« Kapitel B 4 Beschreibung des Oberamts Eßlingen Kapitel B 6 »
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5. Deizisau

mit dem Hof Sirnau, Pfarrdorf mit 1117 evang. und 1 kath. Einwohnern, 13/4 Stunden ostsüdöstlich von Eßlingen, wohin eine gute Vicinalstraße führt, welche sich nach dem 3/4 St. entfernten Plochingen fortsetzt. Der Ort steigt aus der Neckarthalebene ziemlich steil an dem Nordabhang des Filderplateaus hinauf, und hat kein besonders gutes Aussehen. Die Luft ist bei der nördlichen Lage merklich weniger mild als auf der gegenüber liegenden südlichen Thalseite.

Die Pfarrkirche, hochgelegen am obern Ende des Dorfs hat einen zwar kleinen, doch regelmäßigen und gut gewölbten Chor; aber das Schiff ist durch ganz unsymmetrische Fensteröffnungen entstellt, und macht besonders auf der nördlichen Langseite einen häßlichen Eindruck; eben so unschön ist der Thurm, dessen Satteldach ein Storchnest krönt. Ein altes Gemälde auf Goldgrund, den heil. Christoph vorstellend, ist die einzige Merkwürdigkeit im Innern. Erbaut wurde die Kirche ums J. 1490 mit Hülfe eines päbstlichen und bischöflich Constanzischen Ablaßbriefes und eines Sammelbriefes der Stadt Eßlingen. Ihre Erhaltung liegt der unbemittelten Stiftungspflege ob, deren Deficit die Gemeinde zu decken hat. Der alte Begräbnißplatz umgiebt die Kirche; ein neuer ist 1839 südlich neben dem alten angelegt worden. Das Pfarrhaus, welches die Stiftungspflege Eßlingen im Bau zu erhalten hat, ist etwas hoch, frei und angenehm gelegen; der Eingang trägt die Jahrzahl 1630. Das Rath- und Schulhaus ist das gefälligste Gebäude des Orts, doch von beschränktem Raum. Im Lauf des Jahrs 1845 wird ein neues Schulhaus gebaut. Die Schule hat zwei Lehrer; eine Industrieschule für Mädchen besteht seit 1842.

| Die ökonomischen Umstände der im Ganzen arbeitsamen und haushälterischen Einwohner haben sich gehoben und gehören zu den besseren der Gegend, nachdem sie früher, hauptsächlich in Folge schwerer Grundlasten, ziemlich niedrig gestanden hatten. Zu der schon seit längerer Zeit vollzogenen Ablösung der Theilgebühren und Gülten auf der ganzen Markung hat die Verwaltung des Hospitals in Eßlingen, der hier Grundherr war, hülfreiche Hand geboten.

Die Commun besitzt einen Laubwald von 2337/8 M. und reicht daraus einige bürgerliche Nutzungen. Der Feldbau, die Hauptnahrungsquelle der Einwohner, ist gut bestellt, was man zum Theil dem Vorgang und der Fürsorge des Ortsvorstehers Brodwolf verdankt. Die Güter liegen zum größeren Theil auf der Höhe, zum Theil am Abhang und im Thal; sie sind mit geringen Ausnahmen fruchtbar. Vorschlagend ist der Lehmboden. Die Culturarten sind die in der ganzen Gegend gewöhnlichen. Man rechnet auf einen Morgen 1 Schffl. Dinkel Aussaat und 6 Schffl. Ertrag; Gerste beziehungsweise 1/2 und 31/2; Haber 1/2 und 5 Schffl. Ackerpreise 175, 300, 450 fl. Die Wiesen sind gut und gesucht; die Preise steigen von 200 bis 1000 fl. Die Obstzucht ist sehr im Zunehmen, beschränkt sich aber meistens nur auf Mostsorten; ausgeführt wird wenig Obst. Einen Morgen der besseren Baumgüter bezahlt man mit 1200 fl. Ein Weinberg in der Nähe des Orts ist in andere Güter verwandelt worden; etliche 20 Morgen, deren Eigenthümer hiesige Bürger sind, liegen auf Plochinger Markung. Der Zustand der Rindviehzucht ist mittelgut; ihre Ausdehnung steht so ziemlich im Verhältniß zu dem Ackerbau und dem Futterertrag; der unbedeutende Verkauf geht nur in die nächste Umgegend. Der Gewerbsfleiß ist unerheblich und dient nur dem örtlichen Bedürfniß. Von minder gewöhnlichen Gewerben führt die Liste vom J. 1835 zwei Großuhrmacher und einen Zirkelschmied auf. Schildwirthschaft ist eine, auch eine Bierbrauerei vorhanden.

