« Kapitel A 7 Beschreibung des Oberamts Marbach Kapitel B 2 »
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B.


Ortsbeschreibung,


in alphabetischer Reihe der den Oberamtsbezirk bildenden 26 politischen Gemeinden oder Schultheißereien; jedoch unter Vorausstellung der Oberamtsstadt.

Die am Schluß beigefügten Tabellen gewähren übersichtliche Zusammenstellungen: I. der Bevölkerung, der Gebäude und des Viehstandes; II. des Flächenmaßes nach den verschiedenen Bestandtheilen, und III. des Steuer-Katasters, des Gemeinde- und Stiftungshaushaltes.

Marbach,


Gemeinde II. Kl., mit 2216 Einw., wor. 28 Kath. a. Marbach, Stadt, 2152 Einw., b. Siegelhausen, Weiler, Filial von Bittenfeld, O.-A. Waiblingen, 64 Einw. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Ludwigsburg eingepfarrt.[1]

Die Stadt Marbach, früher Marcbach[2] geschrieben[3], liegt unterm 26° 55′ 15,12″ östlicher Länge und 48° 56′ 27,62″ nördlicher Breite, 6 geom. Stunden nordöstlich von Stuttgart. Die Erhebung über das Mittelmeer beträgt an der Erdfläche des oberen Thorthurms 826 Württ. Fuß = 728 Par. Fuß, an der Einmündung der Murr in den Neckar 664 Württ. Fuß = 585 Par. Fuß. Als Oberamtsstadt ist sie der Sitz des Oberamtsgerichts mit dem Gerichtsnotariat, des Oberamts mit dem Oberamtsphysikat, des Dekanatamts und einer Postexpedition. Überdieß wohnen in Marbach ein praktizirender Arzt, der Oberamtswundarzt und ein Rechtskonsulent, der zugleich Stadtschultheiß ist; auch besteht eine altberechtigte Apotheke.

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Als Wappen führt die Stadt im senkrecht getheilten goldenen Schild rechts 3 Hirschhörner, links einen mit Reben umrankten Thurm; ursprünglich enthielt das Wappen nur den mit Reben umschlungenen Thurm, wozu dann später noch die württembergischen Hirschhörner kamen.

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Oberhalb der rechten Gehänge gegen das reizende Neckarthal, die sich etwa 100′ über das Niveau des Flusses erheben, und oberhalb der linken Gehänge des schroff eingefurchten Strenzelbachthälchens hat an dem rechtwinkeligen Vereinigungspunkt der beiden Thäler die Stadt eine sehr freundliche Lage, vermöge der sie auf der westlichen (Neckar-) Seite und der nördlichen (Strenzelbach-) Seite von Natur fest und unzugänglich war. Diese unzugängliche rechtwinkelige Ecke wurde bei der Anlage der Stadt benützt und einerseits die rings um dieselbe aufgeführte Stadtmauer bis an die oberen Ränder der beiden Thäler vorgeschoben, andererseits ihr eine mit dieser Ecke übereinstimmende Figur eines länglichten Rechtecks gegeben. An der Außenseite der mit Thürmen und Halbrondelen besetzten, meist noch erhaltenen Stadtmauer, lauft überdieß noch ein Zwinger und Graben, der nur an der westlichen, von Natur unzugänglichsten Seite fehlt. Die Stadt trägt daher heute noch den echten Charakter eines im Mittelalter wohl befestigten Orts und hat, von der Nordwestseite gesehen, sogar einige Ähnlichkeit mit einer kleinen Festung. Von den 3 mit Thürmen versehenen Stadtthoren wurde das Neckarthor an der südwestlichen Ecke der Stadt im Jahr 1811/12 und das Nikolausthor (untere Thor) an der nordöstlichen Ecke im Jahr 1833 abgebrochen, während sich das an der Ostseite stehende obere Thor noch erhalten hat; über dem spitzbogigen Durchgang desselben erhebt sich ein viereckiger, alter, stattlicher Thurm mit vierseitigem Zeltdach, aus dem eine sog. Laterne emporstrebt. An der Außenseite des Thurms sind die Wappen von Württemberg und von Thurn und Taxis nebst der Jahrszahl 1733 angemalt. Überdieß besteht noch an der südlichen Stadtmauer ein kleines spitzbogiges Ausfallthörchen, das längere Zeit zugemauert war, nun aber wieder geöffnet ist. Außer dem oberen Thorthurm haben sich an der Stadtmauer, die ringsum mit einem sog. Umlauf versehen war, einige weitere Thürme und Halbrondele noch erhalten, und zwar: 1. an der nordwestlichen Ecke der Stadt ein fester, sehr alter Thurm, der sog. Bürgerthurm, in welchem sich noch ein Haspel, mittelst dessen die Eingekerkerten in das unterste Gelaß hinabgelassen wurden,| befindet, 2. an der Nordseite ein Halbrondel, 3. an der südöstlichen Ecke ein Thurm, der das städtische Arrestlokal enthält, 4. an der Südseite ein Halbrondel hinter der Oberamtei und 5. ein Thurm, in welchem ein weiteres städtisches Gefängniß eingerichtet ist.

Das Innere der Stadt ist nicht unfreundlich und trägt das gemüthliche Gepräge einer schwäbischen Landstadt. Die größtentheils aus Holz erbauten, auf steinernen Sockeln und Unterstöcken ruhenden Gebäude sind zwei- zuweilen dreistockig und nicht selten mit den Giebelseiten gegen die Straßen gestellt; sie reihen sich mit wenigen Ausnahmen enge an einander und stammen meist aus der Zeit nach dem Jahr 1693, in welchem die Stadt größtentheils abbrannte. (A. VII. 3.)

Außer der beinahe mitten durch die Stadt führenden Hauptstraße, Marktstraße genannt, weil sie zugleich als Markt benützt wird, sind die übrigen Straßen enge, jedoch ziemlich regelmäßig angelegt, indem sie beinahe parallel mit der Hauptstraße hinziehen und zwar nördlich von derselben die obere – mittlere – und untere Holdergasse, südlich die Strohgasse. Diese 5 Längenstraßen werden dann wieder durch schmale, mehr oder weniger abhängige Querstraßen mit einander verbunden; sämtliche Straßen sind, mit Ausnahme der macadamisirten Hauptstraße und der von ihr abgehenden, zum Nikolausthor führenden, durchaus gepflastert.

Außerhalb der eigentlichen, ummauerten Altstadt haben sich im Laufe der Zeit Vorstädte gebildet, wie die Neckarvorstadt an der Westseite, die untere Thorvorstadt an der nordöstlichen Seite, welche sich bis zur Alexanderskirche hinzieht, und hauptsächlich die an der Ostseite entstandene obere Thorvorstadt, welche den schönsten und angenehmsten Theil der Stadt bildet und mehrere sich an freundliche Gartenanlagen anschließende, oder ganz davon umgebene, moderne Gebäude aufzuweisen hat, unter denen sich das einer Villa gleichende Wohngebäude des Stadtschultheißen Sigel, und das des Oberamtsarztes Dr. Schwandner besonders auszeichnen.

Von öffentlichen, der Gemeinde gehörigen Gebäuden sind zu nennen:

1. Die beinahe in der Mitte der Stadt gelegene Stadtkirche, welche im Jahr 1693 theilweise abbrannte und hierauf unter Benützung der stehengebliebenen Theile wieder mit wenig Aufwand und Verständniß aufgebaut wurde; sie ist ursprünglich im spätgothischen Styl erbaut und zeigt noch spitzbogige Eingänge und Fenster; letztere sind ihres Maßwerks verlustig geworden. Der polygon abschließende| Chor ist mit schön gehaltenen Streben versehen an denen in der Richtung von Süd nach Nord folgende auf Konsolen stehende Figuren angebracht sind: 1. die heil. Magdalena, 2. der Apostel Paulus, 3. die Mutter Gottes mit dem Christuskinde, 4. der Apostel Petrus und 5. eine männliche Figur mit einem Hunde zu ihren Füßen, vermuthlich der heil. Dominikus. Über diesen Figuren erheben sich schön ornamentirte Baldachine, von denen Halbfialen bis an die Spitzen der Pfeiler emporstreben. An der Südseite der Kirche steht zwischen Chor und Langhaus ein in minder gutem Geschmack gehaltenes, später angebautes Thürmchen, das eine Wendeltreppe enthält; über dem Eingang desselben ist der sog. wilde Mann, Mars Bacchus (s. hier. unten), mit der Linken sich auf das Stadtwappen stützend und die Jahrszahl 1602 angebracht. Die Kirche hat keinen eigentlichen Thurm und erst im Jahr 1833 wurde ihr zwischen Chor und Schiff ein sog. Dachreiter aufgesetzt; er ist unten viereckig und geht gegen oben in ein Achteck mit gothisch gehaltenen Fenstern über, das eine schiefergedeckte Kuppel mit einer sog. Laterne trägt. Von den 3 Glocken ist die größte von L. Neubert in Ludwigsburg 1829 gegossen worden, die mittlere trägt die Umschrift: Soli deo gloria 1699, die kleinste ist unzugänglich. Das weiß getünchte Innere der Kirche ist freundlich und hell; an die Stelle der ursprünglichen Gewölbe in Schiff und Chor sind flache Holzdecken getreten, dagegen hat sich der alte spitze Chorbogen noch erhalten.

