« Kapitel B 15 Beschreibung des Oberamts Herrenberg Kapitel B 17 »
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Nufringen,


Gemeinde II. Klasse mit 1281 Einwohnern, worunter 2 Katholiken. – Evang. Pfarrei, mit dem Filial Rohrau; die Katholiken sind nach Altingen eingepfarrt.
Das mittelgroße, ziemlich unregelmäßig gebaute Dorf liegt eben am Saume des sog. Gäus; etwa 1/8 Stunde südlich desselben erhebt sich die bewaldete Terrasse des Schönbuchs und bildet einen freundlichen Hintergrund für die Ansicht des Dorfs, die wegen des Mangels an Obstbäumen etwas kahl ist und nicht viel Malerisches darbietet. Durch den Ort führt die von Stuttgart über Böblingen herkommende, frequente Landstraße zu der 3/4 Stunden südwestlich gelegenen Oberamtsstadt; überdieß gehen noch Vicinalstraßen nach Gärtringen und Rohrau, welche Nufringen mit der Umgegend in Verbindung setzen. Die im ländlichen Styl meist aus Holz erbauten und mit steinernem Unterstock versehenen Wohnungen haben häufig ein wohlhäbiges Ansehen, und die Ortsstraßen, namentlich die Hauptstraße, sind gut unterhalten und theilweise gekandelt. Gutes Trinkwasser liefert in Fülle ein laufender Brunnen am Rathhaus, außer diesem bestehen noch 12 Schöpf- und Ziehbrunnen, welche beinahe das ganze Jahr hindurch Wasser haben. | Durch den Ort fließt der Dorfgraben, der bei starken Regengüssen oder während des Schneeabgangs öfters so sehr anläuft, daß er nicht nur den Wiesen sondern auch dem Ort selbst gefährlich wird; in denselben geben unweit des Orts der Seegraben, welcher früher zu einem See geschwellt wurde, und der Hungergraben, der in einer periodisch fließenden Quelle (Hungerbrunnen) 1/4 Stunde nordwestlich vom Ort beginnt. Auf den Fall von Feuersgefahr sind zwei Wetten angelegt.

An der Südseite des Orts steht die Pfarrkirche mit dem ummauerten Begräbnißplatz, der 1833 aufgegeben wurde und statt dessen nun außerhalb des Orts am Weg nach Rohrau ein neuer angelegt ist. Das Langhaus der Kirche ist durch stylwidrige Veränderung entstellt, und nur der spitzbogige, schön gehaltene Eingang an der Westseite, über dem ein Engel das Schweißtuch haltend angebracht, hat sich von der früheren germanischen Bauweise derselben noch erhalten; dagegen blieb der aus dem 14. Jahrhundert stammende, im Achteck schließende Chor mit seinen Strebepfeilern und schmalen, germanisch gefüllten Fenstern unverändert. Der viereckige Thurm hat vier Stockwerke, die untern sind massiv, und haben romanische gedoppelte Rundbogenfenster, zwischen denen sich zum Theil schön verzierte Säulen befinden[1], das oberste, ein einfaches Zeltdach tragende Stockwerk wurde erst in neuerer Zeit aus Holz aufgebaut. Der ursprüngliche rundbogige Eingang in den Thurm befindet sich 10 Fuß über der Erdfläche.

