35 3,14 2,20 10,30 19,60 12,64
im Oberamt Mergentheim 29,68 9,54 2,31 1,59 12,49 25,70 18,69

Die Sterblichkeit im 1. Lebensjahr steht also, in Prozenten der Gestorbenen gerechnet, weit unter dem Landesmittel und ist im Oberamt Mergentheim namentlich auch in den nächstfolgenden Perioden des 2–7., 8–14. und 15–20. Lebensjahrs eine geringere, während sie im Oberamt Tuttlingen das Landesmittel beträchtlich übersteigt. Dagegen erscheint die Sterblichkeitsziffer des Oberamts Mergentheim bei den sämmtlichen folgenden Altersperioden beträchtlich höher, als die des Landes und des Oberamts Tuttlingen.

Die Prozentzahl der im 1. Lebensjahr gestorbenen Lebendgeborenen berechnet sich

in
Württemberg
im Oberamt
Tuttlingen
im Oberamt
Mergentheim
für die Periode 1812–66 auf 33,99 31,37 24,71
für die Periode 1871–77 auf 32,31 33,86 21,18
die Prozentzahl der im 2.–15. Lebensjahr gestorb.
      Lebendgeborenen betrug von 1871 bis 1877
09,01 10,04 09,32
| Die Kindersterblichkeit des Oberamtsbezirks bewegt sich dabei nach der dem folgenden Abschnitt beigegebenen Übersicht, worin der ganze Gang der Bevölkerung in den 7 Jahren 1871/77 auch für die einzelnen Gemeinden dargestellt ist, in diesen zwischen 10,51% der Lebendgeborenen in Frauenthal (O.-Z. 1) und 30,71% in Schmerbach (O.-Z. 48.)

Daß die Erhebung über die Meeresfläche unmittelbaren Einfluß äußere auf die Kindersterblichkeit, ist nach den in dieser Übersicht beigesetzten Höhenzahlen hier ebensowenig anzunehmen, als dies bei dem jüngst beschriebenen Oberamtsbezirk Tuttlingen geschehen konnte. Denn die Höhenlagen sämmtlicher 48 Ortschaften bewegen sich zwischen 204 m bei Edelfingen und 461 m bei Blumweiler; unter den 16 Gemeinden mit höchster Kindersterblichkeit (bei OZ. 33–48) ist aber nicht blos Blumweiler begriffen, sondern auch Igersheim, welches bei einer Höhe von 220 m über dem Meere den niedersten Ortslagen sehr nahe kommt, und auch die übrigen Gemeinden mit großer Kindersterblichkeit haben eine sehr verschiedene Höhenlage von 237–426 m über dem Meere.

Dagegen sind unter denjenigen 16 Gemeinden, wo bei O.-Z. 33–48 die höchste Kindersterblichkeit des Bezirks von 23,18 bis 30,71% aller Lebendgeborenen auftritt, 12 begriffen, welche innerhalb der Ordnungsziffern 1–16 und 33–48 entweder eine sehr niedere oder eine sehr hohe Zahl Geborener aufweisen, und nur 4, welchen in dieser Beziehung eine mittlere Ordnungs- und Verhältniszahl zukommt.

Eine niedere Zahl Geborene haben nemlich die 6 Gemeinden Adolzhausen, Hachtel, Harthausen, Igersheim, Markelsheim, Herbsthausen, eine hohe die 6 Gemeinden Bernsfelden, Apfelbach, Stuppach, Neuseß, Haagen und Schmerbach, eine mittlere endlich die 4 Gemeinden Reinsbronn, Landenbach, Oberrimbach und Blumweiler; alle bei verhältnismäßig größter Kindersterblichkeit[33].

Im Ganzen aber ist die Kindersterblichkeit gerade im Oberamtsbezirk Mergentheim in Vergleichung mit den übrigen Oberämtern des Landes bei OZ. 2 eine äußerst geringe. | Ebenso ist sie in der natürlichen Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“, zu welcher Mergentheim gehört, in Vergleichung mit den übrigen 10 Bezirksgruppen, die für Württemberg geringste[34], obgleich sie in Vergleichung mit den Durchschnitten anderer Gegenden und Länder noch keineswegs zu den niederen gehört.

Über die Ursache dieser relativ geringen Kindersterblichkeit im Oberamt Mergentheim ist in dem für das Jahr 1867 erstatteten Bericht des Oberamtsphysikats Folgendes enthalten:

„Die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahr bleibt sich hier alljährlich ziemlich gleich, beträgt in diesem Jahr 219, das Verhältnis zu den Lebend-Geborenen stellt sich daher auf 23%. Wie schon öfters erwähnt, herrscht auch in dieser Gegend Frankens noch die natürliche gute Sitte der Mütter, ihre Kinder selbst zu stillen. Nach den Tagebüchern der Hebammen sollen nur 13 Mütter nicht gestillt haben.“

Die Sitte des Stillens und Nichtstillens der Kinder steht aber nach anderen Berichten[35] in Wechselwirkung mit der geringeren und größeren Häufigkeit der Geburten, so daß mit dem Nichtstillen häufig eine größere aber scheinbare Fruchtbarkeit verbunden ist, mit dem Stillen aber nicht selten eine geringere Fruchtbarkeit und Zahl der Geburten, wie denn auch der Oberamtsbezirk Mergentheim sowohl als die ganze Bezirksgruppe XI, Hohenlohische Ebene, durch eine sehr geringe Zahl Geborener sich bemerklich machen (siehe oben S. 93)[36].

Andererseits geht diese geringe Fruchtbarkeit nach den vorliegenden statistischen Ziffern im Bezirk Mergentheim sowohl als in der Gruppe XI, „Hohenlohi’sche Ebene“, auch mit einer verhältnismäßig großen Prozentzahl in vorgerückterem Alter abgeschlossenen Ehen zusammen (s. oben S. 93). Da nun das vorgerücktere Lebensalter der Mütter sowohl einer relativ größeren Geburtenzahl als der Fähigkeit zum Stillen der Kinder entgegensteht, so ist hieraus die Erscheinung um so mehr erklärlich, daß eine größere Kindersterblichkeit nicht blos von sehr großer und scheinbarer Fruchtbarkeit begleitet ist, sondern auch mit sehr geringer Fruchtbarkeit sich verbinden kann.

| Im einen wie im andern Fall hängt dieselbe eng zusammen mit den Sitten der Bevölkerung bezüglich der frühzeitigen oder späteren Eingehung der Ehen und der Auferziehung der Kinder, welche wiederum hervorgehen aus den Grundlagen des Erwerbslebens. Denn, wo letztere nicht mehr soweit zureichen, daß die Bevölkerung das natürliche Bedürfnis der Vermehrung durch Ausbreitung und Gründung neuer Niederlassungen in angemessener Weise befriedigen kann, was von Württemberg im Allgemeinen gesagt werden kann, und wo deshalb die Gründung und Unterhaltung einer Familie schon eine schwierige Aufgabe ist, da äußert sich dieses Verhältnis theils durch die Unfruchtbarkeit später Ehen bei großer Kindersterblichkeit, theils durch die scheinbare Fruchtbarkeit und Kindersterblichkeit bei frühzeitigen Ehen, weil die Mütter bei anstrengender Arbeit vielfach von sorgfältiger Pflege der Kinder abgehalten werden.

Dies bewirkt sodann eine langsame Vermehrung oder einen Stillstand in der Bewegung der Bevölkerung und zugleich eine Schwächung des Bestandes derselben. Da nemlich unter solchen Verhältnissen meistens auch ein großer Theil des Geburtenüberschusses fremden Bevölkerungen zuwächst, so wird der Bestand der produktiven Altersklassen gegenüber der Zahl der unproduktiven Klassen jüngeren und höheren Alters geschwächt bei gleichzeitigem Vorherrschen des weiblichen Geschlechts. Dies ist in dem Jahrgang 1874 I, S. 231 und a. a. O. und 1876 IV, S. 188 ff., 230 ff. der Württembergischen Jahrbücher auch für Württemberg im Ganzen näher dargelegt worden.


5. Der natürliche Zuwachs durch den Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen und die wirkliche Zunahme.

In Übereinstimmung mit dem Vorstehenden ist daher auch der natürliche Zuwachs durch den Überschuß der Geburten über die Todesfälle in unserem Bezirk, wo bezüglich der Kindersterblichkeit noch günstigere Verhältnisse bestehen, vornehmlich wegen der geringen Anzahl Geborener, ein kleiner. Denn derselbe berechnet sich:

für
Württemberg
für die Oberamtsbezirke
Tuttlingen Mergentheim
1) in der Periode 1812/66 auf 0,81 0,91 0,55
2) in den 4 Jahren 1866/70 auf 1,02 1,21 0,84
3) in den 7 Jahren 1870/77 auf 1,24 1,10 1,25.
| Die Freiheit der Niederlassung, die Beseitigung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung, sowie die im Anfang der 1870er Jahre bestandenen wirthschaftlich günstigen Verhältnisse in vielen Zweigen des Erwerbslebens hatten, wie in Württemberg überhaupt, so auch im Oberamt Mergentheim eine Steigerung der Geburtenzahl und des Überschusses der Geburten über die Todesfälle zur Folge.

Im Durchschnitt der 65 Jahre 1812/77 beträgt der natürliche Zuwachs oder Überschuß der Geburten über die Todesfälle im Oberamt Mergentheim, wo die

Landwirthschaft den vorherrschenden Erwerbszweig bildet, per Jahr 0,64 %
während die wirkliche Vermehrung nach dem Durchschnitt der
     Jahre 1812/75 (s. oben S. 73) jährlich nur
0,25%
beträgt, so daß der Bevölkerung des Bezirks 0,39%

oder mehr als die Hälfte des ganzen Geburtsüberschusses nicht zugewachsen sind. Auf je 10.000 Personen haben also jährlich 39 entweder die Bevölkerung anderer Landestheile oder die des Auslandes vermehrt.

Die Auswanderung war namentlich in dem Decennium 1843/52 eine verhältnismäßig starke, so daß der Bezirk damals mit der O.-Z. 8 den meisten übrigen Bezirken vorangieng[37].

Das Gesamtergebnis des Ganges der Bevölkerung in unserem Bezirk, welcher bei späten Heirathen, geringer Geburtenzahl und geringer Kindersterblichkeit nur eine geringe Zunahme zeigt, ist also in dieser Beziehung ein noch ungünstigeres als das des Oberamtsbezirks Tuttlingen, wo bei früheren Heirathen und größerem Geburtenüberschuß nur etwa ein Dritttheil des letzteren der Bevölkerung nicht zugewachsen ist.

Im Ganzen zeigt der seit 1812 erhobene Gang der Bevölkerung in beiden Bezirken, daß sowohl in solchen Gegenden, wo bei verhältnismäßig noch nicht weitgehender Theilung des Grundbesitzes die Landwirthschaft als ausschließlicher Erwerbszweig vorherrscht, als in Bezirken, wo bei viel weiter gehender Theilung ein namhafter Gewerbebetrieb besteht, der vielfach mit der Landwirthschaft verbunden ist, die wirthschaftlichen Grundlagen und Bedingungen fehlen, um den natürlichen Zuwachs der Bevölkerung in der Heimat selbst unterbringen zu können.

| Hiedurch wird aber das alles auch im Einzelnen bestätigt, was Württ. Jahrb. 1874, I. Heft, S. 1 ff., und 1876 IV, S. 230, bei Untersuchung der württembergischen Bevölkerungsverhältnisse im allgemeinen sich ergeben hat.

Schließlich ist noch bezüglich des Geburtenüberschusses der einzelnen Gemeinden des Bezirks zu bemerken, daß nach der beigegebenen Tabelle, welche den Gang der Bevölkerung für die Jahre 1871/77 darstellt, (siehe S. 105–109) unter den 16 Gemeinden mit größter Kindersterblichkeit die Hälfte, also 8, zugleich unter denen begriffen sind, welche innerhalb der Ordnungszahlen 33–48 den geringsten natürlichen Zuwachs aufweisen, daß weitere 5 einen mittleren Zuwachs haben, 3 dagegen, nemlich Apfelbach, Haagen und Schmerbach, solche sind, welchen, ungeachtet ihrer großen Kindersterblichkeit, wegen der sehr hohen Geburtenzahl von 5,05, 6,65 und 4,45 auf 100 Einwohner zugleich bei O.-Z. 5, 1 und 11 ein hoher Geburtenüberschuß von 1,93, 3,81 und 1,63 zur Seite steht.


6. Weitere Angaben über Alter und Geschlecht der Bevölkerung und besondere Gebrechen.

Vergleicht man in der beigegebenen Tabelle die Anfüllung der Altersklassen mit dem Landesmittel, zunächst in größeren Abtheilungen, so ist bei den 1–15jährigen sowohl nach der Zählung von 1861 als nach derjenigen von 1875 eine erhebliche Abweichung gegenüber dem Landesmittel nicht zu erkennen, wogegen die Altersklassen vom 16–40. Jahr und von über 40 Jahren nach beiden Zählungen eine etwas stärkere Differenz zeigen, erstere indem sie hinter dem Landesmittel zurückstehen, letztere indem sie dasselbe übertreffen.

Namentlich tritt bei der Zählung von 1861 eine größere Anfüllung der Altersklassen bei den 51–80jährigen oder den 1782–1811 Geborenen und auch 1875 noch eine solche bei den 61–80jährigen oder den 1796–1815 Geborenen hervor, was auf eine größere Bevölkerungszunahme in jenen früheren Jahren hinweist, welche auch aus anderen Vergleichungen sich als wahrscheinlich ergeben hat, (vergl. Jahrgang 1876 der Württemb. Jahrbücher IV. Heft S. 134).

Umgekehrt bleiben 1861 mit Ausnahme der Altersklassen der 26–30jährigen oder der 1832–36 Geborenen, welche |
Es entfallen auf je 10.000 Einwohner nach der Zählung vom
3. Dezember 1861 1. Dezember 1875
Personen im Oberamt
Mergentheim
in
Württemberg
Personen im Oberamt
Mergentheim
in
Württemberg
im Alter
von Jahren
geboren
in den
Jahren
im Alter
von Jahren
geboren
in den
Jahren
1– 5 1861–57 1235 1261 1– 5 1875–71 1343 1334
6–10 56–52 1011 939 6–10 70–66 1133 1145
11–15 51–47 984 1028 11–15 65–61 981 982
3230 3228 3457 3461
16–20 1846–42 1035 1090 16–20 1860–56 870 856
21–25 41–37 810 910 21–25 55–51 805 721
26–30 36–32 726 718 26–30 50–46 694 752
31–40 31–22 1242 1244 31–40 45–36 1320 1426
3813 3962 3689 3755
41–50 21–12 1073 1100 41–50 35–26 1041 1031
51–60 11–02 999 944 51–60 25-16 838 864
61–70 01–1792 623 535 61–70 15–06 640 600
71–80 1791–82 232 199 71–80 05–1796 301 252
81–90 81–72 29 31 81–90 1795–86 32 36
über 90 71 u. früher 1 1 über 90 85 u. früher 2 1
2957 2810 2854 2784
10.000 10.000 10.000 10.000

nur unbedeutend stärker erscheint als im Landesmittel, die sämtlichen Altersklassen der 11–50jährigen, bestehend aus den 1812–51 Geborenen, hinter dem Landesmittel zurück. Da

(Fortsetzung Seite 110.)
|
Übersicht über die Bewegung der Bevölkerung in den Gemeinden des Oberamtsbezirkes Mergentheim
nach den Aufnahmen für die Jahre 1871–1877.

[Teil 1]

Gemeinden Erhe-
bung
über
der
Meeres-
fläche
O.-Z. Durch-
schnitt-
liche
Ein-
wohner-
zahl
Es beträgt die durchschnittliche
Anzahl der
Trau-
ungen
Gebo-
renen
inklus.
Todtge-
borene
Todt-
gebo-
renen
Lebend-
gebo-
renen
Gestor-
benen
inklus.
Todtge-
borene
im 1.
Lebensjahr
verstorbenen
Lebendge-
borenen
1 2 3 4 5 6 7 8 9
01. Mergentheim Meter
205
47 3867,0 38,57 124,29 5,17 118,71 101,43 26,71
02. Adolzhausen 391 9 322,0 3,13 11,29 0,29 11,02 7,71 2,57
03. Althausen 267 36 537,5 5,56 16,14 0,43 15,70 11,57 2,43
04. Apfelbach 264 37 458,5 4,57 23,14 0,29 22,85 14,29 6,14
0 5. Archshofen 283 31 627,0 6,00 25,57 1,00 24,57 15,86 3,57
0 6. Bernsfelden 321 22 346,0 2,29 15,29 0,14 15,15 10,43 3,86
07. Blumweiler 461 1 557,0 0,77 20,57 0,86 19,71 15,00 5,57
08. Crainthal 272 34 160,5 0,51 7,71 1,00 6,17 5,71 1,43
09. Creglingen 277 32 1279,5 11,71 54,00 3,14 50,86 34,43 9,14
10. Deubach 274 33 199,5 1,57 6,13 0,29 6,14 4,57 1,14
11. Edelfingen 204 48 1152,5 8,71 46,00 2,29 43,71 27,86 8,14
12. Elpersheim 223 44 837,0 7,43 36,43 1,29 35,14 26,43 6,14
13. Finsterlohr 422 5 462,5 5,56 13,29 0,57 12,72 8,14 2,29
14. Frauenthal 331 19 299,5 2,00 11,14 0,29 10,85 6,00 1,14
15. Freudenbach 362 14 540,0 4,86 23,71 0,29 23,42 14,14 4,14
16. Haagen 262 38 146,0 0,29 9,71 9,71 4,14 2,86
17. Hachtel 307 25 362,5 1,71 12,43 0,14 12,29 8,00 3,00
18. Harthausen 330 20 434,5 2,14 15,43 0,57 14,86 12,29 3,71
19. Herbsthausen 423 4 245,5 1,43 7,57 7,57 6,57 2,14
20. Herrenzimmern 285 30 254,0 0,43 8,86 0,14 8,72 5,57 1,29
21. Honsbronn 383 11 264,0 0,29 11,29 0,43 10,86 6,71 1,86
22. Igersheim 220 45 996,0 6,00 34,00 0,86 33,14 24,71 8,57
23. Laudenbach 270 35 1033,5 11,57 41,86 1,43 40,43 29,00 11,14
24. Löffelstelzen 354 15 404,0 2,57 13,43 0,71 12,72 8,57 2,14
25. Markelsheim 237 42 1423,5 9,00 49,29 2,29 47,00 35,71 12,29
26. Münster 314 23 507,5 4,86 18,43 0,43 18,00 12,11 3,00
27. Nassau 257 39 653,0 7,29 26,87 0,43 26,44 16,29 5,29
28. Neubronn 379 12 400,0 2,29 15,14 1,29 13,85 9,00 2,57
29. Neunkirchen 219 46 381,0 2,57 17,71 0,57 17,14 8,57 3,14
30. Neuseß 337 18 268,5 1,71 11,71 1,00 10,71 8,29 3,14
31. Niederrimbach 299 26 389,0 2,57 14,57 0,29 14,28 9,14 2,86
32. Oberrirnbach 414 6 354,0 4,14 13,43 1,14 12,29 11,14 3,43
33. Pfitzingen 367 13 285,5 4,29 10,86 10,86 6,43 1,71
34. Queckbronn 342 16 200,0 0,14 6,86 0,29 6,57 4,00 1,00
35. Reinsbronn 314 24 584,5 4,57 23,43 1,86 21,57 16,29 5,00
36. Rengershausen 296 27 504,5 4,29 24,57 0,43 24,14 16,00 4,43
37. Rinderfeld 437 2 493,0 5,43 15,57 0,43 15,14 8,29 2,29
38. Roth 402 7 460,0 2,43 18,86 0,43 18,43 9,29 2,86
39. Rüsselhausen 384 10 224,5 1,86 10,86 0,43 10,43 7,29 2,29
40. Schäftersheim 241 41 571,5 6,14 25,71 1,71 24,00 17,43 4,14
41. Schmerbach 426 3 289,0 2,57 12,86 0,29 12,57 8,14 3,86
42. Simmringen 337 17 121,0 0,14 3,57 0,29 3,28 2,00 0,43
43. Stuppach 288 29 658,5 4,43 29,00 1,29 27,71 19,29 7,86
44. Vorbachzimmern 289 28 688,5 7,57 31,86 0,86 31,00 16,43 4,43
45. Wachbach 252 40 967,0 9,71 40,86 0,86 40,00 26,43 8,43
46. Waldmannshofen 324 21 475,5 2,71 14,29 0,43 13,86 9,57 3,00
47. Weikersheim 229 43 1772,0 18,00 68,86 1,86 67,00 55,00 15,29
48. Wermutshausen 399 8 429,0 3,71 17,14 0,57 16,57 9,86 2,86
     Im ganzen Oberamt 28.886,5 242,43 1111,87 41,43 1070,44 751,14 226,71
[WS-Anmerkung: Die ausgewiesenen Endsummen weichen geringfügig von der Summe der Einzelposten ab.] | [Teil 2]
Gemeinden Es kommen auf 100 Einwohner Es kommen im ersten
Lebensjahr Gestorbene
Geborene
inklus. Todt-
geborene
O.-Z. Gestorbene
inklus. Todt-
geborene
O.-Z. mehr Ge-
borene
als Ge-
storbene
O.-Z. auf 100
Lebend-
geborene
O.-Z. Auf 100
Gestorbene
exklusive
Todt-
geborene
O.-Z.
10 11 12 13 14
01. Mergentheim 3,21 42 2,62 27 0,59 47 22,50 31 27,86 13
02. Adolzhausen 3,51 34 2,39 18 1,12 36 23,36 34 34,64 35
03.Althausen 3,00 46 2,16 9 0,85 43 15,47 8 21,81 2
04. Apfelbach 5,05 2 3,12 43 1,93 5 26,87 40 43,86 46
0 5. Archshofen 4,08 20 2,53 25 1,55 15 14,53 4 24,02 4
0 6. Bernsfelden 4,42 10 3,01 39 1,41 24 25,48 37 37,51 39
07. Blumweiler 3,69 31 2,69 30 1,00 38 28,26 43 39,39 42
08. Crainthal 4,80 5 3,56 48 1,24 29 21,31 28 30,36 22
09. Creglingen 4,22 17 2,69 31 1,53 18 17,97 18 29,21 18
10. Deubach 3,22 41 2,29 15 0,93 41 18,57 23 26,64 10
11. Edelfingen 3,99 24 2,42 21 1,57 14 18,62 24 31,83 25
12. Elpersheim 4,35 14 3,16 45 1,19 35 17,47 16 24,42 5
13. Finsterlohr 2,87 48 1,76 3 1,11 37 18,00 19 30,25 21
14. Frauenthal 3,72 30 2,00 4 1,72 8 10,51 1 19,96 1
15. Freudenbach 4,39 12 2,62 28 1,77 6 17,68 17 29,89 20
16. Haagen 6,65 1 2,84 37 3,81 1 29,45 47 69,08 48
17. Hachtel 3,43 37 2,21 11 1,22 32 24,41 35 38,17 40
18. Harthausen 3,55 33 2,83 36 0,72 45 24,97 36 31,06 24
19. Herbsthausen 3,03 44 2,68 29 0,40 48 28,27 44 32,57 28
20. Herrenzimmern 3,49 35 2,19 10 1,30 26 14,79 5 23,76 3
21. Honsbronn 4,28 15 2,54 26 1,74 7 17,13 13 29,62 19
22. Igersheim 3,41 39 2,48 22 0,93 42 25,86 38 35,93 37
23. Laudenbach 4,05 21 2,81 34 1,24 30 27,55 41 40,41 43
24. Löffelstelzen 3,32 40 2,12 8 1,20 34 16,82 12 27,23 12
25. Markelsheim 3,46 36 2,51 24 0,95 40 26,15 39 36,77 38
26. Münster 3,63 32 2,39 19 1,24 31 16,67 11 25,62 7
27. Nassau 4,11 18 2,49 23 1,62 12 20,01 25 33,35 32
28. Neubronn 3,79 27 2,25 12 1,54 17 18,56 22 33,33 31
29. Neunkirchen 4,65 6 2,25 13 2,40 2 18,32 20 39,25 41
30. Neuseß 4,36 13 3,09 41 1,27 28 29,32 46 43,07 44
31. Niederrimbach 3,75 29 2,35 17 1,40 25 20,03 26 32,32 27
32. Oberrirnbach 3,79 28 3,15 44 0,64 46 27,91 42 34,30 34
33. Pfitzingen 3,80 26 2,25 14 1,55 16 15,75 10 26,59 9
34. Queckbronn 3,43 38 2,00 5 1,43 23 15,22 7 26,95 11
35. Reinsbronn 4,01 22 2,79 33 1,22 33 23,18 33 34,65 36
36. Rengershausen 4,87 3 3,17 46 1,70 9 18,35 21 28,45 14
37. Rinderfeld 3,16 43 1,68 2 1,48 20 15,13 6 29,13 17
38. Roth 4,10 19 2,02 7 2,08 4 15,52 9 32,28 26
39. Rüsselhausen 4,84 4 3,25 47 1,59 13 21,96 30 33,38 33
40. Schäftersheim 4,50 8 3,05 40 1,45 22 17,25 14 26,34 8
41. Schmerbach 4,45 9 2,82 35 1,63 11 30,71 48 49,17 47
42. Simmringen 2,95 47 1,65 1 1,30 27 13,11 2 25,15 6
43. Stuppach 4,40 11 2,93 38 1,47 21 28,37 45 43,67 45
44. Vorbachzimmern 4,63 7 2,39 20 2,24 3 14,29 3 28,45 15
45. Wachbach 4,23 16 2,73 32 1,50 19 21,08 27 32,97 30
46. Waldmannshofen 3,01 45 2,01 6 1,00[ER 3] 39 21,65 29 32,82 29
47. Weikersheim 3,89 25 3,10 42 0,79[ER 4] 44 22,82 32 28,77 16
48. Wermutshausen 4,00 23 2,30 16 1,70 10 17,26 15 30,79 23
Im ganzen Oberamt 3,85 2,60 1,25 21,18 31,94
| | | nun andererseits von den jüngeren Altersklassen gerade die 6–10jährigen oder die 1852–56 Geborenen in stärkerer Anzahl auftreten, so erscheint dieser Stand der Altersklassen insofern als eine Folge des Ganges der Bevölkerung, als in der Periode 1812–52 bei der relativ niederen Geburtsziffer und bei dem geringen Geburtsüberschuß auch die numerische Stärke der Altersklassen eine sehr hohe nicht werden konnte, wogegen auf der anderen Seite in der Zeit des allgemeinen Nothstandes von 1852–55 auch der Rückschlag im Geburtenüberschuß gerade beim Oberamt Mergentheim nur eine verhältnismäßig unbedeutende Abnahme der Bevölkerung herbeiführte[38].

Die Altersklassen der 1–5jährigen der Zählung von 1861 oder der 1857–61 Geborenen und die Altersklasse der 6–15jährigen von 1875 oder der 1861–70 Geborenen, bleiben bei der neuerer Zeit auch im Oberamtsbezirk Mergentheim gestiegenen Geburtenzahl nur wenig hinter dem Landesmittel zurück, und die der 1–5jährigen von 1875 oder der 1871–75 Geborenen steht sogar etwas über dem Landesmittel. Auch die Altersklassen der 16–25jährigen oder der 1851–60 Geborenen stehen bezüglich ihrer numerischen Stärke über dem Landesmittel, wahrscheinlich weil, wie oben bemerkt, der Rückgang der Bevölkerung beim Oberamt Mergentheim in den fünfziger Jahren ein geringerer war, als in den meisten übrigen Bezirken, wogegen die höheren Altersklassen vom 26–40. Jahr erheblich schwächer angefüllt sind.

