« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Gerabronn Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.


1. Bevölkerung.
A. Stand der Bevölkerung.

a. Volkszahl. Nach der Aufnahme vom 15. December 1845 zählte der Bezirk 29.370 ortsangehörige Einwohner, davon 14.678 männliche und 14.692 weibliche.[1]

Frühere Zählungen hatten ergeben

im Jahr 1810 23.921
im Jahr 1820 25.458
im Jahr 1830 27.345
im Jahr 1840 28.632
Abwesend waren von den ortsangehörigen Einwohnern
im Jahr 1820 .01558
      dagegen Fremde anwesend .02257
die ortsanwesende Bevölkerung betrug
im Jahr 1820 25.957
im Jahr 1840 28.212
im Jahr 1843 28.330

in 5811 Familien.

Auf eine Quadratmeile kommen nach dem Stand vom December 1841 3392 ortsangehörige Einwohner, wonach, das Mittel der Bevölkerung des Landes auf 4800 Menschen für die Quadratmeile angenommen, in diesem Bezirk 1408 weniger auf die Geviertmeile kommen.

b. Geschlechtsverhältniß. Nach dem Stand vom 15. December 1841 beträgt die Zahl der weiblichen Einwohner 75 mehr, als die der männlichen. Das Verhältniß der männlichen zu den weiblichen ist daher wie 1000:1005, während das dießfällige Durchschnittsverhältniß des ganzen Landes von 1841 1000:1042 beträgt.

c. Altersstufen. Nach dem Stand von 1814[2] waren von der Bevölkerung des Bezirks|
männl. weibl.
unter 14 Jahren 3712 3788
von 14–18 Jahren 980 8710
von 18–25 Jahren 1440
von 25–40 Jahren 2521
von 40–60 Jahren 2513
über 60 Jahren 1157
12.323 12.498
24.821

d. Familienstand der Angehörigen von 1814: 8456 Verehelichte oder 4228 Ehen, wonach auf 1 Ehe 5,9 Einwohner kommen. Der Durchschnitt des Landes von 1832 ist 6,3.

e. Kirchliches Verhältniß im Jahr 1814:

Christen:
      α. Evangelisch-lutherische 23.070
      β. Evangelisch-reformirte 5
      γ. Katholische 1250
Juden 496
24.821

f. Standesverhältniß von 1814:

Adelige                   59
Bürgerliche 24.762
24.821

g. Gewerbs- und Nahrungsverhältnisse im Jahr 1814:

Bauern und Weingärtner 2018
Rentenirer 364
Gewerbsleute 1925
Bedienstete 1389
Taglöhner 682
Im Almosen stehend 224
6602
B. Gang der Bevölkerung.

Nach dem Durchschnitte der 10 Jahre 1830–1840:

a. Geburten.

Jährlich männliche 520
Jährlich weibliche 499
1019
darunter unehliche 154

b. Gestorben sind jährlich im Durchschnitt

männliche 430
weibliche 415
| c. Wanderungen. Eingewandert sind jährlich
männl. weibl.
aus fremden Staaten 12 17
aus andern württembergischen Gemeinden 149 189
161 206
367
ausgewandert
in fremde Staaten 23 25
in andere württembergische Orte 122 119
145 204
349
mehr ein 16 2
18

d. Wachsthum der Bevölkerung und deren Verhältnisse. Die Bevölkerung des Oberamts nahm in den Jahren 1830/40 um 1917, nämlich 1053 männliche und 864 weibliche Personen (7/10 Proc.) zu. Der natürliche Zuwachs der Gebornen über die Gestorbenen war 1731. Das Verhältniß der Geburten zur Bevölkerung angehend, so kommen von 1830/44 auf 10.000 Einwohner 355 oder 1 Geburt auf 28,2 Einwohner; es ist also größer als das Mittel des Landes (1 auf 26,1 Einw.). Unter hundert Gebornen befinden sich von 1830/40 15 uneheliche; es verhalten sich demnach die unehelichen zu den ehelichen wie 1:6,7. Bei Unterscheidung der Geschlechter ergeben sich auf 1000 weiblich Geborne von 1830/40 1042 männlich Geborne. Gestorbene kommen in diesem Zeitraum auf 10.000 Einwohner durchschnittlich 295 (1:34,0), dem Mittel des Landes (1:34,2) ziemlich gleich. Ferner kommen auf 1000 weibliche Gestorbene 1037 männliche, auf 1000 Gestorbene männlichen Geschlechts 1207 Geborne desselben Geschlechts und auf 1000 weiblichen Geschlechts 1202 Geborne desselben Geschlechts. Bei 1000 Personen natürlichen Zuwachses kommen 516 auf das männliche und 484 auf das weibliche Geschlecht, auf 1000 Personen gesammten Zuwachses 549 männliche und 451 weibliche Personen.