Universal-Zehentherr ist die Stiftungspflege Eßlingen, welche jährlich 84 fl. 30 kr. in Geld und 320 Schffl. nach R. als Pachtlocar erhebt. Durch den Vertrag vom 12. Juni 1823 trat der Staat für jährlich 1099 fl. 33 kr. Frucht- und Gültgefälle an die Stiftungspflege ab, welche nunmehr abgelöst sind.

Auf dem dem Widdumhofbesitzer zustehenden Heu- und Öhmdzehenten lastet die Faselviehhaltung. Weitere Gefälle haben nach der Reallasten-Aufnahme zu beziehen: die v. Palmsche Gutsherrschaft in Steinbach, die Stiftungspflege, die Pfarrei und die Gemeindepflege Deizisau.

Die ersten Besitzer von Deizisau (Titzinsowe, Ditzisowe,| vielleicht von dem Namen Diez, den noch jetzt einige Familien hier führen) waren die Eßlinger Patrizier Burgermeister, welche sich daher auch v. Deizisau nannten. Zuerst hieß dieses Geschlecht von seiner Wohnung zu Eßlingen „im Kirchhof“ (1233 Conradus 1238 Marquardus in Cimiterio) seit 1297 von der durch seine Mitglieder häufig bekleideten Würde Burgermeister; es theilte sich in mehrere Zweige, hatte auch Güter in Hedelfingen, Köngen, Rohracker, Canstatt, Rommelshausen, Schmiden, Wendlingen, Neuhausen auf den Fildern, Grözingen und Baltmannsweiler und starb 1774 aus. Ihr Wappen war ein in vier Felder getheilter Schild. (S. Pfaffs Geschichte Eßlingens S. 28 und 43.) Die Vogtei und den Vogthaber besaßen die B. als Lehen von Württemberg, den 16. April 1296 belehnte Graf Eberhard der Erlauchte den Marquard B. mit dem Vogthaber und 1408 Graf Eberhard der Milde den Eberhard B. mit der Vogtei (A. U. Gab.).

Den 29. Juli 1411 aber verkauften Marquard und Hans Brüder, und Eberhard B. an den Eßlinger Spital den Kirchensatz, Widdumhof, Kastvogtei, großen und kleinen Zehnten, sammt all ihren Gütern, Einkünften, Ehehaften, Gewaltsamen und Rechten zu D., den Vogthaber allein ausgenommen, für 950 fl. und Papst Johann XXII. bestätigte 1412 den Verkauf des Kirchensatzes (A. U. Lünig Reichs-Archiv XII. p. 225, 226, 228). Schon 1287 jedoch hatte der Spital einen Hof hier, 1365 und 1367 kaufte er 303/4 Morgen Waldes (A. U.). Den Vogthaber kauften die Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg 1420 von den Bürgermeistern und den 29 Mai 1615 überließ die Kastkellerei Stuttgart denselben nebst einer Habergült in Wangen dem Spital für andere Gülten hier und in Plieningen.

Weiter hatten in D. Besitzungen: Das Kloster Sirnau, erhielt 1268 von Irmengard v. Weinsperg agrum et aream, 1314 hat es 2 Höfe hier (A. U.); das Kloster Weil kauft 1348 Gülten, das Kloster Adelberg hat 1361 einen Hof, das Kloster Denkendorf 1589 das Kerschlehen hier. Auch das Carmeliter-, St. Clara- und Predigerkloster in Eßlingen erwarben Güter und Einkünfte in D. Das letztere kaufte einen Hof von den Bürgermeistern und ihren Verwandten 1364 und 1399 (A. U.).