An der Kirche sind ein Stadtpfarrer, zugleich Dekan, und ein Helfer angestellt.

2. Die Alexanderskirche, ein herrliches Denkmal einfach-edler gothischer Baukunst, liegt außerhalb (nordöstlich) der Stadt auf einer Anhöhe jenseits des Strenzelbach-Thälchens und bildet in ihrer großartigen Schönheit eine Zierde nicht allein der Stadt, sondern auch der ganzen reizenden Umgegend. Um die Kirche liegt der mit einer festen, mit Umlauf versehenen Mauer eingefriedigte Begräbnißplatz; über dem Eingang in denselben befindet sich die Wohnung des Todtengräbers. An der nördlichen Seite besteht die ursprüngliche Umfassungsmauer nicht mehr, indem der Begräbnißplatz in dieser Richtung sehr bedeutend erweitert wurde, dagegen haben sich die beiden ursprünglichen Eckthürme noch erhalten.

Die im spätgothischen Styl zu Ehren des heil. Alexanders erbaute, noch unverdorben erhaltene Kirche schließt am Chor mit einem halben Achteck, dessen Streben nach Außen, während die des Langhauses nach Innen angelegt sind; die Eingänge und Fenster sind| spitzbogig und letztere mit schönem spätgothischem Maßwerk geschmückt. An der Westseite der Kirche steht ein viereckiger, 200′ hoher Thurm, dem ein schlankes, schiefergedecktes Pyramidendach aufgesetzt ist; das Untergeschoß desselben bildet eine Vorhalle, mit schönem, an den Gurtenkreuzungen altbemaltem Netzgewölbe, und dem Marbacher Stadtwappen auf dem Schlußstein. Eine alte Inschrift über dem Eingang am Thurm gibt sichere Auskunft über die Baugeschichte der Kirche in folgender Weise: Anfang des kors 1450. Anfang der kirchen 1463. Anfang des turns 1481. Es liegt beinahe außer Zweifel, daß an der Stelle der jetzigen Kirche schon früher eine Kirche oder Kapelle stand, hiefür spricht nicht allein die Volkssage, sondern auch ein alter Stein mit gnostischem Bildwerk, der im Jahr 1862 bei Erneuerung der Kirchhofmauer aufgefunden wurde und wie es scheint von der früheren Kirche herrührt, wo er einem Rundbogenfenster aus der Blüthezeit des romanischen Styls angehörte.

1

Das Innere der Kirche ist dreischiffig und in den schönsten Verhältnissen ausgeführt; die Länge der Kirche, verglichen mit dem 90′ langen Chor, zeigt in runden Zahlen ausgedrückt das Verhältniß von 3:2, und die dem Chor entsprechende, an der Westseite vorgelegte Thurmhalle verhält sich zu diesem in der Länge wie 2:5; die Breite des Mittelschiffs gegenüber von jedem einzelnen Seitenschiff ist 3:2, die des erstern demnach der Gesamtbreite der Seitenschiffe 3:4; die Höhe des Mittelschiffs (40′) verhält sich zu der der Seitenschiffe wie 4:3 und zu der des um 2′ höher liegenden Chors wie 4:5. Das Mittelschiff ruht auf je 6 Pfeilern auf einer Seite, die durch Spitzbögen mit einander verbunden sind; die Pfeiler sind ohne Kapitäle und die Gewölberippen springen aus den Pfeilern selbst hervor und ruhen auf den an den achteckigen Pfeilern hinauflaufenden runden Halbsäulen, von denen die Träger der Hauptgurten des schön konstruirten Netzgewölbes mit den Brustbildern der 12 Apostel geziert sind. Auch die Seitenschiffe und der Chor sind mit Netzgewölben überspannt und zeigen sämtlich noch die alte Bemalung an den Rippenkreuzungen (roth, blau, gold); die ebenfalls bemalten Schlußsteine enthalten Darstellungen von Heiligen, deren Aufzählung zu weit führen würde; nur des östlichsten am Chorgewölbe soll hier erwähnt werden, auf dem ein von Engeln gehaltener Wappenschild dargestellt ist. Das Wappen enthält einen aufrechten Sparren zwischen Sternen. An den beiden Seiten des Mittelschiffs zieht über der Höhe der Seitenschiffe ein Triforium hin, welches vermuthlich nur zur Belebung der Wandfläche dienen soll, da sich ein| Laufgang hinter demselben nicht befindet. Die nicht unkünstlerisch gearbeitete Kanzel stammt, mit Ausnahme des später (1668) angebrachten Schalldeckels, aus der gleichen Zeit wie die Kirche; sie zeigt an der Kanzelbrüstung die 4 Kirchenväter und in ihrer Mitte den Papst Alexander I., den Schutzpatron der Kirche. Den Kanzelstock bildet ein Astwerk mit Blätter und Äpfeln, zwischen denen die Paradiesesschlange der Eva den Apfel bietet. Adam und Eva, die früher an dem Kanzelstock angebracht waren, werden jetzt in der Sakristei aufbewahrt. Auf dem Boden des Langhauses liegen mehrere, theilweise unleserlich gewordene Grabplatten aus dem Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, die meist Geistlichen angehören. An der Kirchenwand steht der Grabstein eines Adam v. Betendorf, der 1578 starb. Überdieß sind an den Wänden noch mehrere, auf Holz gemalte Todtenschilde aufgehängt, und im nördlichen Seitenschiff befindet sich eine alte Wandmalerei, den heil. Christoph, wie er das Christuskind durch die Fluthen trägt, kolossal darstellend. Von dem Langhaus führt ein spitzer Triumphbogen in den um 3 Stufen höher gelegten Chor, der gothisch gehaltene Chorstühle, einen Todtenschild des 1464 gestorbenen Dietrich von Anglach und eine geschichtlich interessante Wandmalerei enthält; letztere stellt zwei vor einem Krucifix knieende Ritter dar, unter denen die Wappen der v. Speth und der v. Heinrieth angebracht sind (s. unten). Rechts des Kreuzes steht: O Jesu, Du Sun Davidt, vor Deinem Vater uns verdritt, und wellest uns für das zeitlich Leben in Deinem Reich das ewig geben. 15; links: Weil ihr habt Leyb und Leben für das Vaterland geben und seit im waren Glauben gestorben, ist auch beim Vater ..... erworben. 65. Die zwei Zahlen geben ohne Zweifel das Jahr 1565 an, in welchem das Gemälde neu übermalt wurde, denn seitwärts des Gemäldes ist folgendes angeschrieben:

anno 1460 begab sich uff sant philippi
vnd jacob der zwelffbotten abendt das
die durchleuchtigen hochgebornen Fürsten
vnd herrn der pfalzgraf vnd graf
ulrich von wirttenberg um abgesagter
vyndschaft uffeinander gestossen an dem
Furtraben. als dei pfalzgrafische etwa
wenig huss gebrannt hetten. traffen beider-
seiten miteinander an zwischen wystenhausen
vnd helffenberg. alda wurden die
zwen biederman erliich vnd ritterlich
erschlagen vnd mit dem her haym gefürt.
der almechtig got sy in gnedig. amen.

1

| Es stießen nämlich in der Fehde zwischen Ulrich dem Vielgeliebten und dem Pfalzgrafen Friedrich die Württemberger und Pfälzer am 30. April 1460 zwischen Wüstenhausen und Helfenberg aufeinander, wobei nach schwerem Kampfe die Württemberger siegten, aber auf ihrer Seite zwei Ritter Konrad von Heinrieth und Kaspar Speth fielen. (Stälin Württ. Gesch. 3, 522).

