« Kapitel B 5 Beschreibung des Oberamts Leonberg Kapitel B 7 »
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Gebersheim,
Gemeinde III. Kl. mit 474 Einw., wor. 1 Kath. – Ev. Pfarrei.

Am Saume des Strohgäus, in einem nicht tief eingeschnittenen Seitenthälchen des Glems-Thales, liegt 3/4 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt, ziemlich geschützt, das kleine, übrigens freundlich und reinlich gehaltene Dorf, welches mit gesundem Trinkwasser hinlänglich versehen ist und durch das ein Bach, der im Kastenbrunnen entspringt, und zu einer Wette geschwellt wird, fließt.

Am westlichen Ende des Orts steht frei und ziemlich hoch die schmale, wenig geräumige Pfarrkirche, deren Unterhaltung dem Heiligen (St. Silvester) obliegt. Das Langhaus, an dessen südl. Eingange die Jahreszahl 1588 steht, ist durch spätere Veränderungen seiner ursprünglichen Bauweise beraubt worden; der am Ostende desselben stehende viereckige, nicht hohe Thurm hat drei Stockwerke, von denen die zwei unteren 6′ dicke Mauern haben, während das oberste, auf dem ein einfaches Zeltdach sitzt, aus Holz aufgeführt ist; das untere, mit einem uralten Tonnengewölbe versehene Stockwerk dient als Chor. Innen hat die Kirche außer einem sehr alten, aus Holz gut geschnittenen Bild des Gekreuzigten, nichts Interessantes. Die auf dem Thurme hängenden 2 Glocken sind 1711 und 1741 gegossen worden.

Der ehemals feste, gegenwärtig noch ummauerte Begräbnißplatz, welcher 1804 namhaft vergrößert wurde, liegt um die Kirche.

Das in der Nähe der Kirche sehr angenehm und gesund gelegene Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, ist zwar alt, aber dennoch in gutem baulichen Zustande. In der Mitte des Orts liegt das alte, ziemlich heruntergekommene Rathhaus, in welchem sich auch die Schule und die Wohnung des Lehrers befindet; ein Gemeinde-Backhaus besteht schon längst. An der Volksschule, neben welcher auch eine Industrie-Schule vorhanden ist, unterrichten 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe.

Die mittelmäßig begüterten Einwohner sind im Allgemeinen kräftig und gesund, dessenungeachtet erreichen nur wenige ein hohes Alter; ihre Haupterwerbsmittel bestehen in Feldbau und Viehzucht.

Die Güter der Feldmarkung liegen theils eben, theils an mäßig geneigten Thalabhängen und haben im Allgemeinen einen tiefgehenden, fruchtbaren Lehmboden, der eher schwer als leicht genannt werden darf. | Die Luft ist rein aber rauh, Frühlingsfröste sind häufig, dagegen kam Hagelschlag in 50 Jahren nur zweimal vor.

Der Zustand der Landwirthschaft ist gut, und um denselben noch mehr zu heben, gehen Einzelne mit gutem Rath und Beispiel voran. Außer dem gewöhnlichen Dünger wird viel Gyps als Bodenbesserungsmittel angewendet und die Jauche sorgfältig benützt. Die Düngerstätten sind meist zweckmäßig angelegt und der verbesserte Pflug verdrängt immer mehr den gewöhnlichen; auch die einfachen Joche sind beinahe allgemein geworden.

Im Dreifeldersystem, mit zu 1/3 angeblümter Brache, werden außer den gewöhnlichen Getreidearten, Kartoffeln, Futterkräuter (unter diesen auch Esper), Erbsen, Linsen, Wicken etc. gebaut; von Handelsgewächsen zieht man Hanf und Mohn. Auf 1 Morgen wird an Dinkel 6 Sri. und an Hafer 3 Sri. Aussaat gerechnet und der Ertrag im Durchschnitt zu 8 Schfl. Dinkel und 6 Schfl. Hafer angegeben. Der geringste Ackerpreis beträgt 40 fl., der mittlere 150 fl. und der höchste 300 fl. per Morgen. Der Absatz der Früchte findet meist nach Stuttgart und in das Großherzogthum Baden statt.

Die durchaus zweimädigen, mittelergiebigen Wiesen, von denen nur ein kleiner Theil bewässert werden kann, liefern gutes Futter, welches meist im Ort selbst verbraucht wird. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 100–600 fl.

Die im Zunehmen begriffene Obstzucht, um welche sich einzelne Bürger besonders eifrig annehmen, indem auch eine Privat-Baumschule vorhanden ist, beschäftigt sich mit Mostsorten und Zwetschgen.

Die Gemeinde besitzt etwa 300 Morgen Waldungen, meist Nadelhölzer; sie liefern einen jährlichen Ertrag von 60–80 Klaftern und 3500 St. Wellen. Hievon erhält jeder Bürger 1/2 Klafter und 25 St. Wellen als Holzgabe, der Rest wird verkauft und bringt der Gemeindekasse jährlich 3–400 fl. Erlös.