Die Stadt Eßlingen kaufte 1650 von Kloster St. Blasien ein Gut, verkaufte es aber schon im nämlichen Jahre wieder an Dr. Georg Wagner, welchem es der Rath „in Betracht der großen und getreuen Dienste, die er bei vielen und langen Jahren mit Reuten und Raisen, gutem Rath und tapfern Thaten, sonderlich während des 30jährigen Kriegs der Stadt gethan“ von allen Steuern, Anlagen, Frohnen, Wachen und Diensten freite (22. Julius 1652).| Die Wagnerschen Erben aber verkauften dieses sogenannte Wagnersche Freigut den 7. Mai 1683 an den kaiserlichen Rath Johann Heinrich Palm (A. U.) Dieses Gut, noch jetzt im Besitz des Freih. v. Palm auf Mühlhausen und Steinbach, begreift ein nicht ganz arrondirtes Areal von 31/2 M. Gärten und Ländern, 77 M. Äcker und 27 M. Wiesen. Die Meierei-Gebäude liegen im Thal am nördlichen Ende des Dorfs, und sind von einer Mauer umschlossen.

Mit Eßlingen fiel Deizisau an Württemberg.

Der Hof Sirnau mit 7 evang. Einwohnern im Neckarthal mitten zwischen Eßlingen und Deizisau am waldigen linken Thalabhang, ist ein der politischen und kirchlichen Gemeinde Deizisau zugetheiltes Eßlingensches Hospitalgut mit einer eigenen ausgedehnten Markung von 7013/8 M. Flächengehalt, wovon 383/8 auf Gärten und Länder, 2953/8 auf Äcker, 1531/8 auf Wiesen, 1534/8 auf Laubwald, und 414/8 auf Waiden kommen. Dazu kommen noch 95 M. Äcker und Wiesen auf den angränzenden Markungen von Altbach, Berkheim, Eßlingen, Denkendorf, Ober-Eßlingen und Zell, nebst den mit obigen 153 M. Ein Ganzes bildenden 226 M. Wald auf Berkheimer und 1161/4 auf Denkendorfer Markung. Dieses schöne und zweckmäßige bewirthschaftete Hofgut wurde 1826 durch Kauf und Tausch vollkommen arrondirt, neu eingetheilt und mit Ausnahme der Waldungen etc. gegenwärtig für 9488 fl. verpachtet, auch von der Gemeinde Zell das Waiderecht auf den zu der Zeller Markung gehörigen Wiesen erworben. Im J. 1827 wurden die entbehrlichen Meiereigebäude abgebrochen, die andern ausgebessert, 1832 aber ein Schutzdamm gegen die Überschwemmungen des Neckars errichtet.

