« Kapitel B 13 Beschreibung des Oberamts Geislingen Kapitel B 15 »
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14. Groß-Süßen,
mit dem Näherhof und dem Zollhause. Gesammt-Einwohner 1245.
a) Groß-Süßen, ehmals Süßen schlechtweg genannt, evangelisches Pfarrdorf mit 1226 Einwohnern, liegt an der Fils, mit welcher sich oberhalb des Orts die Lauter, unterhalb desselben der Schweinbach vereinigt und von welcher ein Arm durch den Ort selbst fließt, und ist von der Oberamtsstadt | 2 Stunden nordwestlich entfernt. Das Dorf gehört in das Dekanat Geislingen, Forstamt Kirchheim, Revier Heiningen. Hier scheiden sich die 2 Hauptstraßen nach Ulm und Heidenheim.

Das Thal der von Pappeln und Erlen umgebenen Fils, welches bis Gingen ziemlich enge und von steilen, theilweise kahlen Bergen eingefaßt ist, erweitert sich von jetzt an immermehr, indem die bis dahin von S. nach N. laufende Gebirgskette auf der einen Seite, gegen W. plötzlich abfällt, auf der andern gegen N. O. theils sanft und allmählig sich abdacht, theils mehr in einzelnen Höhepunkten ausläuft, wie Hohenstaufen, Staufeneck, Ramsberg, Scharfenschloß, welche zum Theil mit Schlössern gekrönt die ganze Umgegend beherrschen. Die herrliche, milde Gegend kann sich mit den schönsten des Landes messen.

Den großen Zehnten bezieht der Staat, den kleinen die Pfarrei. Einige wenige Äcker zehnten an die Grafen von Rechberg und Degenfeld.

Der Ort ist ziemlich regelmäßig und weitläufig gebaut, und hat ein reinliches und freundliches Ansehen; er hat 264 Hauptgebäude.

Die Einwohner sind fleißig und sparsam und großentheils wohlhabend; ihr Hauptnahrungszweig ist die Landwirthschaft. Die Markung beträgt mit Einrechnung der 955 Morgen Staatswaldung 3475 Morgen meist sehr fruchtbarer Äcker und Wiesen. Außer den Halmfrüchten werden vorzüglicher Hanf und Flachs und für den starken Viehstand eine Menge Futterkräuter gebaut. Als Nebenbeschäftigung ist hier ein nicht unbedeutender Handel mit Obst, Flachs, Leinwand, Heu, Vieh u. s. w. Ferner wird Leineweberei getrieben, auch ist eine Bandfabrik und eine Wollenspinnerei errichtet, deßgleichen eine Käserei, welche jährlich für etwa 5000 fl. Milch verbraucht. Dem Holzmangel suchen die Einwohner durch Bebauung der Flußufer mit schnell wachsenden Holzarten einigermaßen abzuhelfen. Auf dem s. g. Schelmenwasen wurde im vorigen Jahrhundert aus Auftrag | der Ulmer Regierung nach Braunkohlen gegraben, aber blos eine schwache Ader gefunden.

Die Gemeinde, welche von jeher durch Truppenmärsche viel leiden mußte, hatte in Folge dessen 27.000 fl. Schulden, welche jedoch im Jahr 1841 vollends abbezahlt wurden. Die Gemeindenutzungen, welche nur die ältesten Bürger genießen, sind unbedeutend.

Das Patronat der Pfarrei, so wie die Baulast des Pfarrhauses hat der Staat, die Baulast der Kirche die Gemeinde.

Die Kirche – ehmals dem h. Ulrich geweiht – war früher durch einen prächtigen Hochaltar mit einem Gemälde von Barthol. Zeitblom aus dem Jahre 1507 und kunstreichem Schnitzwerk, vielleicht von Georg Syrlin dem jüngern, berühmt, brannte aber im Jahr 1707 ganz aus, worauf sie im Jahr 1708 in ihrer jetzigen Gestalt hergestellt wurde. Sie ist groß, hell und einfach schön, hat einen geräumigen Chor und einen hohen Thurm mit Kuppel. An der östlichen Seite befindet sich ein in Stein gehauenes Kunstwerk, den Seelenkampf Christi am Ölberg vorstellend, mit Figuren in Lebensgröße. Das Ganze, ungefähr 20′ hoch und breit, war vor dem Brande ganz vergoldet und zog viele Wallfahrer herbei, gegenwärtig ist es leider mannigfach beschädigt.

Die Stiftung St. Ulrich hat ein nutzbares Vermögen von etwa 15.000 fl. und 1150 fl. Einkünfte; außerdem ist ein Armenhaus vorhanden, in welchem arme Gemeindeglieder unentgeldliche Wohnung erhalten.

b) Der Näherhof auf Groß-Süßener Markung, 2 Häuser mit Nebengebäuden, mit 10 Einwohnern, 1/2 Stunde vom Ort gegen Holzheim gelegen, hat 58 Morgen Äcker und Wiesen.

c) Das Zollhaus in Klein-Süßen, früher Wohnsitz des an der ulmisch-bubenhofenschen Grenze stationirten Zollers mit 9 Einwohnern, jetzt Eigenthum des ehemaligen Zollers, nimmt an den bürgerlichen Lasten und Benefizien von Groß-Süßen Antheil und gehört in diese Markung.

