« Kapitel B 1 Beschreibung des Oberamts Heidenheim Kapitel B 3 »
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2. Gemeinde Bergenweiler,

Gräfl. Maldeghem’scher Gutsherrschaft, bestehend aus dem evang. Pfarrdorfe dieses Namens, mit 228 evang. und 8 katholischen Einwohnern. Die 1200 Morgen begreifende Markung dieser kleinen Gemeinde liegt zum kleineren Theile im Brenzthal und im Thal der Hürbe, zum größeren auf der hügeligen Fläche über der rechten Seite des ersteren Thales. Die Thalgründe haben zum Theil guten Wieswachs, zum Theil sind sie moorig, was namentlich vom Brenzthal gilt, wo sich gute Torfstiche befinden. Die Äcker liegen auf der genannten Fläche und sind von mittlerer Beschaffenheit. Der Anbau geschieht fast durchaus flürlich. Gebaut werden Dinkel, Roggen, Gerste und Haber, weniger Hülsenfrüchte, und verhältnißmäßig wenig Kartoffeln, Rüben und Klee. Die Sorgfalt des Anbaues und der Werth der Güter haben in neueren Zeiten sehr zugenommen, wiewohl noch manche Verbesserungen zu wünschen, namentlich die Düngungsmittel besser zu Rath zu halten seyn dürften. Die vom Ackerbau und der Viehzucht lebenden Einwohner gehören um so weniger zu den wohlhabenderen, als bedeutende grundherrliche Lasten auf den Gütern liegen. Gemeindevermögen ist keines vorhanden. Den östlichen Theil der Markung bilden 530 M. Laubwald, welche zu einer Hälfte dem Staat, zur andern dem Gutsherrn gehören. In Folge des Gesetzes vom J. 1836 sind an Dienst- und Frohngeldern 173 fl. 41 kr. jährliche Abgaben abgelöst worden. Gewerbebetrieb besteht nicht, außer einiger Leinwandweberei, einer Mahl-, Öl- und Sägmühle und einer Schildwirthschaft. Seit einigen Jahren betrieb der Gutsherr eine Erzgrube und Erzwäscherei, die 12 — 15 Personen Beschäftigung gab, aber wegen gehinderten Absatzes seit Kurzem aufgehört hat.

Alleiniger Gefäll- und Zehentherr ist der Graf Maldeghem in Niederstotzingen. Nur 26 Morgen sind dem Freiherrn von Linden auf Burgberg, und 11/2 M. dem Staate zehentpflichtig. Auch die Jagd und Fischerei und alles Weid- und Pferchrecht steht dem Gutsherrn zu, dessen Grundbesitz auf hiesiger Markung 4846/8 Morgen beträgt.

Der Ort selbst, auch Unterberg genannt (s. Burgberg), hat eine angenehme und freie Lage, theils an der Brenz, theils an dem rechten Thalabhang, 41/2 geom. Stunden südöstlich von Heidenheim, und zählt 44 Wohngebäude. Darunter ist ein gutsherrliches Schloß, das 1588 von Heinrich von Stain (s. unten) erbaut wurde, gegenwärtig aber unbewohnt ist und als gutsherrschaftlicher Fruchtspeicher dient. Es wird auf seine Erhaltung wenig verwendet, und hat daher ein ziemlich verkommenes Ansehen. Im Schloßhof steht | die Pfarrkirche mit einem niedrigen Thurm, eigentlich nur eine Kapelle, in welcher Kanzel, Altar, Orgel u. s. w. im kleinsten Maaßstab angebracht sind. Das Kirchlein enthält die Monumente des Freiherrn Franz von Weltz auf Eberstein und Spiegelfeld, Herrn des freien Ritterguts Bergenweiler, der 1661 starb, und dessen 1666 gestorbener Wittwe Emma geb. Freiin v. Saurau. Die Baulast hat die Gutsherrschaft. Das Kirchenvermögen ist sehr gering; vor einigen Jahren betrug die dreijährige Einnahme 74 fl., die dreijährige Ausgabe 96 fl. Das Deficit muß die Gemeinde decken. Bergenweiler war bis 1588 der katholischen Konfession zugethan und Filial von Brenz, s. u. In dem genannten Jahre reformirte Heinrich von Stain den Ort und dotirte eine Pfarrei, aber so gering, daß dieselbe in neueren Zeiten lange mit Brenz kombinirt war, bis sie in den letzten Jahren wieder mit einem eigenen Geistlichen besetzt wurde. (Die 7 katholischen Einw. sind Filialisten von Burgberg.) Das Patronat ist gutsherrlich. Das Pfarrhaus, dessen Unterhaltung der Gutsherrschaft obliegt, hat eine schöne Lage im Thal an der Brenz. Ein kleines Schul- und Rathhaus ist 1840 zur Hälfte auf Kosten des Gutsherrn, zur Hälfte von der Gemeinde erbaut worden. Der Begräbnißplatz befindet sich nördlich auf der Anhöhe am Ende des Orts. Ein vorspringender, waldbewachsener Hügel an der Vereinigung des Hürben- und Brenzthales führt den Namen Ravensburg. Daß er ehemals eine Ritterburg trug, ist eine sehr wahrscheinliche Sage, wiewohl von den Besitzern und den Schicksalen derselben nichts bekannt ist. Wall und Graben stellen sich noch deutlich dar. Selbst Mauerwerk will man in früheren Zeiten hier gefunden haben.