Zwischen dem Wandgemälde und der Inschrift befindet sich in der Wand ein Hacken und ein darüber auf die Wand gemaltes Spruchband, enthält folgende Worte:

Vnd uff diese stund wurd dieser kappenzipfel in Fenlins schaam den feinden abgewonnen.

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß hier ehemals eine Art Trophäe hieng, welche einem Fähnlein (Abtheilung) zu seiner Schmach abgenommen wurde.

Bemerkenswerth ist endlich noch ein eisernes, sehr schön gearbeitetes Beschläge an der von dem Chor in die Sakristei führenden Thüre.

Die Glocken auf dem Thurme haben die Franzosen bis auf eine geraubt, zu der sich nun in neuerer Zeit eine weitere, die sog. Schillersglocke gesellte; sie wurde zur Feier des hundertjährigen Geburtsfestes Schillers von dem Komite des aus Deutschen bestehenden Schiller-Vereins in Moskau als Zeichen der Verehrung unseres Dichters gestiftet. Im Geiste der Widmung dieser Glocke hat das Komite den Wunsch ausgesprochen, daß dieselbe an Schillers Geburts- und Todestag je eine Stunde geläutet werde; zu diesem Zweck stiftete Bankier Hermann Achenbach in Moskau ein von der Stiftungsbehörde abgesondert zu verwaltendes Kapital von 400 fl. Die Glocke kam im August 1860 in Marbach an und wurde am 11. November erstmals eine Stunde geläutet. Die Glocke enthält auf der einen Seite das Bildniß Schillers, über demselben das Wort „Concordia“, unter demselben steht: Zur Eintracht zu herzinnigem Vereine, versammle sie die liebende Gemeine. Auf der anderen Seite sind in einem aufgeschlagenen Buche die Worte „vivos voco mortuos plango“ angebracht und unter diesem steht „der Heimath Schillers von seinen Verehrern in Moskau 10. November 1859.“

Das Eigenthum der Kirche, wie auch der Stadtkirche, und die Unterhaltung derselben steht der Stiftungspflege zu, die aber wegen Mittellosigkeit von der Gemeindekasse kräftig unterstützt werden muß.

Was nun die Bestimmung der Kirche betrifft, so dient sie gegenwärtig zu Leichenreden und den Sommer über bisweilen zu Abendpredigten; für diese Zwecke ist sie offenbar zu groß, sie war daher| ohne Zweifel ursprünglich eine Hauptkirche der Stadt, die allmählig ihre Bedeutung verloren hat. Die Sage, daß die Stadt früher bei der Alexanderskirche gelegen sei, kann hier nichts entscheiden, indem jedenfalls die gegenwärtige Altstadt weit älter ist als die Kirche und die bei ihr angeblich gelegene Stadt jedenfalls längst abgegangen war, als man die großartige Alexanderskirche erbaute[4].

3. Die St. Wendelinskapelle, bei dem oberen Thor, unfern des ehemaligen Schlosses, zu dem sie vermuthlich ursprünglich gehörte; sie ist in schönen Verhältnissen in gut gothischem Styl mit dreiseitigem Chorschluß ausgeführt und zeigt an dem Langhaus gepaarte, an dem Chor aber gedreite Fenster, mit horizontalen Fensterstürzen, unter denen schönes Maßwerk hinzieht. Die Kirche ist längst vernachlässigt und dient nun theils als Magazin theils als städtisches Archiv.

4. Das Schulhaus, ein altes großes Gebäude, das früher ein Beguinenkloster war; es steht auf der nördlichen Stadtmauer und enthält im unteren Stockwerk die deutsche Volksschule für Knaben und Mädchen mit 4 Lehrzimmern, im zweiten die lateinische Schule mit zwei Lehrzimmern, die Wohnungen des Präceptors und des ersten deutschen Schulmeisters, im dritten die Wohngelasse für den Unterlehrer und den Lehrgehilfen; der Kollaborator und der zweite Schulmeister wohnen gegen Mietheentschädigung in Privathäusern.

5. Das 1761 erbaute und später erneuerte Rathhaus steht an der Hauptstraße beinahe in der Mitte der Stadt; es ist sehr ansehnlich in einem einfachen neueren Styl dreistockig erbaut und trägt auf dem First ein Thürmchen mit Glocke. In seinem unteren Stockwerk ist ein Magazin für Löschgeräthschaften eingerichtet, im mittleren befinden sich die Gelasse für den Gemeinderath und das Gerichtsnotariat und im oberen der Bürgersaal nebst 5 Zimmern[5].

| 6. Das Spitalgebäude, welches 1844 erbaut, und dem 1863 ein Irrenlokal angebaut wurde, steht in der östlichen Vorstadt; es ist Eigenthum der Stiftungspflege mit Ausnahme des Irrenlokals, das der Amtskorporation gehört. In den Spital werden nicht allein Arme der Stadt, sondern auch der Amtsorte in Kost und Wohnung genommen, weßhalb die Amtskorporation der Stiftungspflege Marbach jährlich 100 fl. entrichtet[6].

Ferner besitzt die Gemeinde eine Kelter mit 6 Schnellpressen, ein außerhalb (südlich) der Stadt gelegenes Schafhaus, zwei Backhäuser etc.; auch der obere Thorthurm, in welchem sich das Oberamtsgefängniß befindet, ist Eigenthum der Stadt.

Dem Staat gehören folgende Gebäude:

1. Das Oberamtsgerichtsgebäude, auf der Stelle des ehemaligen Schlosses, ein großes massiv erbautes, dreistockiges Gebäude, das auf der südlichen Stadtmauer frei und angenehm gelegen ist und zu dem ein ausgedehnter Hofraum und ein kleiner Garten gehört; an dasselbe ist das Oberamtsgerichtsgefängniß angebaut. In den anstoßenden Gärten befinden sich noch alte Kellergewölbe, die ohne Zweifel von ehemaligen zum Schloß gehörigen Gebäuden herrühren.

2. Das Oberamteigebäude steht ebenfalls an der südlichen Stadtmauer und ist in einem gewöhnlichen Styl dreistockig erbaut.

3. Das Dekanathaus steht in der Strohgasse und befindet sich in gutem baulichen Zustande; über dem Eingang ist das württembergische Wappen und die Jahrszahl 1700 angebracht.

4. Das Diakonathaus, ein minder ansehnliches Gebäude, das die Ecke der unteren Holdergasse mit der Nikolausthorgasse bildet.

Ganz besondere Erwähnung verdienen noch zwei Gebäude, in welchen die Wiegen von zwei großen Marbachern, Friedrich v. Schiller und Tobias Mayer, standen.

Das Haus, in welchem der unsterbliche Schiller das Licht der Welt erblickte, steht in der Nikolausthorgasse unfern des ehemaligen Nikolausthors; ursprünglich ein ganz einfaches Bäckerhäuschen, wurde es im Jahr 1859 von dem Schillerverein[7] in Marbach um 4000 fl. erkauft und nach dem Plan des Oberbauraths Leins in| einem etwas alterthümlichen, freundlich ansprechenden, ländlichen Wohnhausstyl mit einem Aufwand von 2470 fl. passend erneuert; dasselbe wurde unter der Bedingung es zu unterhalten, der Gemeinde überlassen, die nun einen besondern Mann, der zugleich den Fremden das Innere des Hauses zeigt, aufgestellt hat. Gleich beim Eintritt überrascht die im Hausgang aufgestellte kolossale Büste Schillers und einige an der Wand hängende Bilder. Von hier aus gelangt man in ein heimliches, einfach getäfeltes Stübchen, in welchem das Spinnrädchen von Schillers Mutter und Briefe, die der große Dichter an seine Mutter schrieb etc., aufbewahrt sind; an der Wand hängen in Öl gemalt die Bildnisse von Schillers Eltern. Das obere Stockwerk enthält zwei Gelasse, in dem einen ist wieder Schillers Büste aufgestellt und der Hut, den Schiller als Karlsschüler trug, aufbewahrt; an den Wänden hängen Bildnisse von Schiller und von dessen Familienangehörigen. Im Nebenzimmer (Schlafzimmer) steht ein Kasten, in welchem sämtliche Werke von Schiller, gestiftet von J. G. Cotta, Briefe von Schiller, Albums etc. aufbewahrt sind; an den Wänden hängen wieder Bildnisse von Schiller und seinen Anverwandten, wie auch der einfache Spiegel Schillers. Dieß sind die kleinen engen Räume, aus denen der große Mann, der eine ganze Welt im Herzen trug, hervorging.

