Beschreibung des Oberamts Geislingen/Kapitel B 8
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katholisches Pfarrdorf mit 558 Einwohnern, worunter 2 Protestanten, 21/2 Stunde westsüdwestlich von Geislingen im Wiesensteiger Thal (hier auch Geißthal, Spindelthal genannt), welches sich schon bedeutend erweitert und mit vielen Obstbäumen geziert ist, auf einem wasserreichen Wiesengrund an der Fils gelegen, hat seinen Namen von dem kleinen Bache Ditz, welcher 1/4 Stunde vom Orte entspringend mitten durch denselben lauft, und außerhalb sich mit der Fils vereinigt. Der Ort gehört in das Kameralamt Wiesensteig, Forstamt Kirchheim, Dekanat Eybach.
Den Zehnten (an die Gemeinde mehrjährig verpachtet) beziehen der Staat, die Ortspfarrei und die Stiftung Drackenstein; Grund- und andere Gefälle der Staat, die Ortsgemeinde und Ortsstiftung, die Pfarrei etc. (S. 88.)
Das Dorf ist weitläufig gebaut und zählt 118 Gebäude, nemlich 78 Haupt- und 40 Nebengebäude, etwa der vierte Theil derselben ist noch mit Stroh gedeckt.
Die Markung hält 1887 M., der Boden im Thal ist steinigt und hart zu bebauen, auf der Alp etwas leichter, und im Ganzen nicht sonderlich ergiebig; der Ort selbst ist mit Fruchtbäumen umgeben. Der Feldbau bleibt meistens den Weibern und Kindern überlassen, indem die Männer im Sommer als Gipser auswärts einen guten Verdienst machen. Den Winter über werden eine Menge Spindeln (etwa 120.000) verfertigt und durch Hausiren verkauft.
Die Gemeinde besitzt etwa 1200 fl. Vermögen und hat keine Schulden; als bürgerliche Benefizien werden aus den Gemeindewaldungen Holzgaben gereicht.
Die Stiftung hat 16.000 fl. Vermögen. Die Pfarrei hatte schon vor 1586 ihr eigenes Einkommen; im Jahre 1639 kam sie an das Collegiatstift in Wiesensteig, welches dieselbe durch einen Kanonicus versehen ließ. Vom Jahre 1691 an ist wieder ein eigner Geistlicher im Ort. Dieser und sein Nachfolger führte den Titel eines Kuraten; das | Stift Wiesensteig, so lange es bestund, erkannte sie nur als Pfarrvikarien an. Patron ist jetzt der Staat, welcher zugleich die Baulast der Kirche und des Pfarrhauses hat, deren Reparationen der Heilige bestreitet. Die Pfarrkirche zum heiligen Lorenz, welche auf einem Hügel im Orte steht, ist im Jahr 1707 gebaut. In die Pfarrei sind seit 1812 sechs ehemals bairische, seit 1806 württembergische Höfe in Ganslosen eingepfarrt, deren Einwohner katholisch sind, und vor 1812 zur Pfarrei Deggingen gehörten.Die Mühle in Ditzenbach wurde im Jahr 1375 an das Kloster Blaubeuren verkauft (Hausleutner Archiv 1, 77). Unter dem Jahr 1284 ist ein Fridericus de Tizembach miles in das kloster-adelbergische Todtenbuch eingeschrieben.
Ditzenbach gehörte früher zu der Helfensteinischen Herrschaft Wiesensteig und kommt als Tizzenbac schon im Jahr 861 vor in der Stiftungsurkunde des Klosters, nachherigen Stifts Wiesensteig, welches hier den Zehnten erhielt. In Beziehung auf den Wechsel der Herren hatte es gleiche Schicksale, wie die Herrschaft Wiesensteig überhaupt und ist demnach seit 1806 württembergisch.
