« Kapitel B 6 Beschreibung des Oberamts Canstatt Kapitel B 8 »
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7. Ober-Türkheim,


ein evangelisches Pfarrdorf am Neckar, 13/4 St. oberhalb Canstatt mit 841 Einw. C. A. Eßlingen, F. A. Schorndorf. Den großen Zehenten und den Weinzehenten hat der Staat, den kleinen, den Obst- und Heuzehenten, mit geringer Ausnahme, die Pfarrey. Die Gefälle betragen 138 fl. 6 kr. in Geld und 8 E. 10 I. 9 M. Wein; sie stehen zum größten Theil dem Staat und der Stiftungsverwaltung Eßlingen zu. Die Theilgebühren von den Weinbergen sind abgelöst. Aber noch hat der Ort 4 E. Bet- oder Burg-Wein zu entrichten, s. S. 78; auch muß jedes Haus eine Rauchhenne geben.

Der Name des Orts wurde ehemals gemeiniglich Dürckheim und in ältern Zeiten gar mannigfaltig: Dürnkam, Durinkam, Durinkeim, Durnkeim etc. geschrieben; ein Übelstand ist, daß in den ältern Urkunden zwischen Ober- und Unter-Türckheim gar häufig nicht unterschieden, sondern blos Türkheim gesetzt wird.

Der Ort hat eine schöne fruchtbare Lage an dem rechten Neckarufer, an dem der Ort aufsteigt. Die Kirche liegt, wie die von Wangen, getrennt von dem Ort auf einem| Hügel in den Weinbergen. Der Ort ist gut gebaut, hat ein Rathhaus, ein Schulhaus und eine gute Schildwirthschaft. In voriger Zeit hatte der Ort auch eine Mahlmühle am Neckar, sie wurde dem Eigenthümer vor etlichen Jahren von dem Staat abgekauft und fürsorglich für die beabsichtigte Ausdehnung der Neckarschifffahrt abgebrochen. Dagegen ist eine kleine Mühle an dem Bach erbaut worden. Die Kirche (St. Peter) soll ehemals eine Wallfahrts-Kapelle gewesen seyn. Sie wurde i. J. 1778 erweitert und neu hergestellt. Das Schulhaus wurde 1821 ganz neu gebaut.

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Die Markung des Orts ist sehr beschränkt, die Eßlinger Markung greift bis in das Dorf herein, so daß mehrere Häuser noch auf letzterer stehen. Der durch den Ort laufende Uhlbach bildet die Gränze. Die Unter-Türkheimer besitzen noch 117 Mg. Güter auf Eßlinger Markung.[1] Die Einwohner sind sehr fleißig und regsam, die Hauptnahrung beruht in dem Weinbau, der Obstzucht und in dem Bau von Welschkorn und Küchengewächsen; der Ackerbau ist auf den Flächenraum von 59 Morgen, die willkührlich gebaut werden, beschränkt, kaum 2 bis 3 Familien erndten ihren Fruchtbedarf. Dagegen giebt es ziemlich viel Wiesen, und die meist gleich gut gelegenen Weinberge liefern einen der besten Landweine. Die Gemeinde besitzt einiges Grundeigenthum hauptsächlich an Wiesen; ihren Wald hat sie neuerlich an Bürger verkauft. Seit 1824 hat der Ort auch eine Industrie-Schule in weiblichen Arbeiten, welche von der Centralstelle des Wohlthätigkeitsvereins unterstützt wird. Bey der ordentlichen Schule ist eine Stiftung von 70 fl. für Schulbücher nebst einem| eigenen Schulfonds von 100 fl. Das Patronat der Kirche hatte vormals das Domcapitel Constanz; es gehörten dazu außer andern Gefällen 5/9 des Zehenten, 4/9 besassen die von Rechberg, einen kleinen Theil auch die ehemalige Propstey Nellingen. In den ältesten Zeiten war die Kirche Filial von der Uffkirche zu Canstatt, s. Canstatt, sie muß aber schon frühe mit pfarrlichen Rechten und einem eigenen Pfarrgeistlichen versehen worden seyn, denn schon 1386 heißt es von der Gemeinde Uhlbach, daß sie pfärrig gen Ober-Türkheim sey, wie denn dieselbe auch bis 1490 Filial davon war. Es kommt sogar schon in einer Urkunde von 1280 ein Viceplebanus de Durenken und Confrater capituli Waiblingensis vor, der wahrscheinlich Ober-Türkheim angehörte. Übrigens war der auf der linken Seite des Guckenbachs auf Eßlinger Markung gelegene Theil von Ober-Türkheim, so wie von Uhlbach nach Eßlingen eingepfarrt. Erst i. J. 1500 wurde durch einen, unter Vermittlung des Herzogs Ulrich von Würtemberg geschlossenen Vertrag zwischen den Domkapiteln Constanz und Speyer, letzterem als Patronatsherren von Eßlingen, ausgemacht, daß die Unterthanen zu Ober-Türkheim und Uhlbach, so jennet (jenseits) dem Bach sitzen nicht mehr gehalten seyn sollen, ihr Seelenheil von Eßlingen herauszusuchen, sondern den Ortspfarreyen zugetheilt seyn sollen. Dem Pfarrer in Eßlingen sollen dafür 1 E. Wein und die Stolgebühren geschickt, auch die Zehenten, wie vorher, gereicht werden, das Domkapitel Speyer soll dagegen von seinem Zehenten geben 1 E. 4 I. (später heißt es 2 E. 4 I.) Wein, wovon der Pfarrer zu Uhlbach 2/3, der zu Ober-Türkheim 1/3 haben soll.