Nicht ferne von dem Schillerhause steht aufwärts (südlich) in der Thorgasse das Haus, in welchem der große Mathematiker und Astronom Johann Tobias Mayer geboren wurde; es ist ein einfaches ländliches Häuschen, vor dem ein kleiner Garten liegt und dem bis jetzt kein äußeres Zeichen gegeben worden wäre, wenn es nicht sein dermaliger Besitzer Jakob Mack, Weingärtner, zur selben Zeit, als man das Schillerhaus erneuerte, neu herstellen und der Leseverein mit der Inschrift „Geburtshaus Tobias Mayers“ hätte versehen lassen. Über der Inschrift sind Sonne, Mond, Kometen und Sterne nicht schön, aber gut gemeint angemalt. In dem Rathhaussaal hängt die nach einem Ölbild gefertigte Photographie des Tobias Mayer.

Mit gutem, gesundem Trinkwasser, das 6 laufende Brunnen, worunter einer Privateigenthum ist, und viele Pumpbrunnen liefern, | ist die Stadt hinreichend versehen und eigentlicher Wassermangel tritt auch in ganz trockenen Jahrgängen nicht ein. Vor dem Rathhaus steht der vierröhrige Marktbrunnen, dessen einfache Brunnensäule die Jahrszahl 1810 trägt. In der Nikolausthorgasse, an der Stelle, wo sich diese zu einem kleinen Platz erweitert, befindet sich ein dreiröhriger Brunnen mit dem sog. wilden Mann[8], der einen Schild mit dem Stadtwappen hält, auf der Brunnensäule. Zwei kleine Weiher liegen außerhalb der Stadtmauer. Die Markung selbst ist sehr quellenreich, es entspringen auf ihr der Aichgraben, der Strenzelbach, der Dreibrunnen, der Neunbrunnen, eine starke Quelle in den Milzenweinbergen und einige minder bedeutende Quellen. Überdieß drängt sich der Neckar in einem großartigen, wohlgerundeten Bogen ganz in die Nähe der Stadt; er ist oberhalb der Stadt theils zur Erleichterung der Schifffahrt und der Flößerei, theils wegen des stärkeren Betriebs der an der Stadtseite angelegten Mühl- und Fabrikwerke, durch Wehre gedämmt, um die Hauptströmung des Wassers in den zu diesem Zweck angelegten Kanal zu leiten, woselbst auch eine Kammerschleuse im Jahr 1832/33 auf Kosten des Staats erbaut wurde. Zunächst unter der Stadt vereinigt sich der Kanal wieder mit dem Hauptfluß, nachdem er vorher einen Arm in denselben geschickt hat; hiedurch entstanden zwei freundliche mit Weiden bepflanzte Inseln, das obere und das untere Wehr genannt. Der Neckarkanal treibt eine großartige Getreidemühle mit 6 Mahlgängen, einem Gerbgang und einem Koppgang; eine schwunghaft betriebene Krappfabrik ist seit 15 Jahren abgegangen und beschränkt sich jetzt auf eine Farbmühle und eine Sägerei. Eine Feinsägerei und Ölmühle sind in Folge eines Brandes auf ein Drittheil des Betriebs herabgekommen. Unterhalb der Stadt liegt nahe am Einfluß der Murr in den Neckar eine im Jahr 1862 neu erbaute Mühle mit 3 Mahlgängen, einem Gerbgang und einer Säge.

1

Der Neckar hat oberhalb des Wehrs, ehe ein Arm von ihm abgeht, eine Breite von etwa 375′ und seine bedeutendste Tiefe beträgt 8–10′; bei starken Regengüssen und raschem Schneeabgang| schwillt er öfters schnell an, tritt aus seinem Bett und überfluthet die ganze etwa 1/16 Stunde breite Thalebene, wobei er selten großen Schaden anrichtet und namentlich der Stadt selbst nie gefährlich wird, während die nur 1/8 Stunde unterhalb Marbach in den Neckar mündende Murr nicht selten mehreremal des Jahrs austritt und öfters furchtbare Verheerungen anrichtet. Die aus waldreichen bergigen Gegenden herkommende Murr kann ihre wilde Gebirgsnatur nicht verläugnen und ihr grünliches Wasser will sich lange nicht mit den klaren Fluthen des Neckars vereinigen und ist sogar bei der 1/4 Stunde unterhalb der Einmündung gelegenen Benninger Brücke noch erkenntlich.

Außer der Murr fließen auf der Markung in den Neckar: der Aichgraben 1/4 Stunde oberhalb der Stadt, und der Strenzelbach zunächst bei der Stadt, von letzterem wird ein Arm abgeleitet und zu einem kleinen Weiher geschwellt, dessen Abfluß eine den zahlreichen Gerbereien dienende Lohmühle in Bewegung setzt. Beide Bäche sind nicht von Bedeutung und versiegen zuweilen in trockenen Jahrgängen.

Das Fischrecht in dem Neckar und in der Murr steht 3 Privatpersonen zu, die sich hiedurch einen nicht unbeträchtlichen Nebenverdienst sichern; es kommen in beiden Flüßen hauptsächlich Weißfische, Barben, ziemlich viele Aale, weniger Karpfen und Hechte vor, die in die benachbarten Städte, besonders nach Ludwigsburg abgesetzt werden. Überdieß gewinnen die Eigenthümer des Fischrechts den Neckar- und Murrsand, der als Bausand gesucht, eine erkleckliche Einnahme abwirft.

Auf der Markung führt keine Brücke über den Neckar, sondern nur eine Fähre, welche zunächst der Stadt für Fußgänger besteht; den Verkehr mit den jenseits des Neckars gelegenen Orten vermittelt eine beinahe 1/2 Stunde unterhalb der Stadt bei Benningen angelegte Brücke. Über die Murr besteht oberhalb ihrer Einmündung eine steinerne Brücke, welche der Staat zu unterhalten hat, dagegen steht und stand die Unterhaltung von 2 weitern auf angrenzenden Markungen bestehenden steinernen Murrbrücken der Stadt zu; die eine am Holzgarten bei Murr, deren Unterhaltung mit dem Recht der Stadt, auf der Murr die Scheiterholzflößerei zu betreiben in Verbindung steht, die andere, die sog. Schweißbrücke besteht an der Straße nach Backnang, deren Baulast um die Ablösungssumme von 8500 fl. an den Staat übergegangen ist.

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Bevölkerung der Oberamtsstadt Marbach.

Für die Stadt Marbach stehen außer den oben S. 35 angegebenen noch die Resultate älterer Zählungen zu Gebot, die wir hier mittheilen.

Die Stadt Marbach zählte: bestehend aus Personen
Einwohner im Ganzen I. männlichen Geschlechts weiblichen Geschlechts II. Evangelischer Katholischer
über 50
Jahr
von 17–50
Jahr
von 14–17
Jahr
unter 14
Jahr
über unter Konfession.
14 Jahr
im Jahr 1794 1879 127 407 50 306 671 318

890

989
im Jahr 1807 2031 75 489 98 336 710 323

998

1033
über 60
Jahr
von 40–60
Jahr
von 14–40
Jahr
unter 14
Jahr
im Jahr 1808 2083 80 225 412 310 777 279 2082 1

1027

1056
im Jahr 1809 2124 85 212 427 323 760 317 2123 1

1047

1077
im Jahr 1810 2148 88 211 429 337 765 318 2147 1

1065

1083
|
Die ortsangehörige ortsanwesende
Bevölkerung
bestand aus: männl. weibl. zus. männl. weibl. zus.
Personen Personen
im Jahr 1811 1087 1107 2194 0979 1096 2075
im Jahr 1822 1112 1187 2299 1057 1199 2256
im Jahr 1834 1119 1218 2337 1130 1189 2319
im Jahr 1846 1199 1270 2469 1212 1256 2468
im Jahr 1858 1161 1224 2385 1048 1134 2182
im Jahr 1864 1173 1272 2445 1065 1151 2216

Die Zahl der ortsanwesenden Katholiken war im Jahr 1858 22, im Jahr 1861 21, im Jahr 1864 28. Alle weiteren Einwohner waren evangelischer Konfession.

Nach dem Civilstand vertheilte sich die ortsanwesende Bevölkerung pro 3. Dezbr. 1864 folgendermaßen.

