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21. Gemeinde Unter-Lenningen,
mit den Parzellen Engelhof, Rauber und Sulzburg.
a. Unter-Lenningen, evangl. Pfarrdorf mit 796 ev. und 10 kath. Einwohnern, in älteren Zeiten auch Unter-Lendingen und Nieder-Lendingen genannt, gehört in die III. Klasse der Gemeinden und in den Kameralbezirk Kirchheim, ist Sitz eines Revierförsters, 21/2 Stunden von K. und nur 1/4 St. von Ober-Lenningen entfernt und hat dieselbe schöne und freundliche Lage, wie dieses. Die Lauter durchfließt einen Theil des Ortes. Der große und ein Theil des Heu-Zehentens, welche seit 1838 durch einjährige Verleihung erhoben werden, gehören, von der Kellerei und der geistlichen Verwaltung her, dem Staate, der übrige Theil des letzteren und der kleine Zehente der Pfarrei. Zehentfrei sind 36 Morgen, welche auf der Alp liegen. Von 1818–1840 hat die Gemeinde für 1308 fl. 30 kr. grundherrliche und forsteiliche Rechte, namentlich alle Laudemien, dem Staate abgekauft (s. auch Ober-Lenningen). Einige der übrigen grundherrlichen Rechte (s. oben S. 87) sind auch abgelöst worden. Das Fischrecht in der Lauter von Kirchheim bis hierher| steht dem Staate, von hier bis gegen Schlattstall aber Privaten zu.

Der Ort hat eine ebene und gesunde Lage. Er zählt 101 Haupt- und 32 Neben-Gebäude. Die Kirche, im Jahre 1767 von der Gemeinde neu erbaut, ist etwas abgelegen und bietet keine Merkwürdigkeiten dar. Die Baulast des dabei gelegenen, 1745 erbauten, Pfarrhauses, liegt dem Staate ob. Das Schul- und Rath-Haus, worin auch der Schulmeister wohnt, wurde 1834 mit einem Aufwande von 5000 fl. erbaut. Die Einwohner sind fleißig, aber nicht wohlhabend. Das hohe Alter, welches 1725 ein Mann erreichte s. oben S. 43. Der Boden ist fruchtbar an Obst, Hanf, vorzüglichen Kartoffeln, Kraut, Rüben und hat sehr viele Äpfel-, Kirschen-, Nuß-, Birn- und Zwetschgen-Bäume, weniger Weinberge und Äcker, deren viele auf der Alp liegen und schwer zu bauen sind. Die Kirschenernte dauert oft 3 Wochen. Die Stallfütterung ist bis auf die Herbstweide auf den Wiesen eingeführt. Durch die Erwerbung der Schloßgüter Sulzburg und Rauber, welche 1819 um 26.000 fl. in kleinen Abtheilungen an einzelne Bürger verkauft wurden, hat die Landwirthschaft eine größere Ausdehnung erhalten. Der Ertrag der sehr parcellirten Markung ist durchschnittlich 15.140 fl. und der Verkaufspreis von 1 Morgen Feldes 170 fl. Die Gewerbe werden nur als Nebensache behandelt und sind neuerdings unbedeutend. In früheren Zeiten war die Wollen- und Baumwollen-Spinnerei eine gute Erwerbsquelle; jetzt sind nur noch 5 Leinen- und 2 Baumwollen-Weber vorhanden. Der Handel beschränkt sich auf das Frühobst, und ist häufig sehr lebhaft. Außerdem sind 1 Specereihandlung, 1 Mahl- und Öl-Mühle und 1 Schildwirthschaft im Orte. Ein großer Nebenerwerb, den auch die Männer Winters betreiben, ist das Linnenspinnen. Das Gemeindewesen ist in Ordnung. Der Ort gehörte früher in den Stab Ober-Lenningen.

Unter-Lenningen soll stets einen eigenen Pfarrsitz gehabt haben, ausgenommen 1648–1660, wo, nachdem Pfarrer | Renz an der Pest gestorben war, die Einwohner nach Ober-Lenningen in die Kirche gingen. Filialien sind Engelhof, Rauber und Sulzburg. Das Patronatrecht und der Zehente wurden mit dem Orte erworben. Die Pfarrbesoldung ist, wie oben S. 131 bemerkt, verwandelt. Außer der eigentlichen Schule ist noch eine Industrieschule vorhanden. Der Gottesacker liegt außerhalb des Ortes.

Die Geschichte des Ortes und seine früheren politischen Verhältnisse fallen mit denen von Ober-Lenningen zusammen. Die grundherrlichen Rechte kamen schon frühe in verschiedene Hände.