Das Innere der Kirche ist ziemlich hell und weiß getüncht; der viereckige Altar hat auf den Ecken einfache germanische Verzierungen und an einer derselben zwei leere Wappenschilde. An die nördliche Seite des Langhauses lehnt sich eine Seitenkapelle mit einem Netzgewölbe, dessen Schlußstein den gemarterten Christus darstellt. Vom Schiff führt ein rundbogiger Triumphbogen in den mit künstlich construirtem doppelten Kreuzgewölbe gedeckten Chor, – dessen zwei Schlußsteine eine durchbrochene Rosette und Agnus Dei vorstellen; an das Chor schließt sich die Sacristei an, welche ein Rest der früheren schmalen Basilika zu sein scheint und den Schluß derselben bildete. Das einfache Kreuzgewölbe hat auf dem Schlußstein ein roh gearbeitetes Agnus Dei, welches das Gepräge hohen Alterthums trägt. Überdieß zeigt die Sacristei neben später eingebrochenen Thüren und Fenstern noch entschiedene Spuren romanischen Baustyls, wie zwei rundbogige Nischen, ein| Rundbogenfensterchen u. s. w. In der Ecke der Sakristei steht ein steinerner uralter Altartisch, der mit zwei Seiten in die Wände eingelassen ist, während die vierte Ecke von einer runden, gänzlich schmucklosen Säule unterstützt wird. Bemerkenswerth ist ein altes, kupfernes Taufbecken, auf dem die Verkündigung Mariä in getriebener Arbeit sich befindet. Die auf dem Thurme hängenden zwei Glocken haben folgende Inschriften: 1) Ave maria gracia plena dominus tecum anno domini 1441. 2) Osanna heis ich in unser Frawen Er leit ich, Bernhard Lachmann gos mich 1506. Die Kirche ist Eigenthum der Stiftungspflege.

Das in der Nähe der Kirche gelegene Pfarrhaus, welches die K. Hofdomänenkammer zu unterhalten hat, soll früher die Wohnung des Pater oeconomus der Probstei Herrenberg gewesen sein; es ist massiv aus Steinen im Styl des 16. Jahrhunderts erbaut.

Das ansehnliche, zweistockige, im Jahre 1828 erbaute Schulhaus mit den Wohnungen für die Lehrer ist zweckmäßig eingerichtet und steht frei unfern des an der Hauptstraße gelegenen, gut erhaltenen Rathhauses. An der Schule unterrichten ein Lehrer, ein Unterlehrer und ein Lehrgehilfe. Eine Industrieschule besteht seit 1848.

Ein Gemeindebackhaus wurde 1840 erbaut und ein Gemeindewaschhaus besteht schon längst. Im Ort befinden sich fünf steinerne Brücken, außerhalb desselben sechs, und sieben hölzerne Stege.

Die Einwohner, ein gesunder, gut gewachsener Menschenschlag, erreichen nicht selten ein sehr hohes Alter; sie sind im Allgemeinen gutmüthig, friedliebend, sparsam, fleißig und haben vielen Sinn für Religion. Ihre Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen; der größte Güterbesitz beträgt nur 27 Morgen. Die Haupterwerbszweige sind Ackerbau und Viehzucht; minder Bemittelte arbeiten im Taglohn in Herrenberg. Früher wurde die Wollespinnerei stark betrieben, die aber in neuerer Zeit gänzlich abging; die gegenwärtigen Gewerbe dienen nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen. Im Ort sind vier Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, und zwei Krämer vorhanden.

Die schön arrondirte, mit Ausnahme der Waldungen meist ebene Markung wird nördlich von den Markungen Gärtringen, östlich von Rohrau und Hildrizhausen, südlich von Herrenberg und westlich von Affstätt und Kuppingen begrenzt. Der Boden besteht zu 1/3 aus einem leichten, fruchtbaren Diluviallehm, südlich vom Ort gegen die Terrasse des Schönbuchs wird er thoniger, schwerer, und der unten lagernde Keupermergel macht sich hier geltend, während an einzelnen Districten im Norden der Markung z. B.,| am Hartheimer Weg und bei dem sogenannten Öfele ein magerer, steiniger Boden auftritt, dem die Lettenkohlengruppe zur Unterlage dient. Die ergiebigsten Felder sind im Kuppinger Weg, im sogenannten Steig, im heiligen Wasen und im Umschweif.

Etwa 1/4 Stunde südlich vom Ort befindet sich ein der Gemeinde gehöriger Keuperwerksteinbruch, der gute Bau- und Schleifsteine liefert, die in der ganzen Umgegend Absatz finden. In einem nördlich von Nufringen angelegten Muschelkalkdolomitbruch wird geringes Straßenmaterial gewonnen und zunächst am Ort besteht eine Lehmgrube. Gips wurde früher südwestlich vom Ort abgebaut.

