« Kapitel B 14 Beschreibung des Oberamts Herrenberg Kapitel B 16 »
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Nebringen,


Gemeinde III. Klasse mit 411 evang. Einw. , Pfarrfilial von Thailfingen.
Das schöne, mit breiten, gekandelten Straßen versehene Dorf, dessen ansehnliche Bauernwohnungen auf den ersten Blick die Wohlhäbigkeit der Einwohner verrathen, liegt 1617 Fuß über der Meeresfläche an der frequenten Herrenberg-Horber Landstraße, eine Stunde südwestlich von der Oberamtsstadt und 1/2 Stunde nordöstlich von dem Mutterort. Außer der durch den Ort führende Landstraße gehen noch Vicinalstraßen nach Öschelbronn, Thailfingen, Haslach und Sindlingen. Die beinahe in der Mitte des eben und frei gelegenen Orts stehende sehr alte Kirche ist durch Erweiterungen und Veränderungen in den Jahren 1492, 1748, 1819 und 1851 nach und nach alles architektonischen Schmucks beraubt und in ein einfaches Gebäude umgewandelt worden. Der an der Ostseite stehende viereckige Thurm ist nicht hoch und von einem spitzen, achtseitigen Zeltdach gedeckt. Auf ihm hängen drei Glocken, von denen die größte die vier Evangelistennamen nebst der Jahreszahl 1480 als Umschrift trägt; sie hing früher in Mauren, wo sie im Jahre 1824 verkauft wurde; die beiden andern Glocken sind 1797 und 1840 gegossen worden. Im Inneren der Kirche hängt ein in neuerer Zeit von Dörr in Tübingen gemaltes Brustbild Luthers, auch sind die Brüstungen der Emporen mit Christus und den zwölf Aposteln bemalt. Von dem Langhaus führt ein romanischer Triumphbogen in das untere Stockwerk des Thurms, welches die Stelle des Chors vertritt; zu beiden Seiten des Bogens sind zwei sehr alte Schlußsteine (den Apostel Petrus und einen Bischof vorstellend) eingemauert, welche früher an dem Gewölbe des im Thurm befindlichen Chors angebracht waren und bei der Renovation von 1819 herausgenommen wurden. Über dem Triumphbogen steht 1492, die| Zeit der ersten Veränderung angebend. Der Begräbnißplatz umgab früher mit einer hohen Mauer die Kirche, ist aber seit 1782 außerhalb des Orts verlegt. Die Unterhaltung der Kirche und des Begräbnißplatzes liegt der Stiftungspflege ob.

Das ansehnliche unfern der Kirche stehende Schulhaus wurde im Jahre 1830 mit einem Aufwand von 5200 fl. neu erbaut. Dasselbe enthält zugleich die Wohnung des Schulmeisters, welcher an der Volksschule unterrichtet. Ein Gemeindeback- und Waschhaus ist vor etwa 15 Jahren erbaut worden.

Das schon über 100 Jahre alte Rathhaus ist noch gut erhalten.

Gutes Trinkwasser liefern sieben Pumpbrunnen, die übrigens in ganz trockenen Jahrgängen nachlassen, so daß die Einwohner genöthigt sind, ihr Wasser an einem etwa 300 Schritte südlich vom Ort gelegenen, beständig laufenden Brunnen zu holen. Auf den Fall von Feuersnoth sind zwei Wetten angelegt.

Die Einwohner, deren Haupterwerbsquellen in Feldbau und Viehzucht bestehen, sind gut gewachsene, kräftige Leute, die sich vermöge ihres Fleißes, ihrer Ordnungsliebe und Religiosität vortheilhaft auszeichnen; ihre Vermögensumstände sind im Allgemeinen sehr befriedigend. Der größte Güterbesitzer hat 137 Morgen Feld.

Die Ortsmarkung, südlich an die Markungen Öschelbronn und Thailfingen, westlich an Öschelbronn und Sindlingen, nördlich an Haslach und östlich an Gültstein und Thailfingen grenzend, ist nicht unbeträchtlich und gehört zu den fruchtbarsten und ergiebigsten des Bezirks; die ziemlich eben gelegenen Feldgüter haben größtentheils einen tiefgründigen Diluviallehmboden, dem die Lettenkohlengruppe zur Unterlage dient; gegen die Markungsgrenzen (nach allen Richtungen) hin, nimmt der Lehm ab und die Unterlage macht sich mit ihren Mergeln, Sandsteinen und Dolomiten geltend, wodurch der Boden in diesen Markungstheilen geringer und unergiebiger wird.