Faßt man nach der Zählung von 1875 die noch nicht oder noch nicht vollständig produktiven Altersklassen der 1–20jährigen zusammen mit den nicht mehr oder nicht mehr vollständig produktiven über 60jährigen und stellt sie miteinander den 20–60jährigen gegenüber, so berechnet sich die Verhältniszahl der Personen in jüngeren und älteren Altersklassen auf 5302. Die Zahl der im mittleren Alter voller produktiver Thätigkeit Befindlichen ist 4698 und diese verhalten sich zu jenen somit wie 47:53[39]. Das Verhältnis der produktiven Altersklassen zu den noch nicht oder nicht mehr produktiven, welche vielfach der Unterstützung der ersteren bedürfen, ist also kein günstiges, indem letztere erheblich zahlreicher sind. Das weibliche Geschlecht herrscht dabei nach der Zählung von 1875 in den produktiven Klassen | bei 23.090 männlichen und 23.892 weiblichen Personen mit 3,47% oder in dem Verhältnis von 103,47 weiblichen auf 100 männliche Personen vor. Doch[ER 5] ist Mergentheim im Ganzen, d. h. alle Altersklassen zusammengenommen, noch einer derjenigen Bezirke, in welchen das weibliche Geschlecht nicht bedeutend überwiegt, denn nach dem Durchschnitt der sieben Volkszählungen von 1855–75 kamen im Oberamt Mergentheim auf 100 männliche Personen nur 103,68 weibliche, in Württemberg aber 107,32, im Oberamt Tuttlingen 105,55.

Schließlich ist noch der Zahl der Taubstummen und Blinden zu gedenken, welche sich nach den Zählungen von 1853, sowie der Geisteskranken, welche nach den Zählungen von 1853[40] und 1875[41] sich ergeben hat.

Hienach wurden gezählt

im
Oberamt
Mergentheim
O.-Z. im
Jagstkreis
in
Württemberg
auf je Einwohner
1) nach der Zählung von 1853
     1 Irre
     1 Kretine
1005
0648
37
36
1030
0353
0943
0484
      somit 1 Geisteskranker 0394 40 0263 0320
2) nach der Zählung von 1875
     1 Irre
     1 Idiot
0452
0651
32
39
0489
0407
0465
0482
      somit 1 Geisteskranker 0267 39 0222 0237
3) nach der Zählung von 1853
     1 Taubstummer
     1 Blinder
1215
1041
34
17
0824
1218
0962
1194
| Nachträgliche Berichtigung einiger Druckfehler in der jüngst vorangegangenen Beschreibung des Oberamts Tuttlingen:

1. Seite 114, Spalte 2 der Tabelle lies nach 41–50 in Spalte 1
1. Seite 114, anstatt „121–128“ „21–12“.

2. Seite 114, Spalte 5 „Personen geboren in den Jahren“. Hier
1. Seite 114, wurden anstatt der Geburtsjahre der Bevölkerung von
1. Seite 114, 1875 diejenigen für den Bevölkerungsstand von 1871 eingesetzt.
1. Seite 114, Sämtliche Zahlen sind daher um 4 zu erhöhen.

3. Seite 115, Zeile 11 lies anstatt „wahrscheinlich“ wahrscheinlich auch.

4. Seite 115, Zeile 9 von oben lies anstatt „diese letztere Altersklasse“
1. Seite 114, „die Altersklasse“.

5. Seite 115 Zeile 12 von oben: lies anstatt „1846–42“ 1850–1846“.


B. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.
Physisches.[42]

Die Bezirksangehörigen sind Nachkommen vom Stamme der Franken, und zwar der Ostfranken, wovon blos die wenigen aus andern Landestheilen Zugewanderten und die im Bezirk ansäßigen verhältnismäßig zahlreichen Israeliten auszunehmen sind.

Die Hauptbeschäftigung der Bewohner ist Ackerbau, Viehzucht und Kleingewerbe. Fabriken sind, die erst vor ein paar Jahren in Mergentheim entstandene Bembé’sche Parketbodenfabrik abgerechnet, keine vorhanden. Mit Ausnahme der Oberamtsstadt Mergentheim treiben fast durchgängig die Handwerker nebenbei auch Feld- und Gemüsebau, und nicht nur diese, auch vielfach die Kaufleute, selbstverständlich die Wirthe.

Die Einwohner sind meist seßhafte Leute; es ist wenig Trieb vorhanden auszuwandern oder anderswo in größerer Entfernung sich niederzulassen. Sowohl beim Groß- und Kleinbauren als beim Handwerker übernehmen die Kinder, oder eines derselben das väterliche Gut oder Geschäft.

Die Bevölkerung selbst ist arbeitsam, streb- und sparsam, oft auf Kosten des körperlichen Gedeihens, und ist dies besonders der Fall beim Kleinbauern und Handwerker, und theilen sich hier beide Geschlechter gemeinschaftlich, redlich und mit unverdrossenem Fleiß in die oft schwere und mühsame Haus- und Feldarbeit.

| Die Lebensweise ist durchschnittlich eine einfache und nüchterne. Die Nahrung besteht aus Suppen, Kartoffeln, Milch, Mehlspeisen, Gemüsen und Fleisch. Das letztere ist bei der bäuerlichen Bevölkerung vorwiegend Schweinefleisch (aus dem eigenen Stall), das aber doch nur 2–3mal in der Woche auf den Tisch kommt. Die Bewohner der drei Städte Mergentheim, Weikersheim, Creglingen, sowie zum Theil einzelner größerer Dörfer genießen täglich Rindfleisch, während dieses selbst beim vermöglichen Großbauern die seltene Ausnahme bildet, bei manchen der letztern nur an der „Kirwe“ (Kirchweih), „Niederfallen“ (Erntefest), an einzelnen Festtagen und bei feierlichen Gelegenheiten auf den Tisch kommt. – Als Getränk der Männer und Arbeiter dient vorzugsweise das Bier, der Wein geringerer Jahrgänge, der Tresterwein der bessern Jahrgänge und Obstmost; Branntweingenuß ist verhältnismäßig selten; das weibliche Geschlecht hält etwas auf Kaffee. Die Bewohner der viel wohlhabenderen Höhenorte leben besser, als die weniger gut, oft dürftig situirten Thalbewohner; der Taglöhner des Großbauern hat oft einen bessern Tisch als der Häcker im Thal; fällt diesem ein Schwein, so hat er 1/2 Jahr lang eben gar kein Fleisch; Milch, Kartoffeln, Brot und Suppen bilden die Hauptnahrung, der nur zum Theil die Eier des Hühnerstalls zugesetzt werden. Es gibt sich denn auch dieses Verhältnis in der kräftigeren körperlichen Erscheinung der Höhenbewohner zu erkennen, doch ist hierauf auch die bessere frischere Luft der Hochebene mit von Einfluß. Der Menschenschlag ist ein mittlerer. – Ohne daß man ihn besonders kräftig nennen kann, ist er ausdauernd und zäh, und man begreift oft nicht, welch’ schwere Feldarbeiten anhaltend fortgesetzt die meist ziemlich hager in die Erscheinung tretenden Persönlichkeiten zu verrichten im Stande und zu thun gewohnt sind. Vielfach wird hier schon an den Kindern dadurch gesündigt, daß sie viel zu frühe zu verhältnismäßig schweren bäuerlichen Arbeiten, Dreschen etc. angehalten werden, und deshalb eine kräftige stämmige Bauernjugend, besonders des männlichen Geschlechts, ziemlich selten zum Vorschein kommt. Dennoch erreicht die Mehrzahl ein höheres, selbst ein hohes Alter, wie denn fast 15 Prozent der Bevölkerung über 70 Jahre alt werden, und in den auf der Plateauhöhe der Tauber gelegenen Orten verhältnismäßig rüstige Personen mit 80 Jahren und darüber nicht selten sind. – Die Schädelform der Bewohner ist vorherrschend germanisch dolichocephal, im Gegensatz zu | den Mischformen des größern Theils von Württemberg. Was die Farbe der Augen und Haare anbetrifft, so wird das „braun“ wohl das häufigste sein.

Die Körpergröße der Rekruten war in den 12 Jahren 1853–65 etwas über dem Mittel des Landes überhaupt; Ende der 60er Jahre stieg sie auf 5’ 8" 3’" mit der Ordnungsziffer 18 unter den 64 Oberämtern. – Unterm Meß waren nur 5% – und in Betreff der Tüchtigkeit zum Kriegsdienst hatte das Oberamt in den genannten 12 Jahren mit 49% tüchtigen von 64 Oberämtern die 27. Stelle, und was die wenigsten Untüchtigen betrifft die 13te; (von den 14 Oberämtern des Kreises die 5te). – In den Jahren 1866 und 67 sind die Verhältnisse noch günstiger gewesen, indem der Bezirk nur 39% resp. 37% Untaugliche (mit der Ordnungsziffer 8) hatte.

Ausmusterungsgründe waren: Körperschwäche, Unterleibsbrüche, Plattfüße, Krampfadern, Mißbildung des Brustkorbs, vorspringender Kehlkopf – sehr selten aber Scropheln und Kropf.

Die Geburts- und Sterblichkeitsverhältnisse anlangend ergibt eine 12jährige Durchschnittsberechnung (1860–72 incl.) Folgendes:

Nimmt man die Einwohnerzahl auf durchschnittlich rund 28.000 an, so ergibt dies von jährlich durchschnittlich 812 Gestorbenen 2,86% der Bevölkerung; hievon starben schon im ersten Lebensjahr 239=24,26%, unter diesen mehr als die Hälfte im ersten Vierteljahr. Dagegen sind von 812 Gestorbenen über 70 Jahr alt 120=14,7% und wurden ärztlich behandelt 510=61,4% durchschnittlich starben jährlich Personen männlichen Geschlechts mehr als weiblichen 28. –

Geboren wurden von 974 Müttern 990 Kinder 3,15% der Bevölkerung, (unter den letzten durchschnittlich 27 Knaben mehr als Mädchen).

Unter diesen Geburten sind jährlich 15 Zwillingsgeburten.

Drillinge kamen in dieser 12jährigen Periode zweimal vor.

Der Überschuß der Geborenen über die Zahl der Gestorbenen beträgt 178 jährlich.

Auf 100 lebendig Geborene kommen 4,24% Todtgeborene; zieht man diese von der Gesammtzahl der im ersten Lebensjahr gestorbenen Kinder ab, so ergibt sich eine Kindersterblichkeit | im ersten Lebensjahr von nur –:∙ 19,9%, wodurch sich der Bezirk rühmlich vor andern, ja vor dem ganzen Lande auszeichnet. (Siehe übrigens auch oben S. 97 ff.)

Künstlich entbunden wurden im ganzen Oberamtsbezirk 6,1% der Gebärenden.

Selbstmordfälle waren es in den letzten 20 Jahren –:∙ 45, also 2,25% per Jahr, und 0,48 aller Gestorbenen.

Von den Selbstmördern haben sich erhängt 18
ersäuft 14
den Hals abgeschnitten 04
erschossen 04
aus Häusern herabgestürzt 03
vergiftet 01
erstochen (ein Metzger) 01


Von diesen 45 Selbstmördern waren Säufer 05
litten an Krankheiten oder Geistesstörungen 18
waren Verbrecher (Furcht vor Strafe, Scham über die
Aussicht auf dieselbe)
03
schlechte Haushalter (Schulden, häuslicher Unfrieden) 05
Lebensüberdrüssige 07
Geizhälse 01
Unbekannt war die Ursache bei 06
45

Was die Gesundheitsverhältnisse anbelangt, so sind endemische Übel gar nicht vorhanden, und von Epidemien ist außer den gewöhnlich wie überall von Zeit zu Zeit auftretenden Kinderkrankheiten (Masern, Scharlach, Keuchhusten) nichts von Belang zu verzeichnen.

Kretinen sind fast keine bekannt; Kropfige, Blinde und Taubstumme nur selten vorkommend; Syphilis ist sehr selten, unter der ländlichen Bevölkerung so gut wie gar nicht vorhanden; Scrophulose und Kropf im Ganzen selten; häufiger Tuberculose, Krebs, Gicht, Rheuma und in dessen Gefolge Herzkrankheiten, die auch sonst nicht selten sind; Typhus einigemal in kleinen Epidemien, meist nur sporadisch d. h. vereinzelt und selten, etwas häufiger gastrische Fieber; dagegen fehlt Wechselfieber fast ganz; Cholera gar nicht, Pocken und Ruhr sehr selten vorkommend, ebenso sind selten fallende Krankheit oder Veitstanz | etc. Von Steinkrankheit sind dem Verfasser dieses in Summa drei Fälle bekannt.

Von den acuten Krankheiten sind häufiger: die schon angeführten gastrischen Fieber, besonders aber Entzündungen der Respirationsorgane: des Halses, der Lungen, des Brustfells, auch des Herzbeutels; Bauchfellentzündungen, hitziges Gliederweh werden auch oft beobachtet, und Hirnentzündung bei Kindern.

Unter den chronischen Krankheiten sind das Lungenemphysem, organische Herzfehler, Leberaffectionen vorherrschend, besonders häufig die schlimmeren Magenleiden (Verhärtungen).

Unterleibsbrüche und Vorfälle sind häufig durch schweres Arbeiten und Tragen von Lasten; Kropf, soweit er vorkommt, entsteht zum größern Theil auch aus dieser Ursache. Schlaganfälle nicht häufiger als anderswo. Hautkrankheiten selten.

Geisteskrankheiten sind nicht häufig (0,68 auf 1000 Einwohner); aus dem Bezirk sind zur Zeit in den einzelnen Anstalten des Landes untergebracht 4 Idioten, 19 Geisteskranke.

Sinn für Reinlichkeit und den Werth der Ventilation der Wohnungen dürfte immer noch viel mehr sich einstellen! –



Soll auch über den Charakter des Volks etwas gesagt werden, so ist daran zu erinnern, daß die Einwohner des Bezirks Mergentheim im Allgemeinen dem fränkischen, genauer dem ostfränkischen Stamm angehören; der Versuch einer Schilderung derselben wird sich daher am besten auf eine Zusammenfassung von alten und neuen Stimmen über den fränkischen Stammescharakter überhaupt stützen.

Was man heute noch Franken nennt, ist so wenig wie die heutigen „Schwaben“ ein einziger, durch allen Wechsel rein erhaltener Stamm. Franken war ein blos politischer Name, welchen verschiedene, zum Theil mächtige Völkerschaften führten. Aber während die Mehrzahl derselben bei veränderten Verhältnissen die Benennung wieder fallen ließen, hat sich diese bis auf unsere Tage erhalten für die verschiedenen, früher theilweise zu den Thüringern gehörigen Stämme, deren Länderbezirk von 1500 bis 1806 den fränkischen Kreis des heiligen römischen Reichs ausmachte (Schmeller, Bayer. Wörterbuch. 2. A. 1, 823).

Den Namen der Franken hat man schon in alter Zeit mit frech und frei in Verbindung gebracht (Schmeller a. a. O.) und noch Jakob Grimm erklärt dies im Wörterbuch (4, 157) für das Natürlichste, so daß „Franken die Selbständigen, Unabhängigen wären“. Schmeller citirt allerlei Tadel- und Spottreden über die Franken, wie solche in alter und theilweise auch in neuerer Zeit unter den deutschen Stämmen allgemein üblich waren, unter Anderem:

| Zum Freund magst du den Franken haben, zum Nachbar aber nicht.

Diesen für uns – meint der treffliche Altbaier – sehr wahren Spruch, bietet schon Probst Konrad von Lichtenau († 1240) in der Ursperger Chronik. Schmeller führt weiter an: Johann Böhm von Aub, De omnium gentium ritibus 1520: Insolens gens est superbaque, multum sibi arrogans, multum praesumens alias nationes contemnit cavillisque adeo plerumque prosequitur, ut qui cum ea morantur nisi lingua prodat patriam suam non dicant (ein ungeberdiges, übermüthiges, sich viel einbildendes Volk, das andere verachtet und verspottet, daß Fremde, die unter ihnen leben, ihre Herkunft nicht gestehen, wenn die Sprache sie nicht verräth). Dann ein nicht eben feines Sprüchlein, eingeschrieben in Sigmund Meisterleins Chronik:

Doch ist ain Sprichwort,
Die Swaben seyen von hohem Stamm,
Sie sch... ain Rayger ab ainem Paum
Nider auf die Erden bey dem Reyn,
Davon die Schwaben kommen sein.
Und von der Swaben Stanck
Sindt kommen die Franck,
Und aus der Francken Ayr
Sindt kommen die unsaubern Payr.

Dieser Spruch, bemerkt der Münchner Benediktiner Aurbacher (Volksbüchlein, 2. A. 1835, II. 345) lebt noch in der mündlichen Tradition fort, obgleich in verstümmelter Fassung:

Es sch – drei Schwaben
In einem Graben
Und aus der Schwaben Stank
Entstund der windige Frank
Und aus des Francken Ei’r
Entstund der flackische Bai’r.

Aus dem 16. Jahrhundert fanden wir ferner bei dem Geographen Sebastian Münster (Cosmographia univ. 1550 p. 653) die Sätze: „Die Bewohner Frankens unterscheiden sich im Äußern (habitu et corpore) in Nichts von den übrigen Deutschen. Sie sind sehr arbeitsam, mit dem Weinbau beschäftigen sich auch die Weiber, Niemand geht müßig. Der Wein wird wegen der Armut der Bevölkerung meist verkauft, die Leute selber trinken Wasser, verachten das Bier und lassen es ungern einführen.“

Aus neuerer Zeit genüge es, folgende Stimmen hier zu sammeln, Ed. Fentsch in einer umfassenden Schilderung von des Volkes Eigenwesen im bayerischen Unterfranken (Bavaria 4, 227 ff.) sagt u. A.: „Im Allgemeinen ist der Franke von mittlerer Statur, mäßig gedrungen, vorwiegend schlank. Klugheit und Gewecktheit spricht aus seiner Miene. Hübscher Gesichtsbildung begegnen wir häufig unter den fränkischen Mädchen, deren Mariengesichtchen schon Karl Jul. Weber, der feine | Beobachter, zu rühmen wußte. Dagegen leidet im Würzburgischen der Hüftenbau des weiblichen Geschlechts unter der schweren Last der Kerben und Butten, welche durchweg auf dem Rücken getragen werden. Namentlich in den Häckerorten wird bei der Zurichtung der Wingerte wie bei der Weinlese der Rücken der Arbeiterin hart mitgenommen. Der Franke ist lebenslustig, heiter, jovial – ein Weinländer trotz seiner zunehmenden Vorliebe für einen kühlen Trunk Braunbiers. Dem Südbayern, den er mehr noch zu übersehen meint, als er ihn wirklich übersieht, ist er weniger leicht zugänglich. Hat er aber das Vorurtheil verwunden, so folgt er seiner natürlichen Anlage, wird zutraulich und mittheilsam, ohne jedoch seinem Anrechte auf ein entsprechendes Maß von Mißtrauen zu entsagen, wie es der gesammten Bauernschaft des heiligen deutsch-römischen Reichs zusteht. Obwohl geweckter als sein Landsmann in Altbayern, ist er doch neuen Ideen gleich schwer zugänglich, in gewisser Beziehung vielleicht noch schwerer, da er für seine Ansicht Gründe aufzufinden weiß. Es fehlt ihm nicht an einer Deduktionsgewandtheit, aber seine Schlüsse formen sich nicht immer nach logischen Gesetzen. Darin liegt wohl auch der Grund, warum der fränkische Bauer sich prozeßsüchtig muß schelten lassen. Er will „sein Racht han“, und wenn’s ihn Haus und Hof kostet oder sein Nachbar darüber zu Grunde geht. Diesen Widerspruch zwischen offenem Kopf und Befangenheit kündet er auch auf religiösem Gebiet an. Er ist freisinnig und bigott je zur Halbscheid und huldigt dem Formendienst in einem Maße, welches nur der Fuldaer überbietet. Der Franke besitzt einen achtungswerthen Grad von Selbstgefühl und Nationalstolz. Es ist, als klänge einem jeden das Wort Ulrichs von Hutten aus dem Munde: Omnis Franco nobilis. Sein Land geht ihm über alles Land, und die Erde trägt kein zweites Würzburg. Er hebt den Kopf nicht nur über den Südländer, sondern selbst über den stammverwandten Rheinfranken.

Wir guten Franken,
Wir loben und danken.
Daß wir nicht sein
Wie die Groben am Rhein.

Der Kurmainzer vergilt diese Meinungsäußerung hinwieder mit dem Sprüchlein:

Die Franken und das böse Geld
Führt der Teufel durch die ganze Welt.“

Über die württembergischen Franken insbesondere urtheilt G. Rümelin (Das Königreich Württemberg. 1863. S. 420): „Dem Schwaben gegenüber fallen an dem württembergischen Franken die gefälligeren Umgangsformen, die weichere und fließendere Rede, die größere Gewandtheit und Lenksamkeit leicht ins Auge. Seiner Geselligkeit ist ein leichterer und fröhlicherer Ton eigen. Es haben sich mehr eigenthümliche Sitten und Gebräuche erhalten, als im Schwabenlande. Kirchlicher Sinn ist dem Franken in gleichem Maße beizulegen, wie dem Schwaben. Die evangelische Kirche hat jedoch daselbst noch reichere Kultusformen und mehr Eigenthümlichkeiten. Der Pietismus und das Sektenwesen sind | weniger vertreten. In theologischen Kreisen hat man schon den Gegensatz des Augustinismus und Pelagianismus mit dem Unterschiede der altwürttembergischen und fränkischen Frömmigkeit in Parallele gestellt, ob mit Recht oder Unrecht, müssen wir dahin gestellt sein lassen.“ Von unbefangenen Stimmen aus dem Bezirk Mergentheim selbst mögen einige hier eine Stelle finden. Zur Charakteristik der Bewohner der Stadt Mergentheim finden wir in einer größeren handschriftlichen Arbeit des langjährigen Oberamtsarztes Dr. Bauer († 1836) Folgendes: „Milde zeichnete die Deutschordische Regierung, wenigstens in den letzten Zeiten, besonders aus. Der hohe Orden hatte viele, zum Theil reiche Besitzungen, hatte meist nur für eigene, wenig für fremde Bedürfnisse zu sorgen, genoß seine Einkünfte und ließ sie genießen, lebte und ließ seine Beamten und Unterthanen leben. So war es denn auch jeder Klasse der Bürger gegeben, auf eine leichte Weise begütert und wohlhabend zu werden. Durch den leichten Erwerb aber, verbunden mit dem glänzenden, nicht selten üppigen Beispiel von oben, erzeugte sich ein Hang zur Gemächlichkeit, zum Wohlleben und Luxus, unter einem Theil des Volks Armut und Bettelei, genährt durch die verhältnismäßig vielen und reichen Stiftungen und Versorgungsanstalten. Dem Sohne des Staatsdieners war es nicht schwer zu Amt und Würden zu gelangen, wenn er nur den schon gebahnten Weg zu gehen oder auch zu schleichen sich nicht scheute. Daher wurde der Sinn für Wissenschaft und Kunst eher vernachläßigt als geweckt.“ (Siehe übrigens die Angaben über namhafte Söhne des Bezirks in der Ortsbeschreibung). „Erworben aber wurden Schliff im Äußern, Gewandtheit des Benehmens, freundliche Manieren im Umgang etc.“ Von den Stimmen aus unseren Tagen glaubt eine von den Landbewohnern des Bezirks im Allgemeinen Fleiß und Sparsamkeit, welche letztere sich bei den Alten in Bedürfnislosigkeit gegenüber den häuslichen Bequemlichkeiten, bei den Jungen in reger Betheiligung an der öffentlichen Sparkasse zeige, ganz besonders aber kirchlichen Sinn und freundliche Höflichkeit auch gegen Fremde rühmen zu dürfen; auch fehle es nicht am Sinn für Reinlichkeit und Sauberkeit an Leib und Kleidung; man treffe in den Schulen keine barfüßigen, ungekämmten und ungewaschenen Kinder mit zerrissenen Kleidern etc. Eine andere Stimme urtheilt über die bäuerliche Bevölkerung eines der wohlhabenden Gäuorte: Es ist ein kräftiger, bildungsfähiger Menschenschlag (vgl. Bavaria 4, 209: Stämmige breitschultrige Gestalten sind | diese Söhne des Gaulandes; langsamen, schwerfälligen Schritts gehen sie einher, denn im zähen Lehmboden läßt sichs schwer vorwärts kommen; auch die Frauen, korpulent und breithüftig, haben eine vorwärts gebeugte Haltung, plumpen Gang von der Gewohnheit, schwere Lasten Futters auf dem Rücken zu tragen; kleiner und schmächtiger sind die Bewohner in den Thaleinschnitten der Flüsse, wo die Häcker und Handwerker vorwiegend sind etc.) – Leute, die, weil eine gewisse Wohlhabenheit herrscht, auch etwas auf sich und von sich halten. Es thut sich dies kund in der Reinlichkeit der Ortsstraßen, im freundlichen Anstrich der nicht selten zweistockigen Häuser (der Bezirk ist der gebäudereichste im ganzen Land Württ. Jahrb. 1879 S. 128) an deren Fenstern vielfach wohlgepflegte Blumen prangen; es zeigt sich weiter in der Kleidung und namentlich auch im Benehmen. Ein echter Gäubauer ist stolz darauf, in der Gesellschaft anständig und höflich zu sein. Auch die Protestanten sind fleißige Kirchgänger; die Hausgebete Morgens, Abends und bei Tisch, meistens sehr umfangreich, werden gewöhnlich von allen Hausangehörigen im Chor gesprochen. Charakteristisch ist ein zähes Festhalten am Althergebrachten; der Neuerungssucht gegenüber vernimmt man gar häufig den Ruf: ’s it ma Latti sou gwa! (es ist mein Lebtag so gewesen). Kein Kauf und Tausch ja selbst wenige Eheverlöbnisse können ohne israelitische Mitwirkung zu Stande kommen. – Endlich geben wir dem Verfasser der obigen Beschreibung der körperlichen Eigenschaften der Bezirksbewohner das Wort.

Der Charakter des Volkes ist gut, ruhig, friedliebend und fest am Hergebrachten hängend. Neuerungen werden meist nur scheu und vorsichtig aufgenommen. Im Allgemeinen sind die Bewohner, entsprechend dem Grundzug der Franken, gegenüber dem Schwaben lebhafter, gewandter, aber oberflächlicher im Urtheil und weniger stabil in der Überzeugung, aufmerksam und höflich gegen Fremde, freundlich, bescheiden, gefällig, zuvorkommend (in abgeschlossenen Ortschaften schüchtern), daneben weichherzig, mitleidig und wohlthätig, leicht zu Freude und Trauer hinzureißen.

Hinter dem freundlichen Gesicht steckt aber nicht immer Wahrheit und die Rede dient öfters zum Verbergen der Gedanken und steigert sich dieses Wesen bei Manchen bis zur Verschmitztheit, besonders im Handel und Wandel und bei Ausführung dieser oder jener Pläne. Pfiffig sein und auch auf nicht | ganz gerade Weise, wenn es nur nicht an förmlichen Betrug streift, einen Vortheil erringen, gilt nicht als Unehre; mancher findet seinen Stolz darin, als ein solcher Schlaumaier zu gelten; diese Abgeschlagenheit ist zum guten Theil wohl auch durch den vielen Umgang mit Juden veranlaßt, die bei dem Bauern durchaus eine bedeutende Rolle spielen, diesem aber doch gar nicht immer gewachsen sind und sich viel von ihm gefallen lassen müssen.

Die religiöse Anschauung ist frei und tolerant; die Gemüthstiefe des Schwaben ist zwar nicht zu finden, aber doch ist das Volk christlich-religiös gesinnt, für Excentrisches oder Mystisches freilich nicht empfänglich, wie denn Pietismus oder sonstiges Sektirerwesen keinen Boden findet, ohne daß jedoch hiedurch Kirchenbesuch und Achtung vor geistlichem und weltlichem Amt Noth litte. Im Gegentheil, besonders vor Oberamt und Oberamtsgericht besteht eine ziemlich heilsame Scheu; weniger ist dies der Fall gegenüber der Polizei, mit kleinen Ausschreitungen dieser gegenüber wird es nicht besonders genau genommen. Querulanten gibt es wie überall, eigentliche Verbrechen sind verhältnismäßig selten. Aberglauben existirt immer noch einigermaßen. Fleischliche Verirrung wird nicht zu hart beurtheilt, wenn sie keine Folgen hat, sogar mild; die ledigen Burschen der bäuerlichen Bevölkerung haben häufig ihren Schatz, den sie auch meist heiraten, wenn einmal die Alten das „Sach“, resp. den Hof abgeben. In dieser Beziehung herrscht vom Großbauer bis zum Häcker herab der feste Brauch, daß kein Gut oder Anwesen getheilt wird (Majoratssystem). Eines der Kinder, und nicht immer der älteste Sohn, bekommt das Ganze um einen meist ziemlich billigen Anschlag, zu einer Zeit, wenn es den Alten gerade paßt, oder wenn das betreffende Kind gerade eine gute Partie machen kann. Vermögen, freie Wohnung und ein Leibgeding oder freie Verköstigung wird sich von den Alten vorbehalten, die Geschwiester werden mit Geld abgefertigt und müssen sehen, wie sie später an- resp. unterkommen, und gibt es deswegen keinen Streit oder Neid; man weiß es nicht anders und hält nach wie vor gut zusammen. Vorhandene Schulden können freilich auch ab und zu dann Disharmonie erzeugen, im Ganzen aber verdankt man dieser Einrichtung den Fortbestand größerer Bauernhöfe und unter den Kleinbauern und Häckern noch einen passabeln mittleren Wohlstand.

