Beschreibung des Oberamts Geislingen/Kapitel B 12
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Den großen Zehnten bezieht der Staat, vormals die Kirchenpflege Ulm. Den Kleinzehnten hat der Staat, doch gehört der Pfarrei der s. g. kleine Hüttenzehnte, der Obstzehente von den Wiesen und Gärten und von den Gemeindetheilen und den Krautländern.
Das Aussehen des Ortes ist im Ganzen freundlich und reinlich; die Gebäude sind meistens zweistockig und im untern Stock von Stein gebaut.
Die Einwohner sind fleißig und betriebsam, und suchen ihrem beschränkten Grundbesitz den höchstmöglichen Ertrag abzugewinnen. An Gewerben fehlt es nicht, und es gibt besonders viele Branntweinbrenner und Weber (im Jahr 1835 zählte man 14 Leineweber, 28 Lohnweber), auch wird mit Vieh, Obst und Branntwein ziemlicher Handel getrieben. Seit 1837 besteht hier eine bedeutende Käserei. Die Fischerei des Orts ist unbedeutend; Weißfische führt indeß die Fils viele, auch Forellen gibt es. Auf der Markung finden sich gute Sandsteine, auch Schwefelkies. Die Markung befaßt 28554/8 Morgen, meistens fruchtbarer Felder.
Der Ort gehört zu den besseren des Oberamts, die frequente Landstraße dient sehr zu seinem Emporkommen, die neuern Gebäude werden solider aufgeführt, als die frühern, auch sind Ziegeldächer durchgängig eingeführt.
Die Gemeinde hat 2000 fl. Vermögen, ausschließlich des Grund- und Gebäudebesitzes, und es wird seit mehreren Jahren kein Gemeindeschaden mehr umgelegt. Die älteren Bürger und Wittwen genießen als bürgerliches Benefiz 2–3 Gemeindetheile.
Der Heilige, welcher den Namen Quirinus Basilius und Naborus, der ehemaligen Patronen der Ortskirche, führt, hat 4689 fl. Vermögen. Die Baulast der Kirche hat er mit der Gemeinde zu gleichen Theilen zu tragen. Die Kirche hat einen schönen Hochaltar und es ist in ihr eine | alte Inschrift, welche ohne Zweifel von einer früheren Ortskirche oder Kapelle herrührt, eingemauert folgenden Inhalts: anno incarnationis dominicae dcccclxxxiiii...regnante domino ottone jvniore rege salemannus abbas spe aeternae mercedis inductus hoc oratorium a fundamentis erexit atqve rogatu ipsius a venerabili domino gebehardo d....Die Kollatur und Lehenschaft der Kirche besaß noch im 16ten Jahrhundert der Churfürst von Mainz (Weyermann 2, 475). Bereits im Jahr 1440 stellt Erzbischof Dietrich von Mainz für Beringer von Lehenberg (wohl Leimberg bei Gosbach) Lehenbrief um Kirche und Witthum zu Gingen aus (Orig. in Stuttg.).
Gingen ist ein altes Besitzthum der Grafen von Helfenstein, übrigens schon im Jahr 1311 erzstiftmainzisches Lehen (Lehensrevers Graf Ulrichs von Helfenstein gegen Erzbischof Peter von Mainz, wonach er bekannte, daß er villam dictam Gingen cum XL libris Hall. reditibus et pertinenciis suis ibidem feodali titulo besitze, vom Jahr 1311, bei Gudenus cod. dipl. 3, 67). Neben dem Grafen von Helfenstein hatten übrigens in den ältern Zeiten auch die von Rechberg Leute und Güter in Gingen. Von den Grafen von Helfenstein wurde Gingen im Jahr 1482 an Ulm verpfändet. Zwar machte im Jahr 1484 Churmainz Ansprüche auf Gingen, so wie auch auf Machtolsheim, als auf mainzische Lehen, die von den Grafen von Helfenstein nicht alienirt werden könnten, der Streit aber wurde bald niedergeschlagen. Im Jahr 1496 kam Gingen mit der halben Grafschaft Helfenstein durch festen Kauf an Ulm, mit Ausnahme desselben, was die Gräfin Maria von Bosnien zu Helfenstein († 1405) daselbst an Leuten und Gut hatte, was aber nach ihrem Tode der Stadt Ulm anfällig wurde mit Kirchensatz, Gericht, Fischenz und a. Ulm hatte in Gingen ursprünglich einen eigenen Amtmann, dessen Sitz das jetzige Wirthshaus zur Sonne war; später wurde der Ort dem | ulmischen Amte Süßen untergeordnet. Mit Ulm und Geislingen wurde er im Jahr 1802 bairisch, im Jahr 1810 württembergisch.Oben am Ort stunden früher, nicht weit von einander, 2 Kapellen, nämlich das s. g. Heiligkreuz an der Landstraße und die St. Barbara-Kapelle an dem nach ihr benannten Barblenbach. Von beiden Kapellen ist keine Spur mehr vorhanden. Im Lagerbuch von 1734 heißt es, die Heiligkreuzkapelle sey fast gar eingefallen, und von der St. Barbarakapelle nichts mehr zu sehen. – Die Kirchhofmauer des Orts hat noch Überbleibsel ehemaliger Befestigung.