Von den einzelnen Orten des Oberamts zeichnen sich durch bemerkenswerthe Verhältnisse aus, und zwar durch geringere Sterblichkeit nach dem Durchschnitt der Jahre 1830/40: Brettheim 24,2, Lindlein 23,0, Wiesenbach 24,7, Reubach 24,8, Spielbach 24,9, Niederstetten 25,1, Wildenthierbach 25,6, Wittenweiler 25,8 auf je 1000 Einwohner im Jahr;[3] durch größere Sterblichkeit auf 1000:| Amlishagen 37,5, Michelbach an der Lücke 35,7, Lendsiedel 34,6, Kirchberg 34,5, Blaufelden 32,8, Dünsbach 31,5, Ruppertshofen 32,8, Gerabronn 31,3.

Die meisten Geburten fanden in diesem Zeitraum statt auf 1000 Einwohner: zu Bächlingen 42,1, Gerabronn 41,7, Ober-Stetten 40,0, Amlishagen 37,5, Blaufelden 37,8, Dünsbach 37,9, Herrenthierbach 37,9, Michelbach an der Lücke 37,2, Raboldshausen 37,2; die wenigsten zu Hornberg 30,5, Nieder-Stetten 29,2, Bartenstein 29,0, Reubach 28,5, Schmalfelden 27,7, Wittenweiler 28,5, Lindlein 26,9.

Die meisten unehelichen Kinder haben auf 100 Geborene: Hornberg 31, Reubach 25, Michelbach an der Lücke 24, Leuzendorf 21, Brettheim 21, Schmalfelden 20, Blaufelden 20, Roth am See 19; die wenigsten: Wildenthierbach 6, Riedbach 6, Niederstetten 8, Gerabronn 10, Herrenthierbach 10, Wittenweiler 11, Langenburg 11, Amlishagen 12, Ober-Steinach 12, Spielbach 12.

2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.

Die Einwohner gehören, mit Ausnahme der nicht sehr zahlreichen Einwanderungen aus Schwaben, durchaus dem Stamme der Ost-Franken an, und sind von wohlgebautem, kräftigem, ziemlich großem Schlag. Viele derselben erreichen ein hohes Alter. Von den 797 Gestorbenen des Jahrs 1840 wurden 88 zwischen 60 und 70, 77 zwischen 70 und 80 Jahren und 1 Person über 90 Jahre alt.

Endemische Übel sind – den Cretinismus in Kirchberg und Hornberg[4] abgerechnet – nicht vorhanden; epidemisch dagegen kommen außer den gewöhnlichen Kinderkrankheiten, wie Masern, Scharlach, Keuchhusten, nicht selten gastrisch-nervöse Fieber vor, am Häufigsten in Blaufelden und Sigisweiler.[5] Vorherrschend sind sonst die Entzündungskrankheiten, besonders der Respirations-Werkzeuge, und häufig als Folge der Vernachlässigung dieser, | chronische Krankheiten der Brustorgane. Häufig sind ferner schleichende Magenentzündungen, zum Theil durch öfteren Branntweingenuß erzeugt, und die sich daraus hervorbildende Magenverhärtung. Dann sind Brüche (Herniae) unter den körperlichen Gebrechen die hervorstechendsten, sehr häufig vorkommenden.[6] Im Jahr 1841 starben an den am Meisten vorkommenden Krankheiten: 68 an Abzehrung, 30 an Atrophie, 44 an Wassersucht, 18 an Brustwassersucht, 29 an Altersschwäche, 30 an Stick- und Schlag-Fluß, 45 an Brustentzündung, 25 an Luftröhrenentzündung, 25 an Schleim- und Nerven-Fieber, 16 an Lungenschwindsucht, 14 an Halsentzündung, 7 an der Ruhr. Todtgeboren wurden 21.