Unter den Nachbarn besteht meist ein gutes Verhältnis; man hilft sich gegenseitig gern aus und auch der Reichere versagt | seinem etwa geringeren Nachbar nicht leicht einen Freundschaftsdienst, namentlich in Krankheitsfällen, beim Bauen etc., es schmeichelt seinem Stolze und der andere Theil lobt ihn dafür.

Freude hat die bäuerliche Bevölkerung an ihrem Besitz und sucht diesen, Vieh, Pferde, Äcker, Wagen und Geschirr, Hof und Haus nach Kräften zu mehren, der Kuhbauer trachtet Ochsenbauer und dieser „Gaulsbauer“ zu werden. Meist ist die Scheuer stattlicher, als das Wohnhaus. An diesen findet man da und dort hübsche Sprüche, z. B.:

Es ist auf Erden keine bessere List,
Als wer seiner Zunge ein Meister ist.
Viel wissen, wenig sagen,
Nicht antworten auf alle Fragen.
Einen jeden sein lassen, wer er ist,
So wirst auch du bleiben, wer du bist.


Alle die hier vorübergehen, fahren oder reiten,
Denen geb Gott Glück zu allen Zeiten.


Was du redest das sei wahr,
Was du kaufst, das zahle baar,
Was du ißst, das sei gar,
Und was du liebst, das sei rar.

Der Großbauer hat eine gewisse Passion für schöne Pferde, Geschirr und Chaise, die das Bernerwägele meist verdrängt hat; auch ist er ein Freund der Jagd, welcher aber auch oft von weniger Begüterten gehuldigt wird.

Von Volksgebräuchen hat sich gerade nicht besonders viel erhalten.

Bei Kindtaufen, Hochzeiten und in der Neujahrsnacht wird geschossen wie anderwärts; Kegelspiel, Tanz und Gesang dagegen wird fleißig gepflegt, namentlich zeigt sich die Sangeslust gern bei jeder passenden Gelegenheit, bei den angeführten Familienfesten, an sonstigen geselligen Zusammenkünften, besonders aber an der „Kirwe“, an welcher mehrere Tage lustig und nicht immer sittlich gelebt wird.

Unter den vielen Liedern spielt das Lob des Bauernstands eine besondere Rolle, z. B.: |

1. Ich bin halt ein fröhlicher Bauer auf dem Lande
     Und ich schaffe die Arbeit mit eigener Hande,
     Und von meinem Fleiß kommt ja her die Speis,
     Sie ernährt die Jungen sammt dem alten Greis.
 Und ich bin halt ein fröhlicher Bauer
 auf dem Lande.

2. Meine Frau und meine Kinder, die stehn mir zur Seiten,
     Sie thun mir bisweilen die Zeiten vertreiben.
     Bruder Musikus, schöner Mädchen Kuß,
     Unsere Lustbarkeit bringt uns kein Verdruß.
 Und ich bin halt etc.

3. Warum ist der Bauer vom Städter verachtet?
     Dieweil er das Saatkorn des Bauern nicht achtet
     Und von seim Fleiß kommt ja her die Speis,
     Sie ernährt die Jungen sammt dem alten Greis.
 Und ich bin halt etc.

4. Sind müd von der Arbeit und matt meine Glieder,
     So schmeckt mir die Ruhe und ich lege mich nieder,
     Und so hör ich doch was die Wachtel spricht
     Und du hätt’st mich gern und du kriegst mich nicht.
 Und ich bin halt etc.

5. Kommen auch aus der Stadt feine Herren gelaufen
     Und sagen, ich solle vom Juden nichts kaufen:
     Was der Schmule spricht, wie er dreht sein Gsicht,
     Einen fränkischen Bauer, den betrügt er nicht![43]
 Und ich bin halt etc.

Bei den Hochzeiten der Wohlhabenden geht es immer noch meist ziemlich hoch her. Zwei oder drei Tage vor der Hochzeit schon ist der „Einzug“ in das künftige Haus der jungen Leute mit dem stattlich aufgeputzten Brautwagen, der die Möbel und Hausrath der Braut bringt, vorn hoch oben sitzen die „Schmellerinnen“, d. h. Brautjungfern, mit einem Spinnrocken, hinten auf dem Wagen ist die Wiege; das Brautpaar fährt in bekränzter Chaise voraus oder hintennach, und wie schon der „Heiratstag“ d. h. der Verlobungstag – von welchem an die eheliche Verbindung als legal gilt – mit einem flotten Schmaus gefeiert | wurde, so dauert dann die Festlichkeit meist bei Gesang und Tanz wieder ein paar Tage, wobei reichlich aufgetragen, oder auch an Nachbarn und Arme reichlich ausgetheilt wird.

Bei Todesfällen gehen hinter dem Sarge zunächst die männlichen leidtragenden Anverwandten, welchen dann die die Leiche begleitenden Mannspersonen überhaupt folgen; in gleicher Anordnung kommt dann das weibliche Geschlecht. Nach der Leiche ist der sog. Leichentrunk, der bei den Wohlhabenden gerne größere Dimensionen annimmt und wobei außer den geladenen Verwandten die Nachbarn ebenso gerne, wie dies in anderer Beziehung schon angeführt, kräftig aushelfen, d. h. meist weinselig und mit einem ordentlichen Bündel „Leichenwecken“ versehen, spät das Trauerhaus verlassen.

Die Volkstracht ist, wie dies meist anderwärts auch der Fall, immer mehr in Abnahme gekommen.

Reiche einzelne Beiträge zur Charakteristik der Einwohner des Bezirks, besonders ihrer Lebensweise und ihrer Sitten, wird unten der Abschnitt: Mundart, II. Wortschatz bringen.



Volkssagen.[44] Von den bekannten Volkssagensammlern Ernst Meier (Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben 1852) und A. Birlinger (Volksthümliches aus Schwaben, 2 Bde., 1861 f. und Aus Schwaben, 2 Bde., 1874) hat nur der erstere unser Frankenland und den Bezirk Mergentheim ein wenig gestreift, und auch der Franke und Bezirksangehörige † Ottmar Schönhuth weiß in seinen 5 Bänden, „Burgen, Klöster, Kirchen Württembergs mit ihren Geschichten, Sagen und Mährchen“ nur wenig aus unserm Bezirke zu melden.

Die aus Birlinger entlehnten Sagen sind in der nachfolgenden Zusammenstellung mit B, die aus Schönhuth genommenen mit Sch. bezeichnet. Die übrigen sind mir theils mündlich, theils schriftlich von Bezirksangehörigen, namentlich von den Herrn Pfarrer Hartmann in Nassau und Schullehrer Ebert in Münster mitgetheilt worden, und tragen jene die Bezeichnung Mündl., diese Schr.

| Fangen wir mit den in die altgermanische Zeit zurückreichenden Sagen an, so sind zunächst einige vom „Wilden Heer“ zu verzeichnen.


1. Sage vom wilden Heer bei Mergentheim.

Wenn das wilde Heer im Anzuge ist, hört man’s schon am Lärmen von weiter Ferne. Es läßt sich nieder beim sogenannten heiligen Kreuz, nicht weit von Mergentheim, Stuppach zu. Da wird Raths gepflogen, eine Anzahl Jäger mit gellendem Hurrah und fürchterlichem Hundegebell ist da. Im Nu ziehts wieder fort. Man muß, wenn’s einem nichts anhaben soll, den Athem anhalten und auf den Boden liegen. (B. I, Nr. 44.)


2. Das wilde Heer bei Nassau.

Zwischen Nassau und Schäftersheim standen früher zwei uralte, mächtige Weidenbäume, zwischen denen der Fußweg, der durch die Wiese geht, hindurchführt. Dort überrascht den Wanderer oftmals „’s wüethe Heer“, das mit allerlei Stimmen von Thieren, Pfeifen und Kreischen, Lärmen, Toben, Getrappel sein Kommen und seine Nähe ankündigt. Wehe dem, der hier dem wilden Heer begegnet, ihm werden die Augen ausgekratzt, er wird zu Boden geworfen und ihm der Kopf gar übel zerschlagen. Wer aber die Sache weiß und den Ansturm des wilden Heeres merkt, der legt sich platt auf den Boden und das Heer rauscht über ihn hin durch die Lüfte, ohne ihm zu schaden. (Schr.)

Mit der Sage vom „wilden Heer“ hängen wohl die Sagen vom „Reiter ohne Kopf“ und von „Geistergäulen“ zusammen.


3. Der Schimmelreiter in Mergentheim.

Im sogenannten Waisenhausgäßle in Mergentheim, das hüben und drüben von Gärten gebildet wird, läßt sich von Zeit zu Zeit, besonders gerne zur Adventszeit, ein Schimmelreiter sehen; er trägt seinen Kopf unter dem Arm. Schimmelreiter ist Kinderschrecken. (B. I, Nr. 28.)


4. Der Muschgerschreiber (Musketierschreiber) oder der Reiter auf der Schleifsteige bei Münster u. A.

Von der Thalstraße zwischen Münster und Lichtel führt da, wo die Waldschlucht „Zeisersklinge“ ins Thal einmündet, eine Steige die Schmerbacher Halde hinan, genannt die „Schleifsteige“. An derselben steht ohngefähr in halber Höhe der Halde ein ganz vermoostes, steinernes Kreuz.

Einst soll ein Rothenburger Musketierschreiber, der die nahe Landhege, die Waldgrenzen, die kleinen Garnisonen etc. zu beaufsichtigen hatte, diese Steige, welche Rothenburger- und Münsterer Waldbesitz scheidet, heruntergeritten und an der Stelle des Kreuzes abgeworfen worden sein. Das Pferd habe ihn geschleift und sei – im Thale angekommen | gekommen – Lichtel zu gesprungen, bald aber in einen Wiesensumpf gerathen und versunken. Den Musketierschreiber habe man todt gefunden.

Seitdem heißt diese Steige die „Schleifsteige“, der nun ziemlich trocken gelegte, doch immer noch ersichtliche Sumpf, sowie die ganze Wiese aber der „Muschkerschreiber“, und ist es in dieser Gegend nicht geheuer, da nächtliche Wanderer schon zum öftern durch einen Reiter in Schrecken versetzt worden sind. (Schr.)

Im Hölzle auf Markung Neunkirchen ist früher oft ein mit grünem Rock bekleideter Mann ohne Kopf, zuweilen zu Pferd, gesehen worden. Aber auch von einer Reiterin weiß der Sagenschatz des Bezirks zu erzählen:


5. Die reitende Gräfin.

Auf der Grenze zwischen Nassauer-, Strüther- und Riedenheimer Markung liegt das sogenannte Schänzle, ein hochgelegener, freier Platz, auf welchem einst nach der Sage das Schloß oder die Burg eines Grafen stand. Der Graf hatte eine Tochter, das schönste Fräulein weit und breit, der es eben darum an Brautwerbern nicht fehlte. Aber sie war ebenso stolz als schön und wies daher alle, auch die wohlgemeintesten Anträge zurück und manch edler Grafen- und Fürstensohn zog enttäuscht und erbittert, wohl gar gebrochenen Herzens seinen Weg heim. Bald aber kam keiner mehr und die stolze Tochter sah sich allein und verzehrte in Sehnsucht ihr Leben. Da ritt sie oftmals den Burgweg hinab und ritt wohl stundenweit hinaus, von unbefriedigter Sehnsucht getrieben, bis der Tod sie von der Qual ihres Daseins befreite. Aber auch da fand sie keine Ruhe. Allnächtlich steigt sie zu Pferde und reitet den Weg entlang, der vom Schloß hinab über die Nassauer und Harthäuser Markung nach Unterbalbach führt, um zu suchen und nicht zu finden. Wenn da ein harmloser Wanderer des Weges kommt oder geht, so darf er sicher sein, daß er von der nächtlichen Reiterin vom Wege abgeführt und irre geleitet wird. Das Schloß ist zerfallen und von der Erde verschwunden, wer aber am rechten Orte graben würde, der müßte die reichen Schätze finden, die dem Grafen gehört hatten. (Schr.)


6. Der Geistergaul bei Nassau.

Am Rombergweg, der von der Schäftersheimer Straße über den Bach und das ganze Thal herüber führt, auf Nassauer Markung hört man ganz nahe vor oder hinter sich ein Pferd traben, ohne es zu sehen. Hat das Pferd den Romberg erreicht, so hört der Hufschlag auf, das Pferd scheint am Ziele angekommen zu sein. (Schr.)

Auch andere geisterhafte Thiere machten einen Theil der Bezirksbewohner gruseln, so


7. Schwarze Hunde.
Wo jetzt das K’sche Haus in Nassau steht, stand vor Alters eine Scheuer, die ein reicher Bauer gebaut hatte. Weil er aber nicht nur reich sondern auch geizig war, so gab er dem Maurer nicht ganz den bedungenen Lohn. Dieser, entrüstet über den Bauern, machte ein großes Loch in einen Stein der Mauer und schwur einen Geist hinein und | schloß das Loch mit einem Zapfen. Nun mußte der Geist im Hause bleiben und dem treulosen Bauern die Ruhe rauben, so lange der Stein im Hause war. Ein schwarzer, böser Hund gieng durch das Haus und oft auch durch die ganze Straße, wo er die Nachtwächter auf ihrem Gange gerne verfolgte, so lange das Haus in Sicht war. (Schr.)

In der Nähe des Judenbegräbnisses von Weikersheim längs der Markungsgrenze zwischen Honsbronn und Weikersheim wird nächtlicherweile bald ein schwarzer Pudel auf- und abrennend, bald ein Fräulein schlanken Wuchses („um die Taille so dünn wie ein Ofenrohr“) mit einem schief sitzenden Hütlein auf dem Kopf und mit einer Ruthe oder Reitgerte in der Hand und mit derselben im Hin- und Hergehen in regelmäßigem Wechsel das einemal nach oben und das anderemal nach unten hin herum fuchtelnd, gesehen. (Mündl.)


8. Das geisterhafte Kalb in Mergentheim.

Zur Zeit, wenn es brennen oder eine Hungersnoth oder Pest geben soll, durchzieht seit Altersher ein feuerroth Kalb die sogenannte Ochsengasse in Mergentheim mit furchtbarem Gebrülle. Man will es früher in Mergentheim öfters gesehen und gehört haben. B. I, 170.

Freilich die gegenwärtige Generation verhält sich ganz ungläubig gegen diese Sage; denn vor den letzten Bränden ließ sich das Kalb weder blicken noch hören.


9. Geister, Kobolde, feurige Männer.

Zwischen Nassau und Schäftersheim, wo der Fußweg über die Wiese die Böschung hinauf steil auf die Straße führt, begegnet der von Weikersheim oder Schäftersheim heimkehrende Biedermann häufig einem gefährlichen Geist, der ihm den Weg sperrt und ihn die Böschung herauf auf die Straße nicht will kommen lassen. Meist wirft er ihn wieder die Böschung hinab, ja oft ist er erst zufrieden, wenn er ihn gar in den Bach geworfen hat. Der gefährliche Weg ist jetzt verboten. (Schr.)


10. Der Stützensch..... bei Edelfingen.

In Edelfingen weiß man von einem Kobold „Stützensch..... genannt, weil er das Trinkwasser in den Stützen (hölzernen, innen ausgepichten Trinkgefässen), auch den Most in den Butten verunreinigt.

Wenn man von der Tauberbrücke zwischen dem Ort und dem Bahnhof gegen die linke mit Wald bewachsene Thalwand ruft „Stützensch....., so kommt er, setzt sich dem Rufer auf den Rücken und zwingt denselben, ihn bis ins Dorf zu tragen, wo der Träger sich plötzlich wieder lastfrei fühlt. (Mündl.)


11. Feurige Männer.

Am Romberg auf der Höhe (Westen) und im Spießle (Osten) bei Nassau sieht man zwei feurige Männer, die sich hieher und dorthin bewegen, zusammen gehen und sich wieder trennen, oft auch gegen einander fechten. Wer ihnen nachgeht, wird irre geführt. (Schr.)

| Ähnliche Sagen von feurigen Männern finden sich fast in allen Orten des Bezirks, z. B. auf der Markung des Weilers Burgstall bei Finsterlohr, innerhalb des gewaltigen Ringwalls, gehen feurige Männlein um; beim Lohrhof (M. Frauenthal) geistet ein feuriger Mann auf dem Grubenberg, ein weiterer auf dem Börzel[ER 6]bei Simmringen. Unterhalb des „Schlößle“, eines Grabhügels (M. Althausen) zeigt sich das „Blauhösele“, Männlein mit blauen Hosen.

Doch auch von guten Geistern hat der Bezirk seine Sagen und von denselben beglückte Häuser und Orte.


12. Klopfer.

a) In der Mühlwöhrgasse zu Mergentheim steht ein großes, stattliches Haus, gibts ein gutes Weinjahr, so hört man im Keller und im oberen Hausraum das „Klopferle“.

b) Auch im Spitalkeller in Mergentheim läßt er sich an Weihnachten vor einem guten Weinjahr hören. Ja im Jahre 1861 noch wußten alte Leute von 2 Klopfern zu erzählen, die im Spitalkeller in Mergentheim existiren sollen, von einem grauen und einem schwarzen. Im Advent lassen sie sich hören, gleich Abends nach der Betglocke. Sie schlagen auf die Fässer mit silbernen Hämmerlein. Sie sollen nicht blos ein gutes Weinjahr anklopfen, sondern auch deswegen sich hören lassen, weil in der Spitalkirche keine hl. Messe mehr gelesen wird.

Die Klopfer, die man auch schon in der Karwoche hörte, sind boshaft, werfen Gemüse in Schüsseln und Tellern im Keller um. (B. I, Nr. 69.)


13. ’s schwarz Mannle in Elpersheim.

Eine ähnliche Sage geht in Elpersheim von einem schwarzen Zwerg (’s schwarz Mannle), der sich, wenn’s ein gutes Weinjahr gibt, vom Tauberberg her bis über die Brücke herüber zeigt.

Einer will ihn vor etwa 10 Jahren auf seinem nächtlichen Heimwege deutlich gesehen haben; er sei vom sogenannten Waschstein an der Brücke gegen die untere Mühle zischend an ihm vorbeigesurrt und etwa 3 Fuß hoch gewesen. (Mündl.)


14. Der Fraalesbrunn (Fräuleinsbrunnen) bei Münster.

Im Thale zwischen Münster und Lichtel entspringt der „Lägerbronnen“ aus einem ziemlich tiefen Wasserkessel, dem „Fraalesbrunnen“ der am Waldtrauf der „Lichtler Halde“ auf der linken Thalseite liegt.

Diesem Wasserkessel sollen vor Alters nächtlicherweile gewisse „Wasserfräulein“ entstiegen und öfters zum Vorsitz in des „Wolfen Haus“, äußerstes Haus von Münster, gekommen sein, wo sie mit den Mädchen und Buben des Dorfes gesungen und getanzt, auch am Spielen sich betheiligt haben. Gewöhnlich wurden sie dann eine Strecke weit begleitet. Einmal aber dauerte der Vorsitz länger als gewöhnlich und die Fräulein jammerten und klagten auf dem Rückweg: „wenn sie zu spät kämen, träfe sie Unglück und würden sie nie, nie mehr kommen. Man werde das sofort daran erkennen, wenn nach ihrem Untertauchen das Wasser sich blutig färbe“. Die ganze Gesellschaft gieng diesmal bis zum Brunnen mit und nach bewegtem Abschiede | tauchten die Fräulein unter. Da plötzlich wallte das Wasser blutig gefärbt auf, und niemals mehr hat man etwas von den „Wasserfräulein“ gesehen. (Schr.)


15. Die drei weißen Fräulein.

Bei der Hundskirche, einer kleinen Kapelle bei Blumweiler, von der vor 4–5 Jahrzehnten noch einige Baureste, darunter auch ein steinerner Altar, vorhanden waren, während jetzt an ihrer Stelle ein Steinbruch angelegt ist, haben sich in früheren Zeiten öfters „drei weiße Fräulein“ sehen lassen. (Schr.)


16. Goldregen beim Achtuhrläuten.

In der Elpersheimer Kirche regnet es während der Adventszeit beim nächtlichen Achtuhrläuten Goldstaub, der aber, wenn der Meßner Licht anzündet, um ihn zu sammeln, verschwindet. (Mündl. Der Goldstaub ist natürlich das leuchtende Wurmmehl, das beim Läuten aus den Glockenseilbüchsen herabfällt.)

Dieses Achtuhrläuten findet in mehreren Orten des Bezirkes während der Wintermonate statt, so in Weikersheim von Michaelis an bis Mariä Verkündigung und in Elpersheim vom 3. Oktobersonntag, dem Kirchweihsonntag, bis Palmsonntag, früher auch in Creglingen, und soll ihm die Sage vom verirrten Edelfräulein zu Grunde liegen. Die Sage lautet zum Beispiel in Creglingen:


17. Das Nachtglöcklein in Creglingen.

An der Tauberbrücke zu Creglingen stand bis 1874 ein hoher Thorthurm, der wohl ein gleiches Alter wie die Herrgottskirche haben mochte. In seinem oberen Stocke befand sich ein Uhrwerk mit einer helltönenden Glocke. Diese wurde Winters von Martini bis Lichtmeß Abends 8 Uhr 10 Minuten lang geläutet.

An diese Glocke, das sogenannte „Nachtglöcklein“, knüpft sich folgende Sage:

Einst in rauhen Wintertagen gieng eine Jungfrau durch den oberen Taubergrund. Sie verspätete sich und es wurde Nacht. Die Schneeflocken fielen so dicht, daß sie bald keine Spur mehr von einem Wege unterscheiden konnte. Da rief sie voll Zagen und Bangen: „erscheint denn Niemand, der mir den Weg zeige und mich rette aus dieser Noth?“ Aber keines Menschen Stimme gab ihrem Rufe Antwort. Der Wintersturm wehte fort und die Wellen der Tauber erbrausten immer wilder. Zitternd und bebend kniete sie nieder auf den schneebedeckten Boden und flehte zum Himmel: „Ach erbarme dich, himmlischer Vater, und zeige mir die rechte Bahn, auf daß ich Rettung finde!“ Kaum hatte sie so gesprochen – horch, eines Glöckleins Ton klang silberhelle in ihr Ohr und dem folgend, kam sie auf den richtigen Weg. Voll Dankes gegen Gott, der sie aus so großer Angst und Noth errettet, gelobte sie, zu stiften ein Geläute, dessen Klang der Pilger höre, wenn er wandle in dieser Gegend und Nacht und Unwetter ihn ereile.

Und dieses Gelöbnis erfüllte sie durch Stiftung eines Glöckleins im alten unteren Thorthurm Creglingen. (Sch. II, S. 133.)

| Im Jahre 1874 wurde der Thurm abgebrochen und das Glöcklein aufs Rathhaus übergehängt, wo es seither modernen Zwecken als „Steuerglöcklein“ dient.

Eine ähnliche Sage ist die


18. Vom Lichtlein auf der Höhe.

Einst in winterlicher Zeit verirrte sich Herr Götz von Hohenlohe, von Weidmannslust getrieben, in den tiefen Waldungen, die sich gegen das obere Tauberthal hin erstrecken. Bald fand er keine Spur mehr zur Rückkehr; denn die Nacht brach herein, und der Sturmwind tobte schauerlich durch die Wipfel der 100jährigen Eichen. Da plötzlich, als ob es der Himmel ihm gesendet hätte, erblickte er auf steiler Felsenhöhe oberhalb des Münsterthales ein Lichtlein, das sich ihm mehrmals zeigte. Mit beflügeltem Schritt und voll Hoffnung eilte er dem Lichtlein zu. Bald kamen ihm zwei Wanderer entgegen, die ihn freundlich grüßten und auf den rechten Weg leiteten.

Götz aber ließ zum Dank gegen den Helfer in Nöthen auf der Höhe über dem Thale, wo ihm das Lichtlein zuerst erschienen war, eine Burg bauen. In ihrem Thurm mußte von nun an in der Nacht ein Lichtlein brennen, das nach allen vier Seiten hinleuchtete, um für jedermänniglich, der etwa in der Nacht in dieser Gegend den Weg verfehlen möchte, ein Leitstern zu sein. An die Burg bauten sich bald die Hintersaßen an und es entstand das Dorf Lichtel, zunächst an der Burg aber war das Kirchlein angebaut.

Herr Götz von Hohenlohe soll oft hinüber in dieses Kirchlein gewandelt sein, wann der Tag sich neigte und der Abend hereinbrach. Einmal suchte man den alten Herrn und fand ihn in der Kirche im Betstuhl, seine Augen gen Himmel gerichtet, aber sie waren im Tode gebrochen. Das ewige Licht hatte ihm geleuchtet zum Wege in die wahre Heimat.

Burg und Dorf hieß man Lichtel = Lichtthal, d. h. Licht über dem Thale. Im ganzen Bezirke sagen die Leute noch jetzt nicht „Lichtel“, sondern „Lichtle“. (Sch. II, S. 164.)


19. Der weiße Hirsch.
Graf Gebhard von Hohenlohe, genannt „vom Neuen Haus“, ein leidenschaftlicher Jäger, ritt am heiligen Christfest früh Morgens trotz der freundlichen Bitte seiner Gemahlin, der Frau Abelheid, mit ihr zuvor dem Rufe des eben zum Gottesdienst läutenden Glöckleins zu folgen, unter Hohnlachen rufend: „was Glöcklein, was Christfest! mögen andere für mich beten!“ auf die Jagd. Je ergiebiger die Jagdbeute wurde, um so weniger konnte der Graf satt werden an der Lust des Jagens. Da, als schon die Abendsonne ihre spärlichen Strahlen auf die Wälder herabsandte, ritt Gebhard ein wenig seitabwärts von seinen Genossen. Im Lichte der Abendsonne blinkte ihm hinter dem Gebüsche etwas Weißes entgegen, als er näher ritt, sprang ein Hirsch vor ihm auf, von blendend weißer Farbe, desgleichen er noch nie einen gesehen hatte. Schnell legte der Graf an, aber wie er den Bogen spannte und zielte, da war auf einmal der Hirsch spurlos verschwunden. | Schon wollte er unmuthig seinen Bogen sinken lassen – siehe da! in weiter Entfernung wieder etwas Weißes hinter dem Gebüsch, dann wieder ein Geräusch und derselbe Hirsch von blendender Weiße stand auf und huschte durch Gebüsch und Zweige. Wieder legte der Graf an und zielte, aber wieder war der Hirsch aus seinen Blicken verschwunden, um sich ihm dann plötzlich wieder in weiterer Entfernung zu zeigen.

Nach langer Verfolgung stieg er endlich völlig erschöpft von seinem abgehetzten Pferde und entdeckte zu seinem Schrecken, daß er ganz und gar vom Wege abgekommen war. Mißmuthig warf er sich nieder auf den eiskalten Boden und da er nichts hatte, seinen brennenden Durst zu stillen, so stieß er ins Hifthorn, doch der Klang verhallte ungehört von seinen ihren Herrn in ganz anderer Richtung suchenden Dienern.

