Beschreibung des Oberamts Göppingen/Kapitel B 28
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a) Reichenbach, evangel. Pfarrdorf mit 832 Einw., wor. 1 Kath., liegt im Filsthal, westlich 3 St. von Göppingen, an der von Stuttgart nach Ulm führenden Staatsstraße. Der Ort gehört in die III. Classe der Gemeinden und links der Fils zum Forstamte Kirchheim, rechts der Fils aber zum Forstamt Schorndorf. Die Zehenten stehen dem Staat zu, welcher die Pfarrei für den Genuß des kleinen Zehenten neuerdings entschädigt hat. An den übrigen grundherrlichen Rechten des Staats hat die Gemeinde seit 1817 für 2771 fl. 28 kr. abgekauft, worunter namentlich alle Laudemien und den Heuzehenten. (S. auch S. 82.)
Reichenbach liegt sehr freundlich im Filsthale, an der Grenze der Oberämter Schorndorf, Eßlingen und Kirchheim. Die Fils strömt nahe am Orte vorbei. Durch diesen fließt der nördlich entspringende | Reichenbach, der hier in die Fils fällt (oben S. 18), und wie diese, öfters austritt. Reichenbach ist eines der schönsten Dörfer, reinlich und ziemlich regelmäßig gebaut. Die Wohngebäude haben größten Theils steinerne Unterstöcke. Wasser ist überflüssig vorhanden. Die Gemeinde zählt 122 Haupt- und 36 Neben-Gebäude. Die am nördlichen Ende des Ortes auf einer Anhöhe stehende Kirche ist ziemlich gut erhalten, aber zu klein; sie ward 1684 reparirt. An dem massiven, unverhältnißmäßig großen Thurm ist die Jahreszahl 1525 zu sehen. Die Baulast liegt dem Heiligen, St. Moriz, und der Gemeinde ob. Das daneben stehende, vom Staate zu erhaltende, Pfarrhaus gewährt eine schöne Aussicht. Das Rathhaus ist gut eingerichtet. Das Schulhaus hat die Gemeinde 1825 erbaut; der Bau eines zweiten ist im Werke.Der Boden, meist kiesiger Sand, liefert Werk- und Mauer-Steine, ist von mittlerer Fruchtbarkeit und erfordert eine gute Bedüngung. Der Nahrungsstand ist gut beschaffen. Mais und Bohnen werden in der Brache viel gebaut. Der Flachs geräth gut; das Getreide-Erzeugniß reicht aber für den Bedarf des Ortes nicht hin. Wiesen, die gutes Futter liefern, sind hinreichend vorhanden. Der Obstbau ist von Bedeutung, obwohl auch hier die Blüthe nicht selten durch Frost leidet. Früher war auch einiger Weinbau hier. Die Rindviehzucht ist von großem Belang; die Stallfütterung längst eingeführt und auch die Gülle-Einrichtung gut. An Gewerben verdienen vornemlich ein Seiler, der bei einem jährlichen Verbrauche von 200 — 300 Ctr. Hanf sein Gewerbe etwas im Großen betreibt, und 6 – 8 Frachtfuhrleute, welche Handelsgüter auf den Straßen zwischen Augsburg, Heilbronn und Mannheim führen, sowie 2 Ziegler und 1 Mahlmühle Erwähnung. Wenn die Feldgeschäfte stille stehen, arbeiten 8 – 9 Schnellwebstühle für die Fabriken in Jebenhausen.
Außer Siegenberg hat die Pfarrei kein Filial. Das Patronat ist königlich. An der auch für das Filial gemeinschaftlichen Schule stehen ein Schulmeister und ein Gehülfe. Eine Industrieschule wurde 1841 gegründet. Als neuere Stiftungen sind auszuheben: die des J. G. Bäuerle im Canton Neufchatel von 550 fl. für milde Zwecke, und die des Fin. K. Assessors Ötinger von 100 fl. zu Errichtung einer Kleinkinderschule. Der Begräbnißplatz liegt um die Kirche her. Reichenbach hatte einst eine Badstube, zu welcher noch 1582 fünf andere Orte hielten.