Es waren:

ledig verheirathet verwittwet geschieden
männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.
667 702 348 346 50 102 0 1
1369 694 152 1
2216

Es waren ferner:

Personen über 14 Jahr
männlich weiblich zusammen
775 836 1611
unter 14 Jahr
männlich weiblich zusammen
290 315 605
10650 951 22160

Nach den Altersklassen von 10 zu 10 Jahren vertheilte sich die Bevölkerung folgendermaßen. Es wurden gezählt:

Personen von männliche weibliche zusammen
00–10 Jahren 219 230 449
10–20 Jahren 290 256 546
20–30 Jahren 146 175 321
30–40 Jahren 105 148 253
40–50 Jahren 126 148 274
50–60 Jahren 089 108 197
60–70 Jahren 049 066 115
70–80 Jahren 023 031 054
80–90 Jahren 006 005 011
10590 12670 22200
| Marbach ist die Wiege folgender ausgezeichneter Männer:

Alexander Seitz geb. im Jahr 1470, in Tübingen und in Italien in der Heilkunde gebildet, übte seine Kunst zuerst in Marbach, verwickelte sich allda 1514 in den Aufstand des armen Konrads, worauf er landesflüchtig zunächst in der Schweiz, in Reutlingen, Straßburg (Zwinglii Opera ed. Schuler 7, 434), dann abermals – und wie es scheint bis an sein Ende – in der Schweiz seiner Kunst sich unterzog. Ein ideenreicher, in deutscher Sprache beredter Schriftsteller im Fache der Medicin, Philosophie und Politik (schrieb über die Lustseuche „ein nutzlich regiment wider die bosen frantzosen“ gedruckt 1509, ferner: „Thurnir oder adelige Musterung“ gegen den Adel und seine Vorrechte gerichtet). Siehe: Doktor Alex. Seitz und seine Schrift über die Lustseuche, eingeleitet von Moll. Stuttgart 1852. 8.

Anastasius Demmler geb. den 7. Nov. 1520, studirte in Tübingen Rechtsgelehrsamkeit, wurde allda Professor derselben 1556 und starb den 21. Juli 1591. Ein durch Gelehrsamkeit, vortreffliche Lehrmethode, praktische Geschicklichkeit, Uneigennützigkeit und Frömmigkeit ausgezeichneter Mann.

Wilhelm Holder geb. 1542, Stiftsprediger in Stuttgart 1571, Abt in Maulbronn 1595–1608, gest. den 24. Juli 1609. Ein Theologe von großer Gelehrsamkeit und stechendem Witze.

Joh. Jak. Steinhofer geb. den 22. Jan. 1640, gest. als Generalsuperintendent in Baireuth den 7. Jan. 1692.

Burkard David Mauchart geb. den 19. April 1696, Professor der Anatomie und Chirurgie in Tübingen 1726, sodann herzoglicher Rath und Leibarzt, gestorben als erster Professor der medizinischen Facultät zu Tübingen den 11. April 1591[s 1]. Sein Hauptfach war die Augenheilkunde, über welche er eine Menge Abhandlungen schrieb. (Meusel Lexikon 8, 542).

Tobias Mayer, Sohn eines Wagners, geb. den 17. Febr. 1723, schon frühe mit seinem Vater nach Eßlingen, wo letzterer 1726 Stadtbrunnenmeister wurde, gezogen. Durch ärmliche Lebensverhältnisse hindurch brach sich der mathematische Kopf seine Laufbahn, bis er von seinen Arbeiten an der Hommannischen Landkartenoffizin in Nürnberg hinweg im Jahr 1751 als ordentlicher Professor der Ökonomie und Mathematik nach Göttingen berufen wurde, wo er am 20. Febr. 1762 verstarb. Seine tiefsinnigen geographischen und astronomischen Untersuchungen, besonders aber seine Mondstafeln, machten ihn berühmt. (Hausleutner, Schwäb. Archiv 2, 385–392. Meusel a. a. O. 571. Schwäb. Chronik vom 20. Febr. 1862).

| Joh. Friedr. Cloß (oder, wie er sich, da er lange in Holland weilte, lieber nannte Clossius) geb. 1735, praktischer Arzt in den Niederlanden, zuletzt in Hanau, gest. den 17. Juni 1787. (Seybold vaterl. Historienbüchlein 107. Meusel a. a. O. 2, 149).

Friedr. Ferd. Drück, Sohn eines Apothekers, geb. den 9. Dec. 1754, Professor der griechischen und römischen Literatur an der Karlsakademie, zuletzt Professor am Gymnasium und Bibliothekar an der öffentlichen Bibliothek in Stuttgart, gest. den 27. April 1807. Ein trefflicher Humanist.

Friedr. v. Schiller, Sohn eines Hauptmanns, geb. den 10. Nov. (an welchem Tage Schiller selbst seinen Geburtstag feierte) oder am 11. Nov. (wie im Kirchenbuch steht) 1759, gest. zu Weimar den 9. Mai 1805.

Karl Georg v. Wächter, Sohn des Oberamtmanns, geb. den 24. Dec. 1797, Professor der Rechte in Tübingen 1819, späterhin Kanzler der Universität, Kammerpräsident etc., gegenwärtig Professor in Leipzig, k. sächs. Geheimrath. Berühmter Rechtsgelehrter.

Die Einwohner der Stadt haben im allgemeinen keine besondere körperliche Vorzüge und Gebrechen; der Gesundheitszustand ist ein guter und Leute von 70–80 Jahren sind nicht selten. Die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Weinbau und Viehzucht; etwa die Hälfte der Einwohner treibt neben der Landwirthschaft Gewerbe. Sparsamkeit und Fleiß wird ziemlich allgemein getroffen. Was die Vermögensumstände betrifft, so gehört die sehr überwiegende Mehrzahl dem sog. Mittelstande an, neben ihm gibt es auch Wohlhabende, denen aber eine größere Zahl Armer gegenüber steht. Der vermöglichste Bürger besitzt 55 Morgen Feld, die mittlere Klasse 6–12 Morgen und die Unbemittelten 1/2–1 Morgen; nur einige haben gar keinen Grundbesitz. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig etwa 25 Personen.

Die im Verhältniß zur Einwohnerzahl nicht große Markung, deren westliche Grenze (zugleich die Grenze gegen den Oberamtsbezirk Ludwigsburg) der nahe Neckar bildet, ist mit Ausnahme der Gehänge gegen das Neckarthal und dessen Seitenthäler ziemlich eben und hat im allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der auf der Ebene aus einem tiefgründigen Diluviallehm, an den Gehängen aber aus den Zersetzungen des Muschelkalks, der Lettenkohlengruppe und des unteren Keupermergels besteht; die beiden letzteren mehr den Weinbau als den Ackerbau begünstigend, machen sich namentlich im nördlichen Theil der Markung, jenseits des Strenzelbachs geltend.| In den Thalebenen haben sich für den Wiesenbau taugliche Alluvionen abgelagert. Mehrere Muschelkalksteinbrüche und eine Lehmgrube sind vorhanden.

Die klimatischen Verhältnisse begünstigen den Anbau aller in Württemberg eingeführten Kulturpflanzen, namentlich auch den Weinbau, der hier ausgedehnt getrieben wird. Schädliche Frühlingsfröste und kalte Nebel sind nicht häufig, wie auch Hagelschlag, der jedoch in neuerer Zeit, wie im Jahr 1840 und namentlich im Jahr 1865 bedeutenden Schaden anrichtete.

Die Landwirthschaft wird im allgemeinen fleißig betrieben; landwirthschaftliche Neuerungen, wie der flandrische Pflug, die Walze, verbesserte Düngerstätten, einfache Joche etc. haben verbreiteten Eingang gefunden. Zur Verbesserung des Bodens kommen außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln vorzugsweise die Jauche, ziemlich Gips und Kompost in Anwendung.

Bei dem Ackerbau ist die Dreifelderwirthschaft mit beinahe ganz angeblümter Brache eingeführt; im Winterfeld baut man hauptsächlich Dinkel und untergeordnet Weizen, Einkorn und Roggen; im Sommerfeld Haber und Gerste. In der Brache nimmt der dreiblätterige Klee eine beträchtliche Fläche ein, während die Luzerne mehr auf ausgereuteten Weinbergen gepflanzt wird; ferner kommen zum Anbau Esparsette, Wicken, Kartoffeln, Zuckerrüben, Flachs, Hanf etc. Der einige Zeit betriebene Tabackbau ist in neuerer Zeit beinahe ganz abgegangen. Bei einer Aussaat von 7 Simri Dinkel, 4 Simri Haber und 3 Simri Gerste liefert ein Morgen 9–12 Scheffel Dinkel, 4 bis 6 Scheffel Haber und 3–5 Scheffel Gerste. Die höchsten Preise eines Morgens Acker sind gegenwärtig 800–900 fl., die mittleren 400 fl. und die geringsten 100 fl. Bei den Wiesen bewegen sich die Preise von 300–1000 fl. vom Morgen. Der größere Theil der Felderträgnisse wird im Ort selbst verbraucht und nur etwa 1/3 derselben kann nach Außen abgesetzt werden.