Endlich erhob er seine erschöpften Glieder, um eine Quelle oder ein Bächlein aufzusuchen. Den Zügel des Pferdes in den Händen schleppte er sich immer weiter, aber er fand nichts, daran er sich hätte laben können. Wohl eine Stunde mochte er sich durch Dornen und Gesträuch, über Stock und Stein durchgerungen haben, da zeigte sich auf einmal wieder der weiße Hirsch. Doch nicht mehr hatte der Graf Lust, den Bogen zu spannen, dieweil er so oft geäfft worden war. Er gieng zu der Stelle, wo der Hirsch aufgesprungen war und siehe da, eine Quelle sprudelte daselbst. In dem Augenblick, da der Graf sich niederbeugte, um seinen trockenen Gaumen zu laben, hörte er aus der Ferne ein Glöcklein tönen. Er folgte dem Klange des Glöckleins längs einem Bächlein, das jener Quelle entsprang, und als dritter Wegführer glänzte vor ihm der weiße Hirsch, welcher jetzt wieder erschien und ihm treulich voranschritt. Auf einmal verschwand der Hirsch, und der Graf befand sich am Klösterlein der geistlichen Frauen zu Wachbach. Hier hatte man nach Mitternacht die Messe geläutet, um die Nonnen in den Chor zum Gebet zu versammeln. Gerne gaben ihm die geistlichen Frauen einen sichern Führer mit, der den Grafen wohlbehalten auf die Burg Neuhaus zurückbrachte.

Seit jenem Tag sah man den Grafen nie mehr wieder weder an einem Sonntag, noch gar an einem Festtag auf die Jagd reiten, um so fleißiger begleitete er seine Gemahlin in die Kapelle.

Aber auch der Nonnen zu Wachbach, von denen jenes leitende Glöcklein zu guter Stunde geläutet worden war, gedachte der Graf voll Dankbarkeit, er besuchte sie bald darauf mit Frau Adelheid, und beim Abschied legte er in die Hand der Priorin ein großes Pergament, darauf zierlich und deutlich geschrieben stand:

„All und jedmänniglich, so dies lesen, sei kund und zu wissen, daß ich Graf Eberhard von Hohenlohe, genannt vom Neuen Haus und mein ehelich Gemahl Frau Adelheid mit gutem Willen und wohlbedachtem Rath den ehrsamen geistlichen Frauen des Klosters zu Wachbach zu einem jährlichen Almosen vergebe: 36 Pf. Heller, 1 Malter Korn, 3 Malter Haber, 1 halbes Malter Käse, 4 Hühner etc. So gegeben auf Burg Neuhaus am St. Vinzentitag im Jahre 1282.“ (Sch. II, S. 43 ff.)

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20. Die heilige Hostie in Röttingen-Schäftersheim.

Gegen das Jahr 1300, vielleicht im Zusammenhang mit Erwartungen der Wiederkehr Jesu Christi am Ende des Jahrhunderts, herrschte in Franken weitum eine sehr aufgeregte Stimmung gegen die Juden. Es giengen verschiedentliche Gerüchte von getödteten Christenkindern, von Mißhandlung geweihter, durch Juden gestohlener, oder heimlich gekaufter Hostien, und der Unwille des Volks brach in Verfolgungen aus, zumal als ein ritterlicher Herr Namens Rindfleisch – nach Wibel ein „schlechter Bauer“ – als Prophet mit dem ihm angeblich von Gott gewordenen Beruf, die Juden zu vertilgen, aufstand.

Unter den Orten, an welchen es zu gewaltsamen Ausbrüchen kam, werden neben Würzburg und Nürnberg namentlich auch Rothenburg und Mergentheim genannt.

Manche jüdische Hausväter sollen sich mit Weib und Kindern in ihren Häusern verbrannt haben, damit nicht etwa ihre Angehörigen könnten gewaltsam getauft werden.

Einer Sage nach soll diese ganze Judenverfolgung an der Tauber in Röttingen, einem damals hohenlohischen, jetzt bayerischen Grenzstädtchen von circa 1500 Einwohnern, begonnen haben, wo ein Jude vom Kirchner (Meßner) eine Hostie gekauft, sie mit Nadeln durchstochen und in die Tauber geworfen, nach anderer Version im Mörser zerstoßen oder anderweitig zerstückelt und unter verschiedenen Judengemeinden vertheilt oder an verschiedenen Orten vergraben haben und deshalb mit dem Meßner verbrannt worden sein soll. Wibel I, 246 ff., Wirt. Franken 5, 370.

In der Hauptkirche zu Röttingen hängt ein Bild, – früher an der Wand neben der Kanzel, jetzt auf der anderen Seite an der Orgelempore, – auf welchem der Gang der Sage dargestellt ist.

Um ein Christusbild mit dem heiligen Brot in der Hand sind sechs kleinere Ovalbilder gruppirt, nemlich:

1. Der Kirchner, wie er in der Kirche dem Ciborium eine Hostie entnimmt.

2. Wie er sie gegen 10 Silberthaler an den Juden verkauft.

3. Ein Gemach, in welchem 3 Juden um einen Tisch sitzen, von denen der mittlere die Hostie mit Nadeln oder Messern durchsticht, während die beiden anderen, über das herausträufelnde Blut entsetzt, die Hände über den Köpfen zusammenschlagen und von ihren Stühlen aufspringen.

4. Der Jude wirft unter Entsetzen oder wohl auch mit einem Fluch die Hostie in die Tauber, deren Wellen die mit einem Strahlenkranz umgebene davon tragen.

5. Drei Prämonstratenser-Nonnen des Klosters Schäftersheim fangen die strahlenumglänzte Hostie mit dem unteren Theil ihres Skapuliers aus der Tauber auf.

6. Verbrennung des Juden und Kirchners auf dem Scheiterhaufen.

Oben stehen auf einem gewundenen Bande die Worte: „Geschichte der siegenden Wahrheit“ und unten ebenfalls auf einem Bande „Der gestraften Bosheit. Dieses geschah Röttingen 1288“. (Bei einer Restauration des Bildes wohl statt 1298 oder 99 aus Versehen gemalt.)

| Ein ganz ähnliches Bild findet sich im Dorfe Zell bei Würzburg, wo es der Besitzer, Büttner Hermann, von seiner Tante, einer Nonne des Prämonstratenser Klosters Unterzell, welches mit Schäftersheim der Jurisdiktion des Abts in Oberzell unterworfen war, geerbt hatte.

Dieses Bild ist durch folgende Verse erklärt:

„Da man zehlt nach Xti geburt 1299 Jahr,
Zu Röttingen in der oster nacht gros Wunder g’schehe war:
der Kirchner die h. hostien dem Juden verkauffet hat,
der solche hernach mit nadtlen grausam durchstechen that.
Sihe da rinn es unter so verbitterter Wuth
Häuffig heraus das rosenfarb allerkostbarste Bluth.
Der Jud erschreckt warf selbe in die Tauber hinein,
Von der sie den Fluß färbet bis zum Kloster Schäfftersheim.
Als die Premonstratenser Nonnen den grosen gott ersahen,
Mit tieffester Ehrforcht am Flus zu ihm nahen
Kniefällig am ufer ihr Skpulier aufbreiten,
Worin die h. Hostien flosse zu ihren grösten Freuden
Worauf 2 lichter erschienen auf deß Juden haus
den die Wechter sogleich führten gefangen herauß.
Nach eingestandener that wurde zu recht erkennt,
Das Kirchner und Jud lebendig wurden verbrennd.

Auch die anderen Juden Röttingens sollen im sogenannten „Judenweg“ außer dem Städtchen am linken Tauberufer verbrannt worden sein. In Schäftersheim heißt eine mit Weiden bepflanzte Stelle an der Tauber „die heiligen Weiden“, hier sollen die Nonnen die h. Hostie aus dem Wasser aufgefangen haben. (M. Wieland, Gesch. von Röttingen, S. 9–11.)


21. Die Gründung der Herrgottskirche bei Creglingen.

Es war im Jahre 1384 am Abend des h. Märtyrers Laurentii, da wurde an der Stelle, da jetzt die Herrgottskirche steht, das hochwürdige Sakrament, der Leichnam Christi unseres Herrn, aufgefunden. Ein Ackersmann hatte das Heiligthum aus dem Boden geackert, allwo es mehrere Jahre tief verscharrt gelegen und ganz unversehrt geblieben war.

Gerade ritt Herr Kunrad von Brauneck des Wegs, er wollte seinen Vetter Götz von Hohenlohe auf Burg Lichtel heimsuchen. Da erzählte ihm der Bauer von der wunderbaren Geschichte und zeigte ihm den so aus der Erde geackerten Fronleichnam.

Herr Kunrad erkannte darin alsbald ein ihm von Gott gegebenes Zeichen, daß er allda dem Herrn zu Ehren eine Kapelle erbauen sollte. Was er denn auch in Gemeinschaft mit seinem Bruder Gottfried ausführte.

Von den zwei untersten Altären ist der sogenannte „unterst Altar“ „der Ehre des hochwürdigen Sakraments des Fronleichnams Christi unsers lieben Herrn“ geweiht. (Sch. II, 124. 130.)

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22. Der Marienaltar in der Herrgottskirche.

Ein Schäfer lag einsam auf dem Felde heiliger Betrachtung ob und faßte den Entschluß, Gottes Namen durch die Stiftung eines Altars zu verherrlichen. Da er sehr arm war, so unterzog er sich selbst der Ausführung und siehe da! durch Gottes Beistand gelang sie ihm herrlich.

Der in der Predella auf der Bank sitzende Mann mit einer Kappe auf dem Kopf, einem Buch auf den Knien, an den sich Maria wendet, soll der Künstler des Werks selber und das Schnitzmesser in der abgebrochenen rechten Hand das Wahrzeichen des Altars gewesen sein. (Sch. II S. 114. Wirt. Franken VI S. 301.)


23. Das hölzerne Kreuz in der Herrgottskirche.

Unter den Alterthümern der Kirche ist ein uraltes hölzernes Kreuz zu erwähnen. Es hängt mitten in der Emporkirche mit eisernen Klammern befestigt. Es ist 10 Schuh lang und 1/2 Schuh dick und besteht aus runden Balken, in welchen 55 hölzerne Nägel eingeschlagen sind.

Einer Sage zu folge wurde dieses Kreuz von Gottfried dem letzten der Braunecker, der auf einer Jagd das einzige Söhnlein seines Bruders aus Unvorsichtigkeit erschossen hatte, auf einer Bußfahrt mit bloßen Füßen von Rom hieher geschleift. (Sch. II S. 122 und V S. 111 f.)

Zwei solcher Kreuze, die von Wallfahrern aus weiter Ferne auf den Schultern getragen worden sind, darunter das eine von Eichenholz sehr schwer, werden auch auf der Bergkirche bei Laudenbach aufbewahrt.

Auch an diese Kirche knüpfen sich einige Sagen.


24. Die Bergkirche bei Laudenbach.

Am Fuß des Bergwalds bei Laudenbach sollte eine Kapelle erbaut werden. Steine und Balken dazu waren schon am Bauplatz aufgehäuft. Aber siehe da! eines Morgens war der Bauplatz leer und sämmtliches Material fand sich hoch oben im Bergwald vor. Es wurde wieder hinabgeschafft, aber schon andern Tags war es abermals von unsichtbaren Händen in die Höhe des Waldes getragen. Man forschte nun droben im Walde näher nach und fand in einem dichten Eichenbusch ein hölzernes Marienbild, dem zu Ehren nun an selbiger Stelle die Bergkirche erbaut wurde. (Mündl.)


25. Der Thurmbau der Bergkirche.

a. Der Baumeister des Bergkirchenthurms soll Meister Fries von Mergentheim, sein Obergeselle Kraft von Laudenbach gewesen sein. Fries hatte ein schönes Töchterlein Namens Margareta, die sich heimlich dem sehr geschickten Gesellen verlobte.

Als nun nach einiger Zeit ein reicher Müllerssohn von Schäftersheim um Margareta freite, und ihr Vater denselben zum Schwiegersohn haben wollte, gestand Margareta ihre Liebe zu Kraft und erklärte, lieber sterben, als von demselben lassen zu wollen. Darüber sei der Meister hoch oben auf dem Gerüst mit dem Gesellen in Streit gerathen und habe denselben in die Tiefe gestürzt.

| b. Andere wollen wissen, Kraft sei während des Thurmbaues für geschickter als der Meister erkannt und sei von demselben aus Eifersucht hinabgestoßen worden.

Am untersten Gesimse des Thurms sind zwei steinerne Figuren zu sehen, nemlich ein Jüngling, der todt zu Boden liegt und ein Mann, der mit abgeschlagenem Haupte neben ihm steht. Der erstere soll der Geselle sein, der andere der Meister, der wegen seiner That enthauptet wurde. (Mündl.)


26. Die Nonnen auf dem Engelsberg in Markelsheim.

Im 30jährigen Krieg, während der Belagerung des Neuhauses, kamen die Schweden auch nach Markelsheim und wollten auf dem Engelsberg die Klosterkirche, in welcher die Nonnen zur ewigen Anbetung versammelt waren, stürmen. Da sie die Thüren verrammelt fanden, so suchten sie durch die Fenster einzudringen. Sie stiegen zu wiederholtenmalen hinauf, wurden aber jedesmal von unsichtbaren Händen hinabgeworfen. Deshalb gaben sie ihren Versuch auf und zogen ohne Gewaltthat ab. (Mündl.)


27. Die weiße Zipfelkappe.

Es ist noch nicht gar zu lange, saßen in Markelsheim Abends in der Spinnstube mehrere Mädchen beisammen und erzählten einander Geistergeschichten. Zuletzt giengs an ein Wetten: welche von ihnen sich am wenigsten fürchte, die solle Nachts 12 Uhr auf den Gottesacker gehen und einem Todten die weiße Zipfelkappe abziehen und herbringen.

Da machte sich eine, die Unerschrockenste von ihnen, auf und gieng festen Fußes dem Kirchhof zu. Wie sie hinkam, sah sie einen Mann mit weißer Zipfelkappe auf einem Grabe sitzen. Das Mädchen war nicht faul und riß die Kappe dem Manne vom Kopf und eilte heim zu den anderen, bei denen sie glücklich ankam. Wie vom Blitze getroffen schauen diese die Verwegene und sprechen kein sterbiges Wörtlein.

Plötzlich, o Schrecken! hieng sich eine bleiche Mannsgestalt außen vor das Fenster und rief wiederholt: „Komm raus, komm raus, gib mir meine Kappe wieder!“ Wie Alles voller Bestürzung war und eine die andere anblickte, konnten sie nichts Eiligeres thun, als die freche Kamerädin schnell wieder hergeben heißen, was sie geholt habe. Anfangs wollte sie nicht recht, ließ sich aber doch bewegen. Sie machte das Fenster ein wenig auf und wollte dem bleichen Manne die Zipfelkappe hinausbieten. Der aber grinste sie an und sprach: „Bringe mir sie wieder dahin, woher du sie geholt hast“.

Es war nun nicht mehr anders zu machen und das Mädchen soll die andere Nacht zur nemlichen Stunde mit der Zipfelkappe wieder auf den Kirchhof hinausgegangen sein. Sie fand den Mann wieder auf demselben Grabe sitzen und setzte ihm die verhängnisvolle Kappe auf. Er habe sie furchtbar angegrinst und kein Wörtlein gesprochen.

Ihr Kopf habe von da an täglich an Umfang zugenommen und sei ungeheuer groß geworden. Bald darauf starb sie. (B. Volksth. I, Nr. 404.)

| Auch der Volkswitz hat an einige Bezirksorte und die Bewohner derselben verspottende Sagen geknüpft.


28. Der .......... Kamm.

Der .......... Kamm ist etwas Altbekanntes. Die ..... aber mögen nichts davon hören, rathe es auch keinem etwas zu sagen, außer er wünscht den Buckel voll Schläge. Vor der .......... Kirche stand bis vor nicht langer Zeit ein Dornbusch. Durch diesen schlüpften die Dorfbewohner, bevor sie in die Kirche traten, und das war ihr Kamm, nach dem ich dort selbst nicht fragen möchte. (B. I, Nr. 686.)


29. Die Eselsfresser.

Schon von alten Zeiten her hatten die ......... den Unnamen „Eselsfresser“, und wer je mit ihnen anbinden wollte, durfte nur dieses oder ein anderes hierauf bezügliches Wort gebrauchen, ja nur eine darauf hindeutende Geberde machen, etwa den Rockzipfel in die Hand nehmen, die Hände an die Ohren halten u. dgl. und er konnte gewiß sein, daß unliebsame Erörterungen von oft sehr handgreiflicher Natur folgen werden. In unserer Zeit ist man weniger empfindlich darüber, obwohl der Gegenstand sehr oft zur allgemeinen Heiterkeit herhalten muß. Wer indeß meint, er könne seinen Witz damit ganz besonders an den betreffenden Einwohnern auslassen, braucht für eine treffende, mitunter beißende Antwort auch heute noch nicht besorgt zu sein, und mancher ist schon übel heimgeschickt worden, den Esel selber mit nach Hause tragend. Woher der Unname kommt, ist nicht bekannt. Doch gibt es darüber mehrere ziemlich auseinandergehende, in der Hauptsache aber übereinstimmende Sagen.

Die mit der Sage Verspotteten erzählen die Sache so:

Vor Alters gieng der Weg nach Rothenburg, wohin viel Verkehr stattfand, nicht wie jetzt durch das Thal, sondern die sogenannte „Rothenburger Steig“ hinauf, über die Zeisersklinge, den Schmerbacher Wasen u. s. w. Eine Frau, von Rothenburg heimkehrend, fand im Wald Zeisersklinge ein abgestreiftes Wildbret, das ihr ein um so willkommenerer Fund schien, als in ihrem Dorfe gerade viel Soldaten lagen. Sie lud das Wildbret auf ihre Kötze (Tragkorb), bedeckte es mit Holz und Gras und trug es heim, wo es alsbald vertheilt und gekocht wurde. Beim Sieden schäumte dieses Fleisch außergewöhnlich, vielleicht weil es schon einige Zeit gelegen war. Darüber soll ein dabeistehender welscher Soldat gerufen haben: „das ist Iselsfleisch!“ Was er damit gemeint, habe man nicht gewußt, aber unrichtigerweise sei daraus das Wort Eselsfleisch gemacht worden und so der Unname entstanden.

Auswärts und den ........ zum Hohn wird die Sache anders dargestellt. Von den mit dem Unnamen Belegten fanden einst einige in der Zeisersklinge ein abgestreiftes Thier und hielten dasselbe für einen von Wilderern erlegten Hirsch, dem die Jäger, weil das Fleisch damals wenig Werth gehabt, nur die Haut abgestreift hatten. Sie trugen den Fund ins Dorf, wo er ausgehauen und öffentlich vertheilt worden sei. Das Thier war indes kein Hirsch, sondern ein Esel. Derselbe gehörte einem Müller im Nachbarort, der seinem gefallenen Thier | die Haut abgezogen und dann das Aas in die Zeisersklinge hatte werfen lassen. Über diesen Vorgang besteht folgender Reim:

„Z’ ......... in der Zeisersklingen
Liegt ein verr–er Esel drinnen;
Han, han, han!
Sie tragen ’n in der Kötzen ham!“

Die große, mit Brot, Eier, Zwiebel, Fleisch gefüllte Wurst, die in vielen Orten des Frankenlandes bei allen Festessen auf den Tisch kommt, wird in ......... spottweise „Eselswurst“ genannt.




Mundart.[45]

Die Mundart im Oberamt Mergentheim bildet eine Species des fränkischen Dialekts mit verschiedenen Schattirungen. Denn die Mundart des Bezirks ist nicht blos durch die Stammeseigenthümlichkeit, sondern auch durch die geographische Lage Grenzbezirk zwischen Baden und Bayern – , namentlich aber durch die konfessionellen Verhältnisse und durch ihre Beziehung zu den alten Herrschaften, deren wir in unserem Bezirk nicht weniger als sieben zählen, nemlich Hohenlohe, Deutschorden, Würzburg, Ansbach, Rothenburg a. d. T., Hatzfeld, und Kloster Schönthal (siehe Seite 3) bedingt. Auch vom Judenthum ist die Mundart beeinflußt. Freilich wird darüber gestritten, ob die Juden ihren Dialekt von uns oder wir das Jüdeln des unsrigen von den Juden haben. Da aber von den Schwaben unserem fränkischen Dialekt nachgesagt wird, daß er jüdle, also vielfach an die den Schwaben bekannte jüdische Sprachweise anklinge, so wird wohl das Jüdeln unseres Dialekts wirklich von den Juden herrühren, die ja bei uns in Stadt und Dorf den Handel und Verkehr fast ausschließlich in Händen haben und so im steten Umgang, namentlich mit den Landleuten stehen.

Wir haben hiernach mehrere Dialektsgruppen zu unterscheiden, nemlich:

1) die fränkisch-hohenlohische Mundart im eigentlichen Taubergrund ,

| 2) die fränkisch-bayerische Mundart oder den Gäudialekt im sogenannten Gäu, d. h. in den an das Würzburger und Uffenheimer Gäu grenzenden Dörfern des Bezirks und anklingend in den meisten der katholischen Orte des Taubergrunds, wo der Konfessionalismus in Folge der früheren Beziehungen zu Würzburg von solchem Einfluß ist, daß z. B. in dem paritätischen Weiler Honsbronn die Protestanten den fränkisch-hohenlohischen, die Katholiken, obgleich sie sehr in der Minderzahl sind, den fränkischen Gäudialekt sprechen.

3) die fränkisch-badische Mundart in Edelfingen, das an Baden grenzt, und eine Zeit lang badisch gewesen ist.

Um nun die dialektischen Eigenthümlichkeiten hervor- und die verschiedenen Nüancirungen besonders der beiden ersten Dialektsgruppen herauszuheben, wollen wir zunächst in einer kurzen Lautlehre den Vokalismus und sodann den Konsonantismus behandeln. Daran soll sich schließlich der Wortschatz reihen.


I. Lautlehre.
A. Vokalismus.

Was den Vokalismus betrifft, so ist zunächst anzuführen, daß unsere Mundart zwar nicht blos die einfachen und Doppelvokale, sondern auch Mischvokale, nemlich die Mischlaute å, zwischen a und o oder vielmehr zwischen o und a, ou, uo zwischen o und u und zwischen u und o, sowie die Halbvokale ə, zwischen e und a lautend, und ei, hat, aber doch an Vokalen arm ist, indem der fränkisch-hohenlohische Mund durchaus nicht vermag, das „e“ vom „ö“, „i“ vom „ü“, das „ei“ vom „ai“ und „äu“ und „eu“ zu unterscheiden.

Wir haben also nur die einfachen Vokale a, e, i, o, u, die Doppelvokale au, ae, ai, die Mischvokale å, ou und uo, die Halbvokale ə und ei.

Die fränkisch-bayerische Mundart, die in den Orten des Gaues und theilweise von den Katholiken des Taubergrunds gesprochen wird, hat die weiteren Doppelvokale ö und ü und spricht dieselben sehr scharf, weit schärfer als der Schwabe aus. | Was nun die einzelnen Vokale betrifft und zwar
1. a.

so wird dasselbe als reines a ausgesprochen hauptsächlich in kurzen Silben und besonders vor geschärften Konsonanten, z. B. Stamm, Damm, Kamm, Sach’, Katz, rasch, Kaste, Kanne. Doch wird das a zuweilen auch in kurzen Silben wie ein gedehntes o ausgesprochen z. B. i kôn statt ich kann, Môn statt Mann oder auch als Mischlaut å z. B. Fåss statt Faß, Blåt statt Blatt, Stål statt Stall, Ball = Spielball: „Bål“ oder „Båler, während Ball = Tanzspiel „Bâl“ lautet, Mån statt Mann, wobei das n kaum hörbar ist. Schmålz, Sålz, Plåtz statt Schmalz, Salz, Platz = dünner Kuchen.

Das lange a wird fast auschließlich zu ô bis å, also Jô(å)hr, Grô(å)s, Schô(å)f statt Jahr, Gras, Schaf, Salô(å)t, Saldô(å)t statt Salat, Soldat, Hô(å)se statt Hasen, Vô(å)ter statt Vater, aber auch Vadder, årm statt arm.

Doch wird auch in langen Silben, namentlich in einsilbigen Worten, das a rein ausgesprochen, wie in Saal, Hahn = männliches Huhn, doch wohl weil dieses Wort nur von Städtern gebraucht wird, nicht aber vom Landvolk, das ausschließlich Gegger oder auch Geiker, also mit dem Halbvokal ei dehnend sagt, während es Hôahna spricht, wenn es den Faßhahnen nennt.

Umgelautet in ä wird das lange a in Wächner statt Wagner, Häffner statt Hafner, Täch statt Tage, Ärwet statt Arbeit, und in e das kurze a in Wend statt Wand, Hend, Benk, Engst statt Hand, Bank, Angst, doch auch Boank[ER 7], ångst, Epfel statt Apfel, spelte statt spalte, Hamet statt Heimat, Nachber statt Nachbar.

In Althausen lautet dagegen das a in Wand und Hand in aun um, also Waund, Haund, auch Maun statt Mann, kaun statt kann, ebenso in der Vorsilbe „an“ aung’sagt statt angesagt.

In Endsilben wird vielfach das „a“ in „i“ umgesetzt, so namentlich bei den Benennungen der Wochentage Sunndi, Meindi, Diensdi etc., Werdi, Lebdi statt Werktag, Lebtag; auch „Wallmishoufə“ statt Waldmannshofen.

Wo eine Konsonantenverbindung unbequem wird, schiebt man ein ə als Halbvokal ein z. B. „Heməd“, „Hesəlich“ statt Hemd, Höschen, „uməsust“ statt umsonst, „nix ə sodds“ statt nichts solches; namentlich geschieht dies zwischen r und n, wobei | aber dann das n ganz wegfällt z. B. Hårə, Zårə, Hirə, Stirə, Sterə, Kerə, Kårə statt Horn, Zorn, Hirn, Stirn, Stern, Kern, Korn.

Im Gäudialekt – dem hatzfeldischen Waldmannshofen, Sechselbach – lautet das a um bald in ä Wänd, Händ statt Wand, Hand, bald in ou Sound statt Sand, bald in å Pfårr statt Pfarrer, Pfåd statt Pfad, Gårt statt Garten, bald in o Hos der Hase, Nocht statt Nacht, jogen statt jagen, der Wog statt Wagen, Boch statt Bach, theilweise auch in i s. oben “Walmishoufə“.


2. e.

Das e ist entweder ein geschlossenes oder ein offenes oder auch ein stummes.

Die städtische Bevölkerung spricht es mehr als ein offenes, helles, fast dem Umlaut „ä“ gleiches, die ländliche Bevölkerung mehr als ein geschlossenes dumpfes „ê“. Der Städter sagt „Gäld“, der Landmann „Gêld„, jener sagt „rächt“ dieser „rêcht“, jener „Läwe“, „Wäg“, „äwe“, „gäwe“, „Schwäffel“, „Bäch“, statt Pech, dieser „Lêwe“, „Wêch“ statt „Wêg“, „êwe“, „gêwe“, „Schwêfel“, „Bêch“.

Offen und hell spricht das „e“ auch das Landvolk namentlich vor „ll“ oder vor einfachem „r“ also Schälle, Källe, Käller, schnäll, schnäller, dagegen Schnêller = ein Bund Garn, Schäre, Stäre, gäre, schwär, statt Schelle, Schere, Stern, gern – aber auch gêrə – schwer.

In Stadt und Land wird das „e“ vor geschärftem „ss“ oder „ß“ meist geschlossen ausgesprochen in Mêsser, Kêssel, bêsser, Mêßner, dagegen mässen, frässen, Sässel.

Geschlossen und dumpf wird das durch „h“ gedehnte „e“ ausgesprochen in sêhr, mêhr, kêhre, wêhre, Lêhrer, ebenso das doppelte „ee“ in Mêer, Bêer, Sêele, eine Ausnahme macht das Adjektiv „leer“, das „lär“[ER 8] lautet.

In Althausen lautet das gedehnte „e“ wie „ae“ in „Kaehrwisch“.

In langen Silben wird das „e“ gern zu dem Mischlaut „ei“ gedehnt, so in Eisel, Fleigel, Beit statt Esel, Flegel, Beet, ja manchmal gar zu einem „ai“ wie in lainə neben lânə = sich lehnen an etwas.

In „a“ lautet das „e“ um in kalter, schmacke statt Kelter, schmecken.

| Zu einem ə, halben „a“, wird das „e“ in der Endsilbe des Infinitiv wie überhaupt in den Endsilben „e“ und „en“: Gruwə, Flintə, Lewə, statt Grube, Flinte, Leben, essə, trinkə etc. ebenso auch in Adjektiven, die aus dem Particip. Präs. durch Anfügung der Endsilbe „ig“ gebildet sind.

