Beschreibung des Oberamts Laupheim/Dellmensingen
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An der Einmündung der Schmiehe in die Roth liegt in einer reizenden, weitgedehnten Ebene, in der die Flüßchen Roth und Westernach vielfältig gekrümmt der nur 1/2 Stunde entfernten Donau zufließen, der ansehnliche Ort, mit seinen meist stattlichen, Wohlhabenheit verrathenden Gebäuden. Ein Theil des Dorfs hat in den Thalebenen der Roth und der Schmiehe — der größere Theil aber an dem leichten Abhange gegen dieselben eine sehr freundliche Lage, die eine weite Aussicht in das Donauthal und an die Alp (Hochsträß), wie in die Thäler der Roth und der Westernach gestattet.
Das Klima ist mild; obgleich die in neuerer Zeit zu Stande gebrachte Entwässerung und Kultivirung der Donauriedebene die feuchte Ausdünstung und kalten Nebel sehr verminderte, so hat die Luft wegen der nahen Donau und mehrerer in sie einmündenden Gewässer doch zuweilen noch ziemlich viel Feuchtigkeit, welche auf den Gesundheitszustand der Einwohner nachtheilig einwirkt und nicht selten das kalte Fieber hervorruft. Von Hagelschlag wurde die Markung früher öfters heimgesucht.
Im nördlichen Theile des Dorfs steht innerhalb des ummauerten Begräbnißplatzes die ansehnliche Pfarrkirche zum heil. Cosmas und Damian, welche Freiherr von Werdenstein im Jahr 1711/12 als Großzehentherr im Rococcostyl in Form eines Kreuzes massiv erbauen ließ; der Chor schließt mit einem Halbrund. An der Westseite steht der von der früheren Kirche noch übrig gebliebene, monströse Thurm, der nur mit seinem Zeltdach über den First der Kirche emporragt. In seinen unteren Theilen viereckig, geht er gegen oben in ein achteckiges Glockenhaus mit einem Rundbogenfries an dem Dachgesimse über; in demselben hängen drei Glocken, von denen die größte 1582, die mittlere 1510 und die kleinste 1811 gegossen wurde. Das sehr geräumige und freundliche Innere der Kirche ist im Rococcogeschmack ausgestattet und wurde in neuerer Zeit weiß getüncht, während die Verzierungen an Kirche, Altären und Kanzeln, wie die Kapitäle der jonischen Halbsäulen eine reiche Vergoldung erhielten, was zur Schönheit der Kirche Vieles beiträgt. Die Decke des Langhauses und des Chors enthalten ziemlich gut ausgeführte Fresken, die sich sämmtlich auf die Legende des heil. Cosmas und des heil. Damian beziehen. Das Mittelbild des Hauptaltars | stellt die Enthauptung des heil. Cosmas und des heil. Damian dar; während der eine Seitenaltar den heil. Sebastian – der andere die Darstellung Jesu in dem Tempel enthält; ein Altarblatt in einer Seitenkapelle oder vielmehr in dem Querschiff zeigt die Legende des heil. Carolus, wie er die Pestkranken heilt. Über dem rundgesprengten Triumphbogen, der von dem Schiff zu dem Chor führt, sind die Wappen der Freiherren von Freiberg und von Werdenstein nebst der Jahreszahl 1712 angebracht. Die Vorhalle und die Kirche selbst enthält mehrere Grabdenkmale der Familien v. Freiberg, v. Besserer, v. Werdenstein etc. aus dem 16. und 17. Jahrhundert, und unter der Seitenkapelle befindet sich die Gruft der Herren von Werdenstein.In der Nähe der Kirche steht das Pfarrhaus, dessen Unterhaltung der Kirchenpflege obliegt.
Das Schulhaus, welches zugleich die Rathsstube und das öffentliche Backhaus enthält, wurde im Jahr 1822 von der Gemeinde neu erbaut; an der Schule unterrichten ein Schulmeister und ein Lehrgehilfe, welche in einem abgesonderten, der Kirchenpflege gehörigen Gebäude wohnen. Eine Industrieschule besteht seit einigen Jahren.
Das am westlichen Ende des Dorfs gelegene, durch den Mühlgraben (Schmiehe) und die Roth von demselben getrennte, modern erbaute Schloß nebst namhaften Öconomiegebäuden und Hofraum ist mit einer Mauer umfangen und gehört gegenwärtig dem Grafen Karl Victor Reuttner von Weyl in Achstetten, welcher auch das aus 16 Morgen Gärten, 70 Morgen Äcker, 36 Morgen Wiesen und 136 Morgen Waldungen (einschließlich der auf Humlanger Markung liegenden 56 Morgen) bestehende Schloßgut besitzt.
