« Schwendi Beschreibung des Oberamts Laupheim Sinningen »
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Siessen.
Gemeinde III. Klasse mit 626 Einw., worunter 1 evangel.   a. Siessen, Pfarrw., 7 Einw.   b. Jetzhöfe, Weiler, 23 Einw.   c. Grubach, Hof, 6 Einw.   d. Hörenhausen, Weiler, 239 Einw.   e. Weihungszell, Weiler, 351 Einw. – Kath. Pfarrei – Die evangel. Einwohner sind nach Wain eingepfarrt.

a. Der auch der politischen Gemeinde den Namen verleihende Pfarrweiler Siessen, aus der Kirche, Gottesacker, Pfarr- und Schulhaus bestehend, liegt in der Markung Hörenhausen, 23/4 Stunden östlich von Laupheim. Die freundliche, sehr malerische Gebäudegruppe hat eine angenehme und gesunde Lage auf einer Anhöhe links des Weihung-Thales, von der man eine anziehende Aussicht in das Thal und über sämmtliche Filialorte des Pfarrsprengels genießt. Gegen Süden schweift der Blick dem Weihung-Thale entlang bis nach Wain und über dieses hinweg in das Voradelberg’sche, während gegen Nordosten Regglisweiler und ein Theil des Iller-Thales sichtbar ist.

An der Stelle der gegenwärtigen Kirche stand früher eine stark besuchte Wallfahrtskapelle und neben ihr eine Einsiedelei, deren jeweiliger Bewohner die Meßnerdienste versah. Jacob Brenner, Sohn des Storchenwirths in Dietenheim, Stadthauptmann zu Salzburg und fürstlicher Rath zu Freising, dotirte im Jahr 1617 einen bedeutenden Theil seines Vermögens zu Errichtung einer neuen Kapelle und ihres Fonds. Der Ausbruch des dreißigjährigen Krieges verzögerte jedoch die Vollziehung dieser Stiftung bis zum Jahr 1701.

Im Jahr 1709 resignirte Anton Gedeon Reheis, Pfarrer in Achstetten, seine Pfründe unter Vorbehalt eines Theiles der Pfarreinkünfte, und wurde Eremit in Siessen, wo er auf eigene Kosten ein Häuschen baute; er blieb bis zu seinem Tode, der im Jahr 1725 durch räuberische Hände erfolgte, und wurde, wie die ihm nachgefolgten 14 Geistlichen, als Wallfahrtskaplan betrachtet. Die| Errichtung einer eigenen Pfarrei geschah erst im Jahr 1818, zu diesem Behuf wurden von der Pfarrei Dietenheim die Filiale Hörenhausen, Weihungszell, Jetzhöfe – und von der Pfarrei Roth der Hof Grubach getrennt und der neuen Pfarrei zugetheilt.

Die aus dem vorgedachten Vermächtniß im Jahr 1701 begonnene Pfarrkirche zur heil. Magdalena ist in Form eines Kreuzes im Rococcostyl massiv erbaut. Der sehr hohe, schlanke, weithin sichtbare Thurm, ist in seinen unteren Theilen viereckig, in seinen oberen achteckig und trägt ein spitzes, blechbeschlagenes Zeltdach. Das etwas düstere Innere der Kirche hat ein Kreuzgewölbe und enthält außer zwei alten, gut geschnittenen Holzbildern, die heil. Anna und den heil. Marcus vorstellend, nichts Bemerkenswerthes; das Bild des letzteren wurde aus der alten, nun abgegangenen Kapelle zu Wald (s. unten), hieher versetzt.

Der Kirchenfonds, einschließlich der Brenner’schen Stiftung, wird von der Stiftungspflege verwaltet, welche dermalen ein Kapital von 5000 fl. besitzt. Das Patronat hat jetzt der Freiherr v. Hermann auf Wain.

Ganz nahe (westlich) der Kirche liegt der 1817 angelegte, mit einem Bretterzaun umgebene Begräbnißplatz.

Das Pfarrhaus wurde im Jahr 1816 von dem damaligen Gutsherrn, Graf v. Deroy, neu erbaut und im Jahr 1820 wesentlich verbessert. Einige Schritte von dem Pfarrhause befindet sich ein Pumpbrunnen, der zwar hinlängliches, aber kein gutes Wasser liefert.

Das Schulhaus, in welchem sich die Wohnung des Lehrers befindet, wurde im Jahr 1817 als vormaliges Kaplaneihaus dem Gutsherrn abgekauft und für die Volksschule, auf Kosten der Gemeinde, eingerichtet.

Die Gemeinderathssitzungen werden in der Wohnung des jeweiligen Schultheißen (dermalen in Weihungszell) abgehalten.