Ganz stumm wird das „e“ gewöhnlich in den tonlosen Vorsilben „be“ und „ge“ und „ver“ also g’läsa, g’liebt, b’sonna, v’rlora, b’stellt, g’hätt statt gelesen, geliebt, besonnen, verloren, bestellt, gehabt. Ja wenn der folgende oder die folgenden Konsonanten die Ausstoßung des „e“ erschweren, so wird auch wohl die ganze Vorsilbe abgeworfen, wie z. B. er hat trunkə, gässə, glaubt statt getrunken, gegessen, geglaubt. Es verstummt weiter im Wegfall des bestimmten Artikel g. masc. d’r Baum, d’r Mann etc. Stumm wird das „e“ auch in der Endsilbe vieler Stammwörter, als: „Zeil’, Käs, Erl’, Fahn’, Gert’ und im Pluralis Leut’ statt Leute, Kind statt Kinder, sowie bei Adjektiven, wenn der bestimmte Artikel davor steht, die gut’ Frâ, d’r groß’ Baum, d’r tief’ Brunna, die rheinisch’ Ge[?]. (1 Holzmaß im Walde).

In „i“ wird das „e“ umgewandelt im Femininum der Eigenschaftswörter, wenn der unbestimmte Artikel davorsteht, wie „ə guti Frâ“ statt eine gute Frau oder im Pluralis der Adjektive „bravi Kind“ „alti Leut“ statt brave Kinder, alte Leute.

Im Gäu wird das „e“ fast immer als „a“ ausgesprochen auch in den Haupt- und Stammsilben also Sachselbach, Rattarschi statt Sechselbach, Rettersheim, Walt statt Welt, Wag, Spack, Drack, Knacht, Basen, Schalle, Latara, Kaller, Nabel, Fanster statt Weg, Speck, Dreck, Knecht, Besen, Schelle, Laterne, Keller, Nebel, Fenster, „ga har“ statt geh’ her, „ar it kâk“ statt er ist keck.

3. ä.

Während das „e“ vielfach wie „ä“ ausgesprochen wird, lautet dagegen das „ä“ oft wie ein geschlossenes „e“ Becker statt Bäcker, Epfel statt Äpfel, Glêser statt Gläser, Sêwel aber auch Sawel statt Säbel, endern, hengen, hemern statt ändern, hängen, hämmern.

Das lange „ä“ wird manchmal auch in den Mischlaut ei gedehnt, Gleiser statt Gläser, Bleider statt Blätter, Zei statt Zähne.

| Im Gäu wird das ä immer a, so Kas, Sage, Glaser statt Käs, Säge, Gläser, die Hasin statt die Häsin, „i gah in die Stall“ statt ich gehe in die Ställe, „quale nie ein Thier zum Scharz; denn es fühlt wie du de’ Schmarz“, der Hacher statt der Häher, Jager statt Jäger, Mahder, Wachter statt Mähder, Wächter.
4. i und ie.

Das i behält seinen reinen Laut in kurzen Silben Tisch, Gift, Wind, Ring, still etc.

Vor „r“ aber lautet es um in „ä“ Härsch, Wärth, Kärch, Schärm, G’schärr statt Hirsch, Wirth, Kirche, Schirm, Geschirr.

Wird dagegen das kurze „i“ gedehnt, so lautet es auch vor „r“ als „ï“ z. B. Bïrn, Hïrn, Stïrn statt Birn, Hirn, Stirn.

Das lange „i“ oder „ie“ lautet vor „r“ stets wie „ï“ so in Bier, hier, schier, schief, Schiefer, Schiene etc.

Oft werden aber auch die Wörter mit kurzem „i“ gedehnt gesprochen so Stîch, Gîft, Lîcht statt Stich, Gift, Licht, Bîwel aber auch Biwel statt Bibel, Fîchte statt Fichte.

Kind wird gedehnt Kïnd, wenn Einzahl damit gemeint ist, „ma Kïnd“ statt mein Kind, kurz dagegen in der Mehrzahl ma Kind statt meine Kinder.

In Wörtern mit „ie“ wird der I-Laut noch mehr gedehnt, so daß das Dehnungs-„e“ sich in den Halbvokal ,ə“ ausdehnt Liəb, Diəb, Diəne, Briəf, Viəh etc. statt Lieb, Dieb, Dienen, Brief, Vieh etc.

Kurz wird das „ie“ ausgesprochen in Stiffl statt Stiefel, Richel, zurichle, Gerissel, siwa, siwazich statt Riegel, zuriegeln, Geriesel, sieben, siebenzig.

Das ie wird manchmal auch nasal wie in hienzu statt hiezu.

i wird als Hilfsvokal gerne eingeschoben zwischen zwei Konsonanten, wenn der zweite ein Gaumenlaut ist, so bei Milich, Mädichen, Tischichen, Kalich, Werich, Furicht statt Milch, Mädchen, Tischchen, Kalk, Werk, Furcht.

In „a“ verwandelt sich das i in sind, wir sanne gwêsa statt wir sind gewesen; in „ä“ bei sätzen statt sitzen; in „u“ bei Fusch, kutzeln statt Fisch, kitzeln; in „ai“[ER 9] bei gait, gaist statt gibt, gibst, in lait statt liegt.

| Im Gäu lautet das kurze „i“-wie „ä“ in Fächte und Lächter statt Fichte und Lichter, während Licht in der Einzahl als Liəcht gesprochen wird.
5. Das ai, ei, äu und eu

lauten ganz gleich, indem der Franke kein „ei“, kein „äu“, kein „eu“, sondern nur ein „ai“ hat, das aber, wo es statt ei steht auch in „a“ ablautet. Das „ei“ wird nämlich als „ai“ gesprochen, wo im Mittelhochdeutschen statt des „ai“ ein „i“ stand und a lautet es statt des mittelhochdeutschen „ei“, also bei Blai, Faind, Waib, raif, waiß, laicht, Schwaiz, Rais (die Frucht); dagegen Aaer, hâl, Amer, Ache, Gâß, hâß, wâch, klâde, Sâfe, Lâme statt bei Bei, Blei, Feinde, Weib, reif, weiß, leicht, Reis; Eier, heil, Eimer, Eiche, Geise, heiß, weich, kleiden, Seife, Leimen, soviel als Lehm; „i waß“, statt ich weiß, Brotlab für Brotlaib, Laib für Leib = Körper, Laista für die Leiste, Lâst für der Leisten, „nan“ etwas nasal für nein, hamli statt heimlich; „am mâste“ statt am meisten, aber auch nasal „am mensta“, in Waldmannshofen und auch in Rinderfeld am mänsta, wie überhaupt im Gäu dieses a statt des mittelhochdeutschen ei meist wie „ä“ lautet, also Lädder statt Leiter, häß, Schwäß, wäch statt heiß, Schweiß, weich, Säffe statt Seife, Gäß statt Geiß, Säl, Fläsch statt Seil, Fleisch, „i wäß“ statt ich weiß, hämm statt heim, zwän etwas nasal statt zwei; doch wird da auch das „ai“ zum ä in „Geigensätte“ statt Geigensaite.

Die Endsilben „eit“ und „heit“ lauten im Fränkischen gewöhnlich „ət“ „Arwət“ statt Arbeit, „Krankət“ statt Krankheit, „Wårət“ statt Wahrheit.

„Theil und feil“ mit Vorsilben verbunden werden zu tel und fel Vôrtel, wollfel statt Vortheil, wohlfeil.

In Hochzeit geht das „zeit“ in „ich“ über: Hôchzich, in Rinderfeld „Håchzt“, in Waldmannshofen, Sechselbach „Hachzt“. Die Endsilbe „heim“ bei Ortsnamen wird in „i“ abgekürzt Uffni, Ulsni, Waichni statt Uffenheim, Ulsenheim, Weichenheim, besonders findet dies vor „rs“ oder „ls“ statt, also Schäfterschi, Weikerschi, Elperschi, Igerschi, Markelschi, dagegen Mergentheim oder gewöhnlich Märchadôl(thal) und statt Bischofsheim Bischama.

Die Deminutivendung „lein“ = „chen“ wird in der Einzahl in „li“, in der Mehrzahl in „lich“ umgelautet, also Häffeli, Schüsseli, Kächeli statt Häfelein, Schüsselein, Kächellein, Madli statt Mädchen, in der Mehrzahl Schüsselich, Häffelich, Kächellich, Madlich.

| Im Gäu auch in der Mehrzahl „li“, aber mit Betonung des „i“: Madlï, doch in Waldmannshofen auch Mädlich und zwar dann, wenn die Geschlechter zusammen oder einander gegenüber gestellt werden, also statt Buben und Mädchen heißts Bube und Mädlich, sollen blos Mädchen bezeichnet werden Madlï.

Nasal wie im Schwäbischen wird im Fränkischen das „ei“ nie ausgesprochen, der Franke sagt nicht „leinse“ sondern „laise“ statt leise.

6. o und ö.

Das o lautet als reines „o“ meist in kurzen und namentlich in geschärften Silben: soll, toll, voll, rollen, grollen, schmollen, zollen, Wolken, Kosten. Aber auch in langen Silben wie in „Strom“, „zog“, „ohne“ wird das o rein gesprochen, doch lautet es da in der Regel hinüber in das a; so in Stroh Stråh, åhr, Bråt, Råse statt Ohr, Brot, Rose.

Ganz als „a“ lautet es in drâwe statt dräuen, drohen.

Dem kurzen wie langen „o“ klingt vielfach ein „u“ nach, so in Bouk, Koupf, Oufen, Oubst, Mound, Kouhle statt Kohle, House statt Hosen, Houlz statt Holz. Namentlich findet sich dies im Gäu: Walmishoufe statt Waldmannshofen, Simmerschhoufe, Auerhoufe statt Simmershofen, Auerhofen.

Ganz in „u“ gehts über in Duse, Wuche, Suffie statt Dose, Woche, Sophie, besonders gerne aber vor den liquidis l, m, n, also Suhle, Suhn, Summer, Sunna, Dunner, g’schwumma, b’sunna statt Sohle, Sohn, Sommer, Sonne, Donner, geschwommen, besonnen. Zuweilen lautet dieses „u“ auch um in „i“ oder „ü“, so in simmerisch statt sommerlich.

Auch in au, ao hört man das „o“ umlauten, so in Althausen Haulz, Aufa, Daucht, Jauch, Bauda statt Holz, Ofen, Docht, Joch, Boden. Eben daselbst wird das gedehnte „o“ zu einem „ua“ in Buane statt Bohne.

Auch in „ö“ oder „e“ geht das „o“ öfter über, so in „wir welle seche“ statt wir wollen sehen, z’ewerst für zuoberst, „Klepfer“ statt Klopfer, „Keste“ statt Kosten.

Wie „ä“ lautet das „o“ in särche statt sorgen, in färr’schi, färri statt vorwärts und voran.

Als „i“ lautet das „o“ in „gildich“, „hilzich“ statt golden und hölzern.

Das „ö“ spricht der hohenlohische Franke meist wie ein geschlossenes „e“ aus, manchmal auch gedehnt durch | „i“, so Eïl, Eïfen, Veïgel statt Öl, Öfen, Vögel, während der Gaufranke das „ö“ sehr prononcirt tönen läßt.


7. u und ü.

„U“ lautet als „u“ hauptsächlich in kurzen Silben, also Luft, Lust, Pfund, rund, gesund, unter, munter, Brust, Buckel, Kuchel statt Kugel, Frucht, dagegen, wenn der Halbvokal „i“ nicht eingeschoben wird, „Forcht“ statt Furcht, wie überhaupt das „u“ in „o“ abgeschwächt wird vor „r“ in kurzen Silben: „Borsch“, „Worscht“, „Dorscht“, „Dorn“ statt Bursch, Wurst, Durst, Thurm, „horti“ statt hurtig, „Borch“ statt Burg; auch vor „pf“ findet dies statt, so in „ropfen“, „zopfen“, „lopfen“ statt rupfen, zupfen, lupfen, „donə“ statt thun, in Archshofen „dannə“, wo also das „u“ in „a“ umlautet. Übrigens wird, und zwar besonders auf dem Lande, das u in kurzen Silben und vor dem „r“ gedehnt ausgesprochen, so in Lûft, Lûscht, Pfûnd, g’sûnd, Fûricht, Bûrsch, Wûrscht etc. Vielfach klingt in langen Silben auch der Halbvokal ə nach, so in Huət, Ruəthe, Buəch, Muəth, Bluət, Muəder, Bruəder, Fuəß, Buə für Hut, Ruthe, Buch, Muth, Blut, Mutter, Bruder, Fuß, Bube.

In „i“ lautet das „u“ um in „Gilde“ statt Gulden, „Henschich“ statt Handschuhe, „Hind“ statt Hunde, aber auch Hûnd, „z’interst“ statt zu unterst, „d’r innerst“ statt der unterste, „g’mißt, g’wißt“ statt gemußt, gewußt, „schildi“ statt schuldig, „hifen“ statt hufen, ebenso auch in der Endsilbe „ung“ „Handling“, „G’sinning“, „Quitting“, d’Öfting für „das oft etwas thun“ und also statt Häufigkeit. Abgeschwächt wird es in den Halbvokal „ə“ in „Armədei“, „barwəß“ statt Armuthei, barfuß.

Ganz verschwindet es in der Vorsilbe „zu“, so in z’samme, z’letzt, z’rück.

Im Gäu wird das „u“ zum Umlaut „ü“ in „worüm?“ und „dorüm?“ statt worum, darum, in Althausen lautets „drüm“.

ü lautet in kurzen und langen Silben wie „i“, so in „Kiw’l“, „Iw’l“, „Dir“ statt Kübel, Übel, Thüre.

Vor „r“ lautet es in kurzen und langen Silben wie „ä“ „Färst, Bärcher, Närnberg, därr, grän“ statt Fürst, Bürger, Nürnberg, grün, dürr, färchte statt fürchten, Schärz statt Schürzen, Wärscht statt Würste. Manchmal wird „ü“ wie „u“ ausgesprochen, so in „schlupfen“ statt schlüpfen, „gruw’la“ statt grübeln, „Luga“ statt Lüge.

| Der Gäufranke spricht das ü stets sehr stark und scharf aus, weit schärfer als der Schwabe, und so haltens auch die Katholiken in Laudenbach, Honsbronn u. a. O.
8. au und äu.

Das „au“ lautet „au“ in den Worten, die im Mittelhochdeutschen ein „u“ oder „aw“ hatten, jedoch so, daß das a das u übertönt, so in Maul, Sau, Bauch, Hauwe statt Haube, Strauch, Haue, Maus etc. Als langes a lautet es, wo es an der Stelle des mittelhochdeutschen ou steht, so in Frâ statt Frau, Ach statt Auge, glâwe statt glauben, Lâb statt Laub, Lâweri statt Laubstreu, kâfe statt kaufen, dagegen „kåffen“ = kauen, vom Wiederkäuen des Rindviehs, lâfe statt laufen.

Bisweilen wird nach dem langen „a“ noch ein b oder w hörbar, so in es thabt statt thaut, er hat mi g’hawa statt gehauen.

In „ai“ lautet das „au“ um in Mairer statt Maurer.

Zu „u“ wird das „au“ in der Vor- und Nachsilbe „auf“ uff, „uffen“ statt auf ihn, nuff, ruff statt hinauf, herauf.

In „o“ geht’s über in g’loffe statt gelaufen.

„Äu“ lautet wie „ai“ z. B. Kraiter, Raiber, Saile statt Kräuter, Räuber, Säule etc.

Bisweilen unterbleibt der Umlaut, und wird „au“ statt äu gesprochen, wie Saule statt Säule oder auch „a“ wie in trâme statt träumen, v’rsâme statt versäumen, G’lâf statt Geläufe. In ein langes „î“ lautet es um in g’lîta statt geläutet, im Gäu dagegen wird letzteres Wort kurz und geschärft ausgesprochen glitta.

„eu“ lautet ebenfalls wie „ai“ z. B. Baile, haile, Ail, Lait statt Beule, heulen, Eule, Leute; überhaupt überall da, wo das „eu“ für das mittelhochdeutsche „iu“ steht.

Da wo es für das mittelhochdeutsche „öu“ steht, wird es zum langen „â“ so Hâ statt Heu, Strâ statt Streu, Frâd statt Freude, v’rlâchna statt verleugnen. Folgt auf das lange „â“ ein Vokal, so wird ein „w“ eingeschoben, also „strâwe“ statt streuen.

B. Konsonantismus.
Gehen wir die Konsonanten nach ihrer gewöhnlichen grammatikalischen Eintheilung in: 1. stumme, 2. Hauchlaute 3. flüssige durch, so finden wir, daß bei den stummen Lauten und zwar sowohl bei den Lippen- als Zungen- und Kehllauten der Unterschied zwischen hart und weich nicht vorhanden ist, sondern | daß wie im Althochdeutschen, so auch im Fränkischen aus der tenuis die media geworden ist; denn die tenues „p“, „t“, „th“ werden fast ausschließlich weich als „b“, „d“ ja vielfach, als geschärftes weiches „bb“ und „dd“ ausgesprochen, ja das weiche „b“ wird oft zum Hauchlaut „w“ erweicht.


1. Die Lippenlaute b und p.

Der Laut „b“ wird zu dem Haucher „w“ erweicht im Inlaut zwischen zwei Vokalen, so in Lewer, Lewe, grawe, schawe, Rüwe statt Leber, Leben, graben, schaben, Rübe etc.; ferner nach den liquidis „l“ und „r“ z. B. Milwe, gelwer, Schwalwe – aber auch Schwalme, Schwälmle – Garwe, Farwe, sterwa, erwa, Erwes statt Milbe, gelber, Schwalbe, Garbe, Farbe, sterben, erben, Erbsen. Am Ende eines Worts, namentlich beim Imperativ, wird unter Abweisung des auslautenden „e“ der B-Laut hörbar z. B. gib, leb’, lieb’, streb’.

Zu einem verschärften b wird das b in Grabb’ statt Rabe.

In ein verschärftes dd wird das b umgewandelt in „odder“ statt aber.

b verstummt ganz in Waisbild statt Weibsbild, in Ärsen statt Erbsen, meist aber heißt’s die „Erwes“, in der Verbalendung „bt“ und „bst“ also g’hat, git, blaist, blait, gaist, gait statt g’habt, gibt, bleibst, bleibt, gibst, gibt und im Auslaut wie bei Buə statt Bub, gel statt gelb, blai statt bleib, „å“ statt ab.

Das harte „p“ wird blos im Anlaut einiger Namen wie „Paul“, „Peter“, in doppeldeutigen Worten wie „packen“, „Pein“ und in Fremdwörtern wie „Patter“ Puls hörbar.

In „g“ verwandelt sich (? Red.) das „p“ in „gumpen“ statt „pumpen“, so auch Gummbrunnen, doch wird mehr „Schöpfbronna“ und „schöpfen“ gesprochen.

Im Gäu wird das weiche b sogar zu einem „ck“ verhärtet, indem wenigstens in Waldmannshofen „Grack“ statt Grabb = Rabe gesprochen wird. (Wird zu Krähe gehören. Red.)


2. Die Zungenlaute d und t.
Verbunden mit den liquidis m, n, l, r wird d, t um der leichtern Aussprache willen gern assimilirt, so in „Hemm“ statt Hemd, „sinn“, „sanne“ statt sind, „Willbret“ statt Wildbret, „Hempfel“ statt Handvoll, „ball“ statt bald, „Wallmishoufe“ statt Waldmannshofen, „gäll“ statt gelt, „unnerst“ statt | unterst, „Errba“ statt Erdbach – Weiler im Bezirk – „Errber“ statt Erdbeere, „werra“ und worra“ statt werden und worden; auch vor dem Haucher „w“ in „ebbes“ statt etwas. Die Verbalendung „et“ verstummt ganz, wenn ein „d“ oder „t“ vorausgeht, so in „schneid“, „reit“, „redd“ statt schneidet, reitet, redet etc.; auch nach „tz“ verschwindet das t als Auslaut, wie in „jetz“ statt jetzt; ebenso verstummt das „t“ nach dem starren Kehlhaucher „ch“ in „sichb’r“, „furchb’r“, fruchb’r“ statt sichtbar, furchtbar, fruchtbar und dann bei der Endsilbe „icht“ Spilich statt Spülicht etc. Dagegen fügt der Dialekt manchmal auch ein „d“ ein, oder hängt er eins an, so in „Mändle“, „Morgends“, „gesterd“ statt Männle, Morgens, gestern, so in „Zinsd“, „Senfd“, „Leichd“, „Geschwisterd“. Vielfach wird das weiche d und das harte t als ein gedoppeltes dd gesprochen, so in „Vadder“, „Feddern“, „Deddor“ statt Vater, Federn, Theodor.


3. Die Kehllaute g und k.

g lautet als g im Anlaut der Worte und Silben, so in Glauben, Glanz, Glas, Glocke, b’gieri, v’rgebli statt begierig, vergeblich, sowie in der Verbindung „ng“ lang, bang, eng, angst.

Im Namen Georg wird das g im An- und Auslaut zu einem „ch“ erweicht, „Cheorch“, ja die Erweichung wird bis zu einem J, indem dieser Name in der Verbindung mit Johann oder Hans „Hansjörch“ lautet.

Der Dialekt setzt das „g“ manchmal als Anlaut vor „r“ so in „Grabb“ statt Rabe, „grabbse“ statt rapsen.

Im In- und Auslaut wird g zum starren Haucher „ch“ sowohl zwischen zwei Vokalen, als auch neben Konsonanten, besonders neben „l“ und „r“, also Rêcha statt Regen, Sächa statt Säge, Fråcha, Boucha, Stêcha, Acha, Balch, Bêrch, Jachd statt Fragen, Bogen, Stiege, Augen, Balg, Berg, Jagd, heilich, selich, gläubich, giltich etc. statt heilig etc., doch verstummt es im Auslaut bei den Adjektiven gewöhnlich ganz, so daß also gesagt wird heili, gläubi etc. Auch die Hauptwörter Essig, Pfennig, Messing lauten Essi, Pfenni, Messi.

Weiter verstummt das „g“ in Mâd für Magd, leit für liegt.

Die Bildungssilbe „ge“ fällt weg in „Ziefer“, „Trâd“ statt Geziefer, Getreide, regelmäßig auch im Participium Perf., wenn das Zeitwort sich mit „g“ oder „k“ anlautet, so „komme“, „gange“, „gäbe“, „glaubt“ statt gekommen, gegangen, gegeben, geglaubt. Oft wird aber die Vorsilbe im Fränkischen gebraucht, | wo sie im Schwäbischen wegfällt, so in „gepfetzt“ und „g’operirt“, und g’offerirt.

In der Endsilbe „ig“ wird das „g“ zu einem „sch“ in „leichtsinnisch“ und „achasinnisch“ statt leichtsinnig und eigensinnig.

Im Anlaut vor „h“ wird das „ge“ in „k“ verhärtet, „khatt“ oder „khodde“ statt gehabt, „khoube“ statt gehoben, „khoult“ statt geholt. Im Auslaut lautet es bei Tag und Schlag in manchen Zusammensetzungen wie „ck“, so in Hansdack, Geburtsdack, Oberstedack, Hunsdack, Dauweschlack, Aufschlack statt Johannistag, Geburtstag, Oberstentag für das Erscheinungsfest, Hundstag, Taubenschlag, Aufschlag, so auch in „glenka“ statt klingeln, d. h. läuten mit der kleinen Glocke.

„k“ lautet im Anlaut als „k“ vor einem Vokal in Karl, Kork, Körper. Es wird zu einem „G“ erweicht im Anlaut vor „l“ und „r“, „Glee“ statt Klee, „glein“ statt klein, „Glâche“ statt Klage, „Glang“ statt Klang, „Glaue“ statt Klaue, „Glapper“ statt Klapper, „grank“ statt krank, „Gralle“, „Graut“, statt Kralle, Kraut, glenka statt geklingelt, siehe oben.

Das geschärfte k, das „ck“ wird zum doppelten „gg“ im Inlaut in langen und kurzen Silben wie in „Agger“, „Degge“, „Buggel“ statt Acker, Decke, Buckel, zu einem einfachen g in „Fleig“ statt Fleck, und das einfache k lautet im Inlaut auch wie „g“ in „Jagob“ für Jakob.

Ja in manchen Worten schreitet diese Erweichung des „k“ bis zum „ch“ fort in „Dechat“ oder „Dechant“ für Dekan und in „Kalich“ für Kalk, „Diachonus“ für Diakonus.


Die Hauchlaute.
1. Die Lippenhaucher w, f, pf.

Während, wie wir oben schon gehört haben, das „b“ vielfach in „w“ erweicht wird, wird umgekehrt zuweilen das „w“ in „b“ verdichtet, z. B. Leb’ statt Löwe, ebbes statt etwas. Manchmal wird zur Erleichterung der Aussprache zwischen zwei Vokale ein „w“ eingeschoben z. B. säwa, mäwa, näwa, strawa statt säen, mähen, nähen, streuen. Dieses „w“ verdichtet sich zu „b“ im Auslaut des Imperativ und des Particip z. B. mäb’ statt mäh, g’säbt statt gesät. In „wir“ wird im Munde vieler das „w“ zu „m“ „m’r wolle“ statt wir wollen, wie auch Schwalwə und Schwalmə statt Schwalben gesprochen wird.

f, v, ph werden gleichlautend ausgesprochen.

„f“ wird zu „w“ abgeschwächt in „barwes“ statt barfuß.

| „pf“ lautet als Anlaut meist wie „bf“ Bferd, Bfarrer, Bfirschi, Bfeffer statt Pferd, Pfarrer, Pfirsich; ja in „Pfarrerin“ wird das „pf“ in „f“ erweicht und gesprochen „Farreri“ oder auch gar „Fanneri“. Doch hört man letzteres nur noch aus dem Munde weniger alter Leute, die dann den dem Pfarrherrn stets beigelegten Titel „Herr“ auch auf die Pfarrfrau übertragen und sagen „guta Morcha Herr Fra Fanneri“.

Im Inlaut wird es manchmal nach Pfälzerart zum einfachen oder doppelten „b“ so in zimberli, schnubbe, stobbe statt zimpferlich, schnupfen, stopfen. Umgekehrt wird aus „f“ ein „pf“ in „scharpf“ statt scharf, doch wird mehr schårf gesprochen, „Harpfe“ Harfe.


2. Die dentalen und lingualen Haucher s, sch, z.

Der reine „S“-Laut bleibt als Anlaut fast nur vor Vokalen also in Salz, Sonne, Sohn, Sense, Seife, Seite etc., während das „s“ vor den Konsonanten als Anlaut fast ausschließlich in „sch“ übergeht, wie in Schbirre, Schkala, Schkelet, Schkorpion, Schlowak, Schpalt, Schpatz, Schtrauch, Schtrauss etc., nur vor „c“ und „f“ wird eine Ausnahme gemacht und Szene, Szepter, Szylla, Szythe gesprochen, aber doch mehr so, daß das „sc“ fast wie z lautet, Sforza, Sforzando; das aber sind eben Fremdwörter.

In Sklave wird der Dental und Guttural umgesetzt und „G’schlav“ gesprochen. Aber auch im In- und Auslaut wird „sch“ aus dem „s“, namentlich wenn das „s“ auf „l“ oder „r“ folgt und vor einem „h“ steht, so Schäfterschi, Weikerschi, Elperschi, Markelschi, Igerschi, Versch, Fersche, statt Vers und Ferse, besondersch, zuweilen auch im Auslaut des Genitivs, so „ma Vatersch“, „’s Pfarrsch“ statt meines Vaters, des Pfarrers.

Aber auch zwischen zwei Vokalen lautet namentlich in den katholischen Orten, aber auch in etlichen evangelischen, wie in Althausen, Adolzhausen, Herbsthausen das „s“ wie „sch“, so in „lesche“ statt lesen, „Housche“ statt Hosen, „Herbschthauschen“ statt Herbsthausen, „Häschele“ statt Häschen, „Hoschepfeffer“ statt Hasenpfeffer.

Im In- und Auslaut bleibt das dentale „s“ nur, wo es statt eines geschärften „s“ oder statt eines ursprünglichen „t“ oder „z“ steht, also in „aus“, alt ut uz, und im Artikel.