1

Nach der im Jahr 1839 erfolgten Aufnahme der Cretins ergab sich eine große Zahl, nämlich 105, obgleich sich indessen gezeigt hat, daß deren noch viele damals übersehen wurden. Davon waren blödsinnig 87, zugleich taubstumm 30, bloß übelhörig und stammelnd 41 und taubstumm ohne Blödsinn 9. Auch fanden sich viele Kröpfe. Die mittlere Größe der Rekrutirungspflichtigen des Bezirks berechnete sich nach einem fünfjährigen Durchschnitt (Württemb. Jahrb. v. J. 1833. S. 371) auf 5′ 8,60″, weniger als das Maximum (5′ 8,87″ im Oberamt Wangen) 0,27″ und das Minimum (7,77″ Maulbronn) um 0,83″ übersteigend. Unter 1000 Mann waren 299 6′ groß und größer (in den Jahren 1840 bis 1844 unter 1264 154 Mann), in welcher Beziehung nur noch sechs Oberämter ein günstigeres Verhältniß zeigten. Gebrechliche kamen 369 auf 1000 und darunter waren wegen allgemeiner Körperschwäche und Kränklichkeit 60 untüchtig. Bei den Musterungen von 1840 bis 1844 waren von 1264 nur 277 als untüchtig auszuscheiden, darunter 46 wegen allgemeiner Körperschwäche und Kränklichkeit. Von den 244 in diesen fünf Jahren abgelieferten Rekruten hatten 160 schwarze und| dunkelbraune, 84 hellere Haare. Die kräftigsten Leute lieferten die Gemeinden in der ehemaligen rothenburger Landwehr, die schwächlichsten Hornberg, Kirchberg und Michelbach an der Lücke.

Die Mundart der Gegend ist abweichend von den übrigen Mundarten Deutschlands, selbst von der im Innern Frankoniens. Die Betonung ist weniger hart, als in Schwaben alpabwärts, und es lautet überhaupt die Aussprache lieblicher, als die schwäbische in dem bemerkten Landstrich, dagegen rauher als die allemannische und weniger ansprechend, als die in dem innern[7] Franken.

Die Sonntags-Kleidung besteht beim Landvolk in der Regel in einem Rock und langen Beinkleidern über Stiefel, von blauem, selbst gewobenem wollenen Tuch, ganz schließender Weste, schwarzer Halsbinde und zur Kopfbedeckung in einem dreieckigen Hut. Ledige Pursche tragen statt des Rocks ein blaues Wamms und statt des Huts eine Mütze beliebiger Form. Die Kleidung des weiblichen Geschlechts dagegen ist ein bis zu den Knöcheln reichender faltiger wolltuchener Rock von blauer, rother, schwarzer oder gemischter Farbe, ein dunkelfarbiger Kittel von Wolltuch und eine kurze Schürze. Dazu kommt als das unterscheidendste Stück der hiesigen Tracht eine weiße oder schwarze in weitem Bogen den Kopf umragende Draht- oder Rad-Haube, bei Mädchen eine glattaufliegende, aber reich mit seidenen langen Bändern verzierte Haube über den herabhängenden Zöpfen, und wird dieses Prachtstück selbst von Denen beibehalten, die sich in neuester Zeit im Übrigen nach der allgemeinen Mode kleiden.

Die Nahrung des Landmanns besteht der Hauptsache nach in fettgekochten Mehlspeisen, in Erdbirnen und Milch, in den Zwischenspeisen[b 1] in Brod, bei anstrengenderen Arbeiten in Wein oder Branntwein. Gemüse, außer| Sauerkraut, auf das bei Festlichkeiten gekochtes gedörrtes Obst, sonst aber regelmäßig mit Brod gemischte sauere Milch folgt, werden wenig genossen, und im Sommer auch wenig Fleisch, im Herbst und Winter dagegen ist in vielen Häusern kein Mangel an Fleischspeisen und wird mitunter nur zu wenig haushälterisch damit umgegangen. Rinder, Kühe und Schweine werden ins Haus geschlachtet.

Der Charakter des Volkes ist gut. Die Einwohner sind der Mehrzahl nach gutartige, ruhige, friedliebende, haushälterische und arbeitsame Leute. Den Forderungen der Religion wird in Beobachtung der äußeren Gebräuche entsprochen und es findet sich selbst nicht selten wahre Religiosität. Von Frömmelei und Sektengeist ist bis jetzt der Bezirk frei geblieben; eine Erscheinung, die theils der geringern Tiefe des Gemüths und theils wenigerem Forschungstrieb, als dem Schwaben eigen, zuzuschreiben ist.

In Anlagen und Bildung steht das Volk den Bewohnern des übrigen Landes nicht nach. Wenn hinsichtlich der geistigen Gaben dem Schwaben zur Unterscheidung von andern Stämmen mit Recht größere Tiefe zugeschrieben werden mag, so zeichnet dagegen den Franken größere Raschheit in Gedanken, Wort und That aus. Eine lobenswerthe Eigenschaft ist ferner, daß sie nicht proceßsüchtig sind, vielmehr eine wahre Scheu vor gerichtlicher Erledigung ihrer Streitigkeiten haben. Auch kommen, verglichen mit andern Theilen des Landes, wenige Verbrechen und Vergehen vor. Mit den Übertretungen bloßer polizeilicher Verordnungen wird es dagegen nicht besonders genau genommen.

