« Kapitel B 4 Beschreibung des Oberamts Leonberg Kapitel B 6 »
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Friolzheim,
Gemeinde III. Kl. mit 761 Einw., wor. 3 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Weil der Stadt eingepfarrt.

Das marktberechtigte Pfarrdorf Friolzheim liegt 4 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt auf einer Hochebene am Saume des Hagenschieß, daher das Klima etwas rauh ist, so daß die Rebe nicht mehr fortkommt[1] und selbst das Obst nicht so leicht geräth, wie in anderen benachbarten, nicht so hoch liegenden Orten. Die Ernte tritt um acht Tage später ein, als in dem Strohgäu; Hagelschlag kommt ganz selten vor, dagegen schaden zuweilen die Frühlingsfröste. Der im Allgemeinen schwere Boden ist mittelmäßig fruchtbar und verlangt eine bedeutende Nachhülfe mit Dünger. Im westlichen Theile der Markung spielen die Verwitterungen des rothen Schieferlettens der bunten Sandsteinformation eine bedeutende Rolle und bilden dort einen schweren Thonboden, welchem an einzelnen Stellen theils eine Bedeckung von einem fruchtbaren Diluviallehm, theils von den Verwitterungen des Wellendolomits zukommt. Im östlichen Theile der Markung ist der Boden meist kalkhaltig, nicht tiefgründig und wird von dem Hauptmuschelkalk unterlagert, der an vielen Stellen der Oberfläche so nahe liegt, daß dieselbe wenig Ertrag gewährt, häufig sogar kulturunfähig wird.

Der freundlich aussehende, übrigens etwas unregelmäßig in die Länge gebaute Ort hat manches stattliche Bauernhaus aufzuweisen und macht daher einen günstigen Eindruck. Gutes Quellwasser spenden 1 laufender und 7 Pumpbrunnen, die aber zuweilen bis auf einen versiegen, der dann den ganzen Ort mit Wasser versehen muß.

Die ziemlich kleine Pfarrkirche, welche von der Stiftungspflege zu unterhalten ist, steht etwas erhöht am östlichen Ende des Orts. Sie wurde, nach einer über dem Eingang stehenden Jahreszahl, 1522 erbaut, hat übrigens ihre ursprüngliche Bauweise durch spätere Veränderungen meist verloren. Innen ist die Kirche hell und weiß getüncht; von dem Langhaus führt ein spitzbogiger Triumphbogen in das Chor, welches sich im untern Stockwerk des Thurms befindet. Das Chor hat ein einfaches | Kreuzgewölbe, auf dessen Schlußstein das Baden’sche Wappen abgebildet ist. Der viereckige monströse Thurm, dessen zwei unteren Stockwerke aus 6 Fuß dicken Mauern aufgeführt sind, während das dritte nur aus Holz besteht, ist nicht hoch und mit einem Zeltdach gedeckt; sein Eingang befindet sich 25 Fuß über der Erdfläche, was für seine frühere Bestimmung als Vertheidigungsthurm zeugt. Auf demselben hängen 2 Glocken, welche 1506 und 1511 gegossen wurden.

Der größtenteils ummauerte ziemlich unebene Begräbnißplatz umgibt die Kirche.

Das Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, steht frei und angenehm im obern Theil des Orts an der Hauptstraße und befindet sich seines hohen Alters ungeachtet in gutem baulichen Zustande.

Das zunächst der Kirche stehende Schulhaus mit Lehrerwohnung ist klein und alt, daher die Gemeinde ein neues zu bauen beabsichtigt.

Das sehr zweckmäßig und schön eingerichtete Rathhaus wurde 1842 neu erbaut.

Außer diesen öffentlichen Gebäuden und einem Armenhaus befindet sich im Ort noch eine große herrschaftliche Scheuer mit Fruchtkasten, früher Kloster Hirschauischer Pfleghof.

Die körperlich kräftigen Einwohner sind im Allgemeinen etwas derb, übrigens sehr fleißig und kirchlich gesinnt. Ihre Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen und ihre Erwerbsquellen sind hauptsächlich Feldbau und Viehzucht, neben einigem Handel mit Getreide, Holz und Pferden. Bemerkenswerth ist, daß die Bevölkerung sehr langsam zunimmt, indem es ziemlich viele kinderlose – oder doch mit wenig Kindern gesegnete Ehen gibt.