Die Luft ist gesund und rein, übrigens etwas rauh; Frühlingsfröste und Thaue schaden häufig den Obstbäumen, daher auch die Obstzucht in geringer Ausdehnung betrieben wird und sich nur auf die gewöhnlichsten Mostsorten beschränkt. Hagelschlag kommt nicht häufig vor.

Die Landwirthschaft wird nach der Dreifelder-Eintheilung mit zu 1/3, meist mit Futterkräutern eingebauter Brache, gut betrieben; von zweckmäßigen, landwirthschaftlichen Neuerungen hat der Flanderpflug Eingang gefunden, übrigens ist der deutsche Wendepflug immer noch ziemlich allgemein. Zur Besserung des Bodens werden außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln Jauche, Gips, und Asche angewendet.

Von den gewöhnlichen Cerealien baut man vorzugsweise Dinkel, Gerste und Hafer, weniger Einkorn, Weizen und Roggen, letzteren blos um des Bindstrohs Willen; ferner Erbsen, Linsen, Ackerbohnen, Angersen, Kraut und Hanf in Ländern für den eigenen Bedarf, wenig Reps und sehr wenig Flachs. Kartoffeln werden in dem Haferfeld gezogen. Auf den Morgen säet man an Dinkel 8 Sri., an Gerste 3 Sri., an Hafer 4 Sri. und an Einkorn 4 Sri. Der durchschnittliche Ertrag wird per Morgen zu 8–9 Scheffel Dinkel, 4 Scheffel Gerste, 5 Scheffel Hafer und 5–6 Scheffel Einkorn angegeben. Die höchsten Preise eines Morgens Acker betragen 400 fl., die mittleren 280 fl. und die geringsten 60 fl. Dinkel und Gerste kommt viel nach Außen, besonders nach Tübingen, zum Verkauf.

Die Wiesen, ohne Wässerung, sind durchgängig zweimähdig und ertragen durchschnittlich per Morgen 24 Centner Heu und 12 Centner Öhmd; das gute und nahrhafte Futter wird im Ort selbst verbraucht. Der Morgen Wiese kostet 120–400 fl.

Früher wurde auf der Markung auch Weinbau getrieben, der aber schon seit 60–70 Jahren abgegangen ist.

Die Gemeinde besitzt 499 Morgen Waldungen, meistens| Laubholzbestände, weniger gemischte Waldungen und nur selten reine Nadelholzbestände. Am häufigsten ist die Buche, die zuweilen als Hochwald in einem 80jährigen Umtrieb bewirthschaftet wird, während den Nadelhölzern eine Umtriebszeit von 60 und den Mittelwaldungen eine von 40 Jahren zukommt. Es werden jährlich etwa 200 Klafter Holz und 2000 Stück Wellen geschlagen; jeder Bürger erhält davon 1/2 Klafter und 5–8 Stück Wellen, und die Gemeindekasse bezieht überdies noch etwa 500 fl. Holz-Erlös. An Privatwaldungen, von denen einzelne Bürger 1–4 Morgen besitzen, sind etwa 250 Morgen vorhanden.

Eigentliche Weiden bestehen nicht; die Brach- und Stoppelweide wird an einen Schäfer, dem auch die Pferchnutzung zukommt, um etwa 400–500 fl. jährlich verliehen.

Die Rindviehzucht, bestehend in einem meist rothbraunen Neckarschlag, wird durch vier tüchtige Farren erhalten und verbessert; für die Faselviehhaltung erhält der Pächter, neben der Nutznießung von drei Morgen Wiesen und einem Morgen Acker jährlich 100 fl. Mit Vieh wird einiger Handel auf benachbarten Märkten getrieben; die Viehmastung ist unbeträchtlich.

An Schafen werden etwa 300 Stück Bastarde auf der Markung geweidet und im Ort überwintert; die Wolle kommt nach Kirchheim und der Abstoß der Schafe geschieht nach Reutlingen, Urach etc.