In den frühesten Zeiten war Bergenweiler im Besitz der Güssen von Güssenberg, deren Stammburg nur 1/2 Stunde von hier entfernt ist. Bereits im 14. Jahrhundert schritt dieses Geschlecht auch an diesem Orte zu Güterveräußerungen; im J. 1376 verkauften Brun und Hans die Güssen von Brenz all ihr Gut zu Bergenweiler an Wilhelm Vezer, dessen Stamm dieses Eigenthum behielt bis zum J. 1442, wo es Mang und Wilhelm Vetzer an Peter von Leinberg veräußerten. (Orig. im Stuttg. St. A.) Ungeachtet des erwähnten Verkaufes blieb doch Bergenweiler fast ganz der Familie Güß, in welcher es im J. 1455 von Diepold Güß an seinen Bruder Gerwig Güß überging. Als dessen Sohn Sixt seiner Hausfrau, Hilgart von Ellerbach, eine Heimsteuer und Morgengabe verschrieb, überließ ihm der Vater zu diesem Behufe den Thurm Bergenweiler mit der Behausung und den Weiler nebst Zugehörungen.

Von genanntem Sixt Güß erkaufte im J. 1472 Ritter Puppelin von Stein zu Niederstotzingen († 1500) um 2000 fl. das Dorf und | Schloß Bergenweiler, 3 Höfe, 1 Mühle, 7 Sölden, Fischerei, 1 Holzmark, 22 Jauch. Äcker und etwas Wieswachs. Von nun an blieb einige Zeit die Familie von Stein Besitzerin des Dorfes; Puppelin’s Sohn Jakob († 1525) übergab es seinem Sohne Puppelin († 1521), dessen Wittwe Magdalena, eine geb. von Rechberg, hier ihren Wittwensitz erhielt, und noch im J. 1554 diesen Ort mit allen Geboten und Verboten besaß, während außerhalb Etters der Herrschaft Württemberg Frevel, Gebot und Verbot zustund (Stuttg. St. A.). Im J. 1567 erscheint als Besitzer von Bergenweiler Ritter Walther von Hirnheim, welcher die niedere Vogteilichkeit im Dorfe und im Umfang seiner Güter, so wie die hohe Gerichtsbarkeit innerhalb des Schloßbezirks und seiner Gärten hatte, während die hohe Obrigkeit im Übrigen der Stadt Ulm gehörte. [1] Als trefflicher Landwirth machte sich dieser Walther verdient. Ihm folgte im J. 1575 in seinen Bergenweiler Besitzungen und Rechten Hans von Hirnheim, auf diesen gegen das J. 1588 Karl von Welden zu Laupheim, Gatte der Erbtochter Cordula von Hirnheim, einer Enkelin obigen Walthers. Von Karl von Welden erkaufte im J. 1588 das Gut um 26.000 fl. Ritter Heinrich von Stein zu Niederstotzingen, herzogl. württembergischer Rath und Oberpfleger der Herrschaft Heidenheim, k. k. Kriegsrath und Oberst, des schwäbischen Kreises Generallieutenant († den 24. Jan. 1605 in Bergenweiler), ein äußerst geachteter Mann, welchen Herzog Ludwig von Württemberg nur seinen Vater zu nennen pflegte. [2] Daß dieser die Reformation im Orte einführte und das Schloß erbaute, ist bereits erwähnt; eine noch erhaltene vielzeilige Inschrift des Schlosses rühmt seinen Gründer. Mit Unterbrechung von ein paar Dezennien, den 50ger bis 70ger Jahren des 17. Jahrhunderts, in welchen die beiden Franz, Freiherren von Welz, Vater und Sohn [3] Bergenweiler nach | einander innehatten, blieb dessen Besitz – nach welchem im J. 1605 Herzog Friedrich von Württemberg sehr lüstern war – der Familie Stein bis zum J. 1809. In diesem Jahre kam es durch Erbschaft von Karl Leopold, Grafen von Stein zum Rechtenstein, kaiserlichem Feldzeugmeister, an dessen Neffen, Graf Joseph Alexander von Maldeghem († 17. Okt. 1809), dessen Sohn Karl Leopold Ludwig der gegenwärtige Besitzer ist.

In ritterschaftlichen Zeiten war Bergenweiler zum Canton Donau collectabel.

Im J. 1806 kam Bergenweiler unter bayrische, und durch den Staatsvertrag vom 18. Mai 1810 unter württembergische Staatshoheit.



  1. Auch das Jagdrecht war im Besitz der Stadt Ulm, und gieng von dieser an Bayern und darauf an Württemberg über, wird aber von der Gutsherrschaft gegen ein Pachtgeld ausgeübt.
  2. Die im J. 1605 im Druck erschienene Leichenrede rühmt an ihm: „er war in Worten gravitätisch, in Gebehrden ernstlich, im Werk heroisch, in keinem Weg weder scurrilisch noch flattirend, er konnte nicht fuchsschwänzen. Er hat auch seine Unterthanen nicht geschunden, ausgesaugt oder sie für Weidenbäume gehalten, die man für und für behauen müsse."
  3. Diesem Franz von Welz verkauft laut Urkunde Herzog Manfred zu Brenz 1653 sein Stück Wald, die Ravenspurg (s. vorhin) genannt, bestehend in 13 Jauch, und 66 Ruthen als freies Eigenthum sammt der Jurisdiction.
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