Die Landwirthschaft ist in gutem Zustande. Man baut im Dreifeldersystem die gewöhnlichen Cerealien, unter denen übrigens Einkorn und Hafer besser gedeihen, als Dinkel. In der gewöhnlich zum dritten Theil angeblümten Brache werden Kartoffeln, Futterkräuter, Hanf und Flachs gepflanzt. Beim Ackerbau ist der Flandrische und Suppinger Pflug meist mit Pferden bespannt in Anwendung. Auf 1 Morgen Acker beträgt die Aussaat an Dinkel 8 Sri., an Einkorn 6 Sri., an Hafer 4 Sri, eingeheimst werden durchschnittlich 8 Schfl. Dinkel, 6 Schfl. Hafer und eben so viel Einkorn. Die höchsten Ackerpreise sind 400 fl., die mittleren 250 fl. und die geringsten 150 fl.

Die Wiesen sind zweimädig und können nur theilweise bewässert werden; sie ertragen im Durchschnitt 25 Centner Heu und 10 Centner Öhmd. Ihre Preise bewegen sich von 100–400 fl. per Morgen.

Die Obstzucht ist nicht bedeutend und befriedigt auch in günstigen Jahren kaum das eigene Bedürfniß. Außer den gewöhnlichen Mostsorten | pflanzt man Zwetschgen und Mirabellen; eine Baumschule befindet sich im Ort zunächst des Rathhauses.

Die Gemeinde besitzt 400 Morgen Nadelwaldungen, deren jährlicher Ertrag zu 260 Klafter und 2000 Stück Wellen angegeben wird; von dem Erlös aus dem zum Verkauf kommenden Holz erhält jeder Bürger 4 fl.; der Rest, in 6–800 fl. bestehend, fließt in die Gemeindekasse.

Die Schafweide wird jährlich um etwa 200 fl. verpachtet.

Pferdezucht wird in der Weise betrieben, daß junge Pferde eingeführt und erzogen, durch Vermittlung von Handelsjuden gewöhnlich nach Frankreich verkauft werden. Die ziemlich ausgedehnte Rindviehzucht ist in gutem Zustand. Farren werden 2 von der Gemeinde und 1 von den Widdumhofmaiern gehalten; es wird eine mittelstarke rothe Landrace gezüchtet.

Etwa 300 Stücke spanische und Bastardschafe werden auf der Weide erhalten und auch im Ort überwintert; die Wolle kommt nach Calw, Weil der Stadt, Reutlingen etc. zum Verkauf.

Die nicht unbedeutende Schweinezucht beschäftigt sich meistens mit einer gewöhnlichen Landrace.

Die Gewerbe dienen dem örtlichen Bedürfniß, mit Ausnahme mehrerer Holzarbeiter, welche Getreideputzmühlen verfertigen, die in nicht unbedeutender Ausdehnung auswärts Absatz finden.

Die Ziegelhütte des Orts hat die Verbindlichkeit, an die Gemeinden Tiefenbronn, Mühlhausen und Friolzheim das Hundert Ziegel zu 1 fl. 12 kr. und den Eimer Kalk im gleichen Preis abzugeben, wogegen ihr von einem 12 Morgen großen Wald (Ziegelwald) der Ertrag zukommt, der gegenwärtig im Anschlag von jährlich 4 Klafter durch die Gemeinde verabreicht wird. Ein Gemeinde-Wasch- und Backhaus wurde 1838 erbaut.

Eine Volksschule, in der 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe unterrichten, besteht nebst einer Industrieschule. Die Schulstiftungen machen einen Theil des allgemeinen, 9000 fl. betragenden Stiftungsvermögens aus. Die Armen erhalten außer den Unterstützungen aus den Ortskassen noch jährlich auf Georgi durch das Cameralamt als Gratial, 9 Schfl. 4 Sri. Dinkel, 2 Schfl. Roggen und 6 Schfl. Hafer. Der Ort hält jährlich zwei Vieh- und Krämer-Märkte, welche jedoch nicht von Bedeutung sind.