Der Ort ist mit gutem Trinkwasser im Überfluß versehen, so daß beinahe vor jedem Hause ein Brunnen sich befindet; besonders bemerkenswerth sind der Grubenbrunnen, der Unterstahlbrunnen und der Wirbaintbrunnen. Eine sehr starke, in Backsteinen gefaßte Quelle, welche äußerst reines Trinkwasser liefert, befindet sich etwa 300 Schritte südlich von dem Schloß. Überdieß fließt die Schmiehe mitten durch das Dorf und vereinigt sich an der Westseite desselben mit der zunächst vorbeifließenden Roth. Etwa 1/8 Stunde westlich von der Roth fließt die Westernach über die Markung, und beide Flüsse vereinigen sich bald mit der Donau, welche eine Zeitlang die nördliche Grenze der Markung Dellmensingen berührt. Früher bestanden in dem 1/4 Stunde nördlich gelegenen Mißriedlesthal zwei große, längst in Wiesengrund umgewandelte Fischweiher, in denen der Seebach geschwellt wurde; das Thal | ist übrigens immer noch etwas naß und erzeugt gerne saures Futter.Die Einwohner sind im Allgemeinen gesunde, kräftige Leute, die nicht selten ein hohes Alter erreichen. Ihre Vermögensumstände gehören zu den ziemlich guten, und ihre Haupterwerbsmittel bestehen in Feldbau und Viehzucht. Abgesehen von dem Schloßgut, beträgt der größte Güterbesitz 120 Morgen.
Die große, wohlarrondirte Markung liegt mit wenig Ausnahmen ziemlich eben, besonders greift der westliche Theil derselben in die Riedebene der Donau ein. Der Boden ist im Allgemeinen sehr fruchtbar; er besteht mit Ausnahme des in den Thälern lagernden, moorigen Grundes, meist aus Diluviallehm, dem zuweilen mehr oder weniger Sand, Gerölle, Thon etc. beigemengt sind.
Die Landwirthschaft wird mit vielem Fleiß und Umsicht betrieben, und zweckmäßige Neuerungen, wie der Gebrauch des Suppinger Pflugs, die Anlage besserer Düngerstätten mit Jauchebehältern u. s. w. haben Eingang gefunden. Nach der Dreifelderwirthschaft, mit zu 3/4 angeblümter Brache, baut man hauptsächlich Dinkel, Hafer, Gerste, Roggen, Kartoffeln, Futterkräuter, Wicken, Kohlraben, Angersen, Reps und ziemlich viel Flachs. Bei einer Aussaat von 8 Simri Dinkel, 5 Simri Hafer, 4 Simri Gerste und 4 Simri Roggen, erträgt der Morgen durchschnittlich 8 Scheffel Dinkel, 5 – 51/2 Scheffel Hafer, 4 – 41/2 Scheffel Gerste und 4 – 41/2 Scheffel Roggen. Der höchste Preis eines Morgens ist 300 fl., der mittlere 180 fl. und der geringste 100 fl. Getreide, besonders Dinkel, wird meist auf den Schrannen in Ulm und Biberach abgesetzt, deren Besuch mittelst der durch den Ort führenden Ulm–Biberacher Landstraße sehr erleichtert wird; überdieß sind noch Vicinalstraßen nach Ersingen und Humlangen angelegt, auch ist die Eisenbahnstation Erbach nur 1/2 Stunde entfernt. Der Flachs, welcher, in ziemlicher Ausdehnung gepflegt, sehr gerne geräth, wird meist im Ort selbst verarbeitet.
Die Wiesen, von denen ein namhafter Theil jährlich nur einen Schnitt erlaubt, sind in etwas feuchten Jahrgängen ergiebig und liefern, mit Ausnahme der sauren Distrikte, ein gutes Futter; der durchschnittliche Ertrag eines Morgens beträgt 12 – 25 Centner Heu und 8 – 14 Centner Öhmd. Die Preise bewegen sich von 120 – 400 fl. pr. Morgen. Wässerungseinrichtung ist nicht vorhanden.
Die Obstzucht, welche sich nur auf zunächst am Ort gelegene Gärten und das Pflanzen von Obstbäumen an den Hauptstraßen | erstreckt, ist nicht von Bedeutung, indem ihr das bald unter dem Humus lagernde Gerölle etc. entgegenwirkt, so daß die Bäume schon nach 30 bis 40 Jahren wieder abstehen. Seit einigen Jahren besteht eine Baumschule im Ort.Gemeinderechts-Waldungen sind 35 Morgen vorhanden, an denen 68 realberechtigte Bürger Theil haben; sie werden ungefähr alle 20 Jahre gehauen und der Ertrag an die Berechtigten vertheilt.