Von Gingen schrieben sich mehrere Ritter, z.B. Burchardus miles de Gyngen in einer kl. kaisersheimischen Urk. v. 1289 bei Lang Reg. 4, 415, Fridericus miles de Gingen, Urk. von 1297, beide helfensteinische Lehensleute. In neuerer Zeit stammt von diesem Orte das berühmte Geschlecht der Gienger. Besonders ausgezeichnet war Gienger von Rothenek, im Jahr 1529 Kanzler des Bischofs in Constanz, hierauf des Königs Ferdinand, der ihn zu den bedeutendsten Staatsgeschäften gebrauchte und zum Statthalter über Schwaben einsetzte, bald aber wegen seiner Unentbehrlichkeit ihn als geheimen Rath an seinen Hof berief, worauf er erster Kanzler in Wien wurde. (Vergl. über ihn und seine Familie Weyermann 2, 126.)
Aus den Alterthümern des Zehntens dieses Orts ist zu bemerken, daß im Jahr 1436 Ulrich von Habsperg seine Hausfrau Justina von Stein auf einen hiesigen Zehnten verweist (Orig. in Stuttg.), beide verkaufen im Jahr 1444 denselben an Hans Lieber Bürger zu Ulm (Orig. in Stuttg.), derselbe veräußert im Jahr 1451 seinen großen Laienzehnten zu Gingen an Stift Oberhofen bei Göppingen (Orig. in Stuttg.). Daß diese Güter von der Grafschaft Helfenstein zu Lehen herrührten, besagen eine Reihe von Lehenbriefen; hierin werden die Güter specificirt als „Haus, Hofraithe und Stadel, ein Gart vor dem Dorf, auch 2 Theile des Laienzehenten, alles zu Gingen im Filsthal gelegen.“ Im Jahr | 1607 kam dieses Lehen tauschweise an die Stadt Ulm. Die Lehnsherrlichkeit ging nach Aussterben der Grafen von Helfenstein mit der Herrschaft Wiesensteig an Baiern über; der letzte bairische Lehensbrief für die Stadt Ulm, welchen das K. Staatsarchiv aufbewahrt, ist von Karl Theodor vom Jahr 1778. Das übrige 1/3tel an dem Laienzehnten hatte das Stift Oberhofen von den Herrn von Stöffeln, nachher den Grafen von Hohenzollern zu Lehen. Von dem Stifte kam es an Ulm, welches im Jahr 1698 das dominium directum durch Kauf an sich brachte. (Nach Originalurkunden im Stuttg. K. Staats-Archiv.)Merkwürdig ist bei Gingen der s. g. Landgraben, über dessen Ursprung man keine sichere Nachricht hat. Er zieht sich von der höchsten Spitze des Hohensteins herab, ist 12–15′ breit und mit einem hohen Aufwurf versehen, dessen Spur von Hohenstein an über die Ödung herunter sehr deutlich ist, besser unten sich in den s. g. Maustobel, eine tiefe Wasserklinge, verliert. Auf der Ebene, nahe an der Fils, unter dem Dorfe, schreibt sich ein ganzes Ackergeländ „am Landgraben“ und gewiß hat sich derselbe hier vorbeigezogen, wenn gleich die Kultur die Spur davon zerstört hat.
Im Jahr 1634 wurde Gingen von Isolani’s Kroaten niedergebrannt.
b) Der Weiler Grünenberg, mit 15 Einw., Filial von Gingen, 1/2 St. entfernt, hat eine eigene Markung von 205 Mrg., und besteht aus dem Anwesen des dortigen Zieglers und eines weitern Bauern. Man genießt von dort eine hübsche Aussicht ins Unterland. Im Jahr 1487 gehörte Grünenberg dem Ritter Wilhelm von Zillenhard, der es an Ludwig Ziegler verkaufte. Im Jahr 1567 war sein Kaufpreis 600 fl.
Der Großzehnte gehört dem Staat, vormals der Kirchenpflege Ulm, der kleine Zehnte der Pfarrei Gingen.
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