Vicinalstraßen führen nach Heimsheim, Pforzheim, Wimsheim und Perouse. Auf der Markung liegt ein Steinbruch in buntem Sandstein, der sehr gesuchte Bau- und Werksteine liefert.

Den großen Zehenten bezog der Staat, er hatte ihn jedoch auf einzelnen Gütern mit den Freiherren von Gemmingen zu theilen; von einem | abgeschiedenen Bezirk bezog denselben die Ortsstiftungspflege und der Meßner. In das Kleinzehentrecht und den Heuzehenten theilten sich der Staat und die Pfarrei. Sonstige grundherrliche Gefälle standen den Freiherren von Gemmingen zu Steinegg, der großh. badischen Domänen-Verwaltung Pforzheim und der hiesigen Stiftungspflege zu.

Etwa 1/2 Stunde südlich vom Ort, auf badischem Gebiet, bestanden früher 2 Seen, welche dem Kloster Hirschau, später der Gemeinde zugehörten; sie sind längst trocken gelegt und in üppigen Wiesengrund umgewandelt, der von einer Quelle, welche ehemals die Seen theilweise speiste, bewässert werden kann.

Friolzheim erscheint zuerst um 1100 im Schenkungsbuch des Klosters Hirschau, welches damals ein Viertel der hiesigen Kirche nebst zwei Hubengütern ertauschte. (Cod. Hirs. 38.) Außer Hirschau war schon vor dieser Zeit das elsäßische Kloster Hugshofen hier begütert gewesen; von diesem erkaufte ein reicher Bürger von Speyer, Bebo, im Anfang des 12. Jahrhunderts ein beträchtliches Gut in Friolzheim und dem angrenzenden Tiefenbronn für 90 Mark, um das Kloster Hirschau damit zu begaben. (Cod. Hirs. 51.)

In diesem Dorfe mögen sich in sehr früher Zeit die Besitzungen der Markgrafen von Baden und der Grafen von Calw berührt haben. Nach einer Urkunde des 15. Jahrhunderts hatte es damals den Markgrafen von Baden gehört; Markgraf Carl (seit 1453) veräußerte es an Diether von Gemmingen. Letzterer verkaufte den 15. Mai 1461 sein Dorf Friolzheim mit seiner Mark, mit lauter Gütern, Vogteien, Gerichten, Zwängen und Bännen, Beten, Steuern, Zinsen, Gülten, Diensten, Frohndiensten, Wald, Wasser, Wunn und Weid für 1600 fl. Rhein, an das Kloster Hirschau (Besold. Doc. 588; Sachs, Baden 2, 427), welches hier einen Pfleghof errichtete.

Mit diesem Kloster ist der Ort an Württemberg gekommen, welches noch im Jahr 1541 durch Vergleich Herzog Ulrichs mit Dietrich von Gemmingen zu Steineck, dessen Antheil am großen und kleinen Zehenten und im Jahr 1565 durch den Vergleich Herzog Christophs mit dem Markgrafen Carl von Baden noch einzelne Einkünfte, welche dem Frauenkloster zu Pforzheim gehörten, erwarb.

Friolzheim ist die Mutterkirche von Tiefenbronn, welches erst 1455 statt der früheren Kapelle eine eigene Pfarrkirche erhielt. Seinen Antheil am hiesigen Zehenten verkaufte am 16. August 1477 das Kloster Bebenhausen an diese Tiefenbronner Kirche.

Zur Verwaltung der mit dem Kloster Hirschau an Württemberg gekommenen grundherrlichen Gefälle hatte die Herrschaft zuerst einen eigenen Pfleger, welcher auf dem noch stehenden Fruchtkasten wohnte, nachher | aber wurde der Ort in dieser Beziehung der geistlichen Verwaltung Heimsheim und im Jahr 1807 der Cameralverwaltung Merklingen zugetheilt.



  1. Früher scheint ein Versuch auf Weinbau gemacht worden zu sein, denn noch heißt ein Distrikt „im Weinbergwege."
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