Die Brach- und Stoppelweide ist an einen fremden Schäfer, der etwa 200 Stück Schafe auf der Markung laufen läßt, um jährlich 80 – 100 fl. verpachtet; überdieß trägt die Pferchnutzung der Gemeinde etwa 150 fl. ein. Im Spätjahr, nach der Einfuhr des Öhmds, wird das Vieh etliche Wochen auf die Wiesen ausgetrieben.
Die Pferdezucht ist im Allgemeinen gut, jedoch eher im Ab- als im Zunehmen begriffen, indem man weit mehr auf die Rindviehzucht Bedacht nimmt, welche in sehr großer Ausdehnung betrieben wird und eine besondere Erwerbsquelle der Einwohner bildet. Die Schweizerrace ist die vorherrschende, außer ihr wird noch die Allgäuer und die alt einheimische Race gezüchtet; jene fallen mehr in’s Gewicht und sind deßhalb an Metzger verkäuflicher, diese aber geben einen bessern Milchertrag, welcher bei den im Ort bestehenden zwei, zuweilen drei Käsereien gut angebracht werden kann. Mit Vieh wird Handel, namentlich in das Unterland, getrieben. Die Gemeinde hält vier Farren (Simmenthaler und Allgäuer), welche sie anschafft und die Unterhaltung derselben einem Bürger gegen eine jährliche Entschädigung von 200 fl. überläßt.
Auch die Zucht der Schweine bildet einen namhaften Erwerbszweig der Einwohner, indem nicht nur alljährlich eine beträchtliche Anzahl Ferkel auf dem Markt in Ulm abgesetzt, sondern auch viele Schweine gemästet werden, welche man theils in das Haus schlachtet, theils an Metzger verkauft. Der Austrieb der Schweine, unter denen sich etwa 50 Mutterschweine befinden, findet noch statt.
Von Geflügel werden besonders viele Gänse gezogen, die man den Sommer über auf der Weide hält, im Spätjahre mästet und meist nach Ulm verkauft.
Die Bienenzucht ist nicht bedeutend, übrigens im Zunehmen begriffen; der gewonnene Honig kommt nach Außen zum Verkauf.
Die Fischerei in den Flüssen Roth, Westernach und Schmiehe liefert Rothfische, Hechte, Barben und Weißfische, welche meist nach Ulm und Laupheim abgesetzt werden. Das Fischrecht in der Roth | und Schmiehe verpachtet die Gemeinde um 9 fl. jährlich; in der Westernach steht dasselbe dem Grafen von Reuttner zu.Von den Gewerben, welche meist nur den örtlichen Bedürfnissen dienen, sind zu nennen eine Mahl- und Rändelmühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang, eine Öl- und Gypsmühle, zwei Schildwirthschaften mit Brauereien und überdieß noch eine weitere Brauerei. Die gerändelte Gerste wird größtentheils in die Schweiz abgesetzt.
Die Verbindung mit dem jenseits der Schmiehe und der Roth gelegenen Schloß stellen zwei hölzerne Brücken her; außerhalb des Dorfs führt eine Brücke über die Roth und eine über die Westernach.
Von dem vormaligen Ortskaplan Bartholomäus Ried wurden im Jahr 1748 – 3000 fl. für die Armen und Kranken zu Dellmensingen und Oberostendorf, seinem Geburtsorte, je hälftig gestiftet, und zwar unter Aufkündbarkeit an das Wengenkloster in Ulm, bei dessen Aufhebung das Kapital der Staatsfinanzverwaltung einverleibt wurde, von welcher die Zinse mit 21/2 % jährlich ausgefolgt werden.
Dellmensingen erscheint erstmals im 12. Jahrhundert im Hirschauer Schenkungsbuch; damals schenkte Hazecha von Dintenhofen (OA. Ehingen) zwei Huben in Talmsingen an das Kloster Hirschau, welches solche aber bald wieder austauschte. Im Jahr 1152 war Kloster Roth in Dalmazzingen begütert (Wirt. Urk.-Buch 2, 70). Von hiesigem Ortsadel kommen am frühesten vor. Cunradus miles de Talmezzingen, im Jahr 1237 Zeuge Eginos Grafen von Aichelberg für Kloster Baindt (St. A.), und Sifridus de Talmasingen den 5. Mai 1255 im Schloß Kirchberg Zeuge Bischof Bruno’s von Brixen (Hormayr Werke 2, [römisch] 84). Den 26. Mai 1270 schenkte Graf Heinrich von Schelklingen einen Hof in Dellmensingen an das Deutsche Haus in Ulm, welches bis zu seiner Aufhebung hier begütert blieb.