Die Schafweide trägt jährlich etwa 200 fl. Pacht.

Der aus gewöhnlicher Landrace bestehende Rindviehstand ist gut und zeichnet sich vor manchen Orten der Umgegend aus; zur Verbesserung und Zucht desselben sind gute Farren vorhanden, deren Unterhaltung den zwei Widdumgutsbesitzern obliegt. Der Handel mit Melk- und Mastvieh bildet einen besondern Erwerbszweig. Was die Schafe betrifft, so befassen sich nur zwei Bürger mit der Zucht derselben; es werden meist Bastarde gehalten. Die Schweinezucht beschäftigt sich mit den gewöhnlichen Landschweinen. Geflügel wird ziemlich viel gezogen, namentlich werden Gänse nach Stuttgart zum Verkauf gebracht. Die Bienenzucht beschränkt sich auf 38 Stöcke.

| Die ansäßigen Handwerker arbeiten nur für den Ort; mit Ausnahme der Maurer, welche auswärts Beschäftigung suchen. Im Orte befinden sich 2 Schildwirthschaften und 1 Krämer. Die Stiftungspflege ist so unbemittelt, daß dieselbe in allen ihren Leistungen von der Gemeinde unterstützt werden muß; übrigens hat die Gemeindepflege keine Schulden und auch nur eine geringe Umlage zu machen nöthig (s. Tabelle III.).

Freiherr von Gaisberg besitzt auf hiesiger Markung ein etwa 150 Morgen großes Lehengut (s. hienach) (Maierhof), das zerstreut auf der Markung liegt und von 2 Beständern bewirthschaftet wird.

Übrigens hat der Staat die Grundherrlichkeit.

Die bisherigen Zehentverhältnisse betreffend, so theilte sich das große wie das kleine Zehentrecht nach Distrikten; in einem derselben übte der Staat das Recht allein, in dem andern der Hospital Leonberg und die Stiftungspflege Rutesheim, in dem dritten die Stiftungspflege Gebersheim; auf dem übrigen Theil der Markung hatte der Staat 2/3 und der Hospital Leonberg mit der Stiftungspflege Rutesheim 1/3 desselben zu beziehen. An den Heu- und Öhmdzehenten, sowie an dem Weinzehenten gebührten dem Staat gleichfalls 4/6, dem Hospital Leonberg und der Stiftungspflege Rutesheim je 1/6; seit die Weinberge in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ausgestockt wurden, werden statt des Weinzehenten Surrogatgelder gereicht.

Das Patronats- und Nominationsrecht zu der Pfarrei hat der Landesherr.

Der Ort tritt ums Jahr 1100 in die Geschichte ein und wird zuerst in den Kloster Hirschauer und Reichenbacher Schenkungsbüchern erwähnt. (Cod. Hirs. ed. Stuttg. 96 und Trad. Reichenb. bei Kuen Coll. 2, 58.)

Gebersheim gehörte wohl in der ältesten Zeit zur Grafschaft Calw; urkundlich hat sich indeß nichts über die frühesten Besitzer erhalten. Wie bei Eltingen erzählt ist, vergabte Graf Ludwig von Arnstein um das Jahr 1105 an das Kloster Hirschau 1/3 der hiesigen Kirche, welche auf ihn höchstwahrscheinlich von den Tübinger Grafen gekommen war; letztere Grafen mochten diesen ihren hiesigen Besitz neben den Grafen von Calw gehabt haben, da ihre bedeutenderen Erwerbungen aus den früher calwischen Besitzungen erst in spätere Zeit fallen.

Von besondern hiesigen Ortsadeligen ist keiner bekannt, als Manno de Gebersheim, welcher um 1120 das Kloster Hirschau beschenkte (Cod. Hirs. 60). Von benachbarten Herren waren mehrere hier begütert; Adalbert von Ruthmarsheim gab um 1170 eine hiesige Hube an das ebengenannte Kloster (ebendaselbst 90).

Das hirschauische Priorat Reichenbach erhielt zur Zeit des Hirschauer Abtes Gebhard (1091–1105) ein hiesiges Gut von Machtild von | Ravengirsburg (in der Unterpfalz, nordwestlich von Kreuznach, Trad. Reichenbac. a. a. O.).

Den Niblingshof zu Gebersheim besaßen zu Anfang des 15ten Jahrhunderts Berthold von Kirchheim und Guta von Waibstadt; solche verkaufte ihn am 23. April 1429 für 150 fl. an das Kloster Herrenalb, dieses im Jahr 1472 an das Kloster Hirschau, letzteres schon im Jahr 1477 an den Spital in Leonberg.

Mit Leonberg ist das Dorf an Württemberg gekommen; dieses belehnte mit einem Hof und Gütern im Jahr 1392 Hans von Heimerdingen und im Jahr 1429 die von Nippenburg und 1660 die von Gaisberg.


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