« Kapitel B 6 Beschreibung des Oberamts Göppingen Kapitel B 8 »
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7. Gemeinde Boll,
mit Sehningen und dem K. Bade,

evang. Pfarrdorf mit Marktgerechtigkeit und 1530 Einw., südlich 2 St. von Göppingen an der nach Wiesensteig führenden Straße gelegen. Boll, in alten Zeiten auch Bolle, gehört in die II. Classe der Gemeinden und zum Forstamt Kirchheim. Der große Zehent gehört dem Staat, der kleine der Ortspfarrei. Zehentfrei sind 531/2 M. An den grundherrlichen Rechten des Staats hat die Gemeinde seit 1817 für 13.380 fl. 36 kr. abgekauft, namentlich den Heuzehenten. (S. auch oben S. 78.)

Die Lage von Boll auf der eben S. 6 gedachten wellenförmigen Fläche ist sehr angenehm. Von drei Seiten ist die Gegend eben; auf der Südseite aber, in der Entfernung von einer Viertelstunde, fangen die mit Waldungen bekränzten Berge der niedern Alp an, wegen deren zwar, zumal im Herbst und Winter, ein beständiger Luftzug herrscht (s. oben S. 24); die Luft ist jedoch rein und gesund. Der Ort ist mit Wasser hinreichend versehen. Durch denselben fließt der am Fuße der Alpgebirge entspringende Heimbach. An diesem hin erstreckt sich in einer beinahe halbstündigen Ausdehnung das Dorf. Dasselbe theilt sich in das eigentliche Dorf Boll und in den Weiler Sehningen, der jedoch mit diesem nunmehr ganz zusammenhängt und in allen Beziehungen schon längst vereinigt ist. Vom Dorfe führt eine schattige Lindenallee in das eine kleine Viertelstunde entfernte, westlich an der Grenze des O.A. Kirchheim gelegene, königliche Bad Boll. Dasselbe breitet sich mit seinen hübschen Gartenanlagen und seinem schönen, in großartigem Style errichteten, Gebäude auf jener freundlichen Ebene aus, welche östlich von dem viel besuchten Aichelberg begrenzt wird, und 1413 württembergische oder 1246 Pariser Fuß über der Meeresfläche sich erhebt.

Die Gemeinde zählt 243 Haupt- und 68 Neben-Gebäude. Die oben im Dorfe gelegene Kirche zum h. Cyriacus, einst Stiftskirche, ist in gutem Zustande. Ihr Baustyl, welcher byzantinische Formen zeigt, verräth ihr hohes Alter. Das Hängewerk unter dem etwas schwer zugänglichen Dache wird von Architekten bewundert. Die Kanzel bietet schöne Sculpturarbeiten dar. An dem zu derselben führenden steinernen Geländer wendet sich in halberhabener Arbeit ein Weinstock hinauf, dessen Reben mit Laub und Trauben prangen; und an dem untern Theile der Kanzel ist das Wappen des Grafen von Irrenberg, eines Gemahls der heiligen Bertha (s. hienach), in | Stein ausgehauen. Auch hängen in der Kirche noch die Wappenschilde der drei Eheherrn derselben. Der Boden ist mit figurirten Ziegelplatten gepflastert. Als kürzlich der Stiftungsrath einen großen Stein aufheben ließ, fanden sich darunter Spuren eines menschlichen Leichnams von ungewöhnlicher Größe, welcher nicht in einem Sarge, sondern in einem Leintuch, das mit einer dicken Schichte Kalk umgeben war, lag. Der neben der Kirche stehende Kirchthurm ist 1821 verändert worden, wodurch er leider seine byzantinischen Formen verloren hat. Die große Glocke trägt die Jahreszahl 1400. Die Baulast liegt dem Heiligen und, wegen dessen Unvermögenheit, der Gemeinde ob. Das nahe bei der Kirche stehende Pfarrhaus liegt angenehm und ist vom Staate zu unterhalten. — Die Badgebäude, welche mit den Gärten und Wegen einen Flächenraum von 123/4 M. 10 R. einnehmen, wurden an der Stelle der alten, 1824 zu bauen angefangen und in den nächstfolgenden Jahren vollendet. Außer einigen Nebengebäuden bestehen sie in dem neuen Hauptgebäude, in dessen drei Stockwerken ein schöner Saal, 58 Zimmer und 17 Badekabinete, wovon 3 zu Touche-, Regen-, Sturz- und Staub-Bädern eingerichtet sind, sich befinden; im alten Hauptgebäude, mit 2 Sälen, 