« Kapitel B 3 Beschreibung des Oberamts Canstatt Kapitel B 5 »
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4. Hofen,


ein kath. Pfarrdorf am Neckar, 1 St. unterhalb Canstatt, mit 670 Einw., kath. Dekanatamt Stuttgart. C. A. Canstatt, F. A. Reichenberg. Die Zehenten, der große und kleine, so wie der Weinzehnte, gehören dem Staat, mit Ausnahme des Kleinzehnten von den Gütern innerhalb Etters, welchen, so wie den Heuzehnten, den Obst- und Blutzehnten die Pfarrey zu beziehen hat. Die Staatszehenten gehörten ehemals zu 2/3 dem Domcapitel Constanz, zu 1/3 dem Stift Stuttgart. Die Grundlasten betragen 149 fl. 49 kr. in Geld, 81 Schfl. 41/4 S. D., 50 Schfl. 61/4 S. H., 8 Schfl. 13/4 S. glatte Früchte und 10 E. 1 I. 61/2 M. Wein; welche fast ganz dem Staat zukommen. Aus jedem Haus muß ferner entweder Vogthaber oder Rauchhaber gegeben werden; ein Ehemann hat jährlich ein Frohn-Surrogatgeld von 45 kr., eine Wittwe die Hälfte, zu bezahlen. Die Pfarrey hat auch Gefälle zu Canstatt, Oßweil und Scheckingen. Ein Rohrtrunkrecht der Gemeide von 8 I. Wein ist 1831 von ihr gegen einen Antheil der Kammer an dem Schafweiderecht vertauscht worden. Mehrere Drittelsgüter sind neuerlich in Gültgüter verwandelt worden.

Hofen liegt hart an dem linken Neckarufer, an| welchem hier eine Fähre eingerichtet ist. Es hat ein Rathhaus, worin auch die Schule eingerichtet ist, ein Schlößchen, das s. g. neue Schloß, das erst 1722 erbaut worden ist; ein älteres Schloß steht als Ruine bey dem Dorfe. Die Pfarrkirche zur heil. Barbara wurde 1783, das Pfarrhaus 1769, beyde vom Dom-Capitel Constanz, neu gebaut. Außerhalb des Orts am Wege nach Canstatt steht eine kleine Meß-Capelle, die St. Wendelins Capelle, es wird jedoch in neuern Zeiten keine Messe mehr darin gelesen. Sie wurde i. J. 1765 von Peter Maier, Bürger zu Hofen und Herzoglichen Gardisten erbaut, und erwarb sich durch Opfer ein kleines Vermögen von 200 fl. Vormals hatte H. zwey Gottesäcker, den einen in dem Orte, bey der Kirche, den andern außerhalb des Orts; i. J. 1823 wurde der erstere ganz abgethan. Für die Leiblege auf demselben mußte der Einheimische 6 fl., der Fremde 10 fl. bezahlen, welche die Herrschaft und die Heiligenpflege theilten. Auf diesem Kirchhof liegt, unter andern auswärtigen Katholiken, welche früher hier beerdigt wurden, auch der berühmte Maler Guibal, gest. 3. Nov. 1784, begraben.

Der Herzog Karl hatte 1779 in dem Schlößchen hier auch ein kath. Militär-Waisenhaus errichtet, weil die Verbindung mit dem von ihm zu gleicher Zeit gestifteten evang. Milit.-Waisenhaus zu Ludwigsburg Anstände gefunden hatte. Im Jahr 1783 wurde es jedoch dahin verlegt. In eben diesem Schlößchen hatten die Brüder Walz aus Stuttgart i. J. 1800 die ersten Versuche der Runkelrübenzuckerbereitung gemacht.

Die Einwohner leben hauptsächlich von Ackerbau, Viehzucht, Obst und Weinbau. Doch ist die Markung sehr klein, und reicht nicht hin zu Ernährung der Einwohnerschaft. Ein Theil sucht daher durch Industrie seine Nahrung zu gewinnen; es werden Federkiele und Strohsessel fabrizirt, Farbenerden gesammelt und bereitet, auch hat der Ort 3 Neckarschiffer, 1 Fischer und 30 Maurer- und Steinhauer-Meister, die auswärts arbeiten, so wie 2 Schildwirthschaften.

| Hofen ist ein alter würtembergischer Ort, und war ehemals Filial von Canstatt. Im J. 1369 vertauschte Gr. Eberhard mit Mühlhausen auch das Dorf Hofen mit Vorbehalt der Lehensherrschaft an Reinhard von Neuhausen, s. Mühlhausen. Von dieser Zeit an blieben die v. Neuhausen im Besitze des Dorfs, bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts: 1753 verkaufte Athanasius von Neuhausen Schloß und Dorf Hofen mit allem Zugehör an den Herzog Karl von Würtemberg um 28.000 fl. und 300 fl. Leibgeding. Seine Wittwe wohnte mit Erlaubniß des Herzogs noch, bis zu ihrer Wiedervermählung 1763, in dem Schlosse. Die eigenthümlichen Güter und Gebäude überließ der Herzog gleich nach dem Verkauf der Gemeinde für 17.750 fl., zog aber später das Schlößchen für den Zweck des Waisenhauses wieder zurück, und dieses wurde dann erst wieder 1808 an einen Bürger verkauft. Der Ort blieb als ein Rittergut im ritterschaftlichen Verbande mit dem Canton Kocher bis auf die neuern Zeiten.

Unter der frühern Herrschaft von Würtemberg scheint Hofen, wie das gegenüber liegende Mühlhausen, seine besondere Gutsherren gehabt zu haben. Ein Luithardt von Hofen kommt i. J. 1307 vor, 1317 ist er Zeuge, da Swigger von Blankenstein seine Fischenz zu Mühlhausen verkauft. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob er nicht zu dem gleichnamigen Geschlechte gehörte, das seinen Sitz zu Grabenstetten hatte, und wahrscheinlich auch von einem dort gelegenen Gute sich schrieb. Bemerkenswerth ist, daß schon der erstbekannte Graf von Würtemberg, Gr. Conrad, seinem Ministerialen Sueneger von Würtemberg (also ein Ministerial mit dem Namen Würtemberg) die Erlaubniß ertheilte, ein Gut zu Hofen am Neckar an das Kloster Hirschau zu vergaben.

Von dem Filialverband des Dorfes mit der Kirche zu Canstatt war schon oben bey Canstatt die Rede. Er bestand bis 1522, und die von Hofen hatten bis dahin auch ihr Begräbniß zu Canstatt. Im Jahre 1522 wurde ein eigener|Pfarr-Vikarey zu Hofen errichtet, und durch die Reformation, welche die Gutsherren in dem Orte zu verhindern wußten, wurde die Trennung vollständig. Das Patronat behauptete das Capitel Constanz als Patron der alten Mutterkirche. Im Jahr 1802 kam es mit den Gefällen an Baden, und von da 1807 an Würtemberg. Das alte Schloß Hofen bildet eine schöne und malerische Ruine, bis 1783 stand noch ein stattlicher Thurm, der zum Kirchenbau verwendet wurde. Das Schloß ist im dreyßigjährigen Kriege zerstört worden. Vor einigen Jahren wurden noch in den Gewölben wohlverwahrte Pergamentdocumente gefunden, und von den unbekannten Findern mitgenommen. Des Heidenschlosses, dessen Namen sich noch in einem Bezirke oberhalb Hofen, zwischen der Kapelle und dem Neckar, erhalten hat, ist schon S. 16 Erwähnung geschehen. 1816 wurden noch Mauern daselbst ausgegraben.


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