Das „st“ im Auslaut lautet theils scharf und rein, theils aber als „scht“ also ist und ischt, Mist und Mischt, „wist“ statt hist, ’s „best’“ Haupt, in letzteren zwei Worten scharf wie „ßt“.

| Im Gäu wird aus dem „st“ „t“ „it“ statt ist.

Das „z“ wird zu einem „s“ erweicht in „Wase“ statt Weizen, „einhase“ statt einheizen.

In Adolzhausen, Herbsthausen und andern Orten wird sogar aus dem „z“ ein „sch“, so „danscha“ statt tanzen.


3. Die Kehlhaucher h und ch.

Das „h“ wird nur im Anlaut ausgesprochen.

Im In- und Auslaut wird es zu einem „ch“ geschärft in Wörtern, wo früher ein hörbares „h“ oder „ch“ stund, so „seche“ statt sehen, „Du sichst odder gut aus“ statt Du siehst aber gut aus, „ziechen“ statt ziehen, „Viech“, „Hennschich“ aber auch „Hennschieh“ statt Vieh, Handschuhe, sodann bei der Steigerung der Adjektive nah und hoch, „nächer“, am nächsten, höcher, statt näher, höher.

Ja in Althausen wird das „h“ im Anlaut sogar zu einem „k“ verhärtet in „Kannesle“, „Kannzatag“, „Kannzebeer“ statt Hannesle, Hanstag, Johannistag, Johannisbeer.

Das „ch“ im Anlaut wird stets als „k“ gesprochen Krist, Kor, Koral, Karakter, Kronik, Kaldäer etc., nur vor „i“ wird theilweise eine Ausnahme gemacht und „China“, „Chinin“, dann aber auch wieder „Kirurch“ statt Chirurg gesprochen.

Auch vor „s“ und „ts“ wird „ch“ zu „k“ oder zu dem Doppelkonsonanten „x“ so „Dräksler“ statt Drechsler, „Fuks“ statt Fuchs, „Dax“, „nix“ statt Dachs, nichts.

Das „ch“ verstummt im Auslaut der zweisilbigen Ortsnamen, die mit „Bach“ endigen, so in „Schmerrba“, „Rimmba“, „Errba“, „Schirmba“ statt Schmerbach, Rimbach, Erdbach, Schirmbach, dagegen Laudenbach, sodann im Auslaut einiger persönlicher Fürwörter als: „i“, „di“, „mi“, „si“ für ich, dich, mich, sich, ebenso in nicht und welcher: „nit“, „weller“. Weiter fällt es weg in der Adjektivendung „lich“ so in „lächerli“, „klanli“, „niedli“ etc.

Eingeschoben wird ein „ch“ in Worten, wo ursprünglich ein „h“ gestanden, so in „schilchen“ statt schielen, ’s schneicht, doch wird es da auch zuweilen zu „b“, „’s schneibt“ statt es schneit.


Die flüssigen Laute.
1. Der Lippenlaut m.

„m“ geht mannigfach über in „n“ so in „Thorn“ statt Thurm.

| Dagegen tritt „m“ an die Stelle des „n“ in der Vorsilbe „ent“, wenn das damit verbundene Wort mit „b“ beginnt also embähra, embieta, embinda, emblättera, emblöda, emblößa, embrenna etc. statt entbehren, entbieten, entbinden, entblättern, entblöden etc.

Auch lautet im Fränkischen das „n“ in der Verbindung mit „f“ oder „ft“ als „m“ so in „Vernumft“, „Zumft“, „samft“ statt Vernunft, Zunft, sanft. Ausgefallen ist das „m“ in „Arvel“ statt Armvoll.

Nasal wird es gesprochen in „hanli“[ER 10] statt heimlich, heimisch.


2. Der Gaumenlaut n.

„n“ verstummt in der tonlosen Endsilbe „end“ so in „Tuged“, „Juged“, „åbed“, „morgeds“, statt Tugend, Jugend, Abend, morgends. Auch in „ent“ vor der Endsilbe „lich“ so „öffetli“, statt öffentlich, auch in „allathalbe“ statt allenthalben.

Weiter ist es nicht zu hören in der Endsilbe „en“ im Haupt-, Zeit- und Eigenschafts- und Zahlwort, also „Garte“, „Trauwe“, „lese“, „siebe“, statt Garten, Trauben, lesen, sieben etc.

Im Gäu und einigen namentlich katholischen Orten des Taubergrundes fällt nicht blos das Schluß-„n“ sondern die ganze Endsilbe des Infinitiv weg, „i will jatzt ass’, trink’“, statt ich will jetzt essen, trinken.

Ebenso ist das „n“ in der Femininendung in unhörbar, so in „Färschti,“ „Pfarreri“ statt Fürstin, Pfarrerin, oder wenn vor dem Schluß-„n“ ein „l“ oder „r“ steht, „einzel oder ansel“, „schüchter“, „sonder“, „gester“ statt einzeln, schüchtern, sondern etc.

In Haupt- und Umstandswörtern wird das Schluß-„n“ nach „r“ gern in den Halbvokal ə verwandelt „Kärə“, „Stärə“, „Stierə“, „Hårə“ statt Kern, Stern, Stirn, Horn etc. „gärə“ statt gern.

In der Silbe „ein“ lautet es nasal, „ein“, „mein“, „allan“, „fein“, „Main“ statt ein, mein, allein etc., aber auch sonst noch so in „Loan“ statt Lohn, „meindwega“ statt meinetwegen.

Vor einem Vokal lautet jedoch das stumme oder nasalgewordene „n“ wieder z. B. gestern åbeds statt gester. –

In Althausen wird dem Wort Ast das sonst „åscht“ gesprochen wird ein „N“ vorgesetzt und „Nast“ gesagt.

Manchmal wird auch ein „n“ gerne eingeschoben, so in „haind Nåcht“ statt heute Nacht, in „schwerner“ statt schwerer, „ehnder“ statt eher, „mehnder“ statt mehr.

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3. Die Zungenlaute l und r.

„l und r“ werden manchmal mit einander verwechselt, so in „balwira“ statt barbieren und in „kristira“ statt klystiren. Hie und da wird „l“ an die Endsilbe „e“ angehängt wie in „Träuwel“ statt Traube, „Kreidel“ statt Kreide. „l“ verstummt in „aß“ statt als, in „i sott“, „du sottst“, „er sott“, für ich sollte, du solltest, er sollte, in „sodder“ statt solcher.

„r“ fällt aus in „Stümpf“ statt Strümpfe, „Äbirn“ statt Erdbirn, in „dunta“, „dowa“ statt drunten, droben. Mit einem darauffolgenden „d“ oder „f“ wird es gerne assimilirt, so in „foddern“ statt fordern, „er däff“, „du däffst“ etc. statt er darf, du darfst. Zwischen den Silben „au“ und „ai“ und dem darauffolgenden „r“ wird stets ein „e“ eingeschoben, also „Mauerer“ oder „Maierer“ statt Maurer.



Schließlich sei noch auf einige dialektische Eigenthümlichkeiten aus der Formenlehre und Syntax hingewiesen, nemlich auf die häufige Verwechslung des Dativs und Akkusativs, sowie auf die Umschreibung des Genitivs.

Auf die Frage „wo?“ wird häufig der vierte Fall, auf die Frage „wohin?“ der dritte Fall gesetzt: z. B. wo bist du gewesen? „i bin ins Houlz gwea“ statt ich bin im Holz = Wald gewesen, oder wo bleibt heute der N. N.? „er it krounk, er leit ins Bett“.

Wohin geht er? „er gätt nei der Kärch“ statt er geht in die Kirche.

„Er gätt nuff bein Härtlein.“

„Die Schwalma zieha in Herbst nei der wärmeren Länder“.

„Die Soldaten zogen nei der Schlacht.“

Der Eingang ins Vaterunser wird von Alt und Jung gebetet: „Vater unser, der du bist in Himmel“.

„I’ b’such Ihna“. I’ grüß’ Ihne“ statt Sie.

Der Genitiv wird nur selten gebraucht, statt seiner bedient man sich lieber der Umschreibungen: „dem Nachber sein Kind“ oder „das Kind vom Nachber“ statt des Nachbars Kind.

Der unbestimmte Artikel „ein“ wird nicht vor das zum Steigern gebrauchte Umstandswörtlein „sehr“ oder „recht“ oder „gar“ oder „arg“ – welch letzteres gewöhnlich statt der vorhergenannten | gebraucht wird – sondern hinter dasselbe gesetzt, oder wenn es vor dem Umstandswörtlein steht, nach demselben noch einmal wiederholt z. B. „des ist mal sehr ein guter Wein“, „des ist e sehr e schön’s Haus“, „der hot e årge[ER 11] schöni Frâ“ statt der hat eine sehr schöne Frau.


II. Wortschatz.

Zugleich Darstellung der Lebensweise, Sitten und Gebräuche, gruppirt zunächst nach dem Lauf des Jahres und nach den Verhältnissen des menschlichen Lebens von der Wiege bis zum Grabe.[46]

Neujahr. In der Neujahrsnacht, die mit zahlreich besuchtem Abendgottesdienst eingeleitet wird (das fränkische Volk ist überhaupt sehr kirchlich), werden in manchen Orten von den Bürgern häufig Wecken, besonders „Schlacken“, auch geflochtene „Ring“ in Partieen, Bård (Part) von je 5 Spielern herausgekartelt. Zwei gewinnen die 5 Brote, drei gehen leer aus.

Sobald es 12 Uhr schlägt, wird in vielen Orten in den Wirthshäusern von allen Anwesenden ein Choral besonders „Nun danket alle Gott“ gesungen.

In manchen Häusern trinken Bursche und Mädchen, „s leddi G’sind“ (das ledige Gesinde), gemeinschaftlich Kaffee, wozu die Mädchen die Bohnen, die Bursche die Wecken zu liefern haben.

In der Neujahrsnacht oder auch in der Nacht vor dem sogenannten „großen Neujahr“, auch „Obersttag“, „Dreikönigsfest“ genannt, also in der Nacht vom 5. auf 6. Januar werden von den Burschen einzelnen Mädchen als Zeichen der Abneigung und Verachtung, also zur Schande, oder um sich wegen Verschmähtwordenseins zu rächen, „ströweri Bretza“ d. h. Kränze von Stroh in die Nähe der Schlafkammer auf das Dach gelegt oder an Bäume etc. gehängt. Natürlich schauen die Mädchen am Morgen dieses Tages eilends nach, ob nicht ein so fatales Ehrenzeichen ihnen gebracht worden ist.

Lichtmeß. An Lichtmeß, dem Hauptwandertag der Dienstboten („Ähelte“ = Ehehalten) oder vielmehr am Tage darauf, wann derselbe ein Dienstag oder Freitag ist, denn nur an diesen beiden Tagen „stehen sie an“ d. h. treten sie in den Dienst, | werden Knechte und Mägde beim Wandern mit Gesang, erstere auch mit gewaltigem Peitschengeknall, aus dem alten ins neue Diensthaus begleitet, nachdem sie zuvor von ihrer alten Herrschaft noch einen „Wenzellaib“ (von „wenzeln“ = wandern, oder von König Wenzel? W. Fr. 7, 195) erhalten haben.

Tritt ein Knecht oder eine Magd in einen andern Ort der Gegend in Dienst über, so läßt sie die neue Herrschaft mit zweispännigem Wagen, auf dem sich ihr „B’hälter“ d. h. Kleiderkasten befindet, abholen.

Die neu eintretenden erhalten ihren „Weinkoff“ nebst „Zug’höring“, bestehend manchmal in 30–36 Ellen Tuch (Leinwand), einigen Pfunden Wolle, „Koupftüchle“, einem Paar Schuhe bei Mägden, und bei Knechten in 2 Hemden, 1 Schürze, auch in Wolle und eine „Flicket“, Leder zum Sohlen der Stiefel.

Fastnacht. An der „Fåsenacht“ (Fastnacht, auch bei den Protestanten heißt die ganze Passionszeit „Fastenzeit“, der Konfirmandenunterricht „Fastenunterricht“, weil er zum größeren Theil in diese Zeit fällt) wird in den meisten Häusern etwas „Extres“ gekocht, eine „Bratpfanne“ oder „Küchle“ gebacken und dgl. und zwar meist Abends.

Fastnachtsscherze und Vermummungen kommen nur in Mergentheim und etlichen katholischen Orten vor.

Karfreitag. In der Nacht vom Gründonnerstag auf Karfreitag wird in vielen Häusern gebuttert, dem gewonnenen Butter (der Franke sagt nicht die, sondern „der“ Butter) wird heilende Kraft zugeschrieben und deshalb davon das Jahr über aufgehoben. Auch holt man am Karfreitag Morgen vor Sonnenaufgang Wasser am Brunnen oder aus dem Fluß etc. und wäscht sich hiemit Augen, Gesicht und Hände, was vor Erkrankung bewahren soll, namentlich aber wird diesem Karfreitagswasser schützende Kraft gegen die Krätze und andere Hautkrankheiten zugeschrieben, ja selbst beim Heilen schwerer Knochenbrüche soll es seine Wunderkraft erproben. Es wird festgepfropft von Karfreitag zu Karfreitag aufgehoben.

Pfingsten. In der Nacht vom Pfingstsamstag auf den Pfingstsonntag werden die „Maien“ gesteckt als Zeichen der Gunst und Zuneigung besonders von den Burschen ihren Mädchen. Sind sie gestohlen, so macht die Gefahr der Strafe, welche den Gebern droht, das Liebeszeichen nur um so werthvoller.

| Das Anzünden der Johannisfeuer „Hansfeuer“ hat an einzelnen Orten vor Kurzem im Bezirke noch stattgefunden, jetzt aber ganz aufgehört.

Eine große „Maie“, und zwar nicht eine Birke wie an Pfingsten, sondern eine Fichte wurde früher in vielen Orten auf dem freien Dorfplatz an der Kirchweih aufgerichtet zum Behuf des „Hammeltanzes“. Unter Musikbegleitung wurden die Mädchen in ihren Wohnungen abgeholt und nun gieng es im Zug auf den Festplatz zu der von den Mädchen mit Kränzen und Bändern geschmückten „Maie“ und zu dem von den Burschen besorgten, ebenfalls reichlich bebänderten und bekränzten Hammel.

Auf dem Baum befand sich eine geladene Pistole. War der Zug angekommen, so wurde der Schwamm, der die Ladung entzünden sollte, angezündet, und das Paar, welches gerade im Augenblick des Schusses unter dem Baum im Zug sich befand, hatte den Hammel gewonnen. Dann giengs zum Tanz in die Wirthshäuser.

Ernte. Am Sonntag nach Beendigung der „Kårnära“ (Roggen- und Dinkelernte) wird die „Niederfallet“ (Sichelhänget) gefeiert durch besseres Mittagessen und Austheilen von „Kuchen“ (weiße Brotlaibe) und „Küchle“ (Schmalzgebäck).

Sedansfeier. Der 2. September, der „Sedanstag“, wird von den meisten Gemeinden in Kirche und Schule gefeiert. In manchen Schulen werden Geschenke, in Büchern, Heften etc. bestehend, vertheilt, im Freien Kinderspiele veranstaltet. Abends versammeln sich die Erwachsenen zu geselliger Feier, und werden in mehreren Orten die „Ausmarschirten“ auf Kosten der Gemeinde mit einem Abendessen bewirthet.

Kriegervereine haben sich fast in allen Orten gebildet.

Kirchweihe. Das größte weltliche Fest aber ist die „Kärwe“ (Kirchweih) im Herbst. An ihr gibts auch in den Häusern der Armen – fast das einzigemal im Jahr – „gräns Flasch“[ER 12] d. h. frisches Rindfleisch. Es wird viel gebacken, nicht blos „Kuchen“, weißes Brot, sondern auch „Blåz“ = dünne Kuchen verschiedener Art.

Das Fest wird schon einige Tage zuvor von den ledigen Burschen an- und eingetrunken („Kärweeintrinke“). Am Sonntag kommen zum Kirchgang und zur „Kärwemohlzeit“ die Verwandten oft weit her. Abends geht Alles in die mit „Kärwewein“, der gewöhnlich nicht allzustark ist, und Speisen reichlichst versehenen Wirthshäuser.

| Am „Kärwmendi“ (Kirchweihmontag) Mittags rücken die Musikanten mit klingendem Spiele ein, und nun werden die „Madlich“ oder „Maidli“ von Haus zu Haus abgeholt, und zwar durch Sendlinge der Wirthe, und in ganzen Reihen in die Tanzhäuser geführt.

Abends kommen auch die Weiber, um – wenn auch noch so alt – mit ihren Männern zu tanzen.

Das junge Volk hält die ganze Nacht aus bis zum andern Morgen, begibt sich dann auf einige Stunden nach Hause, Mittags aber gehts schon wieder zum Tanz bis Mittwoch Früh.

Am Dienstag oder Mittwoch wird die „Kärwe“ unter allerhand Possen und Vermummungen „begraben“.

Am Sonntag darauf ist „Nachkärwe“, bei der von den Einheimischen mit den Wirthen gewöhnlich abgerechnet wird.

Weinlese. Im Herbst bei der Traubenlese werden die Pferde, welche den „Beerwåche“ mit der mehrere Eimer fassenden „Karragelte“ zu ziehen haben, mit Rollen von Schellen behängt. Selbst die Ochsen und Kühe wurden früher mit solchen Schellen versehen.

Die Kelterung, „das Kaltere“, findet auf lauter Privatkeltern statt, die gewöhnlich in den Scheunen aufgestellt sind.

Der neue Wein heißt das ganze erste Jahr „Mouscht“, während das von Äpfeln oder Birnen gewonnene Getränke „Epfelmouscht“ genannt wird.

Beim Fassen des verkauften Weins heißt derselbe – ob neuer oder alter Wein – „Schrotwein“ von den verpflichteten Schrötern, die ihn zu laden haben. Ist das Ladegeschäft vorüber, so wird Abends im Hause des Verkäufers „Schrotwein trunka“, wozu Verwandte und Nachbarn geladen werden.

Der Käufer erhält beim Holen des Weins einen Strauß, wofür er an die Frau oder Tochter oder Magd des Hauses ein möglichst splendides Trinkgeld „Straißgeld“, zu zahlen hat.

Während der Lese wird nur wenig geschossen und gefeuerwerkt.

Martini. An Martini oder auch am 6. Dezember, dem Nikolaustag, geht Abends der „Nußmärte“ in vermummter Gestalt herum, erschreckt die Kinder, um sie dann wieder durch „Niß“ und „Epfel“, die er austheilt, zu beruhigen.

Weihnachten. An den drei Donnerstagen vor Weihnachten wird – aber mehr nur in den Städten – von armen Kindern das „Anklepferli“ abgehalten. Sie gehen von Haus zu Haus, singen und empfangen dann eine Gabe.

| Die Verslein, die sie singen, sind uralt und lauten:

Die Rosa, die Rosa, die wachse uffem Stengel
dr Herr is schö, dr Herr is schö, die Fra is wie an Engel.
Klane Epfelich, Stitzelich dron,
’s Besle kriecht da schönste Mon.

oder:

Die Rosa, die Rosa (u. s. w. wie oben)
’s is a goldig Schnur ums Haus
’s gucka zwu drei Jumpfer raus,
di an spinnt Seide,
di anner schläßt Weide,
’s hockt a Vögeli uffm Dach,
hat si halbe schecket g’lacht.

oder:

Klopfe, klopfe Hemmerli,
’s Brot lait im Kemmerli,
’s Messer lait danebe,
sollt mer a Stückle gebe.

oder:

Wir wünsche den Herre an goldigi Tisch,
uff jeder Spitze an backene Fisch,
und mitte nain a halb Mås Wein
no könne die Herra recht fröhli sein.

An andern Orten, wie in Mergentheim, findet das bettelnde Herumziehen der Kinder auch am Erscheinungsfest „Dreikönigsfest“ statt, wo die Kinder wohl auch als Könige verkleidet auftreten, und in ihren Gesängen „die heiligen 3 König mit ihrem Stern“ etc. die Hauptrolle spielen.

Am heiligen Abend selbst verkleiden sich junge Bursche von 18–20 Jahren mit Hilfe von Strohbündeln und Wergwischen als „Hullefra“, welche auch sonst als Popanz für die Kinder gebraucht wird, besonders um sie zu dem Beten anzutreiben.

Während die meisten Einwohner an diesem Abend sich nicht auf die Gasse wagen, weil von der „Hullefra“ Schabernack zu fürchten ist, gehen etliche Mädchen als „Christkindle“ in weißen Kleidern in befreundete Häuser und Nachbarsfamilien und erfreuen die Kinder mit „Zuckerblätzlich“.

Metzelsuppen. In den Wintermonaten von November bis März finden auch die Metzelsuppen statt. Die Nachbarn und nächsten Verwandten werden dazu eingeladen, wo es außer | dem „Schweinernen“ „Nudelsuppe“ gibt. Und auch die Armen gehen nicht leer aus, sondern werden so viele ihrer kommen mit „Grettelbrüh“ und meist auch einem „Wärschtle“ drinnen beschenkt, so daß sie fast den ganzen Winter Tag für Tag ihre Fleischbrühsuppe essen können.

Die Bauern schlachten 3–6 Schweine, wohl auch ein Rind oder eine Kuh, die mittleren Leute 2 Schweine, und auch die Geringsten haben wenigstens einmal im Jahr ihre Metzelsuppe.

Schweinefleisch ist überhaupt auf dem Land die Hauptnahrung. Es wird theils frisch als „gräns Flasch“, theils geräuchert als „därrs Flasch“, theils eingespundet als „g’salzes Flasch“ verspeist.

Frisches Rind- oder Kalbfleisch wird auf dem Lande nur an der „Niederfallet“, „Kärwe“, bei Tauf- und „Hochzigschmäußen“, da aber massenhaft, verzehrt.

Taufe und Taufpathen. Unter den Familienfesten stehen oben an „Kindstaf“ und „Hochzig“ oder „Haochzt“.

Die Taufen finden in den Städten meist in den Häusern, auf dem Land dagegen meist in der Kirche und zwar am Sonntag im öffentlichen Nachmittagsgottesdienst statt.

Von den Pathen – (2–5, in den evangelischen Gemeinden des Gäus dagegen nur einer) wird dem Täufling in manchen Orten das Geschenk, der sogenannte „Dotethåler“, früher ein Kronenthaler, nunmehr bei wohlhabenden Familien mindestens ein Fünfmarkstück, in der Kirche zwischen dem Rücken des Kindes und dem Kissen eingesteckt, an andern Orten geschieht dies nach vollzogenem Taufakt im Haus. Man findet in den Häusern noch zahlreich solche Kronenthaler, welche möglichst blank erhalten und hoch in Ehren gehalten werden.

Die Gebühr des Lehrermeßners wird von den Pathen nach der Taufe ins Taufwasser geworfen.

Die Pathen, „Doute“, beschenken ihre „Döitli“ an Ostern mit gebackenen „Ringen“ und gefärbten Eiern („Håsegackeli“), am Neujahr mit „Ringen“ oft von gewaltiger Größe, mit Äpfeln und Nüssen, die Knaben mit einem großen „Reiter“, die Mädchen mit einer Puppe, „Dogga“, aus gemaltem Marzipan oft im Werth von 1–2 M. und in der Größe von 3–4 dm nach Höhe und Breite.

An der Konfirmation werden die Pathenkinder „ausg’stattet“ oder „ausg’steuert“ d. h. mit Hemd, Binde und Gesangbuch von ihren „Douten“ beschenkt.

| Bei Hochzeiten und Leichenbegängnissen ihrer Pathenkinder kommen die Pathen unmittelbar nach deren Eltern und bei Beerdigungen ihrer Taufpathen gehen die Pathenkinder mit den hinterlassenen Söhnen und Töchtern als die nächsten Leidtragenden unmittelbar hinter der „Båhre“ (Sarg).

Die Pathenkinder sagen zu ihren Taufpathen, wenn dieselben auch Brüder oder Schwestern von Vater oder Mutter sind, nie Onkel und Tante oder Vetter und Bas, sondern stets „Dout“ und „Douti“, auch wenn sie schon erwachsen oder nach ihrer Eltern Tod ins Haus ihrer Taufpathen aufgenommen sind.

Verlöbnis. Am Tage des Verlöbnisses, dem „Heiretsdack“, Heirathstag, zu welchem die Taufpathen und nächsten Verwandten geladen werden, und an dem der Heirathsvertrag gewöhnlich vom „Schulze“ vor oder nach der damit verbundenen Abendmahlzeit geschrieben wird, oder bald nach demselben erscheinen Bursche vor dem Haus der Verlobung mit einer Henne. Dieselbe wird gezwickt, daß sie recht „kärrt“ (laut schreit) daher der ganze Vorgang „Hänerkärrli“ heißt. Dieses Geschrei gilt als Aufforderung an den Bräutigam, durch ein Geschenk sich die Erlaubnis zum Austritt aus dem Junggesellenstand zu erkaufen. Ehe das Geschenk jedoch gereicht wird, versuchen die Verwandten des Bräutigams, sich des schreienden Mahners zu bemächtigen, was die Bursche ihrerseits zu verhindern suchen. Es bleibt dem Bräutigam nun nichts übrig, als durch 2–4 Kronenthaler, jetzt 10–12 M., sich auszulösen. Das Huhn bekommt seine Freiheit wieder, und das Geld wird im Wirthshaus vertrunken.

In den meisten Orten lassen sie neuerdings die arme Henne weg und thun ihre Anwesenheit durch Absingen einiger Lieder kund, worauf sie vom heraustretenden Bräutigam zu Wein und Brot ins Haus geladen und beim Abschied mit dem betreffenden Geldgeschenk entlassen werden.

Einzug. Beim Einzug, der, wenn Bräutigam oder Braut von auswärts kommt, am Abend vor dem Hochzeittag stattfindet, ist der Brautwagen mit Bändern behängt und wohl bekränzt, ebenso die Pferde, die gewöhnlich in den Thalorten die Müller zu stellen haben gegen 1 Kronenthaler, jetzt 5 M., Trinkgeld für den Knecht.

Der Fuhrmann und der Schreiner, der die „Ausstattung“, „Hausroath“ gemacht hat, bekommen ihre „Tüchle“, das sie von der Mütze herabflattern lassen. Auf dem mit dem schön überzogenen Brautbett und mit aufbereiteter Wiege versehenen Braut- | oder „Haochztwoge“ sitzen hoch oben zwei „Madlich“ oder „Maidli“, die „recht und die link Schmöllerli“, vor sich jede einen mit Bändern und Flittergold verzierten „Spinnroggen“ (Kunkel), der mit Flachs und Spindeln wohl besteckt und das Geschenk der Brautjungfern ist, haltend. Der Fuhrmann betet im Sattel unmittelbar vor der Abfahrt ein stilles Vaterunser und dann gehts mit „Hü in Gottsname“ fort.

Auf heimatlicher Markung darf mit dem Wagen nicht angehalten werden. Bräutigam oder Braut folgen, von einander abgeholt, in schön bekränztem Gefährt dem Brautwagen. Kinder suchen sie mit über die Straße gespannten Schnüren aufzuhalten und werden mit kleinen Geldstückchen, die unter sie geworfen werden, beschenkt, um die Bahn frei zu geben.

Ist der Brautwagen an Ort und Stelle angekommen, so dürfen die Pferde so lange nicht ausgespannt werden, bis die auf dem Wagen liegenden Bettstücke unter Gesang von Seiten der ledigen Bursche ins Haus geschafft sind, dann können die Hexen, die leider noch immer bei vielen eine große Rolle spielen, dem Bett nichts anthun.

Sagt man den Leuten: „glaubt ihr denn noch immer an Hexen?“ so kann man zur Antwort erhalten: „o i glab nix sötts, odder ’s ist halt doch besser sou und ’s it ma Latti sou gwa“ (o ich glaube nichts solches, aber es ist halt doch besser so und es ist mein Lebtag so gewesen).

Wer von den Brautleuten zuerst ins Haus hineingeht, der wird Herr im Haus. Gewöhnlich ist die Braut so bescheiden, dem Bräutigam dieses Recht zu gönnen, manchmal aber auch nicht, was sodann von den zuschauenden alten Weibern übel vermerkt wird, da heißts dann wohl: „die brauchts a, hat nörr a Por dausat Güldi und kummt nei en sötta schöna Houf!“

Beim Einzug und am Hochzeittag wird sehr viel geschossen.