48 Zimmern und einem Dampf-, Sturz- und Gas-Bad; und in dem Nebenflügel[1] mit 18 Zimmern und 8 Badecabineten. Mit dem Saal im Hauptgebäude ist ein auf eisernen Säulen ruhender Balkon in Verbindung gesetzt, der eine herrliche Aussicht auf die Alpgebirge darbietet. In dem schön angelegten Garten steht ein hübsches Kurhaus, und im Walde gegen Gruibingen ein Schweizerhaus. Ein seit 1625 eigens bestellter Badarzt hat die Verbindlichkeit, während der Badezeit hier zu übernachten, und der Ortsgeistliche hält (seit 1620) je am andern Sonntage während jener Zeit hier eine Predigt. Die natürliche Beschaffenheit des Bades, womit auch eine Molkenkuranstalt verbunden ist, ist oben S. 9 beschrieben, und Näheres über die Anstalt selbst und ihre Umgebungen findet sich in der dort S. 11 erwähnten Schrift von 1824. Wir bemerken nur noch, daß Herzog Friedrich I. im J. 1594 die Quelle fassen und mit einer Badanstalt erstmals versehen ließ, und daß, wegen der außerordentlichen Heilkraft, welche sie alsbald bewährte, das Bad lange unter dem Namen „Wunderbad“ | bekannt war. [2] Neben dem Bade und früher als dieses bestand auch eine sogenannte Badstube im Dorf, die schon 1477 genannt wird und im dreißigjährigen Kriege einging. Die Einwohner sind häuslich und arbeitsam, aber weniger bemittelt. Hauptnahrungsquelle ist zwar der Landbau; die Felderzeugnisse reichen jedoch für den gewöhnlichen Bedarf nicht hin. Die Gewerbe sind, wenigstens der Zahl nach, von Bedeutung. Der Boden ist ziemlich fruchtbar. Ein Morgen Ackers erträgt bis zu 6 — 7 Sch. Dinkel und 5 — 6 Sch. Haber. Die Wiesen, woraus der größte Theil des Feldes besteht, können zwar nicht gewässert werden, liefern aber reichliches und sehr gutes Futter, das bei der bedeutenden Schafzucht gut verwerthet werden kann. Der Obstbau, der, wie oben S. 51 gezeigt, schon frühe hier sich auszeichnete, wird lebhaft betrieben. Die Bäume gedeihen ganz gut und liefern nach allen Gattungen sehr gute Früchte. Sie blühen früher, als in Göppingen, aber Nachtfröste zerstören nicht selten den reichsten Segen. Die Pferdezucht ist nicht von großer Bedeutung, obgleich ihr die große Weidefläche hier günstig wäre. Aus diesem Grunde scheint auch Herzog Carl Alexander 1735 den übrigens nicht zur Ausführung gekommenen Plan, hier einen „Fohlenhof“ anzulegen, gefaßt zu haben. Die Rindviehzucht hat sich, namentlich seit Einführung der Stallfütterung, bedeutend gehoben. Die Mästung ist auch von Bedeutung. Die Butter wird von Händlern bis Stuttgart verwerthet; und eine vor 15 Jahren gegründete Käserei verkauft jährlich mehrere hundert Centner ihres Fabrikats. Sehr stark wird auch die Schafzucht betrieben. Es werden 3000 bis 4000 Stücke hier überwintert. Die Zahl der hiesigen | Schäfer beträgt 65; doch sind es meist kleine Eigenthümer, die als Knechte andern Schäfern dienen und zugleich einige eigene Stücke mitlaufen lassen. Außer diesen ist die Zahl der Gewerbe über 200. Wir bemerken darunter namentlich 2 Tuchmacher; 34 Strumpfweder, wovon aber nur 3 auf eigene Rechnung, die übrigen für Göppinger Meister um Lohn arbeiten; 24 Leineweber und 1 Bildweber, die auf Bestellung arbeiten; 12 Zeugmacher, meist für die Fabriken in Jebenhausen beschäftigt; 23 Bäcker; 19 Schuster, meist Märkte besuchend; 1 Kaminfeger; 1 Ziegler; 1 Seifensieder; 2 Glaser; 3 Chirurgen; 1 Kaufmann und 4 Krämer; 1 Drechsler. An Wasserwerken ist eine Mahlmühle vorhanden, und unter den 18 Wirthschaftsgewerben sind 4 Gastgeber. Mit Heu und Haber wird ein starker Handel getrieben, auf der Alp aufgekauft und meist an die Garnison Ludwigsburg verwerthet. Ein ähnlicher Handel mit Holz ist weniger vortheilhaft. Auch nähren sich viele ältere Frauen mit Wollspinnen für die Tuchmacher in Göppingen.