Die Einwohner des Gemeindebezirks sind, wiewohl theilweise etwas roh, doch im Allgemeinen religiös und betriebsam; besonders verwenden sie auf die Verbesserung des Feldbaues viele Mühe und Aufmerksamkeit. Ihre öconomischen Verhältnisse sind mit wenigen Ausnahmen gering, und ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht; ein Theil der Bevölkerung sucht sich durch Holzmachen und Handspinnerei etwas zu verdienen. Der begütertste Einwohner besitzt 130 Morgen.

Die mittelgroße Gemeindebezirks-Markung wird zum großen Theil von Waldungen eingenommen und von dem Weihung-Thale der Länge nach, auch von mehreren Seitenthälchen quer durchfurcht; | erscheint daher als ziemlich uneben, hat jedoch im Allgemeinen einen nicht unfruchtbaren Boden, der sich durch umsichtige Bebauung und Düngung immer mehr verbessert; Sand herrscht vor, daher auch mehr Roggen als Dinkel gebaut wird (2/3 Roggen und (1/3 Dinkel); im Thal erscheint häufig saures Futter erzeugender Moorgrund, und von Weihungszell in der Richtung gegen Regglisweiler, wie gegen Siessen, tritt ein schwerer Thonboden auf.

Das Klima ist in Folge der etwas hohen Lage und der nahe gelegenen Waldungen ziemlich rauh, jedoch gesund; feinere Gewächse wollen nicht gedeihen, ebenso zeigt die Obstzucht keine besonderen Fortschritte. Hagelschlag kommt selten vor.

Der landwirthschaftliche Betrieb, wie auch die Viehzucht, hat sich in neuerer Zeit sehr verbessert; außer den gewöhnlichen Cerealien, von denen die Gerste wenig gedeiht, baut man auch Wicken, und in der zu (2/3 angeblümten Brache Kartoffeln, dreiblätterigen Klee, Kohlraben, Flachs und Reps; letzterer zeigt kein gutes Gedeihen. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 3 – 5 Scheffel Dinkel, 3 Scheffel Roggen, 3 Scheffel Gerste und 5 Scheffel Hafer angegeben. Die höchsten Preise eines Morgens Acker betragen 200 fl., die mittleren 130 fl., und die geringsten 75 fl. Getreide wird ziemlich viel nach Ulm, Laupheim und Biberach abgesetzt.

Die theils ein-, theils zweimähdigen Wiesen, denen keine Wässerung zukommt und die häufig von der austretenden Weihung schädlich überschwemmt werden, liefern kein gutes, nicht selten saures Futter; ihr durchschnittlicher Ertrag per Morgen beläuft sich auf 15 Centner Heu und 10 Centner Öhmd. Die Preise kommen denen der Äcker gleich.

Die Obstzucht, wofür eine Baumschule besteht, ist unbedeutend und beschäftigt sich nur mit rauheren Mostsorten.

Die Rindviehzucht wird in namhafter Ausdehnung getrieben; man steht hauptsächlich auf einen starken Landschlag, der durch drei Zuchtstiere (Schweizerbastarde) nachgezüchtet wird. Von den Farren stehen zwei in Weihungszell und einer auf den Jetzhöfen; sie werden von Bürgern, welche von der Gemeinde Geldunterstützungen erhalten, angeschafft. Der Handel mit Vieh ist nicht unbeträchtlich. Von geringer Ausdehnung ist die Zucht der Pferde, und nur in Hörenhausen von einigem Belang.

Die Schafweide wird an einen Pachtschäfer verliehen, was der Gemeinde etwa 100 fl. neben 40 – 60 fl. für die Pferchnutzung jährlich einträgt.

Die Bienenzucht ist mittelmäßig, dagegen hält man viel auf | die Zucht des Geflügels, welche eine kleine Erwerbsquelle der Einwohner bildet.

Die im Gemeinde-Bezirk vorhandenen Gewerbe dienen, mit Ausnahme der Mühle in Weihungszell, nur den örtlichen Bedürfnissen.

Durch Vicinalstraßen von Weihungszell nach Regglisweiler, Orsenhausen, und über Hörenhausen nach Wain, wie von Hörenhausen nach Dietenheim, sind die zu der Gemeinde gehörigen Orte mit der Nachbarschaft in Verkehr gesetzt. Eine hölzerne Brücke geht in Hörenhausen und eine weitere in Weihungszell über die Weihung.

Da die Gemeinde keine eigenen Waldungen besitzt, so beziehen die Einwohner ihren Holzbedarf aus den Wäldern der Grundherrschaften zu Wain und Orsenhausen; dagegen hat die Gemeinde in neuerer Zeit Allmanden stückweise an die Gemeindeeinwohner verkauft, und dafür etwa 1100 fl. erlöst.

Über den Haushalt der Gemeinde, wie der Stiftungspflege, s. Tabelle III.