Am 17. November 1272 machte Graf Ulrich von Württemberg einen Hof, welchen er in Dellmensingen besaß, dem Abt von Ellwangen lehnbar (St. A.).
In dem Orte bestunden zwei Burgen, die obere, welche von dem fürstlichen Stift Ellwangen, die untere, welche von der Grafschaft Kirchberg zu Lehen ging.
Er war ein Bestandteil des ritterschaftlichen Kantons Donau. In sehr früher Zeit gehörte er der Ulmischen Patricierfamilie Kraft (Weyermann, Neue Nachrichten 2, 240), in welcher eine Linie sich auch nach dem Verluste des Ortes noch von Dellmensingen nannte, | und welche ihn im Jahr 1551 an Phil. Jac. Gregg, Ulmer Rathsherrn († 1554), veräußerte. Im Jahr 1556 kam er von dieser Familie durch Kauf an die Herrn von Stotzingen, welche sowohl von der Grafschaft Kirchberg, als auch von dem Stift Ellwangen damit belehnt waren. Nach Absterben der Familie der Herrn von Stotzingen mit Johann Karl von Stotzingen, Domherrn zu Augsburg und Regensburg († 1647), wollte Ellwangen dessen lehnbaren Besitz als ein heimgefallenes Mannlehen, welches nichts mit der freien Ritterschaft zu thun hätte, einziehen, wogegen Kaiser Ferdinand 1652 ein Mandat erließ, daß die Ritterschaft in ihrem Collektationsrecht in Dellmensingen nicht beeinträchtigt werden solle. (Burgermeister Cod. dipl. equestr. 1, 334). Allod und Lehen kam sofort durch die Schwester des genannten letzten Herrn an deren Gemahl, Georg Heinrich von Werdenstein, stift-kemptischen Erbkämmerer.[1] Sofort blieb der Besitz der Burg mit aller Obrigkeit im Ort bei den Herrn von Werdenstein bis zum Aussterben des Geschlechts mit dem Reichsfreiherrn Anton Christoph den 11. December 1796, worauf sie als eröffnetes Lehen an Österreich fiel (Schwäb. Chronik v. 12. April 1797). Im Jahr 1814 kauften das Allod von vier Werdensteinischen Töchtern zwei Biberacher Patricier, Georg Christian und Christoph David, Gebrüder von Heider; im Jahr 1840 erwarb es ein Bürger von Asch, Namens Nuffer, von welchem es im Jahr 1851 durch Kauf an den jetzigen Besitzer, Graf Karl Viktor Reuttner von Weyl in Achstetten, überging. Zwei Höfe, vormals der Reichsritterschaft collectabel, genannt die Geistlichen Höfe, erkauften die Herrn von Ulm-Erbach im Jahr 1738, sie waren österreichisches und sind jetzt württembergisches Mannlehen.Die Herrschaft Dellmensingen stund unter der Landeshoheit der österreichischen Landvogtei, wurde aber von dem Kreisamt Günzburg besorgt. Die hohe Gerichtsbarkeit, durch Verträge begrenzt, hatten die Grafschaft Kirchberg und deren Rechtsnachfolger, die niedere, gleichfalls durch Verträge bestimmt, hatten die Besitzer des hiesigen Ritterguts, namentlich die Familie von Werdenstein.
| Im Jahr 1805 nahm Bayern Besitz von Dellmensingen, trat aber 1810 Schloß und Dorf an Württemberg ab.Die Kirche wurde 1524 von Erbach getrennt und damals erst selbstständige Pfarrei.
Den Pfarrsatz hatte bei acht Erledigungen die Grafschaft Kirchberg fünf Mal, das Stift Ellwangen aber drei Mal. Gegenwärtig ist er landesfürstlich. Patron zur Kaplanei ist neuerlich Graf Reuttner v. Weyl.
Ein hiesiges Gut erkaufte im Jahr 1331 das Kloster Roth (Stadelhofer Hist. Roth, 1, 81), einen Hof im Jahr 1352 das Kloster Söflingen, welches letztere hier Unterthanen, Steuer und Dienste hatte.
- ↑ 1659 hat Stift Ellwangen Georg Heinrichen von Werdenstein das Ellwangische Lehen und Stozingische Eigenthum insgesammt für freiledig und grundeigen übergeben und gegen zulängliche Kaufssumme zustellen lassen. 1660. hat derselbe von Werdenstein auch die Kirchbergischen lehnbaren Güter mit aller Zugehör von Albrecht Fugger, Graf von Kirchberg und Weissenhorn, als Inhaber der Grafschaft Kirchberg und Lehensherrn, als ein Mannslehen an sich erhandelt und ist die Immission geschehen. (Salbuch von Dellmensingen.)