Der Ort Groß-Süßen ist schon sehr alt. Im Jahr 1267 | schenkt in Siezzen Graf Ludwig von Spitzenberg den Kirchensatz mit Zugehör dem Kl. Adelberg (Orig. im Stuttg. Staatsarchiv), eine Schenkung, welche im Jahr 1298 K. Adolf, im Jahr 1300 P. Bonifacius VIII., in demselben K. Albrecht, im Jahr 1321 dessen Sohn Friedrich, im Jahr 1323 die Brüder Johannes und Ulrich, Grafen von Helfenstein bestätigten, letztere nicht ohne vorhergegangenen langen und kostbaren Streit, welcher vor dem Bischof geführt wurde. Ebengenannter Graf von Spitzenberg schenkt im Jahr 1270 seiner Schwester Agnes, der Wittwe eines Grafen von Aichelberg, 2 Höfe mit einem Lehen in Siezzen. Zeuge in der Urkunde ist Walter Dekan in Süßen (Originalien im Stuttgarter Staatsarchiv, siehe auch Sattler Grafen 1ste Fortsetzung Beil. Nr. 36).

Von Süßen schrieb sich die Familie der Herrn von Süßen. H. de Süzzen kommt im Jahr 1272 als Zeuge vor (Stuttg. Arch. Urk.), im Jahr 1290 desgleichen Sifridus dictus de Siezzen (Stuttg. Archiv unter Adelberg; Crusius Ann. lib. 3. part. 3. S. 172).

Begütert waren in Süßen die Grafen von Helfenstein, die Herrn von Rechberg, von Degenfeld, von Zillenhard, Kl. Adelberg, Stift Oberhofen, an welches im Jahr 1451 Hans Lieber in Ulm den im Jahr 1444 von Ulrich von Habsberg erkauften großen Laienzehnten in Süßen veräußert (Orig. in Stuttg.), endlich die Kellerei Göppingen. Nach und nach erwarb Ulm einen Besitz um den andern in diesem Orte. Es erkaufte im Jahr 1396 den helfensteinischen Antheil; 1456 und 1500 den der Herrn von Zillenhard, 1467 den der Nachkommen des Hans Schäzer, Bürgers in Geislingen, 1515 den Rechbergischen, diesen aus Gericht, Gerechtigkeiten und Gülten bestehend, von Philipp von Rechberg auf Hohenrechberg und seiner Hausfrau „mit Konsens ihres Trägers Wilhelm von Zillenhard zu Dürnau um 5000 fl. jedoch mit der Bedingung, daß mit dem Kauf alle Anforderung und Gezänke, die Philipp von Rechberg bisher mit der Stadt gehabt hatte, todt und aber seyn sollen.“ Im | Jahr 1526 erwarb Ulm durch Kauf eine Söld allhier vom Probst und Kapitel zu Oberhofen, im Jahr 1614 von Kl. Adelberg den Kirchensatz des Ortes. Auf diese Art war im Anfang des 17ten Jahrhunderts beinahe ganz Süßen ulmisch und hatte einen ulmischen Amtmann. Der eine kleine Viertelstunde unterhalb des Dorfes befindliche Schweinbach bildete die Grenze gegen Württemberg. Mit Ulm und Geislingen wurde Großsüßen im Jahr 1802 bairisch, im Jahr 1810 württembergisch.

Das Wirthshaus zum Adler, seit 1826 von der Gemeinde erworben und zum Schul- und Rathhaus eingerichtet, erkaufte Ulm im Jahr 1591 von dem Eigenthümer Lorenz Kellenbenz. In der Rathsstube ist an dem Plafond der Ritter St. Georg abgebildet; hier hielten die Ritter vom Kanton Kocher, so wie manchmal auch die von Kanton Donau häufig ihre Zusammenkünfte. Um bei ihren, oft ins Grobe ausartenden Gelagen vor den beobachtenden Blicken des gegenüber wohnenden ulmischen Amtmanns sicher zu seyn, bauten diese Gäste, wie die Volkssage erzählt, einsmals während seiner achttägigen Abwesenheit dem Amtmann das kleine Häuschen vor die Nase, welches noch jetzt die nördliche Seite des Pfarrhauses (ehemaligen Amthauses) verunstaltet.

Im Jahr 1707 drangen die Franzosen in das Thal und verheerten drei Viertheile des Ortes, so wie die Kirche mit Feuer. Bei seiner Lage an den 2 Straßen, nach Ulm und Heidenheim, hatte der Ort überhaupt von jeher durch Truppenmärsche viel zu leiden.


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