Besonderer Gebräuche und Sitten ist nicht zu gedenken, außer etwa der tiefgewurzelten Gewohnheit, nach der Beerdigung verstorbener Angehöriger in Wirthshäusern sogenannte Leichtränke zu geben, die manchmal in unschickliche Lustbarkeiten ausarten. Nun ist jedoch auch dieser Gewohnheit begegnet. An den Kirchweihen wird, wie anderwärts, lustig gelebt, wobei es einige Tage nicht immer| sehr sittlich zugeht, und im Übrigen reißt die Gewohnheit bei der Jugend ein, die Nachmittage der Sonn- und Feier-Tage auswärts, namentlich in dem nächstgelegenen Städtchen, zuzubringen und dort manchmal des Guten etwas zuviel zu thun. Von Spielen wird bloß das Kegelspiel häufig getrieben. Auch ist hier eines eigenthümlichen Volksfestes, das unter dem Namen „die Mußwiese“ bekannt ist, zu erwähnen, da der Besuch dieses fünftägigen Marktes bei dem Weiler Mußdorf für Jung und Alt Bedürfniß ist, und einen Sammelplatz zu allgemeinen Lustbarkeiten für die ganze Gegend bildet, auf die sich alle Stände schon Monate zuvor freuen (s. die Ortsbeschreibung).

Was die Familienverhältnisse in Bezug auf die zeitlichen Güter betrifft, so besteht zwischen den Eheleuten meist allgemeine Gütergemeinschaft; die Besitzungen an Haus und Gütern, d. h. Grundstücken gehen in der Regel bloß an Eines der Kinder über, während die Geschwister mit Geld abgefertigt werden. Die Eltern wählen beliebig meist das Kind, das zur Zeit, wenn sie sich zurückziehen möchten, gerade die passendste Heirath zu treffen weiß, und nicht selten lassen sie sich noch in rüstigen Jahren durch eine solche Gelegenheit zur Gutsabtretung bewegen. Vermögen wird vorbehalten und neben freier Wohnung für sie und die übrigen Kinder ein genügendes Leibgeding zum Kaufschilling bedungen. Von nun an nimmt der Gutsübernehmer die erste Stelle im Hause ein, doch wird er in seiner Ökonomie von den Eltern unterstützt, so lange sie arbeitsfähig sind. Daß das gewählte Kind gegen die übrigen im Vortheil steht, kommt wohl vor, ist aber auch häufig nicht der Fall; denn manchmal muß das Gut Schulden halber, oder damit die übrigen Kinder einiges Vermögen bekommen, theuer bezahlt werden. Dieser Einrichtung verdankt man den, für die Bevölkerung selbst in den mannigfachsten Beziehungen wohlthätigen, auch für den Staat und die Gemeinden vortheilhaften, Fortbestand größerer Bauernhöfe.


  1. Nach der auf den 3. December 1846 vorgenommenen Volkszählung hat die Zahl der Angehörigen des Bezirks betragen 14.484 männl., 14.764 weibl., zusammen 29.248, die der Familien 6327, und die der Anwesenden 14.110 männl., 14.860 weibl., zusammen 28.970.
  2. Die neuern Akten geben hierüber keine und zu d–g bloß die oben aufgenommene Auskunft.
  3. Ein Israelite von Hengstfeld starb 1844 in seinem ein hundert und vierten Jahre. Auch ein Beispiel von zahlreicher Nachkommenschaft verdient hier Erwähnung: ein 1842 im 87. Jahre verstorbener Landmann von Wallhausen hinterließ 9 Kinder, 55 Enkel und 25 Urenkel, also 89 lebende Nachkommen.
  4. Kirchberg zählt dermalen über 40 und Hornberg 20 geistig oder körperlich, oder in beiden Beziehungen verkümmerte Menschen.
  5. Die sumpfige Umgebung mag hieran schuld seyn.
  6. Die Notizen über die vorherrschenden Krankheiten verdanken wir dem Herrn Hofrath Dr. Röser in Bartenstein.
  7. Von den Einwohnern Frankens selbst ist bloß der Distrikt zwischen Würzburg und Bamberg, meist ehemals Bisthum-würzburgisches Land, Franken genannt.
Berichtigungen
  1. Berichtigung in Beschreibung des Oberamts Gerabronn S. 313–314: S. 36. L. 5. v. u. l. Zwischenspeisen.
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