Die Gemeinde besitzt 6771/2 M. Waldungen. Das Patronat steht der Krone zu. Außer Sehningen und dem Bade hat die Pfarrei keine Filiale. An der Schule sind ein Schulmeister, ein Unterlehrer und ein Schulgehülfe angestellt. Der Schulfonds war 1842 700 fl. Winters besteht eine Industrie-Schule. Auch ist eine Kleinkinder-Schule vorhanden. Der seit 1832 bestehende Pferde- und Rindvieh-Markt ist nicht unbedeutend. Der Begräbnißplatz liegt um die Kirche her; auf demselben ruht der Restaurator des Boller Bades: Finanzminister von Weckherlin.

Boll ist ein sehr alter Ort. Der S. 155 erwähnte Bericht von 1535 gibt über die Geschichte desselben Folgendes als Sage. [3] Oberhald „Boll vnter der Eck“ liegen auf dem Berge, die Burghalde genannt, die Ruinen des Schlosses „Landseer.“ Dasselbe habe einst die heilige Berta oder Berchta besessen, abgebrochen und davon schon vor 800 Jahren, also ums J. 735, die Ortskirche bauen lassen. Berta habe drei Männer gehabt: den Grafen Hans von Ravenstein, den Grafen Albrecht von Klingenstein und den Grafen Heinrich von Irrenberg. Sie sey auch Herrin über das Dorf gewesen, und nachdem sie ein Stift hier errichtet, habe sie diesem alle ihre Rechte an dem Dorf und alle zugehörigen Güter geschenkt. Das Stift aber habe nachmals die Grafen von Württemberg zu Schirmherren angenommen, diesen einen Amtmann hier zu ernennen bewilligt und die Hälfte des Gerichtes abgetreten; daher denn auch Frevel und | Bußen zwischen den Grafen und dem Stifte getheilt worden seyen. Als aber das Stift mit jenem in Oberhofen vereinigt worden, habe dasselbe auch diese Hälfte an Württemberg übergeben. Auch diese Sage ist, wenigstens der Hauptsache nach, gegründet. Denn im J. 1560 stellt die Gemeinde Boll noch weiter vor: es habe Berta nicht nur die hiesige und noch drei weitere Kirchen gebaut und sowohl das hiesige Stift als jenes zu Faurndau gegründet, sondern auch „ein jährlich Armusen gestift, daß alle Jahr an St. Berchta Tag 8 Scheffel Dinkel gegeben, welche auch alsbald gemahlen, gebacken vnb vnter Arme vnd Reiche von Boll ausgetheilt worden seyn.“ Berta sey „für eine Heilige gehalten vnb auffgeworfen worden.“ Der Beibericht des Beamten sagt zwar, daß eine Stiftungsurkunde nicht vorhanden, der Inhalt des Lagerbuchs aber nicht entgegen sey. In Übereinstimmung hiemit sagt das alte Seelbuch des Stiftes Boll: »A. Rufi Martiris Berchta vidua, collatrix collegii in Boll.«[4] Auch die in der Kirche noch vorhandenen Wappenschilde der drei Grafen, welche 1531 erneuert wurden, das noch ältere Irrenberg’sche Wappen an der uralten Kanzel und die wenn auch nur dürftigen Ergebnisse neuerer Nachgrabungen sprechen jener Sage das Wort. [5] — Wie nun aber die Herzoge von Teck in den Besitz des Ortes und mehrerer umliegenden Orte gekommen, ist unbekannt. Die Herzoge Conrad IV. und Ludwig VII. verkauften am 5. Nov. 1321 an den Grafen Eberhard von Württemberg „vnsere Gut Huningen, Bolle, die vnter der Egge liegend, vnd darzu Seningen, [6] Gamolzhusen, Lotenberch vnd.. | alle die Wiler, Lüt vnd Gut... als sie von