Der Gartenbau dient theils dem Vergnügen, theils dem eigenen Bedürfniß und liefert keine Erzeugnisse zum Verkauf. Einige schön angelegte, Privaten gehörige Gärten sind vorhanden.

Von ziemlicher Bedeutung ist der Wiesenbau, der nur in den Thalebenen getrieben wird und mit Ausnahme einiger versumpfter Stellen sehr gutes Futter reichlich liefert; die Wiesen, von denen ein Theil bewässert werden kann, ertragen vom Morgen durchschnittlich 25–30 Centner Heu und 12–15 Centner Öhmd. Der Wiesenertrag wird im Ort selbst verbraucht.

| Der etwa 350 Morgen einnehmende Weinbau wird meist an südlichen, theilweise auch an östlichen Abhängen mit großem Fleiß getrieben; es finden sich überdieß auch noch ebene Lagen, deren für den Weinbau vorzüglich, für andere Kulturen aber minder gut sich eignender Boden den Anbau der Rebe immer noch erhält, übrigens sind seit etwa 100 Jahren gegen 150 Morgen Weinberge ausgereutet worden und haben anderen Anpflanzungen, namentlich der Obstzucht Platz gemacht. Die Bauweise ist die in der Umgegend übliche; man bezieht die Reben den Winter über und pflanzt etwa 2100–2400 Stöcke auf einen Morgen, wobei man vorzugsweise auf Silvaner, Elblinge und Drollinger Rücksicht nimmt, während Gutedel, Traminer, Klevner und Veltliner weniger gepflanzt werden. Die früher häufigeren Tokayer (Putzscheeren) haben sich beinahe verloren, dagegen schleicht sich aus der Gegend von Heilbronn die Müllertraube unter dem Namen „schwarzer Rißling“ ein. Pflanzungen von unvermischt edlen Sorten gehören zu den Ausnahmen. Der erzeugte Wein, von Farbe meist ein sog. Schiller, ist im allgemeinen gut und lagerhaft; in einzelnen Lagen aber wird er in Verbindung mit einer angemessenen Behandlung vorzüglich erzeugt. Die besten Lagen sind Hansen, Neckarhalden, Mäurach und Bachmühlberge. Der mittlere Ertrag eines Morgens in den bergigen Lagen ist 4 Eimer; ergiebiger sind die mehr ebenen Lagen „Mäurach und Reut“, die einen für den Weinbau sehr günstigen Boden (unterer Keupermergel) haben und schon in manchen Jahren 8 Eimer auf dem Morgen ertrugen. Die Preise eines Eimers waren in den Jahren: 1857 37–48 fl., 1858 25–34 fl., 1859 40–48 fl., 1860 12–22 fl., 1861 53–66 fl., 1862 43–50 fl., 1863 38–47 fl., 1864 28–33 fl., 1865 68–80 fl. Die Preise eines Morgens Weinberg bewegen sich von 100–1000 fl. Der Absatz der Weine geht hauptsächlich in den Schwarzwald, in die Oberamtsbezirke Aalen, Gmünd etc.

Die Obstzucht findet in möglichster Ausdehnung statt; außer den vielen um die Stadt gelegenen Obstgärten sind nicht allein alle Verbindungsstraßen und Wege, sowie die Allmandplätze mit Obstbäumen bepflanzt, sondern auch die ausgereuteten Weinberge und manche taugliche Wiesengründe der Obstzucht zugewendet. Es werden nicht blos alle gewöhnlichen Kern- und Steinobstsorten, sondern auch durch einige Obstfreunde viel edles Obst gepflanzt. Das Obsterzeugniß wird meist im Ort verwendet und nur ein kleiner Theil desselben kommt zum Verkauf. Die Jungstämme werden größtentheils selbst nachgezogen, theilweise auch aus dem Remsthal erkauft.

| Nachdem in neuerer Zeit ein inmitten des Ackerlandes gelegenes Wäldchen von 60 Morgen ausgerodet worden ist, befindet sich auf der unmittelbaren Stadtmarkung kein Wald mehr, dagegen ist der hardtberechtigten Gemeinde bei Vertheilung des Hardtwaldes ein Antheil von 610 Morgen zugefallen, von dessen Ertrag an Unterholz jeder Bürger, jede Wittwe und jede Wöchnerin eines Bürgers alle 2 Jahre 40 Stück Wellen erhält; das Oberholz wird verkauft und der Erlös dem Kopf nach an die Bürger in Raten von 6–9 fl. ausgetheilt.

Die gegen 40 Morgen großen, mit Bäumen besetzten Allmanden dienen der Schafweide, welche nebst der Herbstweide um 860 fl. jährlich verpachtet ist; überdieß sichert die Pferchnutzung der Gemeindekasse eine jährliche Rente von etwa 400 fl.

Pferdezucht findet nicht statt, dagegen ist die Zucht des Rindviehes bedeutend und wird durch musterhafte Farren (ein reiner Simmenthaler und 3 von Simmenthaler und Neckarschlag-Kreuzung) noch mehr zu heben gesucht. Zur Unterhaltung der Farren ist ein sog. Farrengut vorhanden; der Eigenthümer desselben hat jedoch nur die Verpflichtung 3 Zuchtstiere zu halten, während der benöthigte vierte Zuchtstier auf Kosten der Gemeinde verpflegt werden muß. Bei den bedeutenderen Gutsbesitzern trifft man in der Regel einen größeren Viehschlag, der sich mehr zur Mastung eignet, während die sog. Kleinbauern auf milchergiebige Allgäuer- und Limpurger Racen Bedacht nehmen. Mit Vieh, auch mit gemästetem wird ein ziemlich lebhafter Handel auf benachbarten Märkten getrieben.

Die Schafzucht ist in den Händen eines Gemeindeschäfers, der im Vorsommer 250–300, im Nachsommer 500–600 Bastardschafe auf der Markung laufen läßt. Die Wolle kommt auf den Märkten in Kirchheim und Heilbronn zum Verkauf.

Von einiger Bedeutung ist die Schweinezucht (2 Eber und 22 Mutterschweine), übrigens werden auch noch viele Ferkel von außen eingeführt; man züchtet vorzugsweise die halbenglische und die hallische Race und mästet theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf.

Ziegen werden nur von einigen ärmeren Familien, die keine Kuh zu ernähren im Stande sind, der Milch wegen gehalten.

Geflügel, namentlich Enten und Gänse, wird viel, jedoch meist nur für den eigenen Bedarf gezogen.

Die Bienenzucht wird von einzelnen mit ziemlich gutem Erfolg getrieben.

| Was den Gewerbebetrieb betrifft, so beschränkt sich dieser vorzugsweise auf die gewöhnlichen Handwerker, die theils für das örtliche Bedürfniß, theils für den Absatz auf benachbarten Märkten arbeiten. Eine Ausnahme machen die schon oben angeführten Mühl- und andere Werke.

Die Leimsiedereien der Gebrüder Mack liefern sehr guten, mit dem Kölner rivalisirenden Leim, der vielseitig Absatz findet.

Von den sehr stark vertretenen Rothgerbern verfertigt einer feineres Leder, das er auswärts, namentlich auch in’s Ausland, absetzt.

Ein Kupferschmied liefert größere Fabrikate für Fabriken und Brennereien.

Besondere Erwähnung verdienen die Chemikalien aller Art, besonders Valerian-Präparate, die Apotheker Dr. Riekher bereitet und theils nach Stuttgart, theils nach Hessen und Preußen absetzt.

Schildwirthschaften zählt die Stadt 5 und 2 für sich bestehende Bierbrauereien, sodann 11 Speisewirthschaften und 10 Gassenwirthschaften; auch sind noch 7 Branntweinbrennereien vorhanden.

Mit Specerei-, Ellen-, Eisenwarenhandel etc. beschäftigen sich 9 Kaufleute und Krämer.