b) Siegenberg, W. mit 30 evangel. Einw., westlich 1/4 St. von Reichenbach gelegen. Er besteht aus 5 Häusern, hat keine eigene Markung und war stets mit Reichenbach verbunden. Im J. 1524, wo noch „der Siegenberg“ theils an die Gemeinde Reichenbach, theils | an einzelne Bürger derselben von der Kellerei verliehen war, stand der Weiler noch nicht.Reichenbach war in früheren Zeiten wohl ein Besitzthum der Hohenstaufen und kam, wie wir bei Ebersbach sahen, mit diesem an Württemberg (oben S. 180). Der Name soll, nach dem Berichte von 1535, von dem durchfließenden gleichnamigen Bache herrühren, der „bald reich an Wasser“ werde. Indeß scheint Reichenbach in älterer Zeit in einer näheren Verbindung mit Plochingen, als mit Ebersbach gestanden zu haben, da nach dem Kellerei-Lagerbuche von 1524 der Schultheiß von Plochingen 2 Pfund an der Steuer von Reichenbach jährlich empfing. Reichenbach wurde, wie oben S. 85 bemerkt, 1485 vom Amte Kirchheim getrennt und dem Amte Göppingen zugetheilt. An den grundherrlichen Rechten hatte aber Württemberg, mit Ausnahme der unten zu erwähnenden, 1436 neu erbauten Mühle, keinen Antheil. Eine zweite, die sogenannte innere Mühle, gehörte dem Kl. Kirchheim, das sie ums J. 1380 von Benz von Kirchheim erworben. Die Propstei Nellingen besaß, Namens des Kl. St. Blasien auf dem Schwarzwalde, 3 schon 1490 ganz zertrümmerte Höfe und 3 kleinere Lehen. Auch gehörte ihr der zwischen Reichenbach und Plochingen gelegene Wald „das Propstholz,“ der 1508 versteint und zur Hälfte der Gemeinde Reichenbach zugetheilt wurde. Der Hospital Eßlingen war ebenfalls frühe schon hier begütert. Diese Rechte rührten zum Theil von denen von Stein, von Mannsberg, von Ahelfingen, Schilling u. A. her, welche sie 1378 – 1405 besaßen. Den eigenthümlichen Gatterzins s. oben S. 76 und über die Schicksale im dreißigjährigen Kriege S. 103.
Die Pfarrei ist von höherem Alter, schon 1268 kommt Marquardus plebanus de Richenbach und 1360 „Pfaff Albrecht der Kirchherr zu Richenbach“ vor. Das Patronat scheint Württemberg mit dem Orte erworben zu haben. Mit Zustimmung des Grafen Ulrich, als Kastvogts der Kirche, verlieh 1463 Conrad Dorß, Pfarrherr zu Reichenbach, die Widum zu Erblehen, mit der Pflicht, für den Widmaier, den Hummel und Eber zu halten. Bis 1507, wo sie hierher umgepfarrt wurden, waren 12 Häuser Filiale von Hochdorf. Die Reformation mag zu derselben Zeit, wie in Ebersbach, vollzogen worden seyn. Den großen Zehenten besaß in alten Zeiten das Kl. Adelberg auf allen Gütern, die der Propstei Nellingen zinsten; im Übrigen theilten sich die Pfarreien Reichenbach und Hegenlohe, OA. Schorndorf, und zwar diese Namens der ebengedachten Propstei, in denselben. „Der Weinzehente ob dem Wallenweg“ gehörte der Pfarrei Hegenlohe; der kleine und Heu-Zehente den Pfarreien Reichenbach und Hochdorf und dem Heiligen in Reichenbach.
| In der Nähe von Reichenbach vereinigen sich mehrere Bäche mit der Fils. (S. oben S. 18.) Bemerkenswerth ist noch, daß früher hier auf Erz gegraben wurde. Herzog Friedrich I. gestattete 1600, daß einige hiesige „Farbenmacher“ gegen Abgabe des Zehenten „nach Erzfarben zu Reichenbach vnd andern Orten einschlagen“ dürfen, welche bereits 1602 an Zehenten 1031/2 Pfd. Berggrün und 239 Pfd. Kesselbraun schuldig waren. Der Herzog ließ 1605 die der Kellerei zinsbare Mühle zu einer „Bergwerksmühle,“ mit einer Schmelzhütte, einem Pochwerk, einer Siedhütte mit Pfannen einrichten und diese, sowie das Kupferbergwerk, von Bergleuten betreiben. Am 27. Mai 1607 befahl aber der Herzog, den Bau einzustellen, denn „ob Wir wohl verhofft, wann der Stollen zu Reichenbach zu End getrieben vnd erhoben, etwas Nutzliches anzutreffen, so befindet sich jedoch das Widerspiel vnd das Erz gar arm.“« [[Beschreibung des Oberamts Göppingen/|]] | Beschreibung des Oberamts Göppingen | Kapitel B 29 » | |||
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