Alter her gehört hant in die zwei Ampt ze Huningen vnd ze Bolle, vnd als sie vnser Vater selig, Herzog Chunrat vnd wir herbracht haben“ — um 2000 Pfd. Heller. Das, was nun Württemberg erworben, begriff aber in Beziehung auf Boll blos die Hoheit und Vogtei in sich. Denn Württemberg besaß noch 1524 hier nur die Hoheit und Obrigkeit, 54 Pf. 10 Sch. Heller Steuer, einen Badstubenzins, 34 Sch. 41/2 Simri Vogtkorn, sowie Zinshühner aus 6 Höfen, 6 Lehen, 22 Sölden und 24 Häusern zu Boll, und aus 1 Hof, 15 Lehen und 3 Sölden zu Sehningen. (Einen Hof, den Leonhards-Hansenhof, erwarb die Kellerei erst 1540 von der Stiftungsverwaltung.) Die grundherrlichen Rechte aber waren, von dem Stifte Boll her, ausschließlich in den Händen des Stiftes Oberhofen. Im Jahr 1789 verkaufte der Kirchenrath die Schäferei zu Sehningen an Privaten.

Boll war, wie wir zuvor sahen, in alten Zeiten der Sitz eines eigenen Amtes, dessen Bestandtheile aber, bei den allgemeinen Ausdrücken der Verkaufsurkunde von 1321, nicht angegeben werden können. In der eigenen Schießstätte, welche noch 1633 Boll hatte, mag sein letzter Rest zu erkennen seyn. Zu den „Beinutzungen“ des Schultheißen gehörte, daß ihm jährlich ein Maier zum Ackerbau frohnen und dienen mußte. — Was Boll 1547 und im dreißigjährigen Kriege erlitten, ist oben S. 102 bemerkt. Noch ist auszuheben, daß 1828 das Haus des damaligen Schultheißen, worin sich eben alle Rechnungen der Gemeinde- und Stiftungs-Pflege befanden, abbrannte.

Die Kirche und das Stift sind nach obigen Angaben 1100 Jahre alt; dasselbe Alter hat also auch die Pfarrei. Des Stiftes wird in den noch vorhandenen Urkunden erstmals am 27. Nov. 1153 gedacht, wo Kaiser Friedrich I. das Stift eine „prepositura censualis“ nennt, quarum census ad usus canonicorum des Hochstiftes Constanz gehören. (Neugart, Cod. dipl. Alem. II. 87.) Dieser Zins wurde 1367 auf 3 Goldgulden jährlich vestgesetzt. In einer Urkunde von 1276 kommen als Zeugen vor »Marquardus prepositus ecclesie de Bolle, Eberhardus canonicus in Bolle, Hainricus custos ibidem.« Den Propst Marquard finden wir noch 1288. Seine Stelle bekleidete 1315 bis 1317 Herzog Ludwig VII. von Teck, und 1332 kommt sogar ein Graf Ulrich von Württemberg, nachher Propst von St. Guido, als Propst von Boll vor. Der Letzte, der diese Würde inne hatte, war Raban oder Rafan von Liebenstein, welcher 1454 einen dem Stifte gehörigen Hof in Boll verlieh. Er war zugleich Domherr in Mainz, und wurde wegen der nach dem Tode des Kurfürsten Erzbischofs Dieterich in dem Mainzer Capitel entstandenen | Spaltungen vom Papst aller seiner Stellen, namentisch auch der Propstei Boll, entsetzt, bezog jedoch, auch nach der Vereinigung des Stiftes mit jenem in Oberhofen, einen lebenslänglichen Gehalt von 70 fl. von diesem. Denn aus einer Commission des Bischofs von Constanz von 1463 geht hervor, daß das Stift Boll, wo ehedem ein Propst und 5 Chorherren gewesen, damals so in Zerfall gerathen war, daß seit Menschengedenken nur noch ein Chorherr da residirte. Papst Pius II. genehmigte daher 1464 auf