Irmengart Degenlerin vergabt 1355 dem Kl. Kirchheim einen Hof zu Niederlendingen. Die Stifterinnen der Frühmesse zu Ober-Lenningen vermachen derselben 1396 Gefälle aus einem Hofe zu „Niedern-Lendingen“; 1417 ist von Gütern vor und hinter Sulzburg die Rede, die der Hospital K. von Eitel v. Westerstetten erkauft hatte, und 1419 stiften Hans von Hofen, genannt Schwenzlin, und seine Brüder Heinrich und Conrad, aus einem hiesigen Gute ein Seelgeräthe in das Kl. Kirchheim. Im J. 1477 verkauft Hans Volkwein von Hedingen, seßhaft zu Bissingen im Dorf, mit Gunst seiner Mutter Margarethe vom Stein v. Heimstein dem Ruralcapitel zu K. seinen Hof, genannt des Venis Hof. Daß auch die v. Jungingen hier Rechte hatten, haben wir bei Owen (oben S. 246) gesehen. Im J. 1610 besaß Hans Georg Schilling v. Cannstadt zu Owen mehrere Gefälle und Güter dahier, auch ein zu 1000 fl. angeschlagenes Fischwasser, zwischen beiden Lenningen anfangend und bis unter Brucken reichend. Georg Späth zu Sulzburg und das Stift Wiesensteig waren damals auch gefällberechtigt.

Der Kalktuffsteinbrüche, der alten Herrstraße und der alten Grabhügel wurde schon oben S. 34 u. 110 Erwähnung gethan.

b. Der Engelhof. Ein einzeln stehendes Haus, rechts von U. auf dem Rande der hohen Alp. Von U. führt dahin und nach dem ganz nahe gelegenen

c. Rauber die steile Raubersteige, von 1 guten St., nach deren Überwindung das Auge eine herrliche, bis nach dem weit schimmernden schneeweißen Hohenheim reichende, Aussicht entzückt. Die Höhe über dem Meere beträgt hier 2319 Par. Fuß. Der Hof wurde später eine Zugehör von Sulzburg. Die auf dem Rücken des Berges befindlichen, der Gemeinde, längst zustehenden, Schafweiden, wegen | welcher im vorigen Jahrhundert ein Gemeindeschafhaus hier gebaut wurde, gaben dem Hof auch den Namen „Schafhof.“ Obgleich der Hof zur Kirche von Unter-Lenningen gehört, so besuchen die Einwohner doch die nähere in Ochsenwang.

Nicht ferne, höher als die Teck und von dieser durch den s.g. Sattelbogen abgesondert, liegen auf hohen, kaum zugänglichen Felsen die wenigen Trümmer des Rauberschlosses, unter welchen sich nach Versicherungen der Förster verborgene Gänge befinden. Die ganz nahe gelegene Diepoldsburg, auch Diepoldstein, ist ganz spurlos verschwunden; die Ruinen des Raubers aber, hauptsächlich aus dem starken Burgmantel bestehend, ragen noch majestätisch aus dem bewaldeten Felsen hervor. Auch von diesen beiden Burgen[1] ist nicht bekannt, wann und von wem sie erbaut und zerstört worden sind. Die Sage, daß die Herzoge Erchinger und Berthold von Schwaben den Bischof Salomo von Constanz in diesem Diepoldsburg gefangen gehalten haben, ist widerlegt in dem württemb. Jahrb. 1823 S. 102. (S. auch Stälin württemb. Geschichte 269.) Aus dem Namen Diepold möchte vielmehr zu schließen seyn, daß sie von einem Grafen von Aichelberg erbaut worden ist.

Schon 1297 war sie teckisch, denn da übergibt Wolf de Altensteig dem Kl. Kirchheim einen Weinberg mit Zustimmung H. Hermanns von Teck, dessen Dienstmann er sich nennt; „actum zu Diepoldsburg.“ – „Albrecht, der Graf von Grafeneck der zu Diepoldsburg gesessen ist“ kommt 1328 vor; 1342 erscheint mit dem Grafeneckschen Wappen „Albrecht der Graf von Diepoldsburg.“ Daß die Diepoldsburg mit der Hälfte von Teck und von Kirchheim an Österreich kam, haben wir oben S. 153 gesehen; ohne Zweifel gelangte sie mit Hahnenkam an Württ. Es läßt sich aber nicht genau ermitteln , welche Rechte mit ihr verbunden waren. Graf Eberhard von W. gibt 1405 den Brüdern Berthold und Hans Schwenzlin „die Vestin das Unterdiepoldsburg mit allen Leuten, Nutzen vnd Gütern“; sie übergeben sie der Herrschaft wieder für eigen, empfangen sie als Mannlehen zurück und machen sie W. zu offenem Haus. | Berthold verweist 1409 seine Hausfrau Beth von Hörningen mit 500 fl. Heimsteuer und Morgengab auf Wiesen unter Diepoldsburg, der Burg. Hans von Hofen, genannt Schwenzlin, empfängt 1414 und 1417 „Diepolsburg die Vestin mit Zugehör“ und 1416 verpfändet er sie auf 2 Jahre an Hans von Dachenhausen. Im J. 1428 aber wird Hans Truchseß von Bichishausen mit der Burg belehnt, dessen Enkel Hans sie mit Zugehör in Zainingen und Grabenstetten 1463 übergeben wird. Der Bericht vom J. 1535 sagt: „Diepelsburg das Burgstall liege hinter Bissingen zu Kyun, haben die Edelleute Diepelsburger ingehabt, sey jetzt gar abgegangen und nur noch das schlechte Gemäuer da.“ Besitzer sey Hans Dieterich Späth zu Sulzburg. Vielleicht war sie von den Bauern 1525 zerstört worden. Das Landbuch von 1624 bemerkt, von dem Rauber sey noch etlich Gemäuer und ein Keller zu sehen, und beide zerfallene Burgställe seyen Lehen der Schillinge. Das Schloßgut Rauber kam 1692 von den Schilling an die Herzogin Sybille von Württ., die es bis 1694 besaß; nun erwarben es die von Mentzingen, welche es 1819 an Unter-Lenninger Bürger verkauften. Es bestand aus 423/4 M. 41/2 R. Mäder, Äcker und Weiden und 1583/4 M. 13 Rth. Waldung nebst mehreren Gefällen (Riecker S. 85.)