Hochzeit. Die regelmäßigen Hochzeittage sind Dienstag, in manchen Orten auch Freitag, und wenn die Hochzeit einfach und ohne viel Aufwand gehalten werden soll, Sonntag oder Mittwoch.

In etlichen Orten essen Bräutigam und Braut, ehe sie in die Kirche gehen, beide stehend aus einem Teller gewöhnliche Schwarzbrotsuppe, damit sie einerlei Glauben und Gesinnung bekommen.

Nach der von den Gästen eingenommenen sog. „Morge- oder Frühsuppa“ und vorgenommenem Civilakt findet der Kirchgang | statt, zu welchem der Geistliche und Lehrer den Zug im Hochzeithause abholen und – den Bräutigam in ihrer Mitte – zur Kirche geleiten.

Beim Eintritt ins Zimmer wird dem Geistlichen und Lehrer von einer der Brautjungfern ein Glas Wein angeboten und von einer zweiten ein seidenes Tuch mit einer Zitrone oder einem „Zemmel“ (Rosmarinzweig) als Geschenk der Braut übergeben. Auch sämmtliche übrige Gäste sind mit solchen „Zemmeln“ versehen. Bei der Trauung bemühen sich die Brautleute, daß sie so nah als möglich am Altar und neben einander stehen, daß sich nichts Böses zwischen sie eindrängen kann; auch kommt es wohl dann und wann noch vor, daß bei dem eigentlichen Trauakt jedes seine Hand oben auf zu bringen sucht, um die Herrschaft im Hause zu erlangen.

Nach der kirchlichen Trauung wird der Hochzeitzug vom Geistlichen in gleicher Weise wie in die Kirche so ins Haus der Brauteltern, in welchem, wenn dieselben noch am Leben sind, regelmäßig die Hochzeit gehalten wird – (nur in den Städten, aber auch da höchst selten, wird das Essen im Gasthof eingenommen) – zurückgeführt, und nun wird die allgemeine Gratulation durch eine kurze Glückwunschrede des Geistlichen eröffnet. Gast um Gast, die Brautführer und Brautjungfern voran, dann die Taufpathen etc., geht zu den Neuvermählten, die aber auch jetzt noch nach alter Weise das Brautpaar heißen, reicht ihnen die Hand und spricht: „i wünsch’ ich (euch) Glück!“

Bald darauf beginnt die Mahlzeit, die ungefähr 3 Stunden dauert, und bei der Braut und Bräutigam, früher allgemein und da und dort auch jetzt noch, aus einem und demselben Teller essen.

In manchen Orten des Gäu bestand früher und besteht wohl auch jetzt noch die Sitte des „Kränzlestehlens“. Die Brautleute sitzen während des Mahls in der Stubenecke, „Herrgottswinkel“ genannt, weil das Kruzifix da angebracht ist. Neben der Braut sitzen zwei Brautführer, die sie während des Essens zu bedienen haben, damit keiner der Gäste ihr etwas zu essen oder zu trinken reicht. Machen sie dabei ihre Sache nicht recht, d. h. bieten sie die Speisen nicht in der rechten Reihenfolge, z. B. den Salat vor dem Braten an, so dürfen sie sicher auf Schimpf und Spott rechnen. Hauptsächlich aber müssen beide in Gemeinschaft mit dem Bräutigam wachsam sein, daß die ledigen Bursche der Braut nicht mit irgend einer List das Kränzlein | oder etwas von ihrer Kleidung entwenden. Nicht selten arbeitet sich ein verwegener Bursche unter dem Tisch durch bis zur Braut, um ihr unbemerkt einen Schuh zu stehlen. Ja es wurden schon Leitern angelegt, die Scheiben eingedrückt und so der Brautkranz geraubt. Hat eine Braut das Unglück gehabt, am Hochzeittag um ihr Kränzlein zu kommen, so geht das Gerede noch lange von ihr.

S. auch Birlinger, Volksthümliches II, S. 389. 393. 394.

Am Schluß der Mahlzeit werden Teller für die „Köchin“ und „Spülmad“ aufgestellt, und die Gäste von der einen oder andern, die mit verbranntem Küchenschurz ins Zimmer tritt, um eine milde Beisteuerung zum Ersatz des Brandschadens angegangen.

Nach dem Essen wird von den jungen Leuten fast fortwährend gesungen und, wenn Musik da ist, auch getanzt.

Auch kamen früher in manchen katholischen Orten nach dem Abendläuten (Angelus) sämtliche Jungfrauen des Orts vor das Hochzeithaus, um der Braut die Abschieds- und Glückwunschlieder zu singen. Dieses Singen hieß das „Pfeffersingen“. Die Mädchen erhielten dafür gewöhnlich eine Gießkanne Wein, den sie dann in einem Wirthshaus unter Gesang und Scherz tranken.

Heirathete eine Witwe, so sangen die Frauen. Heirathete eine Gefallene, so wurde nicht gesungen. Birl. II, S. 389.

Abends stellen sich die „Schenkerinne“ mit den „Hochzigg’schenke“ ein und nehmen an der zweiten, bis tief in die Nacht sich hineinziehenden Mahlzeit theil.

So geht’s singend, essend, trinkend, schießend, tanzend und in den Häusern der Verwandten – bei größeren Hochzeiten mit Musikbegleitung – herumziehend oder Gäste fortbegleitend bis zum Donnerstag fort.

Beim Abschied bekommen sämtliche Gäste ihren „Thal“ (Theil) d. h. je einen Laib weißes Brot („Kuche“) nebst einigen Waffeln, 1/4 „Gouloppe“ und wohl auch ein „Stückle Flasch“ mit nach Haus, wozu jeder sein besonderes „Tüchle“ mitbringt.

Bleibt die Braut im Ort, so wird am Abend des Hochzeittags zwischen dem Mittag- und Nachtessen, gewöhnlich aber erst am nächsten Tag „Einzug“ gehalten, d. h. die Aussteuer wird nun Stück für Stück von den Brautjungfern und Brautführern unter Gesang und gewaltigem Schießen in möglichst vielen Gängen ins Haus der Neuvermählten getragen. Ist dies geschehen, so werden die jungen Eheleute, einander an der Hand führend, von ihren Eltern und der ganzen Hochzeitgesellschaft | in ihr Haus begleitet, wo dann gespeist wird. Am Sonntag oder 8 Tage nach der Hochzeit stellen sich die jungen Hochzeitgäste zum Besuch beim neuen Ehepaar ein, um sich die Einrichtung zu besehen. „Tischrücken“ oder auch „Tischumschmaße“ (Tischumschmeißen) wird dieser Besuch genannt und mit einem Abendessen gefeiert.

In manchen Orten, namentlich im Gäu, wird dieser Besuch nur von den Kamerädinnen der jungen Frau ausgeführt, und werden dieselben beim Abschied mit einem Geldgeschenk von 6–15 M. „Ounnoth“ (Annoth, von annöthen) bedacht; weshalb auch der Besuch selbst „Ounnoth“ genannt wird. Für dieses Geld wird dann an irgend einem Abend ein „flotter Kaffee“ bereitet und hiezu die jungen Bursche – „Schätze“ – eingeladen.

Die Verheiratheten sagen, wenn sie mit Dritten von einander sprechen, nicht „mein Mann“ oder „meine Frau“ sondern nur „d’r Mein“, „die Mein“ oder auch nur „Er“ und „Sie.“

Tod- und Leichenfeier. Bei eingetretenem Todesfall halten Nachbarn und Verwandte die Todtenwache, wozu sich aber oftmals völlig unberufene Leute des Schmarozens halber herzudrängen und wobei es deshalb manchmal mit Trinken etc. recht ärgerlich hergeht.

Bei den Leichenbegängnissen wird von einem in ein schwarzes Chormäntelchen gekleideten Schulknaben ein Krucifix mit langem schwarzem Flor vorausgetragen.

Vor und nach der Beerdigung werden die geladenen Auswärtigen im Trauerhaus mit Kaffee, Wein, Wecken, Käse bewirthet und Abends mit etlichen Wecken in dem dazu mitgebrachten „Tüchle“ entlassen. Nach der Abendglocke kommen dann auch die einheimischen Verwandten, Nachbarn und Freunde zum „Leichentrunk“. Ist ein erwachsenes Mitglied der Gemeinde gestorben, so trauert in manchen kleinen Orten die ganze Gemeinde mit den Hinterbliebenen, indem sie 4 Wochen lang schwarz gekleidet beim Gottesdienst erscheint. In anderen Orten beschränkt sich die Trauer sei es um Erwachsene oder um Kinder auf die nächsten Anverwandten, Pathen und Nachbarn.

Im Gäu dürfen bei eingetretenem Trauerfall die nächsten Angehörigen ein Jahr lang nicht singen, also auch in der Kirche nicht; denn jeder Gesang wäre eine Beleidigung für die Todten. So lange eine Leiche im Hause liegt, darf kein Rad gehen, kein Wagen-, Karren-, Spinnrad u. dgl.

| Einige kirchliche Gebräuche. Am Samstag Abend wird der Sonntag mit allen Glocken eingeläutet, und wird auf dem Lande früher als an den anderen Tagen Feierabend gemacht. Auch die häuslichen Geschäfte werden am Samstag Abend möglichst eingestellt, um eine Predigt oder wenigstens die Sonntagsperikopen ungestört lesen zu können. In etlichen evangelischen Gemeinden werden die hohen Festtage am frühen Morgen mit dem Geläute aller Glocken eröffnet. Bei der Feier des heiligen Abendmahls werden auch in den evangelischen Kirchen hohe Leuchter mit brennenden Wachskerzen auf den Altar gestellt. In den evangelischen Orten des Gäu findet am Karfreitag der Kirchengesang ohne Orgelbegleitung statt. Auch wird in diesen Orten jeden Abend mit allen 3 Glocken zum Abendgebet geläutet. Beim Läuten der Früh-, der Mittag- oder Abendglocke, sowie während des Einläutens der Sonntage entblößen die Landleute auch auf der Straße und auf dem Feld ihr Haupt und beten ein stilles Vaterunser.


Haus und Hof, ihre Theile und Einrichtung.

Haus. Nach dem Aufschlagen eines neuen Hauses oder einer Scheuer wird regelmäßig ein Zimmerspruch gethan. Die Ehre, denselben von dem mit einem reich bebänderten und bekränzten Tannenbäumchen versehenen Giebelgebälke herabsprechen zu dürfen, wechselt unter den Gesellen ab. Derjenige, der ihn spricht, bekommt wie der Meister ein seidenes „Tüchle“, die übrigen Gesellen nur baumwollene.

Die Theile des Hauses sind der Vorplatz, „Tenne“ genannt, „Stube und Stubenkammer“. In jener steht der „Disch“ (Tisch), umgeben auf 2 Seiten von der an der „Wånd“ festgemachten „Bånk“ oder „Buank“, gewöhnlich Benk, ein „Kammod“, als Aufsatz darauf mitunter ein „Glåsb’hälter“, d. h. ein Kasten mit Glasthüre, um das Porzellan- und Glasgeräthe und dgl. darin aufzubewahren, oder auch ein „Schreibpult“; auch befindet sich in der Stube außer 2 hölzernen Stühlen der „Sessel“ d. h. ein großer, gepolsterter und mit Leder überzogener Lehnstuhl für den „Härle“ (Großvater) oder für kranke Tage und ein gewaltiger, gußeiserner Ofen mit dem „Hölleckele“ und dem „Höllhoufa“, einem eingelassenen Gefäß, um stets warmes Wasser zu haben, um den Ofen zieht sich die „Oufebank“ und oben der „Spanassel“, ein Kranz von 2 oder 3 Stangen, auf die man Späne zum Dörren oder Wäsche etc. zum Trocknen legt und | hängt. Ein Nebenplätzchen im Zimmer oder am Zimmer heißt wohl auch „Kaffenädle“[ER 13] statt Kabinettle. Die große „Bettstatt“ steht mit Vorhängen versehen in der Stube oder in der „Stubekammer“, wenn dieselbe nicht vom „Härle“ oder „Frale“, den Großeltern belegt ist. Die „B’hälter“ (Kleiderkästen) sind entweder in einem weiteren vorhandenen Gemach oder auf dem „intere Boude“ (untere Bühne) aufgestellt, wo sich auch der „Schrain“, ein niederer, langer Kasten für die „Bendel- und Spitzekappe“, nämlich die flotten Bänder und die großen runden Radflorhauben der Mädchen und Frauen, sowie die „Mehltruche“ befinden. Auch die Schlafstätten fürs Gesinde „Ähalte“ sind im Bühnenraum. Dann kommt der „Öwerboude“, die obere Bühne mit den „Kåra“, (Roggen), Dinkel-, „Hawer-“ und „Gärschte“-Vorräthen. An Geräthschaften finden sich da vor: „’s Mees“, Simri, die „Wendschaufel“, große aus Stroh geflochtene Fruchtkörbe, Wannen u. dgl.

Im Haus befindet sich gewöhnlich unter der „Stäche“ (Stiege) auch der „Hänerstall“ (Hühnerstall).

Der Hof. Der Hof, meist durch Mauer oder Zaun mit großem und kleinem Thor von der Straße abgeschlossen, heißt „Hoffert“ „Houfert“. Die „Mischtstatt“ oft mit dem „Häusle“ (Abtritt) daneben und die „Sauställ“ befinden sich in ihm, vielfach auch ein „Gumpbrunna“ (Pumpbrunnen).

Stall und Scheuer. Von der „Hoffert“ gehts gewöhnlich durch die Scheuer in den „Summergarte“ (Gemüsegarten). Die meist ins Haus eingebauten oder ans Haus oder Scheune angebauten Stallungen werden bei den größeren Bauern in „Gail-“ (Pferde) „Ochse-“ „Kihstall“ oder „Stål“ getheilt. Die Scheuern sind je nach Größe des Gutes ein- oder zweitennig, mit „Ha“ (Heu), Kåra-, Gärschte-båra“ (Barn) versehen. Die oberen Scheunentheile heißen „Inter-“ und „Öwerbälk“ (unteres und oberes Gebälk) vielfach nur mit Stangen belegt. Das oberste dritte Gebälk heißt auch „Katzebälk“.

Kelter. Gewöhnlich ist in der Scheuer auch der „Kalterraum“ mit der „Kalter“, deren einzelne Theile „Kalterdogge“ (Keltersäulen), „Schrauwblåk“ mit der Spindel, das „Biet“ mit 4 „Setz-“, 2 „Daichbriter“ und den nöthigen „Bragga“[ER 14] (den Hölzern die unter die Spindel gelegt werden) und dem „Schuh“ und der „Bietgelta“, der „Dummelbam“ mit dem „Kaltersal“, „Zuchschait“ und dem „Dreimel“ (Sperrholz) heißen.

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Haus- und andere Gerätschaften.

Weitere Haus- und Küchen-, sowie landwirthschaftliche in den Scheunen aufbewahrte Geräthe und Werkzeuge und einzelne Theile derselben heißen: Studel – Webstuhl. Roggen – Kunkel. Dröimel – Verdickung am Faden beim Spinnen. Drumm – Fadenanfang. Feisele – zu dünner Faden. Kolllöffel – hölzerner Quirl. Bartel – großer mehrmäßiger Krug. Hähne – Handhabe am Gefäß. Gräwe und Grätte – Korb. Kähnze – Rückenkorb. Salvätle – Serviette. Lammel – Messerklinge. Zoage – Lampendocht. Schnâwer – Haubeil mit kurzem Stil. Beichel – Axtbeil. Häwe – Beil zum Abhauen von Ästen etc. Nähwer – großer Bohrer, wohl von dem Radnabenbohrer übertragen. Rutscher – leichter Pflug, dessen Theile; Räh – Handhaben; Grintel – Pfluggestellstange; Schoar und Säch – eiserne Pflugtheile. Mïscht- und Ladderwåche – Mist- und Garbenwagen. Weider – Gestell des Hinterwagens. Loune – Stift an der Wagenaxe. Roabäre – Schiebkarren.

Die verschiedenen auf der Dreschtenne gebrauchten Siebe heißen: Schäfesieb – weites Sieb. Dinkelraiter – Sieb für Dinkel. Kårasieb – Roggensieb. Rådelsieb – Sieb um den Rådel (Unkrautsamen) zu entfernen.


Maß und Gewichte.

a. Fruchtmaß: statt Scheffel Malter und zwar = 12 Simri bei rauher Frucht, nemlich Dinkel und Haber, und = 8 Simri bei glatter Frucht, als Roggen, Weizen, Gerste, Linsen, Erbsen. 1 Simri = 16 Mäßle.

b. Flüssigkeitsmaß: noch jetzt Eimer = 3 hl. Schmalz namentlich Schweineschmalz wird noch jetzt auf dem Lande nicht nach dem Gewicht, sondern nach dem alten Württembergischen Maß = 4 Schoppen verkauft. Die alte Hohenloher Maß = 3 Schoppen.

Flächenmaß: ein Taubermorgen = 3/4 Württemberger Morgen.

Gewicht: Centner = 100 Pfd.


Münze.

Karolin = 11 fl., noch jetzt beim Vieh- und Pferdehandel. Die neuen kleinen Reichsmünzen heißen: Siebenerle = 20 Pf., Nickel = 10 Pf., Nickele = 5 Pf., Zwâer = 2 Pf.

| Bis zur Einführung der neuen Münze gab es für den Eierhandel besondere Eier-(Aaer)-Bazen = 5 Kreuzer.

Vielfach wurde noch bis in die neuere Zeit auch nach „guten Gulden“ = 1 fl. 15 kr. gerechnet.


Der Mensch, seine Namen, Körpertheile, Speisen und Getränke, Kleidung.

a. Namen: Odel – Adam. Jörch-Odel – Georg Adam. Bärnd – Bernhard. Bardel – Bartholomäus. Balz – Balthasar. Frieder – Friedrich. Heiner – Heinrich. Jörch Georg. Hansjörch – Johann Georg. Lärd und Hardle – Leonhard. Lenz – Lorenz. Michel – Michael. Stoffel – Christof. Philpele – Philipp. Bäwi oder Bäwele – Barbara. Dorrle, im Gäu Döri – Dorothea. Evi und Ävi – Eva. Evamie und Annemie – Eva Maria, Anna Maria. Mraiappel – Maria Apollonia. Reddele, im Gäu Marg, beinahe wie Maig klingend – Margaretha. Katterle, im Gäu Käthel – Katharine. Lisbeth oder Lisele, im Gäu Lisi und Lisel – Elisabeth. Der erstgeborene Sohn heißt auf dem Lande fast immer Johann, die älteste Tochter Margaretha oder Barbara.

b. Körpertheile.

Görwel – höchster Theil des Kopfes. Anke – Nacken. Läffze – Lippe. Schnude – Mund. Gosche – Kinn und Mund. Buckel – Rücken. Houcher – statt Höcker. Patschele – Kinderhändle. Bampfele – Kinderfüßle. Kätterle – weibliche Brüste. Mammelich – weibliche Brüste. G’mäch – Genitalien. Duches – Gesäß. Kniekälle – Kniekehle. Knorre – Knöchel.

c. Speisen und Getränke.

Gräns, därrs Flasch – frisches und geräuchertes Fleisch. Kraut a Flasch – Kraut und Schweinefleisch. Kummst ä Fläsch – Kraut und Schweinefleisch im Gäu. Gräan – Meerrettich. Guckummern oder Kümmerlich – Gurken. Salot – Salat. Äbire – Kartoffeln. Fasänlich oder Phasäle – Bohnen, vom lateinischen faselus. Gackeli oder Är – Eier. Stierum, Rummanum, Grimbeli, Arischmålz – Eierhaber. Erber – Erdbeere. Kribsi – Obst. Laira – Haustrunk, Tresterwein. G’stockte Milich – gestandene oder sauere Milch. Die Vesperzeit heißt „Emes“, „Imes“ – Imbiß.

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d. Kleidung.

Dieselbe besteht beim männlichen Geschlecht aus einem „dreieckete Huot“, „Dreispitz“ von hartem schwarzem Filz, wird jedoch nur noch von den Alten und von ihnen nur bei feierlichen Veranlassungen – Leichen, Abendmahl etc. – getragen, während die Jüngeren bei festlichen Gelegenheiten runde, gewöhnliche Filzhütchen oder Seidenhüte und für gewöhnlich Mützen „Kappe“ tragen. Mutza – langer Rock. Wammerscht – Jacke, Kittel. House – lange Hosen, die kurzen Lederhosen sind seit einigen Jahren ganz verschwunden. Hemmed oder Hemm – Hemd. Stimpf – Strümpfe. Stiffel – Stiefel. Kummodschuh – leichte Hausschuhe.

Das weibliche Geschlecht trägt für gewöhnlich eine „Bendelkappe“, bei festlichen Gelegenheiten eine große „Spitzekappe“ s. oben S. 166, im Sommer bei der Arbeit im Freien in evangelischen Gemeinden ein „weiß“ in katholischen ein „rouths“ „Koupftüchle“, Winters und sonst bei rauher Witterung zum Gehen über Land ein großes „willis Koupftuch“ über Kopf, Hals, Rücken und Brust kapuzenartig geschlagen, einen „Rouk“ mit „Laible“ daran und mit dem „Housåk“ – Tasche darinnen, in dem das „Schnupp-“ oder „Schneiztüchle“ steckt, „Unnerrouk“, „Schärz“ mit langen hintenhinabhängenden Bändern.

Die Kleiderstoffe sind bei beiden Geschlechtern Sommers meist „bammwilli“ – baumwollen, Winters „willi“ – wollen.

In evangelischen Gemeinden sind die Frauenkleider dunkel, in den katholischen hell und bunt. Im Gäu tragen die Männer und jungen Bursche die sehr kurzen Kittel und Weste mit enganeinandergereihten großen silbernen oder versilberten Knöpfen, die öfters aus Münzen bestehen; die Weiber und Mädchen tragen bei feierlichen Veranlassungen große schwarze Seidentücher oder auch bunte Tücher sehr bauschig um den Hals geschlungen. Rock und Mieder ist vielfach mit Goldbörtchen geschmückt und sehr bunt.

Schmuckgegenstände fürs weibliche Geschlecht sind das „Oung’henk“, gewöhnlich eine vergoldete Silbermünze, die um den Hals gehängt getragen wird. Das „Patter“ – mehrere Reihen von Glasperlen u. dergl. um den Hals gehängt. „Ouhraglocka“ – Ohrenringe von Silber oder Gold. An den Fingern silberne Ringe, seit neuerer Zeit hie und da auch goldene.

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Leben des Landbauers und Weingärtners. Ihre Arbeiten.

Die Landwirthschaft Treibenden heißen je nach der Größe ihres Besitzes: Bauer, Häckersbauer, Häcker = Weingärtner. Die landwirthschaftlichen Arbeiten bieten keinen Stoff zu Mittheilungen für den fränkischen Wortschatz mit Ausnahme etwa von zackern – ackern, stärzen – das Unterackern der Stoppeln nach der Ernte, Kleereißen – das Umackern eines abgängigen Kleeackers, mäihnen[ER 15] – Vieh am Pfluge führen.

Die Arbeiten beim Heu- und Ömdmachen heißen: Gråsstrawe – das Gemähte verstreuen oder auseinanderbreiten; Häuflistrawe – das aufgehäufelte Heu zum zweitenmal verstreuen; Z’sammschloga – das in Reihen, „Range“, bringen des getrockneten Heus, vor dem Aufladen. Das Ömd heißt Omat oder auch Grummet.

Die Weinbergsarbeiten heißen: eingriebe – Fechser einsenken in die Erde beim Anlegen eines Weinberges oder um entstandene Lücken auszufüllen, die Fechser selber heißen „Ruthe“; räume – im Frühjahr die gedeckten Reben hervorziehen resp. aufdecken, verzwicke – das Ausbrechen der schwachen Schößlinge im Frühjahre, bråche – zweites Behacken, ausbreche oder „åbutze“ – die Reben einkürzen nach der Blüte; decke – das Beziehen der Reben mit Erde zum Schutz gegen Winterfrost. Die Rebreihen heißen „Zail.“ Die Hauptsorten sind: (fränkisches) „Süßroth“ nur im Tauberthal und seinen Nebenthälern vorkommend, Junker – Gutedel, Östreicher – Silvaner, Tramärer – Traminer, „Flaschträuwel“ – eine blaßrothe süße Traube. Unter den Krankheiten der Rebe wird eine „marschiren“ genannt, es ist das Verwachsen der schon gebildeten Gescheine in Ranken gemeint.

Lese, Kelterung, Kelter und ihre Bestandtheile s. S. 166.

Der gewonnene Weinmost wird gewöhnlich süß von der Kelter weg eingekellert und aus dem Keller Faßweise verkauft. Ein solches Faß voll, wenn auch 4–6 Eimer und noch mehr haltend, heißt „Rest“ oder „Rêscht.“ 300 l. heißen ein Eimer oder „Amer“.

Das Feld nach seiner Beschaffenheit heißt Lâmefêld – lehmhaltiges, Weiß Fêld, wenn trocken gut; „rödis Fêld [ER 16]– leichtsteinicht oder rauh, „Scholidis Fêld“ – mit kleinen Steinplättchen oder Schälchen und Schiefer untermischt.

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Hausthiere.

Betzerle – junges Schaf. Hausbetz – Schaf als einzelnes Hausthier. Heinzel – junges Pferd. Mockele – junges Kalb. Zickele – junge Ziege. Heddel – Gais. Heitzel – Schafbock. Stäre – Schafbock. Fackele – junges Schwein. Dausch – Mutterschwein. Baiß – Zuchteber. Wurri – Katze. Bansel – Katze. Bibele und Ziwele – junges Hühnchen. Buttel – Henne, Gluckhenne. Börzel – schwanzloses Huhn. Geiker – Hahn. Geikerle oder Geckerle – junger Hahn. Ziefer – Hausgeflügel. Wusseli und Hörli – Gänse namentlich junge. Waagele – Enten, namentlich junge.


Einzelne Körpertheile der Hausthiere.

Schlähmen – herabhängende Haut am Fettochsen. Mettebuch – dritte Abtheilung im Rindsmagen.

Grüße.

In den Städten sind die gewöhnlichen Grüße gäng und gäbe und ist nur das „Felmich“ – ich empfehle mich, beim Kommen, Begegnen und Verabschieden zu erwähnen.

Auf dem Lande bedient man sich unter einander außer der gewöhnlichen Grüße des „Zeitbietens“ z. B. „guate Morche“. „guate åbed“, „gut Nacht“, dem einem Angeseheneren gegenüber stets noch ein „wünsch wohl zu schlafe“ beigesetzt wird, keiner eigentlichen Begrüßungsworte, sondern hat feststehende fragende Redeformen. Beim Hinausgehen heißt’s: „wellt er a nauß“ Geht man an ein paar mit einander Sprechenden vorüber, so sagt man: „is G’spräch guat“ oder „hett er an guate Råth mit ’nander?“ Begegnet man einander beim Wasserholen oder Viehtränken, so heißts: „a Wasser hole?“ oder „a tränke?“ Hat eins ein Kind auf dem Arm etc., so sagt das Begegnende: „Kindsmad sanne?“, wenn das Betreffende auch ein Mann ist. Geht man an einem Arbeitenden vorüber, so heißts: „a fleißi?“ oder „was wird g’schafft?“ Steht jemand auf der Straße oder schaut zum Fenster heraus, so fragt der Vorübergehende: „wellt er ich umseche?“ Beim Heimgehen Mittags zum Essen oder Abends sagen die Vorübergehenden zu den noch Arbeitenden statt des Grußes „macht a Mittåch“ oder „macht Feieråbed“. Kennt der fränkische Landmann einen ihm Begegnenden, im Wirthshaus neben ihm Sitzenden oder mit ihm Reisenden nicht, so fragt er: „wu is d’r Vetter hêr?“ oder „wu will’s Bäsle hin?“ Im | Zwiegespräch heißt’s statt ja! „sou is“ – so ist’s! Beim Empfangen eines Trinkgelds heißts, wenn auch die Hand zum Empfang schon geöffnet ist, „s brâucht se’s net!“ Im Wirthshaus bieten die anwesenden Gäste dem eintretenden ihre Gläser mit den Worten: „i bring’ dir’s zu“. Kommen Bekannte zu häuslichem Besuch zu einander, so heißt beim Reichen des Trunkes und beim gegenseitigen Trinken aus einem und demselben Glas der Wechselgruß: „i sech’ di“, die Antwort „’s freut mi“ und beim Hinüberreichen des Glases: „i ho di g’secha“ und die Antwort: „’s hot mi g’fraet“ d. h. ich sehe dich – es freut mich und ich habe dich gesehen – es hat mich gefreut.