die Bitte des Grafen Ulrich, daß diese Pfründen dem Stifte Oberhofen einverleibt und zur Ausstattung der dortigen Stellen eines Custos (pro custodia scholastica) und dreier Chorherren verwendet werden. Am 30. Aug. 1464 erfolgte denn auch die Vereinigung beider Stifte. Den Schirm über das Stift hatten die Grafen von Württemberg. Übrigens standen, wie aus der vorgedachten Urkunde von 1463 erhellt, schon frühe — neben den Stiftsherrn — ein Pfarrer und ein Frühmesser an der Kirche, deren Stellen das Stift zu verleihen hatte, und die nach dessen Aufhebung hier zu Versehung des Gottesdienstes zurückblieben. Eine zweite Caplanei entstand später: die der Brüderschaft „unser lieben Frauen und Sancti Syri.“ Am 2. Oktober 1486 bestättigt der Bischof die Stiftung und Dotation einer ewigen Messe „ad altare in ecclesia parochiali ville Boll in honore gloriosissime Dei virginis Marie ac Sanctorum Syri etc. per dilectos viros confratres spirituales et seculares fraternitatis ecclesie parochialis ville Boll.“ Bemerkenswerth ist es auch, daß noch 1600 neben der Kirche eine Capelle mit der Jahreszahl 1464 stand. — Bei der hier 1537 eingeführten Reformation wurden beide Caplaneien aufgehoben. Der zweite Caplan, Ulrich Kornmann, war zuvor schon von dem Bischof abgeschafft worden, weil er der Kirchenverbesserung geneigt war. Der Name des ersten evangelischen Pfarrers nach Aufhebung des Interims ist M. Peter Schaber, neben welchem schon 1551 ein Diaconus stand, der bis 1650, wo ein eigener Lehrer aufgestellt ward, auch die Schule zu versehen hatte. Filialien waren in alten Zeiten, außer Sehningen, die Orte Pliensbach und Gammelshausen. Nachdem aber Pliensbach 1582 nach Zell, O.A. Kirchheim, und Gammelshausen 1798 nach Dürnau umgepfarrt worden, wurde in dem letztgenannten Jahre das Diakonat aufgehoben. — Die Zehenten standen dem Stifte Boll zu, mit Ausnahme des kleinen und des Gras-Zehenten, die der Ortspfarrei einst zugestanden, und des großen Zehenten aus 4 Lehen und Sölden, die in den Leonhard-Hansenhof gehörten und (s. oben) mit diesem von der Kellerei erworben wurden. Die Burg Hohenlandsehr oder Landsöhr stand auf einer scharf hervorragenden Ecke eines der höchsten, aus der Alpkette | emporstrebenden Berge südlich von Boll. Dieser führt nun den Namen Burghalde. Noch im J. 1604 waren, nach einem Berichte des Untervogtes, „Gräben vnd alt Gemäuer darumb“ hier zu sehen, und wurde der dahin führende Weg „der Eselspfad“ genannt, weil nur durch Tragthiere die Bedürfnisse der Bewohner hatten hinaufgeschafft werden können. Noch jetzt sind drei ziemlich tiefe Gräben sichtbar, welche den Bergkamm in vier Theile scheiden, und 1839 wurden hier ein Hufeisen von seltener Form und ein Rittersporn ausgegraben. (S. auch oben S. 165.) – Ob hier oder im Orte selbst die Herren von Boll saßen, welche im Mittelalter auftreten, und mit jenen von Bol an der Teck nicht zu verwechseln sind, ist noch unentschieden. Der Erste dieses Namens, der gefunden wird, ist Albert, von 1243 – 1269; der Letzte heißt auch Albert und kommt 1371 vor.