Was die weiteren Bestandteile der Gemeinde betrifft, so bilden

b. die Jetzhöfe, einen aus wenigen Häusern bestehenden Weiler, welcher 1/4 Stunde südlich von Siessen an dem nördlich geneigten Abhange eines unbeträchtlichen Seitenthälchens von dem Weihung-Thale liegt. Trinkwasser ist hier, wie in sämmtlichen Orten des Gemeindebezirks, hinreichend vorhanden. Diese Höfe gehörten zum Lehen Orsenhausen und Bußmannshausen und kamen mit diesem von den von Rodt an die v. Hornstein, welche sie noch besitzen.

c. Grubach, Hof, 1/4 Stunde nordöstlich von Siessen, an dem linken Abhange des Weihung-Thales gelegen. Früher Eigenthum des Spitals von Laupheim, wurde er am 3. Juli 1802 durch den Freiherrn v. Hornstein–Bußmannshausen in der Eigenschaft eines österreichischen Lehens erkauft.

d. Hörenhausen, ein großer, zum Theil aus ansehnlichen Gebäuden bestehender Weiler, der nur 1/8 Stunde südöstlich von Siessen, theils an dem westlich geneigten Abhange gegen die Weihung, theils in einem unbedeutenden Seitenthälchen des Weihung-Thales liegt. Der Ort hat eine ziemlich unebene Lage, und die Ortsstraßen lassen noch Manches zu wünschen übrig.

Die Vermögensumstände der Einwohner sind besser, als die der übrigen Gemeindeorte.

Über die frühere Geschichte dieser zur Herrschaft Dietenheim und Brandenburg gehörigen Parcelle ist Brandenburg (oben S. 226) unter dem Jahr 1446 zu vergleichen. | Der sogenannte Zehenthof war ein von alten Zeiten der Grafschaft Kirchberg und Weissenhorn lehnbares Gut. Am 13. October 1473 belehnte Graf Wilhelm von Kirchberg den Ulmer Bürger Lorenz Kraft unter anderem mit den Höfen, großen und kleinen Zehnten zu Hörenhausen, welchen er von Gossolt gekauft hatte (Balzheimer Deduction 1765, Beil. S. 128). Später besaßen dies die Stammler in Ulm. Als im Jahr 1688 Albrecht Stammler ohne Hinterlassung eines männlichen Erben starb, wurde das heimgefallene Lehen von dem Grafen Albrecht Fugger zu Kirchberg und Weissenhorn mit allen Ein- und Zubehörungen an Zinsen, Gülten und anderen Nutzungen, Rechten und Gerechtigkeiten sammt dem großen und kleinen Zehnten zu Hörenhausen laut Urk. vom 2. April 1692 dem gräflich kirchbergischen Rath und Obervogt der Herrschaft Brandenburg und Stadt Dietenheim, Johann Georg Schmidt, wegen seiner geleisteten Dienste zu rechtem Mannlehen gegen baare Erlegung von 2200 fl. überlassen. Seine Nachkommen werden im Jahr 1714 unter dem Namen von Mayenberg in den Reichsritterstand erhoben, und besitzen noch gegenwärtig dieses Lehen.

Durch den Preßburger Frieden kam die Oberlehensherrlichkeit an Bayern, durch Staatsvertrag von 1810 an Württemberg.

e. Weihungszell, Weiler, theils an den rechten Thalgehängen der Weihung, theils in dem Nußbach-Thälchen gelegen. Der ziemlich große Ort hat eine stille, abgeschiedene Lage, 1/2 Stunde nördlich von Siessen, an der von Orsenhausen nach Regglisweiler führenden Vicinalstraße, und besteht aus meist kleinen Gebäuden; beinahe in der Mitte desselben steht die Kapelle zum heil. Petrus mit dreiseitigem Chorschluß und einem Thürmchen (Dachreiter) auf dem westlichen Giebel. Das Innere enthält außer der im Chor angebrachten Jahreszahl 1522 nichts Bemerkenswertes.

Die Ortsstraßen sind in schlechtem Zustande und unreinlich.

Zu dem Ort gehört eine an der Weihung gelegene Mühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang.

Etwa 1/4 Stunde unterhalb des Orts, auf der linken Seite der Weihung, soll ein Ort Namens „Wald“ gestanden sein, in der Nähe desselben kommt die Benennung „Winkelhofen“ vor; von diesem abgegangenen Orte stand noch lange die Kapelle (Walder Kapelle), aus welcher bei ihrem Abbruch ein in ihr bewahrt gewesenes Bild des heil. Marcus in die Kirche nach Siessen versetzt wurde (s. oben).

Weihungszell gehörte zur Herrschaft Dietenheim und Brandenburg. | Alle vorgenannte Gemeinde-Parcellen kamen im Jahr 1806 unter k. bayerische, im Jahr 1810 unter k. württembergische Landeshoheit.