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Ober-Türkheim gehörte von den ältesten Zeiten her zu Würtemberg; aber außer dem Domkapitel Constanz hatten auch die Klöster Zwiefalten, Bebenhausen und Hirschau (s. Unter-Türkheim), ferner die Herren von Kaltenthal, Bernhausen, Rechberg u. a. hier Güter und Gefälle; 1281 verkaufen Wolfram von Beutelsbach und Reinhard von Ächterdingen 1/6 des Weinzehenten zu Ober-Türkheim,| Unter-Türkheim und Uhlbach an Bebenhausen, und 1291 schenken die Brüder Eberhard und Conrad von Landau dem Kloster alles Recht, das sie auf diese Zehenten hatten. 1414 wurde Albrecht von Rechberg von Graf Eberhard dem Milden mit Gefällen (theiligen Weinbergen) zu Ober-Türkheim, Untertürkheim und Uhlbach und mit Laienzehenten belehnt. Daß aber diese Belehnung nicht, wie angenommen wird, die erste war, ist bey Unter-Türkheim gezeigt. Zwiefalten verkaufte seine Güter und leibeigene Leute zu Ober-Türheim, Unter-Türkheim, Uhlbach, Rotenberg und Felbach wieder an den Herzog Joh. Friedrich 1616 für 13.500 fl. (Sattler Hz. VI. 99. Sulger An. Zwifalt. I. 210). Das Constanzische Patronatrecht kam mit den Zehenten und Gefällen 1803 an Baden, und von diesem 1807 an Würtemberg; die Rechbergischen Zehenttheile und Gefälle gingen durch Tausch 1811 an den Staat über, s. Hedelfingen.

Am Himmelfahrtstage 1287, bei dem zweyten feindlichen Erscheinen des K. Rudolph, fiel ein hitziges Treffen zwischen dem Grafen Eberhard von W. und den Eßlingern unter Anführung ihres Feldhauptmanns, des Pfalzgrafen Gottfried von Tübingen bey O.T. vor, in dem Städtekrieg 1449 brannten die Eßlinger nebst andern Dörfern auch halb Ober-Türkheim, vermuthlich den Theil diesseits des Bachs, ab, und 1519 wurde der Ort von den schwäbischen Bundesvölkern geplündert und angezündet, s. Hedelfingen.

Auf der Höhe in den Weinbergen über dem Dorf steht der Eßlinger Wartthurm, die alte Grenzwache der vormaligen Reichsstadt.


  1. Nach einem Vertrage von 1590 hatte Würtemberg auch auf den Gütern der Ober-Türkheimer in Eßlingen Zwing und Bännen das Besteuerungsrecht, die Reichsstadt Eßlingen dagegen Frevel und Strafen. Während der Vertreibung des Herzogs Ulrich machten die Eßlinger an die östreich. würtemb. Regierung das Ansinnen, ihr Ober-Türkheim und Uhlbach käuflich zu überlassen, „dieweil beyder Flecken Güter wohl halb denen von Eßlingen sey.“
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