Die früher sehr stark betriebene Schweinezucht hat in Folge der Kartoffelkrankheit bedeutend abgenommen, übrigens wird immer noch mit Ferkeln, die man bis zu einem Alter von zehn Wochen pflegt, Handel getrieben; die Mastung ist nicht beträchtlich.

Die Gemeindepflege besitzt außer den Waldungen noch Gemeindegüter, die ihr jährlich etwa 140 fl. eintragen. Ungefähr zehn Morgen Allmandstücke werden an die verheiratheten Ortsbürger vertheilt. (Vergl. übrigens über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt Tab. III.)

Grundgefälle und Zehenten hatte bis zur Ablösung die K. Hofdomänenkammer zu beziehen.

In dem zur Pfarrei, welche von K. Collation abhängt, gehörigen, 1/2 Stunde östlich gelegenen, Filial Rohrau, hat der Pfarrer vom Palmtag bis Michaelis an allen Sonntagen, von Michaelis bis Palmtag aber nur alle 14 Tage Predigt und Kinderlehre zu halten. Der erste evangelische Pfarrer war Johann Jäger von 1551–1559 (siehe Binder Kirchen- und Lehrämter Württembergs 1, 493).

Der Name des früher pfalzgräflich-tübingischen Ortes wurde| ehemals geschrieben: Niuferon (12. Jahrh.), Nuweran (1271), Nivfervn (1304), Nufran (1318, 1326, 1331, 1334, 1374), Nufren (1382).

Hiesiger, unter den Pfalzgrafen von Tübingen stehender Ortsadel, welcher einen Triangel zum Wappen annahm, blühte bis gegen das Ende des Mittelalters. Heinrich von Nufringen beschenkte das Kloster Ottobeuren mit Höfen zu Altingen (Feyerabend Ottob. Jahrb. 2, 212). Im Jahre 1271 verkauften fünf Brüder, Wolvilin, Ulrich, Hugo, Heinrich und Sigmund von Nufringen, genannt Siler, dem Stift Sindelfingen ihren Hof zu Altingen (vergleiche Altingen). Renhard von Nufringen erscheint im Jahre 1304 als Bürge für Graf Gotfried von Tübingen (Schmid Urk. 115). Konrad, das „Lamp“ genannt, ein Edelknecht von Nufringen, begabte mit Genehmigung der Pfalzgrafen Rudolf und Konrad von Tübingen im Jahre 1318 den Heiligen in Herrenberg mit einem hiesigen Gut (Schmid 409); durch Kauf überließen ein solches Friedrich von Nufringen im Jahre 1326 und die Gebrüder Albrecht und Heinrich im Jahre 1331, alle an die Pfalzgrafen Rudolf und Konrad zu Tübingen. Sonst erscheinen in dieser Familie noch die Namen Anselm, Sweneger, Johann, Balsam, Auberlin.

Bei der Theilung im Hause Tübingen-Herrenberg im Jahre 1334 kam in des Pfalzgrafen Rudolfs Theil: „das Dorf Nufringen, Gut und Leute mit Zehenten und Widumgütern.“ (Schmid Urk. 165.) Von demselben Rudolf war die Mühle in Nufringen ein Lehen. Renhard von Waldeck und nach diesem (1371) Albrecht der Rechener, Bürger von Weil der Stadt, wurden von Rudolfs Sohn, Ulrich, damit belehnt (Schmid 426, 474). Der ebengenannte Ulrich kaufte noch am 7. Januar 1474 von Adelheid, Balsams von Höfingen Tochter, Johanns von Ehningen Hausfrau, Leibeigene (Schmid Urk. 172).

Württembergisch wurde der Ort mit Herrenberg am 10. Februar 1382 (hiesige württ. Einkünfte im Jahre 1383 siehe bei Schmid 500).



  1. Abbildung des Fensters auf der Nordseite in der halben Höhe des Thurms bei Heideloff, die Kunst des Mittelalters in Schwaben, Lief. 1. S. 8.


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