Sonstige Redensarten.
Wenn es schneit, sagt man: die Müller und Bäckerbuben schlagen einander. Birl. I, 198. Wenn man rückwärts lauft, heißt es, man laufe dem Teufel ins Bett. Birl. I, 277. Wenn jemand von einem Tauf- oder Hochzeitschmaus oder sonstigem Gelage spät d. h. vielleicht Morgens um 2 oder 3 Uhr endlich heim will, so sagen die Gastfreunde: „’s langt se’s no“! Wenn einer recht verschuldet und dem Gante nahe ist, so heißts von ihm: „er begehrt net z’zohla.“ Wenn er auf seine Gesundheit hineinhaust und jung etwa an der Schwindsucht stirbt, so heißt’s euphemistisch: „er hot net g’folcht“. „Dem hob i ’s Maul rog’schloge“ d. h. zum Schweigen gebracht. „Dem bin i über’s Maul g’fohre“ d. h. dem hab ich etwas verwiesen. „Wer im Frühling net zawelt (= zappelt, sich regt), im Sommer net gawelt (= gabelt) und im Herbst net früh ufsteht, soll sehn, wie’s im Winter geht.“ „Wenn die Baure ausreute alle Büschle und Hecke, so will nex me parte (oder batte) und glecke.“ „A Bisle regt a Äderle“, d. h. eine kleine Gabe erfreut. „Wer sich Beichels (Beil) annimmt, der muß damit gehackt haben“ d. h. will jemand gegen ausgesprochenen Verdacht protestiren, so ist er als Thäter zu betrachten. „Do is ka Hinta und ka Vorra“ d. h. kein rechter Anfang und kein rechtes Ende – kein richtiger Geschäftsverlauf. „Tåchenåcht (Tag und Nacht) währt ewig“ sagt man zu und von Leuten, die nicht Feierabend machen wollen. „Das dauert ewig und sanlätti“ d. h. all seine Lebenstage. „Der sagt net gig und net gag“ d. h. gibt keine Auskunft. „Dês is a anders Kora, hat der säll Bauer g’sagt und hat in en Mäusdreck bissa“, d. h. der hat sich gewaltig getäuscht. „Der redt nit hinterschi und nit vörschi!“ d. h. er gibt | nicht die gehoffte Auskunft, „’m Klâchende is z’helfa, ’m Prangende nita.“ „Schneid i ma Nåsa rå, schänd i ma G’sîcht“. „Der fünft Zipfel im Bett macht alles wieder wett.“ „Du sagst immer ja! Du bist a Kerl wie der Schippesiewener“! wenn einer immer ja sagt und doch nicht darnach thut. „’s weiß der Pfarr und d’Kircheleut!“ „I hair’ (heirathe) lieber zwa Stunde åwärts als aufwärts“! weil thalabwärts die bessern Weinberge sind, während thalaufwärts der Weinbau aufhört. „G’haiert is net Kappe g’handelt“! d. h. es prüfe, wer sich ewig bindet etc. „Auf den kann mer kan Säustall baue, g’schweig a Haus“! sagt man von einem leichtsinnigen Menschen, auf den kein Verlaß ist und dem man deshalb nichts anvertrauen kann. „Mit Dir hob’ i no ka Säu g’hütet“! d. h. Du bist mir zu gemein. „D’r is kurz anbunde“ d. h. läßt sich nicht viel dreinreden. „San Saikiwel (Säukübel) läre“ – sein Schand- oder Lästermaul leeren.


Wetterregeln.

„Wenn der erste Schnee ins Nasse fällt, so gibt’s a Sudeljahr“ und „so gibts viel Flachs“. „Wenn an Weihnachten Bäume duften, so gibts viel Obst.“ „Wenn Lichtmeß Dachs ausgeht – der Flachs geräth.“ „Wenn Lichtmeß der Dachs ausgeht und sieht sein Schatten nicht, so bleibt er 4 Wochen haus und geht nochmals vier Woche nein“. „Helle Fastnacht finstere Scheuren“. „Keine Schneerangen (= Häufen) – keine Dinkelrangen.“ Wenns am Karfreitag regnet, so batt (hilft) ’s ganz Jahr kein Regen“. „Morgens Gewitter, Abends wieder“. „Wenn es Sonntags vor dem Frühstück regnet – regnets die ganze Woche“. „Märzennebel bringen 100 Tage später starke Gewitter“. „Hört man Morgens beim Regen Rabeng’schrei, so wirds Abends schön“. „So lang die Schlehen vor Walpurgi blühen, so lang schneidet man vor Jakobi“. „Wenn’s an Alexi regnet, müssen beim Backen zwei Mehl tragen und einer Wasser“. „Wenn die Ameisen aufs Beet bauen, so gibt’s einen nassen Herbst“. „Wenn’s donnert über’n kahlen Wald – so wird’s gewiß noch einmal kalt“. „Wenns an Jakobi regnet, so gibts eine nasse Ernte“. „Wenn nach dem Mähen die Raben aufs Gras sitzen, regnets ins Heu“.

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Hauptwörter zur Bezeichnung des Menschen nach Gestalt, Bewegung, Charakter u. s. w.

Bember – kleiner Knirps. Dimpfel, Ständer, Dörgel – kleiner, dicker Mann. Nolli – starker, wohlbeleibter Mensch. Heddel – magere Frauensperson. Warchel, Hurchel – dickes Weib. Fetzedieri – großes starkes Frauenzimmer. Grâtscher – ein im Weitleis, also mit beiden Füßen schlecht Laufender. Schöicher – ein mit einem Fuß schlecht Laufender. Krackel, Housenottele – alter schlecht laufender Mann. Latschi, Dralli, Lalli – schlecht laufender oder sonst unbeholfener Mensch. Lullä – schläfriger, phlegmatischer Mensch mit wenig Witz. Keucher – Schnaufer. Gramp, Quatt – listiges Kind. Lampel – ein rathloser Mensch. Gickel – einfältiger Mensch. Goulopp – dummer Mensch. Drieschlack – unbeholfener Mensch. Schußbartel – vorschneller Mensch. Narreboppel – Spaßmacher. Sparrefantel – überspannter Mensch. Knickfiesel – Geizhals. Hörgel – geiziger Mensch. Krawatt – ein kleiner böser Mensch. Schote – ein Mann, der sich bubenhaft benimmt. Ruches – Windbeutel, unzuverläßiger Mensch. Massich – ein Mensch, dem nicht zu trauen ist. Geckerer – Ausplauderer. Dispetax – Querulant. Schaskener – einer der gerne trinkt. Dieri oder Thieri – weiblicher Schatz. Hairet – Schatz. Ähelte – Gesinde. Feddel – leichtfertiges Mädchen. Strummel – faules dickes Weib. Naffke – männersichtige Weibsperson.


Weitere fränkische Hauptwörter.
Bäkel[ER 17] – vertrockneter Nasenschleim. Hoppel – Erhöhung auf der Haut. Fletze – halbgeheilte Wunde. Spreisel – Splitter im Fleisch. Pfuchse – Pusteln auf der Haut. Hampfel, Gågsel – eine Handvoll. Ärvel – Armvoll. A Gähr – ein Schurzvoll. Renkel – größerer Brotabschnitt. Bitzele – kleiner Brotabschnitt. Knörgele – Bröckele. Broasl – das weiche im Brot. Gähre, Stumpe – verkürztes Beet im Acker. Fusserle – kleine Bettfederntheile an Kleidern hängend. a niedle – eine kurze Zeit. Böitzi – Kehricht. Käfi – Getreideüberrest, der zum zweitenmal gedroschen wird. Schied – ein Bund Stroh. Schäfe – Hülsen der Erbsen, Bohnen etc. Dosta – Blumenstrauß. Döwele – ein eng beisammenstehendes Pflanzenwerk. Storre – Aststumpen. Storzel, Stutzel – ein abgeschnittener kurzer Ast. Sterzel – Rebenstumpen. | Buhste – Lindenbast. Tangele – Tannennadeln. Mortschele – Tannenzapfen. Schäbber – Vlies, zusammenhängende Wolle von geschorenen Schafen. Ranscher, Rantschi – Runkelrüben. Dalle, Måse, Macke – schadhafte Stelle am Lagerobst u. dgl. Dorsche – Strunk am Krautkopf. Schlaß (Schleiß) – Riß im Kleid. Dalge – Klecks. Spuchet, Sputzich – Speichel. Wärchel – kurzer, runder Holzblock. Grattel – Hochmuth. G’nôsch – Nascherei. G’schmalk – unnützes Gerede. Sparchementemache – Possentreiben. Lusem haben – Muße haben. Makkes – Schläge. Karasch – Muth. Mores – Furcht. Plässi – Vergnügen. Butälle – Flasch. Buttele – kleines Fläschchen. Dischkors – Unterhaltung. Massel – Glück. Schlamassel – Unglück. Massematte – Geschäfte. Galach – Pfarrer. Refach – Gewinn. Räwes – Gewinn, Antheil am Gewinn.


Fränkische Zeitwörter.
Anbopple – anlügen. Brißle oder blißle – leis reden. Delfe – schlecht sprechen bei Zungenfehler. Gatze – stottern, aber auch = gackern bei Hühnern. Knengere – näseln. Kneffern – unnöthig dreinreden z. B. „Du knefferst immer drein“. Bäffern – balfern. Wafe – maulen, unanständig nachreden. Schammele – unter einander laut reden. Dischkeriren – diskutiren. Hasselire – lärmen. Tunire – poltern. Kerre – schreien. Pröige – wild schreien. Kottere – schäckernd lachen. Pfitzere – kichernd lachen. Flänne – weinen. Pfuse – weinen. Käspere – zanken, streiten. Poppere – leichtweg und lange zanken. Schmaracke – beschimpfen. Haße – heißen, schimpfen. Schände – schimpfen z. B. er hot mi g’haße oder g’schändt. Gorkse – Kehllaute unartikulirt hervorstoßen. Kiefe – den Ärger kleinlich ausdrücken. Drahestere – schwer athmen im Schlaf. Hörchle – durch den Kropf athmen. Schnurchele – hörbar und unappetitlich durch die Nase athmen. Ruchse – girren. Schnuddere – vom Schwein, dasselbe bläst durch die Schnude d. h. den Rüssel. Achle – essen. Noffle – ohne Zähne kauen. Kiefe – nagen am Knochen. Mansche – hörbar essen. Worche – schwer schlucken oder schlingen. Kaffe – wiederkäuen vom Rind. Kouse – kauen (Tabak). Blächse – ächzen ohne Schmerzen, aber auch = kränkeln z. B. „ma Vater blächst scho lang“. Mocke – trutzig sein. Wali lafe – schnell laufen. Trawalle – schnell aber schwer laufen. Trotle | – mit kleinen Schritten laufen. Schlounze – schlendern, faul laufen oder reden. Duchle – leis laufen, schleichen. Hoßle – mit schlottrigen Beinen laufen. Krackle, grâtsche – schlecht laufen und schreiben. Dorgle – unsicher laufen von trunkenen und alten Leuten. Duchsle – gebückt laufen. Pfatsche – im Wasser laufen. Nebesigehe – bei Seite gehen von der Arbeit weg. Wenzeln – wandern von Dienstboten. Gambere – die Füße unter dem Tisch oder Stuhl hin und her bewegen. Schnechle – mit den Füßen sich wehren. Stachere – leichtfertig klettern. Spreiße – spreizen. Schwicke – schwere Last heben. åbankere – abplagen z. B. „des Päckli hot mi odder (aber) åbankert, bis i’s ham brocht ho“. Baste oder mandenire – einen Gegner oder eine schwere Arbeit oder eine große Portion Speise zwingen. Strabble – angestrengt brauchen. Näthe – eine Arbeit mit Noth oder Mühe zustandbringen. Båstle – Hausgeräthe neumachen oder ausbessern, ohne Handwerker zu sein. Hosse – schaukeln an der Wiege, am „Hossegaul“. Schocken – schaukeln an der eigentlichen Schaukel. Repple – Hände oder Wäsche schnell reiben. Ripple – regen, bewegen, pfuddele – sudeln im Wasser. Nottle und schottle – rütteln. Pflumpfe – schwer auffallen. Knetsche – hörbar knetten. Knörkle – knittern. Z’samme grümple – Papier zusammendrücken zu Gerümpel. Niffle – reiben (Schuh). Glenke – läuten mit der kleinen Thurmglocke z. B. ’s glenkt – es läutet. Stupfele – das letzte vereinzelt hängen gebliebene Obst, Trauben, die im Boden noch stecken gebliebenen Kartoffeln einsammeln. Stuttere – herumstupfen und suchen. Krasple, z’sammenkrasple – schnell etwas zusammenpacken. Rändsle – das Gras am Rande abmähen. Reinproffe – mit beiden Armen über den Tisch hineinliegen. Borze – etwas hervorstehen lassen z. B. die Unterlippe im Verdruß, oder auch vom bauschigsein des Kleides, uneigentlich = stolz sein, stolz thun. Pflustern, aufpflustre – die Feder stellen, bei den Vögeln, wenn sie krank oder erregt sind. Hussere – frostigthun wie junge Gänse. Stäupere – stützen. Lottere – wackeln. Kustere – umschauen, untersuchen. Zöible oder zöwle – am Haar schütteln. Zippere – peinigen. Traktire – plagen. Krälle – kratzen mit Nägeln oder Krallen. Feisele – nach Schimmel schmecken, Modergeruch verbreiten. Schmärbele – nach ranzigem Fett schmecken. Verspåre – verfaulen (von Kleidern). Gieke und gieksen – stechen – (das Schwein). Grette – die Würste sieden. Strolle – strudeln. | Rattle – festbinden. Gruble – leicht graben an der Haut, aber auch in der Erde. Grüwle – kitzeln. Krubble – ärgern z. B. ’s krubblt ’m – es ärgert ihn. Kipple – kleine Körperchen zerbeißen, uneigentlich zum Ärger reizen, z. B. „’s kippelt ’n“ d. h. es reizt ihn zum Ärger. Zärre – necken z. B. „ihr zärrt immer mitnander“. Strandle – zweifeln, ungewiß sein. Gräusele – grauen z. B. „’s graiselt mer vor Blut“. Ziefe – verziefen, auszehren. Hottere – in die Knie sinken – z. B. „unser Härle (Großvater) hottert recht z’samme.“ Glecke, batte, parte – ausreichen z. B. ’s gleckt, part’t oder batt nix mehr d. h. es reicht nichts mehr aus. ’s faselt net – es gedeiht nicht, namentlich unrecht Gut. Verzeffere – langsam zerstreuen z. B. „’s Gêld verzeffert se gorzorich“ (das Geld zerstreut sich gar zu arg). Gâkle – sich von selber machen z. B. „Do hot si’s grod so gâkelt, daß mer im Lamm z’samme kumme sanne“. Gäge – Erbrechen andeuten z. B. „mir is odder (aber) übel worre, i ho mi allbot (all Augenblick) gäge müsse“. Hinaushalftern – hinaushelfen. Herhamse – hergewöhnen. Gneise – ahnen, errathen, merken z. B. i ho scho lang an dem Knêcht ebbes (etwas) gneist. Niwle – leicht regnen. Stucke – stocken. Bottiche – eine Weide zur Wied drehen. Fuggere – handeln im Kleinen. Ganfe – stehlen. Beschummele und benousle – betrügen.


Eigenschafts- und Umstandswörter.
Gättlich – gattich, passend. Schnärzi – hitzig dreinfahrend. Ordli – auffallend, sonderbar. Haanli – zahm. Wampelich – ängstlich. Unmüßig – unruhig. Gnäschig – wählerisch im Essen. Schepps – schief. Wacker – gutmüthig, brav. Schäffenich – einer der gerne schafft, arbeitet. Glärsam – gerne lernend. Spindig – vom unausgebackenen Brot. Knoatschi – klebriges Brot. Unsällich – unfreundlich, unartig, eigensinnig z. B. „du unsälliche Greit“ = du eigensinniges widerwärtiges Kind. Gammelich – wollüstig. Kånnützi – nichtsnutzig. Näthi oder näthli – nothwendig, „bieche näthli“ kaum, z. B. „heut hewe mers odder näthli g’håt, mer san bieche näthli ferti worre, eh’s g’regnet hot“. Überrheinisch – überzwerg, tappig. Ähwi – verkehrt, umgekehrt z. B. einen Strumpf, „ein Hemd ähwi anziehen“. Schätzi – sparsam etwas verbrauchen. Spräd – mager im Gesicht. Schnadi – mager, schlank. Griedli – griesgrämig. Möissi – moosig d. h. schläfrig. | Mauderi – betrübt. Marodi – kränklich. Wâli – weidle – schnell. Tuschur – immer. Partuh – durchaus. Schallu – eifersüchtig. Meschukke – verrückt. Brouches – unfreundlich. Betug sein – reich sein. Meïmschorwasserköpfig). Verdeikert – verteufelt. Pfåti – geschäftig und schelmiger Art. Fenzi – geziert, z. B. „fenzi laufen“. Sängerli – säuerlich. Ebbi – etwa z. B. manst ebbi, i hobs g’socht“? meinst du etwa, ich habe es gesagt? Nix töig – untauglich zur Arbeit, zum Verbrauch. Liddeli – leidentlich. Exkisi sein – wählerisch, empfindlich sein. Hâchl sein, wählerisch im Essen. Achetli – pünktlich sein. Vichelant – gewandt. Unbedahmt – unbedacht. Guabbelich – lebendig, unruhig. Dus – leise z. B. „die Uhr schlägt dus“. Allert – munter. Schicker – trunken. Schofel – gering. Kapores – todt. Jetzi – kürzlich z. B. „ietzi bin i a widder maroudi gwese“. Värrd und värnd – im vorigen Jahr. Awail – früher. Jetzet – jetzt. Wirkli – soeben. Groad – soeben. Nå, nåchi, nåcherd – nachher. Haind – heute, doch mehr blos in der Verbindung „haind Owed“, „haind Nåcht“ – heute Abend, heute Nacht.


Wortverbindungen.

Voarnächti und nächti – vorgestern und gestern Nacht. Allawail – soeben oder auch = immer. Sällimol – damals. Jezimol[ER 18] – neulich. Für allwail – für jetzt, einstweilen. A måls Jåhr – übers Jahr. Noch nouni – noch nicht. All fårt – immer. All bod, all ried, all nied – jeden Augenblick, ie boid – zuweilen. Niedweis – schuckweise. Jedmol[ER 19] – manchmal. Bo Zeit – rechtzeitig. In aller Gottsfrüh – recht früh. Muaterssälenallan – ganz allein. Sälbander – zu zwei. Haufe gnug – hinlänglich genug. Wacker viel – ziemlich viel. Wacker weh – ziemlich weh. Ganze gor – ganz und gar. Rüwer a nüwer – rüber und nüber. Kurzeklen – kurz und klein. Rumpestumpf – ganz und gar. Håreklår – haarklar. Aufetå – auf und ab. Rummenumm – hin und her. Windeweh – ganz übel wird einem. Hinterschifirschi – verkehrt. Sauer und schön. Singt und pfeift. Tanzt und springt. Reißt und beißt. Gange und g’stande z. B. „wo er gange und g’stande is, hot er’s erzählt“. Haut und Haar z. B. „das geht mi von Haut und Haar nichts an.“ Schimpf und Schand. „Routz e Dreck flanne“ – Rotz und Dreck weinen. Fix und ferti. Durch und durch.

| Zum Schluß sei noch etwas über die fränkische Steigerung gesagt. Sie geschieht im allgemeinen nicht sowohl mit „sehr“, als mehr mit „recht“ und „arg“ (årch), auch mit „fest“, „herzhaft“, „erbärmlich“ z. B. „’s regnet herzhaft“ oder „fest“, er ist „erbärmli schön“ oder „des is årch guet“. Will man noch stärker steigern, so lautets wohl auch „dund’rschlächti“ oder „saumäßi“.



  1. Von Finanzrath Kull.
  2. S. Regbl. von 1810 Nr. 53. S. 530, Beilage, Organisationsmanifest S. 2.
  3. Siehe die Beschreibung von Württemberg von 1863. S. 317.
  4. Siehe zgl. die Beschreibung des Oberamts Tuttlingen S. 85.
  5. Vergl. Jahrgang 1874 der Jahrbücher I. S. 187, 201.
  6. Vergl. Jahrgang 1874 der Jahrbücher I. S. 57.
  7. Siehe Jahrgang 1874 der Württemb. Jahrb. I. S. 201.
  8. Zu Gemeinde Nr. 18: die Parzelle Neubronn war 1812 der Gemeinde Bernsfelden zugetheilt.
  9. Zu Gemeinde Nr. 7: Die Gemeinde Blumweiler bildete 1812 noch 2 besondere Schultheißereien und zwar: 1. Weiler mit Blumweiler, Seldeneck, Wolfsbuch. 2. Schwarzenbronn mit Reutsachsen, welche hier der späteren Eintheilung gemäß vereinigt sind.
  10. Zu Gemeinde Nr. 8: gehörte 1812 noch zum Gemeindebezirk Archshofen.
  11. Zu Gemeinde Nr. 17: war 1812 der Gemeinde Roth als Parzelle zugetheilt.
  12. Zu Gemeinde Nr. 18: Die Parzelle Neubronn war 1812 der Gemeinde Bernsfelden zugetheilt.
  13. Zu Gemeinde Nr. 20 und 39: gehörten 1812 zum Gemeindebezirk Pfitzingen.
  14. Zu Gemeinde Nr. 21: die Parzelle Bronn gehörte 1812 noch zu Elpersheim.
  15. Zu Gemeinde Nr. 22: die Parzellen Holzbronn und Reisfeld waren 1812 dem Gemeindebezirk Harthausen zugetheilt.
  16. Zur Gemeinde Nr. 30: war 1812 der Gemeinde Harthausen als Parzelle zugetheilt.
  17. Zur Gemeinde Nr. 38: die Parzelle Schönbühl gehörte 1812 noch zu Adolzhausen.
  18. Zur Gemeinde Nr. 20 und 39: gehörten 1812 zum Gemeindebezirk Pfitzingen.
  19. Zur Gemeinde Nr. 40: die Parzelle Scheinhardsmühle war vor 1871 bei der Gemeinde Nassau.
  20. Zur Gemeinde Nr. 41: war bis 1851 der Gemeinde Oberrimbach als Parzelle zugetheilt.
  21. Zur Gemeinde Nr. 48: Parzelle Ebertsbronn bildete 1812 noch eine besondere Schultheißerei.
  22. Mit den 19 Markungen oder Gemeinden Creglingen, Archshofen, Blumweiler, Freudenbach, Laudenbach, Münster, Reinsbronn, Vorbachzimmern, Crainthal, Finsterlohr, Frauenthal, Neubronn, Niederrimbach, Oberrimbach, Queckbronn, Rinderfeld, Schmerbach, Waldmannshofen, Wermutshausen.
  23. Siehe die Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. Stuttgart 1879. S. 88.
  24. Vergl. Jahrgang 1874 der Württemb. Jahrbücher I. S. 230.
  25. Vergl. Jahrgang 1876 des Württ. Jahrb. IV. S. 36. 16. 20.
  26. Wenn man nemlich die bei der Viehzählung vom 10. Januar 1873 ermittelte Zahl der Viehhalter, welche zugleich Landwirthschaft treiben (mit 4002 im Oberamt Mergentheim und 4161 im Oberamt Tuttlingen) über Abzug der unter der Berufsklasse A gezählten Selbstwirthschaftenden (selbstständigen Landwirthe: 2543 im OA. Mergentheim und 1171 im OA. Tuttlingen) vergleicht mit der bei allen übrigen Berufsklassen (B–G) ermittelten Zahl von Selbstwirthschaftenden (3382 im OA. Mergentheim und 4509 im OA. Tuttlingen), so sind unter den letzteren im OA. Mergentheim, noch 1459 oder 43,14% im OA. Tuttlingen aber 2990 oder 66,31% solche begriffen, welche zugleich Landwirthschaft treiben.
  27. In Gruppe XI „Hohenlohische Ebene“ kommen auf 100 Haushaltungen 73,03 männliche und 99,76 weibliche Hauskinder.
  28. S. Jahrgang 1874 I. S. 12.
  29. Siehe die Beschreibung Württembergs vom Jahr 1863. S. 322.
  30. Siehe die Württembergischen Jahrbücher von 1855 S. 48, 1856 S. 59, 1858 S. 56, 1859 S. 67, 1860 S. 160, 1861 S. 133.
  31. Vorlage: incl. Todtgeborene, geändert gemäß Beschreibung des Oberamts Balingen, Seite 544
  32. dito
  33. Das gleiche Verhältnis, daß die größte Kindersterblichkeit meistens mit sehr hoher und sehr niederer Geburtenzahl zusammentrifft, zeigt sich für Württemberg im Ganzen, wie in Württ. Jahrb. 1874 I H. S. 32 dargelegt ist. Ferner ist dies im Besonderen in der Beschreibung der Oberämter Spaichingen S. 90, Rottweil S. 82, 83, und Tuttlingen S. 109 hervorgehoben.
  34. Vergl. Jahrgang 1874 I H. S. 17, 146.
  35. Vergl. Jahrgang 1874 I H. S. 143. ff.
  36. Vergl. Jahrgang 1874 der Württ. Jahrbücher I S. 155.
  37. Vergl. Württ. Jahrb. 1874 I H. S. 184.
  38. Vergl. Jahrgang 1874 d. Württ. Jahrbücher IV. S. 120.
  39. Vergl. auch Jahrgang 1876 der Württemb. Jahrb. S. 190 ff.
  40. Siehe Jahrgang 1855 der Württ. Jahrbücher S. 1–133.
  41. Siehe die Statistik der Geisteskrankheiten von Dr. L. A. Koch), Direktor der Pfleganstalt in Zwiefalten, im Jahrgang 1878 der Württ. Jahrbücher III. S. 1–231.
  42. Von Oberamtsarzt Pflüger in Mergentheim.
  43. Dieser letzte Vers ist von einem verstorbenen hochgestellten Herrn, der fränkisches Wesen und Sitte geschätzt und verstanden, auch dieses Lied als einen gelungenen Ausdruck derselben gerne mit gesungen hat, von weil. Staatsminister von Scheurlen, mehrjährigem Oberamtsrichter in Mergentheim.
  44. Von Pfarrer Speier in Elpersheim.
  45. Von Pfarrer Speier in Elpersheim.
  46. Von Pfarrer Speier in Elpersheim, unter Mitwirkung von Pfarrer Immendörfer in Archshofen, Oberlehrer Abelein in Creglingen und Schullehrer Himmelein in Waldmannshofen.

Errata

  1. gem. Berichtigung in der Oberamtsbeschreibung Balingen, S. 544.
  2. S. 97 letzte Zeile lies 25,40 anstatt 750. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  3. S. 109 setze auf Zeile 46 anstatt 0,00 1,00 . Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  4. S. 109 setze auf Zeile 47 0,79 anstatt 1,79. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  5. S. 111 Zeile 3 lies doch ist Mergentheim anstatt auch. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  6. S. 128 Z. 5 lies Börzel. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  7. S. 139 Z. 14 von unten lies Boank. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  8. S. 140 Z. 9 von unten lies lär. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  9. S. 142 Z. 2 von unten lies ai statt ä. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  10. S. 152 Z. 10 lies hanli. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  11. S. 154 Z. 4 lies årge. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  12. S. 156 Z. 9 von unten lies Flasch. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  13. S. 166 Z. 2 lies Kaffenädle. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  14. S. 166 Z. 4 von unten lies Bragga. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  15. S. 170 Z. 9 lies mäihnen Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  16. S. 170 Z. 3 von unten lies rödis. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  17. S. 174 Z. 14 von unten lies Bäkel. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  18. S. 178 Z. 18 von unten Jezimol. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
  19. S. 178 Z. 15 von unten lies Jedmol. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
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