Am Fuße des Raubers entspringt der oben S. 22 beschriebene Giesnaubach.

d. Sulzburg, Hof, 1/4 Stunde von Unter-Lenningen entfernt. Der Hof liegt am Fuße der Ruinen des Sulzburger Schlößchens, links vom Dorfe, auf einem kleinen grünen Hügel mitten im Thale.

Von den Ruinen der Burg Sulzburg, aus dem Burgmantel und einigen Mauern bestehend, eröffnet sich eine schöne Einsicht in das Thal, die zumal zur Blüthezeit höchst reizend ist. Auf der Sulzburg saßen zuerst die von Neidlingen. Heinrich und seine Söhne Wernherr und Kraft verpflichteten sich 1335, Württemberg mit ihrer Veste nicht zu schaden, sondern zu helfen gegen männiglich, mit Ausnahme ihrer „gebornen Mäge“ (Blutsverwandten); würden sie dagegen handeln, so soll die Vestung der Herrschaft zu eigen verfallen seyn. (Sattler I. Beilage 90.) Dasselbe thaten nach Heinrichs Tod 1340 seine Söhne (ebenda Beilage 91). Hieraus dürfte folgen, daß sie die Burg eigenthümlich besaßen, obwohl sie im Gebiete der Herzoge von Teck lag.

„Ulrich von Nydlingen der elter zu Sulzburg seßhaft“ kommt noch 1370 und 1373 vor. Aber bald hernach kam die Burg | als Lehen von Württemberg an eine Linie der Späth, die hier dritthalb Jahrhunderte blühte. Nach Sulger (I. 316) ernannte Abt Conrad von Zwiefalten 1385 »Vunco Speth de Sulzburg« zu einem Schirmvogt in Wilzingen. S. oben S. 246. Hans Eitel Späth wird 1584 mit Sulzburg belehnt: „nemlich soweit als man mit einem Stein herab vnd wieder hinaufwerfen kann.“ Alles, was außer diesem Bezirke lag, erhielt Späths Schwester Anna, verwittwete von Remchingen. Mit Johann Friedrich Späth erlosch der Mannsstamm dieses Zweiges, worauf 1640 Philipp Ludwig Schilling von Canstatt das Gut als Mannlehen erhielt; und als auch dieser, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen, starb, wurde es 1675 seinen Töchtern, Anna Catharina und Ursula Margaretha, als ein Kunkellehen überlassen. Die letztere verkaufte 1677 an ihre Schwester, an Wilhelm Kameytzky verheirathet, ihren Antheil und 1692 oder 1695 verkaufte diese das Ganze an die Herzogin Sybille v. W. für 3000 Reichsthaler. Im J. 1714 besaß es Benjamin v. Mentzingen, dessen Nachkommen 1819 dasselbe nebst Rauber an Unterlenninger Bürger verkauften, nachdem sie zuvor das auf Sulzburg und Rauber geruhte Heimfallsrecht mit 3600 fl. dem Staate abgekauft hatten. Das Schloßgut Sulzburg bestand damals aus der Ruine, einigen Ökonomiegebäuden, einem Stück Fischwasser in der Lauter, einer Weidegerechtigkeit auf der Markung von Ober- und Unter-Lenningen und aus 62 M. 31/2 V. 40 Rth. Äckern, Wiesen, Weinbergen und Gärten. (Riecker S. 85.)

Wann die Burg zerstört wurde, kann nicht angegeben werden. Nach dem Lagerbuche vom Jahre 1694 war sie noch in bewohnbarem Zustande. Es ist zu bedauern, daß die Eigenthümer dieser schönen Ruine für ihre Erhaltung nicht genügend besorgt sind.


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  1. Höslin behauptet in seiner Beschreibung der württ. Alp, daß beide Burgen ein Ganzes gebildet haben, wonach der „Rauber“ nur ein Spitzname wäre. Es ist dies um so wahrscheinlicher, als beide Schlösser nahe beisammen lagen und der Rauber unseres Wissens in keiner Urkunde genannt wird.