Beschreibung des Oberamts Freudenstadt/Kapitel B 26

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Ober-Iflingen,
Gemeinde III. Kl. mit 374 Einw., wor. 11 Kath. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Heiligenbronn, O.A. Horb, eingepfarrt.


Der große, etwas in die Länge gebaute Ort liegt 3 Stunden südöstlich von Freudenstadt, auf der Hochfläche zwischen dem Glatt- und dem Diesener-Thale; ein Theil desselben lagert sich in einer schön ausgerundeten, einigen Schutz gewährenden Mulde, welche den Anfang eines Seitenthälchens des Diesener Thals bildet. Die mäßig auseinander gebauten, zwischen Obstgärten liegenden, beinahe durchgängig mit Ziegeln bedeckten Gebäude sind meist ansehnliche Bauernwohnungen mit anstoßenden Scheunen, welche die Wohlhäbigkeit ihrer Besitzer bekunden. Die Ortsstraßen sind reinlich gehalten und überdieß führen gut angelegte Vicinalstraßen nach Glatten, Schopfloch, Dettlingen, Dürrenmettstetten und Unter-Iflingen.

In der Mitte des Orts liegt innerhalb des großen, ummauerten Begräbnißplatzes die sehr ansehnliche, dem heiligen Michael geweihte Kirche, welche früher die Mutterkirche mehrerer Orte der Umgegend war. Das sehr alte Gebäude, welches noch Spuren seiner ursprünglichen romanischen Bauweise zeigt, wurde später in den germanischen Styl verändert, von dem sich die spitzen, mit germanischem Maaßwerk gefüllten Fenster am Langhaus und an den mit einem halben Achteck schließenden Chor größtentheils noch erhalten haben; letztere sind besonders schön und aus einer früheren Periode als die des Schiffs. Über dem südlichen, spitzen Eingange steht die Jahrszahl 1509, welche ohne Zweifel das Jahr der durchgreifenden | Veränderung des Langhauses angibt. Der viereckige, an den Ecken mit Buckelsteinen versehene Thurm ist in seinen untern Theilen sehr alt und massiv erbaut; das obere, erst später aus Holz aufgesetzte Stockwerk trägt ein einfaches Zeltdach. Von den 3 Glocken sind 2 in neuerer Zeit gegossen worden, die größte aber trägt außer den 4 Evangelistennamen die in alten Majuskeln ausgeführte Umschrift: O rex glorie veni cum pace. Das Innere der sehr geräumigen Kirche ist hell und sowohl das Langhaus als der Chor flach gedeckt; in letzterem befindet sich ein schön aus Stein gearbeitetes Tabernakel mit der Jahrszahl 1515. Die Unterhaltung der Kirche steht der Stiftungspflege zu.

Das in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts massiv erbaute Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, steht zunächst der Kirche.

Das Schulhaus, zugleich ein Gemeinderathszimmer und die Wohnung des Lehrers enthaltend, wurde im Jahr 1845 mit einem Gemeindeaufwand von beinahe 8000 fl. in einem ansprechenden Styl massiv erbaut. Neben der Volksschule, an welcher nur ein Lehrer unterrichtet, besteht seit einigen Jahren eine Industrieschule.

Der Ort bezieht sein Trinkwasser nur aus Schöpfbrunnen, die in trockenen Jahrgängen meist versiegen; eine Wette ist vorhanden.

Ein ausgezeichneter Ober-Iflinger ist Christoph Friedrich Sartorius, geb. den 22. Oct. 1701, Sohn des Pfarrers daselbst. Er studirte in Tübingen Theologie, wurde 1733 Klosterpräceptor und Prediger in Bebenhausen, 1747 Decan in Ludwigsburg, 1755 Professor der Theologie, Prediger und Superattendent des theologischen Stifts in Tübingen, 1780 Canzler der Landesuniversität und starb den 9. Dec. 1785. Außer vielen Dissertationen verfaßte er auch ein streng orthodoxes Compendium theologiae dogmaticae (4. Aufl. 1784), welches längere Zeit der würt. Geistlichkeit zum Lehrbuch diente.

Die Einwohner sind im Allgemeinen schöne, gesunde, fleißige Leute, die sich in befriedigenden Vermögensumständen befinden.

Feldbau und Viehzucht bilden die Hauptnahrungsquellen der Orts-Einwohner; im Einzelnen beträgt der ausgedehnteste Güterbesitz 50–60 Morgen, der gewöhnliche 25–30 Morgen. Die Feldgüter der mittelgroßen Markung liegen meist eben und haben im Allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der größtentheils aus den Verwitterungen des Muschelkalks besteht und wegen der vielen Steine, die häufig zusammengelesen werden müssen, schwer zu bebauen ist. An einzelnen Stellen überlagert ein ergiebiger Diluviallehm den Muschelkalk. Die Luft ist rein, aber scharf und meist stark bewegt.

| Der Feldbau wird im Dreifeldersystem, mit theilweiser Anwendung verbesserter Ackergeräthschaften emsig und gut betrieben. Von den Getreidearten kommen hauptsächlich Dinkel und Hafer – weniger Gerste, Roggen, Weizen und Einkorn zum Anbau; in der zu etwa 1/4 angeblümten Brache zieht man Futterkräuter, Kartoffeln und etwas Reps. Flachs, Hanf, Kraut etc. wird in eigenen Ländern gebaut. Der Ertrag eines Morgens Acker wird zu 5–10 Scheffel Dinkel, 4–7 Scheffel Hafer und 3–6 Scheffel Gerste angegeben; die Preise der Äcker bewegen sich von 30–200 fl. per Morgen. Getreide wird viel nach Außen verkauft, dagegen muß Holz angekauft werden. Die Wiesen, von denen nur ein kleiner Theil Wässerung erhält, ertragen durchschnittlich 20 Centner Heu und 12 Centner Öhmd per Morgen.