Das milde Klima ist der Vegetation sehr förderlich, so daß feinere Gewächse, wie Bohnen, Gurken etc., noch gerne gedeihen. Wegen des frühen Erwachens der Vegetation schaden übrigens zuweilen Frühlingsfröste, dagegen ist Hagelschlag ziemlich selten, indem er in den letzten 20 Jahren nur viermal, jedoch nicht über die ganze Markung, sich einstellte.

Die Landwirthschaft wird sehr gut betrieben, obgleich statt des deutschen Wendepflugs der Flander’sche noch wenig Anwendung| findet, und auch die Düngerstätten, die nur zum Theil mit Güllenlöchern versehen sind, eine zweckmäßigere Einrichtung erhalten könnten; dagegen wird die Walze allgemein benützt, und zur Besserung des Bodens außer dem Stalldünger und der Jauche auch Gips, Hallerde und Compost angewendet.

Von den gewöhnlichen Cerealien baut man hauptsächlich Dinkel, Hafer und Gerste, während Weizen, Einkorn und Roggen nur in unbedeutender Ausdehnung zum Anbau kommen; außer diesen pflanzt man Erbsen, Linsen, sehr viele Wicken, welch letztere zur Viehmastung benutzt werden, und Ackerbohnen theils unter dem Hafer, theils im Brachfeld. In der zu 1/3 angeblümten Brache zieht man Kartoffeln, Angersen, rothen Klee, Luzerne, Reps und Hanf. Auf den Morgen kommt Aussaat an Dinkel 1 Scheffel, an Hafer 4 Simri und ebensoviel an Gerste; der Ertrag wird zu 8–16 Scheffel Dinkel, 5-6 Scheffel Hafer und 5–6 Scheffel Gerste angegeben. Die höchsten Ackerpreise sind 600–800 fl., die mittleren 300 fl. und die geringsten 100 fl. per Morgen. Dinkel wird sehr viel nach Außen verkauft.

Der Wiesenbau ist nicht sehr ausgedehnt, daher mit Futterkräutern nachgeholfen werden muß; die durchgängig zweimähdigen, nicht wässerbaren Wiesen ertragen per Morgen durchschnittlich 25 Cent. Heu und 10 Cent. Öhmd. Die Wiesen stehen im Preise den Äckern gleich, jedoch werden die geringsten noch mit 200 fl. per Morgen bezahlt.

Östlich vom Ort im sog. Mönchthal wurde früher Weinbau getrieben, der vor etwa 70 Jahren wegen des geringen Ertrags vollends abging. Die Obstzucht, welche sich hauptsächlich mit Mostsorten, etwas Zwetschgen und ziemlich viel Kirschen beschäftigt, ist sehr bedeutend und erlaubt in günstigen Jahren einen namhaften Absatz nach Außen; im Jahre 1847 haben einzelne Ortsbürger bis 1000 Simri Obst auswärts verkauft.

Was die Viehzucht betrifft, so werden Pferde im Orte wenig gezüchtet, dagegen ziemlich viele Fohlen auswärts aufgekauft und nachdem sie groß gezogen, mit Vortheil, namentlich auch an die Militärverwaltung wieder abgesetzt. Die Rindviehzucht ist bedeutend und wird durch 2–3 Landfarren gepflegt, deren Haltung ein Bürger Namens der Gemeinde gegen 75 fl. und der Nutznießung aus zwei Morgen Wiesen übernommen hat. Mit Rindern und Mastvieh wird ein namhafter Handel getrieben.

Auf der Markung werden etwa 200 Stück veredelte deutsche Schafe geweidet, welche den Ortsbürgern gehören und im Ort Überwinterung finden; die Wolle geht in die Umgegend.

| Was die Schweinezucht betrifft, so werden viele Ferkel auswärts aufgekauft, gemästet und theils in’s Haus geschlachtet, theils verkauft.