Die oben S. 106 beschriebene Heerstraße zog durch die Markung von Boll. Das Stiftslagerbuch von 1707 gedenkt eines Ackers „in der Heerstraß zwischen dem gemeinen Güterweg und N., und stost oben auf den gemeinen Weg.“

Über den abgegangenen Ort Billizhausen s. Betzgenried, und über die vielen hier gefundenen Mineralien s. oben S. 26 u. f.


  1. Der sogenannte Gnadenbad-Bau. Schon die erste Badeordnung vom 8. Mai 1599, welche „einen sichern und steifen Burgfrieden“ zu halten anbefiehlt, schreibt nämlich vor, daß alljährlich 12 arme kranke Menschen aufgenommen und mit Bad und Speise auf Kosten der Herrschaft verpflegt werden sollen.
  2. In einem Dankschreiben an den Herzog vom Juni 1596 sagt ein Mann aus dem Gebiete der Reichsstadt Rottenburg an der Tauber: „Nachdem ich von wegen harter ausgestandener Müh und Arbeit, Kält, Hitz vnd Frost mich dermaßen verderbt, daß selbiges an meinem Kopf vnd Füßen (salva venia) vßgebrochen, nach Verschwellung Löcher darein gefallen, ich aber Armuth halber, nachdem ich all’ mein Armüthlein vergebenlich verarzneyet, an aller Menschen Hülf verzagt vnd also arbetselig zu sterben vermeynt, letzlich ich von Kernführern, so den Kern bey vns aufkaufen, von dem newen Bad, so Euere Fürstliche Gnaden zu Poll kurtzverschiner Zeit auffrichten lassen, den offenen Schäden nutzlich, rühmen hören, also in höchster meiner Armuth ich mich mit Weib und Kind aufgemacht vnd gemeldtem Bad zugezogen, auff mein hochflehentlich Bitten aus Gnaden vnd vmb Gotteswillen zu baden erlangt, darinnen drey Wochen gebadet vnd durch Gedeihen vnd Hülff Gottes vnd Euer Fürstlichen Gnaden hocherleuchte Gnad, frisch vnd gesund, wie ich zugegenstehe, außgangen vnd nunmehr meiner Heimat zuziehen kann“ etc.
  3. Diese und andere Sagen von Orten unseres Bezirkes kennt schon Crusius, dem die Einsicht des Berichtes zu Gebot gestanden haben mag. Aus ihm gingen sie auf andere Chroniken und Geschichtsbücher über.
  4. Das Seelbuch fährt also fort: „Notandum, quod quilibet custos collegii in Boll tenetur dare vulgariter VIII Sch. Dinkel pro pauperibus, vel faciendo exinde panes ad distribuendum pauperibus ipso die Sancti Rufi Martiris, idest in vigilia sancti Pelagii, et tenetur dare domino preposito una cum suis canonicis praedium eodem die.« Das Lagerbuch der Stiftungsverwaltung bemerkt bei drei Lehen zu Billizhausen: jedes derselben reiche jährlich 1 Sch. 6 Sr. Dinkel und 1 Sch. 4 Sr. 1 V. Haber „vff Fraw Berchta Mal.“
  5. Als 1840 der die Kirche von Boll umgebende Kirchhof erweitert und die westliche Mauer desselben abgebrochen ward, fand es sich, daß dieselbe bis tief in das Fundament hinab aus mächtigen Quadern erbaut war, an welchen tiefe (zum Emporziehen bestimmte) Scheerlöcher sich befanden. Die Vermuthung, daß diese Steine dieselben gewesen, aus welchen einst die Burg Landsöhr bestanden, ist nun um so wahrscheinlicher, als zum Bau einer Kirchhofmauer Quader mit Scheerlöchern nicht erforderlich waren.
  6. Die Angabe von Cleß III. 74, daß Sehningen 1507 von Conrad von Zillenhardt erkauft worden, fanden wir nicht bestättigt. Es gehörte stets zu Boll.
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