Im Übrigen zählt die Stadt nach der neuesten Aufnahme vom 3. Dezbr. 1861 folgende Gewerbe:

Künstler und Handwerker.
  Meist. Gehilf.     Meist. Gehilf.
Architekten
Bildhauer, Maler
2 Hafner 2 4
Kaminfeger 1 1
Bäcker 11 7 Kammmacher 1
Barbiere 1 Korbmacher 1 2
Bortenwirker 1 Kupferschmiede 3 3
Buchbinder 5 1 Küfer und Kübler 7 8
Conditoren 1 Maurer 3
Drechsler 2 2 Metzger 10 12
Färber 3 Musiker 1 1
Fischer 2 3 Mühlenbauer 1
Flaschner 4 6 Nadler u. Siebmacher 2 3
Gärtner 1 Pflästerer 9 3
Gerber 14 17 Putzmacherinnen 1
Glaser 4 1 Sattler und Seckler 6 6
|
  Meist. Gehilf.     Meist. Gehilf.
Seifensieder 3 Steinhauer 5 9
Seiler 4 2 Schuhmacher 16 21
Schirmmacher 1 Uhrmacher 1
Schmiede 13 10 Wagner 3 1
Schneider 14 7 Zimmermaler,
Ipser, Vergolder,
1
Schreiner 5 4
Schriftgießer 1 3 Zimmerleute 3 5

Vielen Verkehr und Verdienst bringt auch die Langholzflößerei auf dem Neckar und die Scheiterholzflößerei auf der Murr, während die Neckarschifffahrt seit der Errichtung der Eisenbahnen merklich abgenommen hat und sich jetzt nur noch auf gröbere Waren beschränkt. Es wohnen in der Stadt zwei Neckarschiffer, die mit drei Schiffen nach Heidelberg und Mannheim fahren. Überdieß sind zwei Einbindstellen vorhanden, auf denen jährlich 800–1000 Stämme gelagert und von da weiter verflößt werden.

Der Aktivhandel beschränkt sich, mit Ausnahme der schon oben angeführten Fabrikate, auf landwirthschaftliche Produkte und Vieh. Die Einfuhr besteht in Kolonialwaren, Eisen, Steinkohlen, Holz, Salz, rohen Häuten etc.; sie wird durch Frachtfuhrleute und zum Theil auch durch die Schifffahrt auf dem Neckar vermittelt. Frachtfuhrleute sind 3 vorhanden, die zusammen wöchentlich dreimal nach Stuttgart, dreimal nach Ludwigsburg und ein- bis zweimal nach Heilbronn fahren.

Die Stadt hat das Recht alljährlich 3 Vieh- und Krämermärkte und je Tags zuvor einen Holzmarkt abzuhalten, die fleißig besucht werden und auf denen namentlich mit Rindvieh und Holz lebhafter Handel stattfindet.

Was die Verkehrsmittel betrifft, so berühren, außer der schon angeführten Wasserstraße des Neckars, die Stadt folgende Straßen: die Landstraße von Ludwigsburg nach Groß-Bottwar und Beilstein; von ihr gehen Vicinalstraßen nach Benningen, Pleidelsheim und nach Höpfigheim ab; die beiden letzteren jedoch nicht mehr auf Marbacher Markung. Ferner führt eine Landstraße von Marbach über Rielingshausen nach Backnang, von der nahe an der Stadt eine Vicinalstraße nach Erdmannhausen ablenkt. Überdieß sind noch Vicinalstraßen nach Affalterbach und Poppenweiler angelegt.

Ein Eilwagen kommt täglich 6mal an und geht 6mal ab; überdieß ist eine Ruralpost eingerichtet und kommen täglich von| 12 Orten Boten in die Stadt; die übrigen Orte stehen durch Boten mit den Postorten Groß-Bottwar und Beilstein in Verbindung.

An der Stadtpfarrkirche sind ein Stadtpfarrer, der zugleich das Dekanatamt bekleidet, und ein Diakon angestellt. Der erste evangelische Stadtpfarrer war vor dem Interim Werner Keller 1537, nach dem Interim Dominikus Creber von 15…–1558 und der erste Diakon Joh. Märcklin von 15…–1564. (S. Binder, Kirchen- und Lehrämter Württembergs 1, 220. 221).

Von Schulanstalten befinden sich in Marbach:

1. Eine lateinische Schule, an der ein Präceptor, und eine lateinische Elementarklasse, an der ein Collaborator unterrichtet; auch ist mit dieser Schule eine Turnanstalt verbunden. Der erste Präceptor war Paul Burggraf von 15…–1560 und der erste Collaborator Valentin Müller im Jahr 1557.

2. An den Volksschulen (einer Knaben-, einer Mädchen- und einer Elementarschule) sind zwei Schulmeister, ein Unterlehrer und ein Lehrgehilfe thätig.

3. Eine Industrieschule besteht.

Der Gemeindehaushalt ist geordnet.

Die Stiftungspflege, in welcher nun die Heiligen-, Hospital-, Almosen- und Armenkastenpflege vereinigt sind, hat ein Vermögen von etwa 6000 fl. Nebenbei hat die Industrieschule einen Fond von 2472 fl.

Die abgesondert bestehende Römerstiftung ist für studirende Nachkommen des Pfarrer und Dechanten Johann Römer in Affalterbach bestimmt, der zu Anfang des 16. Jahrhunderts 400 fl. stiftete, die nun bis zu 52.000 fl. angewachsen sind.

Noch ist die Schillerhöhe, ein südlich der Stadt gelegener hoher Punkt, zu erwähnen, welchen die Gemeinde im Jahr 1835 dem Schillerverein überlassen, und vorläufig mit freundlichen Gartenanlagen versehen hat; hier beabsichtigt der Verein dem großen Dichter ein Denkmal zu errichten, so bald die nöthigsten Mittel hiezu vorhanden sind.

Der Punkt ist trefflich gewählt und würdig ein solches Denkmal zu tragen. Oben an dem steilen rebenreichen Abhang, zu dem sich der Neckar in einem großartigen, hufeisenförmigen Bogen herandrängt, erschließt sich hier eine reizende Aussicht zunächst in das nahe freundliche Neckarthal mit seinen lachenden Dörfern und jenseits des Flusses über ein fruchtbares, mit stattlichen Ortschaften belebtes Flachland, aus dem sich der Asperg und der Wunnenstein frei| erheben und dem Auge angenehme Ruhepunkte gewähren. Auch Ludwigsburg mit seinem imposanten Schloß ist sichtbar. Dieses weitgedehnte Flachland wird gegen Süden und Südwesten von den Hügelzügen bei Stuttgart, Eßlingen etc. begrenzt, hinter denen ein großer Theil der Alb den fernen Hintergrund bildet. Gegen Osten und Nordosten erscheinen in blauer Ferne die höheren Punkte des Schwarzwalds, während der Stromberg mit dem Michaelsberg an der äußersten Spitze mehr in die Landschaft herein tritt. Gegen Norden begrenzen die Aussicht die Höhen des Odenwalds, und gegen Osten schweift der Blick an die Höhenzüge des Welzheimer und Murrhardter Walds.

Marbach war schon zur Zeit der Römer ein Ort von Bedeutung, hiefür zeugen 4 von der gegenwärtigen Stadt ausgehende Römerstraßen und 7 römische Denksteine, welche theils im Ort, theils ganz in der Nähe desselben aufgefunden wurden (s. hier den allgemeinen Theil Abschnitt „römische Alterthümer“). Zwei römische Säulen, welche früher das Stolp’sche Weinberghäuschen unterstützten, sind nun im Garten des Oberamtsarzts Dr. Schwandner passend aufgestellt.

Ferner wurden im sechzehnten Jahrhundert die Reste eines Wohnzimmers mit einem Hypocaustum ausgegraben und im Jahr 1780 ein ähnliches in der sog. Au 1/4 Stunde nördlich der Stadt. Auf dem sog. alten Markt in der Nähe der Alexanderskirche, wo nach der Sage ursprünglich die Stadt gestanden sein soll, wurden in neuerer Zeit unfern der ehemaligen Römerstraße, die von Marbach nach Murr führte, ebenfalls Grundreste eines römischen Gebäudes aufgefunden.

Auf der 1/2 Stunde südöstlich von Marbach gelegenen Flur „Bürg“ befinden sich Spuren römischer Gebäude, an denen die Römerstraße von Hochdorf nach Marbach vorbeiführte.

