Beschreibung des Oberamts Freudenstadt/Kapitel B 18

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Heselbach,
Gemeinde III. Kl. Dorf mit 114 Einw., worunter 1 Kath. – Filial von Reichenbach; die Kath. sind nach Heiligenbronn, O.A. Horb, eingepfarrt.


Auf einem schön gerundeten, wiesengrünen Vorhügel der rechten Gehänge des reizenden Murgthales liegt nicht ganz 1/4 Stunde nördlich von Reichenbach das freundliche, Wohlhäbigkeit verrathende Dorf, welches mit seinem weißgetünchten Kirchlein im Vorgrunde eine wirklich malerische Ansicht darbietet, und überdieß eine äußerst liebliche Aussicht in das Murgthal gestattet.

Die Erbauung der kleinen Kirche, welche im Jahr 1791 styllos erneuert und 1854 weiß getüncht wurde, fällt ohne allen Zweifel in die Zeit der Erbauung der Klosterkirche zu Reichenbach (1082–1086), von der sie von jeher Filialkirche war; der Veränderungen ungeachtet haben sich an derselben noch entschiedene Spuren ihrer ursprünglichen romanischen Bauweise erhalten, wie denn der südliche Eingang, dessen roh gearbeitete Lünette das Brustbild des Erlösers, mit aufgehobener Rechten und in der Linken das Kreuz haltend, darstellt.

Unter demselben sind 5 Medaillons angebracht, von denen das mittlere das Lamm Gottes (Agnus Dei), die übrigen die Attribute der 4 Evangelisten enthalten. Von dem einfachen Langhause führt ein rundbogiger (romanischer) Triumphbogen in das mit einem uralten Tonnengewölbe gedeckte, unterste Stockwerk des Thurms, das hier die Stelle des Chors vertritt. Der nicht hohe Thurm selbst ist viereckig, massiv und mit einem Zeltdache versehen; auf demselben hängen 2 Glocken, von denen die eine die 4 Evangelistennamen in sehr alten Majuskeln enthält, die andere, noch ältere, hat weder Schrift noch Zeichen und ist ohne Zweifel so alt als die ursprüngliche Kirche. Die Unterhaltung der Kirche bestreitet die Gemeinde.

| Um die Kirche liegt der im Jahr 1839 erweiterte Begräbnißplatz; an der Innenseite der südlichen Kirchhofmauer ist ein interessantes Steinbild des heiligen Petrus mit Schlüssel und Buch (Relief) eingemauert, das ebenfalls aus der romanischen Periode stammt. Auf den Begräbnißplatz in Heselbach werden auch die Verstorbenen von Röth und Schönegrund beerdigt.

Die schulpflichtigen Kinder besuchen die Schule zu Reichenbach; ein Rathhaus ist im Orte nicht vorhanden und der Gemeinderath hält seine Sitzungen in einem Zimmer des Wirthshauses.

Gutes Trinkwasser liefert ein laufender Brunnen, dessen Wasser in 400 je 16′ langen Teicheln hergeleitet werden muß; in sehr trockenen Jahrgängen bleibt derselbe zuweilen ganz aus, so daß die Einwohner genöthigt sind, ihren Wasserbedarf im nahe gelegenen Murgthale zu holen.

Die im Allgemeinen ziemlich bemittelten, ordnungsliebenden Einwohner finden ihren Erwerb in Feldbau, Viehzucht, Holzhandel und hauptsächlich im Verführen von Holz und Schnittwaaren. Der ausgedehnteste Güterbesitz beträgt 35 Morgen, der allgemeinste 15–20 Morgen, überdieß sind jedem Bürger bei einer früher stattgefundenen Vertheilung der Gemeindewaldungen etwa 70–80 Morgen zugefallen. Die im Verhältniß zur Einwohnerzahl mittelgroße Markung, größern Theils in Wald bestehend, hat im Allgemeinen einen fruchtbaren, rothsandigen stellenweise bedeutend mit Lehm gemengten Boden, der willkürlich gebaut und fleißig gedüngt wird. Zum Anbau kommt vorzugsweise Roggen, Hafer, Gerste, Kartoffeln und in neuerer Zeit etwas Dinkel; der durchschnittliche Ertrag eines Morgens beträgt 3 Scheffel Roggen, 6 Scheffel Hafer und 6 Scheffel Gerste. Die Preise bewegen sich von 150–250 fl. per Morgen. Die Felderzeugnisse reichen für das Bedürfniß der Ortseinwohner hin. Die Obstzucht, welche sich hauptsächlich mit Zwetschgen beschäftigt, ist nicht bedeutend.

Der Wiesenbau, dem größtentheils Wässerung zukommt, ist ziemlich ausgedehnt und liefert im Durchschnitt 25 Centner Heu und 10 Centner Öhmd per Morgen. Die Preise eines Morgens Wiese bewegen sich von 100–600 fl. Nicht nur der Ertrag der Wiesen wird im Ort selbst verbraucht, sondern man kauft auch noch Futter von Außen, um den namhaften Rindviehstand ernähren zu können. Wegen des vielen Fuhrwerks mit Holz und Schnittwaaren wird namentlich viel Zugvieh gehalten, das übrigens, weil es zu häufig gebraucht wird, nicht gerade in dem besten Zustande ist. Der Handel mit Vieh ist nicht beträchtlich und zur Züchtung hält die Gemeinde einen | tüchtigen Farren. Das Vieh wird noch in die Waldungen ausgetrieben.

Die Zucht der Schweine ist von keinem Belang. Zum Ort gehört eine an der Murg gelegene Mühle mit 2 Mahlgängen, einem Gerbgang und einer Säge.

Über das Gemeindevermögen s. Tabelle III.

Der Ort gehörte den Pfalzgrafen von Tübingen, bis ihn Pfalzgraf Ludwig den 13. Juli 1289 dem Kloster Reichenbach schenkte (Kuen Collectio 2b, 69, Gerbert Hist. nigr. silv. 3, 224), mit dem er an Württemberg gelangte (s. Reichenbach).


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