Sirnau (Sirmenowe) war ehemals ein Dorf mit einer Pfarrkirche. Als villula findet man es erwähnt 1241, als parochia 1242. Im J. 1350 erscheint Alt-Sirnau und Unter-Sirnau, und von 1367 an häufig Ober-Sirnau. Im Städtekrieg 1449 wurde der Ort zerstört und seine Bewohner scheinen sich in die nahe Stadt gezogen zu haben. Denn 1484 heißt es: „in der parochia Ober-Sirnau befindet sich nur ein Haus mit wenigen darin lebenden Menschen.“ – Zuerst (1241) finden wir das Domcapitel Speyer im Besitz von Einkünften, und 1242 das Kloster Denkendorf hier begütert. Das Kloster Adelberg kauft 1328 von Conrad v. Luitenbach das hierher gehörige Holz Kersenreisach. Nach und nach kam Sirnau durch Kauf und Tausch ganz an das Kloster daselbst und von diesem 1525 an den Spital (A. U.) Die Pfarrkirche wurde 1458 dem Kloster einverleibt und bis zur Reformation durch einen eigenen Geistlichen versehen. Nach der Reformation hatte der Pfarrer in Deizisau an den Sonn- und Feiertagen von Georgii bis Michaelis in derselben zu predigen. Jetzt ist von dieser Kirche nur die nördliche| Seitenwand noch übrig. Die solide Umfangsmauer der jetzigen Ökonomie-Gebäude ist von 1544 bis 1567 gebaut worden. Im J. 1241 wanderten die Dominikanerinnen von Kirchheim (s. Oberamtsbeschreibung von Kirchheim S. 132) hieher aus und erbauten das Kloster zum heiligen Kreuz, nachdem sie den 23. Juni des genannten Jahres von Albert v. Alpach, der gegen die Mongolen zog, sein Gut in Sirnau um 450 Pfd. Heller angekauft hatten. Im nämlichen Jahr noch nahm sie der Bischof von Constanz in seinen Schutz, so daß sie allein von ihm und keinem niedrigeren Prälaten abhangen sollten, verlieh ihnen die Ordensregeln des heiligen Augustinus und erlaubte ihnen einen eigenen Beichtvater zu halten; Papst Innocenz IV. aber übergab sie den 14. Juli 1245 dem Schutz und der Pflege des Predigerordens, dessen Vorrechte sie genießen sollten und bestellte den Prior des Predigerklosters in Eßlingen zu ihrem Pfleger, den 20. September nahm es sie selbst in seinen Schutz, bestätigte und vermehrte ihre Privilegien, ebenso die Päpste Nicolaus IV. 1290, Bonifacius VIII. 1297, und Gregor XI. 1407 (A. U.) Auch von weltlichen Fürsten erlangten sie manche Beweise ihrer Gunst, Herzog Conrad v. Schwaben übergab ihnen 1267 das Eigenthum aller Gülten, die sie von seinen Lehnsleuten erhalten hatten oder erhalten würden, die Könige Albrecht und Heinrich VII. befreiten sie von Steuern und anderen Abgaben (1302, 1304, 1305, 1309, 1312). Diese Gnadenbriefe vermochten jedoch die Nonnen nicht gegen das Ungemach zu schützen, welches sie durch die vielen Fehden jener Zeit zu erdulden hatten. Die Päpste mußten daher mehrmals Befehle wegen Entschädigung des Klosters und Herausgabe der ihm entrissenen Güter erlassen und endlich beschloßen die Nonnen größerer Sicherheit wegen nach Eßlingen herein zu ziehen, „da einige Tempelräuber sie kurz nacheinander 6mal aus ihrem Kloster zu Sirnau gewaltsam vertrieben hatten.“ Hierzu gaben ihnen die Eßlinger und der Landvogt in Schwaben die Erlaubniß (6. August 1292) und auch König Adolph, der sich Anfangs dagegen setzte, willigte später ein, worauf der Bau des Klosters rasch vor sich ging und 1294 auf einer von Adelheid v. Gundelfingen erkauften Hofstatt auch ein Kirchhof angelegt wurde (s. oben bei Eßlingen). Im J. 1480 trennten sich die Nonnen vom Predigerorden, wurden nun dem Bischof von Constanz unmittelbar unterworfen und nahmen die „Satzung und Regel“ des Dominikanerordens an. Allein durch schlechte Haushaltung und ihr ausschweifendes ungeistliches Leben „zur Schande des geistlichen Standes und zum Ärgerniß des Volkes“ wie durch den Krieg mit Württemberg 1519 und den Bauernaufruhr 1525 geriethen die Nonnen in die äußerste Dürftigkeit, mehrere traten auch aus| und verehelichten sich, weßwegen 1525 die noch im Kloster gebliebenen dieses sammt allen Gütern, Einkünften, Vorräthen und Kleinodien dem Spital übergaben (3. Juli 1525), was der Papst den 29. Julius 1530 bestätigte. Unter den übergebenen Gütern wurden angeführt der Hof in Ober-Sirnau nebst Kirchensatz und Zehnten, Güter und Gülten in Kirchheim, Möhringen, Öffingen, Bernhausen, Neuhausen und Deizisau. Früher besaß das Kloster auch die Mühle Ainoti (in der Einöde) bei Hedelfingen, die 1257 Graf Ulrich von Württemberg, dessen Lehen sie war, dem Marquard im Kirchhof und dieser dem Kloster Sirnau geschenkt, und deren Besitz König Rudolph am 25. Januar 1283 nebst dem Fischwasser dabei dem Kloster bestätigt hatte (A. U.), und Güter und Einkünfte in 33 andern, näheren und entfernteren Orten.


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