Mit der Obstbaumzucht, welche sich in den letzten 10 Jahren sehr gehoben hat, gibt man sich viele Mühe, übrigens liefert sie selten einen ersprießlichen Ertrag. Eine namhafte Gemeindebaumschule ist vorhanden.

Die Rindviehzucht ist in gutem Zustande; sie beschäftigt sich hauptsächlich mit einer guten Landrace, welche durch 3, an einen Bürger verpachtete Farren nachgezüchtet wird. Mit Zugvieh wird einiger Handel getrieben. Die Zucht der Pferde ist unbedeutend. Schafzucht wird von einem Pacht-Schäfer betrieben, der etwa 200 Stück Landschafe auf der Markung weidet und hiefür etwa 200 fl. jährlich an die Gemeinde bezahlt, welcher überdieß die Pferchnutzung noch gegen 70 fl. einträgt. Schweinezucht findet nicht statt, indem die für das eigene Bedürfniß nöthigen Ferkel von Außen aufgekauft werden. Die Bienenzucht ist nicht von Belang.

Außer wenigen den örtlichen Bedürfnissen dienenden Gewerben sind 3 Schildwirthschaften und ein Krämer vorhanden.

Über das Vermögen der Gemeinde und Stiftungspflege s. Tabelle III. Aus einer besondern Stiftung, die Beinerhäusles-Stiftung genannt, werden jährlich am Andreastag Geld und Wecken an die noch nicht confirmirten Kinder und Brod an unbemittelte Familien ausgetheilt.

In und zunächst dem Ort wurden schon öfters alte, mit Steinplatten umfangene Gräber aufgedeckt.

Ober-Iflingen kommt im J. 1005 (freilich in einer unterschobenen Urkunde) erstmals vor als Vfeningen unter den Erbgütern K. Heinrichs II, womit dieser den 1. Oct. d. J. das Kloster Stein am Rhein beschenkte (Wirt. Urk.-Buch 1, 241).

Vom hiesigen Ortsadel erscheint im J. 1087 ein gewisser Buobo, | welcher das Kloster Reichenbach mit einem Gut bei Gündringen beschenkte (Cod. Reichenb. 4 a, 8 a), es wird hier geschrieben (Voeningun, – en); letzteres Kloster erhielt hier selbst auch Besitzungen (ib. 19 a). Im J. 1244 sind Herr Hermann von I. und sein Sohn C. (Conrad) Zeugen des Ritters Konrad von Weitingen mit dem Zunamen des Lammes bei einem Verkauf eines Guts an das Kloster Kirchberg. Obiges Kloster Stein am Rhein verlieh den 4. Nov. 1245 an Volmar (wie aus späteren Lehensbriefen sicher zu schließen, einen Herrn von Neuneck) den Hof I. und besaß in Verbindung hiemit die mit reichen Zehnten ausgestattete Pfarrkirche, welche es mit Genehmigung P. Urbans V. vom 22. Juni 1363 sich incorporirte. Im J. 1403 erwarb theils durch Tausch theils gegen Geld das Kloster Alpirsbach von dem Kloster Stein die Oberherrlichkeit über solchen Hof nebst der Kirche; der Hof hieß damals Ungerichtshof, höchst wahrscheinlich deßhalb, weil die Lehensträger desselben, die Herren von Neuneck (s. d.) solchen an die Familie Ungericht in Sulz als Afterlehen verliehen hatten. In der Beschreibung der Rechte des Klosters Alpirsbach von 1534 heißt es von dem Ungerichtshof: „gehört dem Gotteshaus mit Grund, Boden und aller Herrlichkeit zu und gehören zu diesem Hofe viele Zehnten, nämlich der Zehent zu Neuneck, Schopfloch, Grünmettstetten, Diessen, Leinstetten, Gerolsweiler, Glatten, Wittendorf, Lombach, Dietersweiler, Bittelbronn, Böffingen und Dürrenmettstetten“. (Reyscher, Stat. Rechte 55.)

Ein Haupttheil des Dorfes kam im J. 1501 mit Loßburg (s. o.) an das Kloster Alpirsbach und im J. 1517 ertauschte dasselbe Kloster auch verschiedene Kastvogteien, Zehnten, Leibeigene etc. in O.-Iflingen von Rudolf von Ehingen, welcher sie durch seine Gattin Sophie von Neuneck erhalten hatte.

Im J. 1579 belehnte Graf Heinrich von Fürstenberg den Burkhard von Ehingen mit dem Schaflüzels- und dem Metzgerhofe, welche früher wahrscheinlich auch Neuneckisch waren, und im 18. Jahrhundert nach einander von den von Closen, Thumb von Neuburg, von Kniestädt, von Uxkull als fürstenbergische Lehen getragen wurden.

Der Ungerichtshof aber war nach einigem Besitzwechsel ein Jahrhundert über Lehensbesitz derer von Landsee (s. unter Neuneck) gewesen, als ihn den 5. Juli 1796 der herzogl. württembergische Kirchenrath für 40.000 fl. erkaufte.

Die Pfarrstelle in Ober-Iflingen hängt von königlicher Collatur ab.


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