Vom Orte 1/4 Stunde entfernt liegen auf einem kegelförmigen ins Filsthal vorspringenden Berge, welcher eine schöne, aber nicht weite Aussicht darbietet, die Ruinen der Hiltenburg, nach Abtretung von Helfenstein ein Hauptsitz der älteren Linie der Grafen von Helfenstein, welche hier eine Zeitlang ihr Archiv hatten und von denen Graf Ulrich im Jahr 1363 allda eine Kapelle erbaute. Die noch stehenden hohen Grundmauern, die Kellergewölbe, die Gräben und Wälle lassen auf eine ehemals starke Befestigung schließen. Zu dem Burgplatze gelangte man auf dem ehemaligen Burgweg, der sich in steiler Wendung um den Berg schlingt und fast bis zur Höhe der Burg befahrbar ist. Hiltenburg war in den ältesten helfensteinischen Zeiten der Sitz eines Amtmanns; den 1. Juli 1289 ist Zeuge: Heinricus dictus de Ramungen, minister de Hiltenburg Ulrici C. de Helfenstein (Arch. Urk.).
| Das Schicksal der helfensteinischen Güter überhaupt häufig verpfändet und theilweise verkauft zu werden, theilte auch Hiltenburg, namentlich wurde von Graf Ludwig von Helfenstein im Jahr 1446 sein Drittels-Antheil an diesem Schlosse und der Stadt Wiesensteig nebst andern Besitzungen, und von Graf Friedrich von Helfenstein im Jahre 1447 dessen Drittheil an Graf Ulrich von Württemberg veräußert (Kerler Gesch. S. 113) bis zum Jahre 1482, wo Graf Eberhard d. j. von Württemberg sich um den Preis von 20.000 fl. zur Lösung, welche bei dem Verkaufe vergönnt worden war, verstund. (Sattler Grafen. 3te Fortsetzung S. 187. Kerler S. 122.) Bei dem Rückzuge Herzog Ulrichs von Blaubeuren (Spätjahr 1516) schoß die Wache auf die in Gosbach gelagerten herzoglichen Leute und eine, 2 Pfd. 2 Lt. schwere Kugel, welche noch im Wirthshaus zum Rad in Gosbach gezeigt wird, fuhr durch eine Stube dieser Herberge, welche mit zechenden Kriegsleuten angefüllt war. Zwar wurde niemand beschädigt und alle Wahrscheinlichkeit war dafür, daß der Schuß unabsichtlich geschehen sey, – wie denn der Kaiser in einem Ausschreiben vom folgenden Jahre den Schuß für einen ungeschickten Ehrenschuß erklärt, der seinen Grund darin gehabt habe, daß die Württemberger im Hinaufzug nach Blaubeuren sich über die Stille im Schloß lustig gemacht haben, – aber der Herzog sah in dem Schuß keinen Zufall, sondern eine Beleidigung, rückte gegen das Schloß an, welches, weil die Wächter flohen, leicht zu besetzen war. Doch tönte das ganze Thal von Kriegslärm wieder. Die Gemahlin des Grafen, in Wiesensteig wohnend, eilte auf die Nachricht herbei und that, obwohl hoch schwanger, vor dem Herzog einen Kniefall, bat, daß nichts zerstört werde, bis ihr Gemahl komme, und übergab die Schlüssel zur Burg. Ulrich hob sie gnädig auf und hieß sie guten Muthes seyn. Der Graf, kaiserlicher Diener und gegen den Herzog gebraucht, war damals auf dem Reichstag zu Augsburg und lag an einem Beinbruch krank, Als er auf erhaltene | Nachricht nicht einwilligen wollte, daß das Schloß zur Strafe fortan für Württemberg ein offenes Haus sey, wurde es auf Ulrichs Befehl in Brand gesteckt und ausgebrannt den 9. Nov. 1516. (Aus Heyd Ulrich 1, 476.) Diese Behandlung des Grafen von Helfenstein wurde nachher unter den Beschwerdepunkten gegen den Herzog aufgeführt und war somit eine der Ursachen seiner Verbannung und seiner langen Leiden. – Von der Zerstörung der Burg sind noch ein Brunnen und zwei Keller ziemlich gut erhalten, die Gräben und Schanzen, Reste eines kolossalen Thurmes und einige zum Theil 20′ hohe Mauern zeigen noch die Ausdehnung der ehemaligen Burg. Der große Schloßhof wird gegenwärtig mit Waldbäumen angepflanzt. Die Ruinen sind Staatseigenthum.Dieses Hiltenburg ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen im bairischen Ldg. Mellerichstadt, wovon sich ein freiherrliches Geschlecht schrieb und ein Gizo de Hiltenborc häufig in Urkunden K. Friedrichs I. vorkommt.