Die Gewerbe sind ganz unbedeutend und dienen nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen.

Die Gemeindepflege ist im Besitz von 5000 fl. Kapitalien und 115 Morgen Waldungen, welche theils mit Laubhölzern, (Buchen, Birken mit Eichenoberholz), bestockt, theils mit Forchen, und einzelne Distrikte neuerlich auch mit Fichten ausgepflanzt sind; ihr jährlicher Ertrag belauft sich auf 30 Klafter und 2000 Stück Wellen; wovon jeder Bürger 3/8 Klafter und 20 Stück Wellen Holzgabe erhält. Überdieß wird jährlich etwa 150 fl. aus Eichen erlöst, welche in die Gemeindekasse fließen. Die meisten Bürger besitzen auch eigene Waldungen, je 2–15 Morgen.

Außer dem Holzerlös bezieht die Gemeindekasse für die Schafweiden von den Bürgern, welche nach Verhältniß ihrer Steuer Schafe laufen lassen dürfen, von dem Schaf 1 fl., von dem Lamm 30 kr., was nebst der Pferchnutzung jährlich eine reine Einnahme von etwa 150 fl. gewährt.

Die Gemeindeschadenumlage betrug 1852–53 nur 150 fl. (s. Tab. III.), 1853–54 100 fl., 1854–55 ist keine erforderlich.

Von der Stiftungspflege, die ein Kapitalvermögen von 65.000 fl. besitzt, erhalten die Ortsarmen jährliche Unterstützungen von 1000 bis 1400 fl.; auch fremden Armen reicht dieselbe das Jahr hindurch 50 bis 100 fl.

Ein der Gemeinde gehöriger Muschelkalksteinbruch befindet sich am Oldenwald; einen Lettenkohlensandsteinbruch haben mehrere Privaten auf der Gültsteiner Markung angekauft. Zunächst vom Ort sind zwei Lehmgruben angelegt.

Die kirchlichen Verrichtungen hat der Pfarrer von Thailfingen, dem Nebringen als Filial zugetheilt ist, im Ort selbst zu versehen.

Bis zur Grundentlastung hatte die Hofdomänenkammer den großen, früher zur Hirschauischen Pflege Gültstein gehörigen Zehenten zu beziehen, der kleine stund der Pfarrei Gültstein zu, wohin Nebringen früher eingepfarrt war. Gülten bezogen neben der Hofdomänenkammer das Stift Herrenberg, die Stiftspflege Mötzingen und die Familien Andler, Böhmler und Hiller.

Nördlich vom Ort soll eine Kapelle gestanden sein, von der die dort liegenden Felder noch die Käpelesäcker genannt werden.

Nebringen, ein pfalzgräflich tübingisch-herrenbergischer Ort, kommt als Neberingen erstmals vor um 1120 (Cod. Hirs. 60a).| Am 12. Mai 1292 verkauften drei Brüder, zwei gleichnamige Dietrich und Johannes, Söhne Dietrichs, Schultheißen von Herrenberg, den Ertrag ihrer Güter in Nebringen an das Kloster Bebenhausen, wozu Pfalzgraf Rudolf als ihr Dienstherr seine Zustimmung ertheilte (Schmid 273). Den 24. Febr. 1302 gab Konrad, der Schultheiß von Herrenberg, alles, was er zu Nebringen hatte, demselben Pfalzgrafen im Tausch zu eigen (Schmid Urk. 90).

Bei der Theilung im pfalzgräflich tübingischen Hause, am 23. Febr. 1334 kam „Nebringen, Leute und Gut, mit aller rechter Zugehörde und Gewaltsamen“ an den Pfalzgrafen Rudolf (Schmid Urk. 165).

An Württemberg gelangte der Ort mit Herrenberg den 10. Febr. 1382 (die württ. Einkünfte im Jahre 1383 s. bei Schmid 501).

Den hiesigen Zehenten überließen im Jahre 1438 die Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg dem Kloster Hirschau durch Tausch.

Genanntes Kloster ließ die Pfarrei, an welcher auch eine Frühmeßpfründe bestund, durch einen Mönch versehen. Nach der Reformation wurde diese Pfarrei zu Thailfingen geschlagen.



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