Überdieß kommen auf der Markung noch Flurnamen vor, die auf abgegangene Gebäude, Wachposten etc. hindeuten, z. B. 1/8 Stunde nördlich von Marbach „Mäurich“, was auf Mauerreste schließen läßt, nahe dabei wird eine sehr erhöhte Stelle mit ausgebreiteter Aussicht „auf der Lug“ genannt (von lugen, spähen), 1/4 Stunde südöstlich von der Stadt „Lauerbäumle“ etc.

In älteren Landbeschreibungen wird bei Marbach ein mineralisch Bad, der Starrenwadel genannt, angeführt.

Zu der Gemeinde gehört:

Siegelhausen (alt Sigelarhusen), ein freundlicher Weiler,| der 11/2 Stunden südöstlich von Marbach in einer fruchtbaren Ebene liegt.

Die Einwohner sind wohlhabende Bauern, die nach Bittenfeld Oberamts Waiblingen eingepfarrt sind, wohin auch die Kinder in die Schule gehen.

Mit gutem Trinkwasser ist der Ort versehen.

Einige 100 Schritte nördlich vom Ort führt die von Poppenweiler an dem Grenzwall ziehende Römerstraße (grasiger Weg) vorüber.

Das Stift Backnang erhielt 1230 von dem Grafen Berthold von Beilstein und seiner Gemahlin Adelheid von Bonfeld ein Gut und das Patronatrecht in S. geschenkt, worüber der Bischof von Speier 1234 Bestätigung ertheilte. Im J. 1243 vergabte Friedrich von Bonfeld all sein hiesiges Erbgut demselben Stifte, mit welchem S. durch die Reformation an Württemberg gelangte.

Marbach selbst war als Marktstätte schon frühe von Bedeutung. Es taucht in einer Urk. vom 29. Jan. 978 erstmals in der Geschichte auf, als der Bischof Balderich von Speier den Ort (villam Marcbach et quicquid ad eandem curtem pertinet) mit andern von einem Diaconus Wolvald mit Bewilligung der beiden Kaiser Otto ertauschte (Wirt. Urk.-Buch 1, 222). Fortan war für lange Zeit das Hochstift Speier Hauptbesitzer; es hatte das Marktrecht und Bischof Walther ließ sich dasselbe und den damit verbundenen Königsbann und Zoll am 17. März 1009 durch den Kaiser Heinrich II. bestätigen und noch als weitere Erlaubniß hinzufügen, Münzen daselbst zu schlagen nach Form, Schrott und Korn der Speirer und Wormser Münzen. (Ob und wie von letzterer Erlaubniß Gebrauch gemacht wurde, bleibt übrigens im Dunkeln).

An Württemberg scheint M. nach der Mitte des 13. Jahrh. durch Graf Ulrich mit dem Daumen gekommen zu sein (A. VII. 1). Einiges erwarb noch dessen Sohn Graf Eberhard der Erlauchte. Der Streit des letzteren mit dem Reich in Zeiten K. Heinrichs VII. und der zeitweilige Verlust fast seiner ganzen Grafschaft brachte über M. im J. 1311 den Jammer der Verwüstung, aus der sich die Stadt jedoch bald wieder erholte. Am 17. März 1346 weilte daselbst K. Ludwig der Baier auf seinem Zug von Frankfurt nach Baiern.

Am 14. Sept. 1405 wurde allhier durch den Kurfürsten Johann von Mainz ein Schutz- und Trutzbündniß verbrieft, welches sich in dem Streit der Könige Ruprecht und Wenzel als eigener| Staat zwischen beide stellte. Theilnehmer dieses Bundes waren der Markgraf Bernhard von Baden, der Graf Eberhard der Milde von Württemberg, die Stadt Straßburg und 17 schwäbische Städte.

M. war unter den Städten, auf welche Antonie von Mailand im J. 1380 bei ihrer Vermählung mit dem Grafen Eberhard von Württemberg dem Milden verwiesen wurde, und Graf Eberhard d. j. wies im J. 1420 seine Tochter Anna bei ihrer Verlobung mit dem Grafen Philipp von Katzenellenbogen mit 16.000 fl. auf Stadt und Amt an.

Der Oberlehensherrlichkeit, welche Kurpfalz über diese beiden durch das Kriegsglück von 1462 erzwang und bis 1504 besaß, ist bereits oben (A. VII. 1) erwähnt.

Manchmal, zumal im Zusammenhang mit den Kriegen, durch die Pest heimgesucht, blieb M. 1594 bei der großen Verbreitung dieses Übels im ganzen Land wunderbarer Weise verschont, weßhalb das Hofgericht in hiesigem Schlosse gehalten wurde.

Was die hiesigen Rechtsalterthümer betrifft, so hatte laut Urk. Graf Ulrichs des Vielgeliebten vom 5. Juli 1456 die Vogtei Marbach ihr Recht zu Stuttgart zu suchen (Sattler, Grafen, 4. Beil. Nr. 49).

Die Fruchtbarkeit des hiesigen Bodens hatte viel Reiz für die Erwerbslust namentlich auch benachbarter Stifte und Klöster. Außer dem bereits erwähnten Hochstift Speier erschienen als allhier begütert das Stift Backnang in der Bulle P. Innocenz IV. vom 11. April 1245 und das Stift Oberstenfeld in der Bulle desselben Pabstes vom 27. Nov. 1247. Das Predigerkloster in Eßlingen erhielt Güter im J. 1219, dem Kl. Steinheim wurden seit den 1270er Jahren verschiedene Schenkungen zu Theil, dem Kl. Lorch eine solche im J. 1340. Das Kl. Murrhardt besaß eine Behausung, das Eßlinger Spital hatte schon gegen Ende des 13. Jahrh. hiesige Weinberge und Äcker, im J. 1700 verkaufte es seinen damaligen Besitz zu M. den Herren von Kniestädt.

Ein Tempelherrenkloster wurde 1312 gleich den anderen im Lande zerstört (Steinhofer 2, 47).

Auch ein Beguinenkloster bestund allhier, dessen Einkünfte in der Reformationszeit dem Spital zugewandt wurden, was Herzog Christoph 1551 bestätigte (Besold Virg. 554).


  1. Die Zahlen der Einwohner beziehen sich auf die ortsanwesende Bevölkerung.
  2. Von Mark = Grenze, da der Ort auf der Grenze des ältesten Franken gegen Alemannien lag.
  3. Literatur: Joh. Friedr. Kast, Beschreibung der Stadt Marbach und ihrer Umgebungen. Ludwigsburg (1836). 8.
  4. An letzterer Kirche bestund eine St. Peter- und Paulspfründe, welche die Herren Heinrich und Hans von Kees, Gebrüder, gestiftet hatten. Ein dieser Pfründe gehöriges Haus zu Marbach befreite der Graf Ulrich von Württemberg den 9. Oct. 1463 von aller Steuer und Beschwerde. Sattler, Grafen 2. Beil. Nr. 28.
  5. Ein früheres Rathhaus wurde 1465 gebaut und Fleisch und Brodbänke darunter gerichtet, wozu Graf Ulrich von Württemberg der Vielgeliebte der Stadt sein altes Kornhaus am Markt schenkte, nebst den Fleisch- und Brodbänken und den dazu gehörigen Einkünften. Derselbe Graf schmückte das hiesige (1693 niedergebrannte) Schloß mit gemalten Jagdscenen.
  6. Urkunde Graf Ulrichs vom 9. Nov. 1470 über die Erweiterung des bisherigen Armenhauses zu einem Spital. Sattler, Grafen 3. Beil. Nr. 48. Kast 118.
  7. Der im Jahr 1858 gegründete Schillerverein machte sich zur Aufgabe mittelst freiwilliger Beiträge das Geburtshaus Schillers anzukaufen und restauriren zu lassen, wie auch auf der Schillerhöhe dem unsterblichen Dichter ein bescheidenes Denkmal zu errichten; ersteres ist bereits erreicht und zu Errichtung des Denkmals ist bis jetzt ein Kapital von 6000 fl. angesammelt worden.
  8. Nach der Volkssage bestand an der Stelle Marbachs ein großer dichter Wald, in welchem ein Riese hauste, der jeden Vorübergehenden ergriffen, in seinen mit Weinreben umrankten Thurm geschleift und dort lebendig verzehrt haben soll; aus den Hirnschalen der von ihm aufgezehrten Opfer, soll er stets viel Wein, den er selbst pflanzte, getrunken haben, worauf sich auch die abgeschmackte Herleitung des Namens der Stadt von Mars und Bacchus gründet.
Anmerkungen Wikisource
  1. Laut ADB:Mauchart, Burchard David gest. am 11. April 1751
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