Das Ditzenbacher Bad (vergl. Riecke in den Württ. Jahrb. 1839. S. 239), in der Nähe des Orts an der Vicinalstraße gelegen, gehört durch seinen Gehalt an kohlensaurem Gas zu den angenehmen Säuerlingen, von dessen chemischen Bestandtheilen und ärztlichem Gebrauche oben S. 17 die Rede war. Die Mineralquelle wurde schon im Jahr 1666 (nicht 1690) entdeckt, aber erst im Jahr 1755 gelang es, dieselbe zu fassen und das wilde Wasser abzutreiben. (S. umständlichere Nachrichten hierüber und Auszüge aus dem Vormerkungsbuch der Herrschaft Wiesensteig in den Württ. Jahrb. Jahrg. 1820–21. S. 339–43.) Eine Zeitlang wurden gegen 70.000 Flaschen jährlich nach Baiern verführt. Die Untersuchung des Wassers durch den bairischen Leibarzt Wolter, welcher deren Ergebniß durch eine Druckschrift bekannt machte, trug viel zu ihrer Berühmtheit bei. Der Verschluß gerieth aber ins Stocken, als eine Preiserhöhung vorgenommen wurde, wonach die Flasche an Ort und Stelle 10 kr. kostete. Für den Gebrauch des | Wassers am Orte selbst war keine Anstalt gemacht, nur ein Brunnenhäuschen und eine Brunnenmeisterswohnung war errichtet. Als im Jahr 1783 das Pumpwerk, welches das wilde Wasser abführt, durch Anschwellung der Fils zerstört war, verkaufte die bairische Regierung, die Kosten der Herstellung scheuend, den Brunnen an einen Privatmann. Nachher wurde aber die Quelle ganz vernachlässigt, und allmählig verschüttet. Als Ditzenbach württembergisch geworden war, wollte die Regierung im Jahr 1811 die Quelle von neuem fassen lassen, allein der Versuch mißglückte. Erst im Jahr 1823 stellte Feldmeßer Moll von Gruibingen die Quelle wieder her. Sie wurde in einem viereckigten hölzernen Kasten aufgefangen, aus welchem man Wasser heraufpumpt. Durch den pensionirten Hauptmann Schweizer wurde sofort blos 40 Schritte von der Quelle, aber durch die vorübergehende Landstraße von ihr geschieden, ein Bad- und Gasthaus erbaut, welches sich eines zunehmenden Besuchs erfreut. Im Jahr 1828–37 war die Durchschnittszahl der jährlichen Kurgäste 20, im Jahr 1838: 37, im Jahr 1839: 59, im Jahr 1840: 61. Behufs des Badens sind 6 Bade-Kabinette eingerichtet. Versendet werden jährlich etwa 12.000 Flaschen. Die Thalbewohner benützen den Säuerling zum Trinken und Kochen.Die Literatur über die Ditzenbacher Heilquelle ist folgende:
Wolter, J. A. Edler von, Kaiserlicher und Churfürstlicher Rath und Proto-Medicus, Gründlicher Bericht von dem Ditzenbacher Heilbrunnen etc. 1755. 8. Neu aufgelegt im Jahr 1830 von dem damaligen Pächter Gottfried Knauß unter dem Titel: Die Ditzenbacher Heilquelle im Königreich Württemberg.
Leuthner, Joan. Nepom. Anton., Westerheimensis Bojus, Diss. inaug. de acidulis Dizenbacensibus in comitatu Wartenbergico. Ingolstadii typis M. A. Scheigin. 1764. In folio.
| Abele, Oberamtsarzt in Kirchheim (jetzt in Cannstatt) Beschreibung der Ditzenbacher Heilquelle. Kirchheim, Schwarz. 1838. 8., auch mit einem Titel von 1839.
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