« Kapitel B 2 Beschreibung des Oberamts Canstatt Kapitel B 4 »
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3. Hedelfingen,


ein evang. Pfarrdorf im Neckarthal, an der Landstraße nach Eßlingen, 13/4 St. von Canstatt und 1 St. von Eßlingen, mit 1176 Einw., C. A. Eßlingen, F. A. Leonberg. Der große Zehnte und der Weinzehnte gehören zu dem Cameralamt, mit Ausnahme von 6 M. Äcker, die der Pfarrey zehentbar sind, für den kleinen und etwas Heuzehnten bezieht die Pfarrey jährlich 58 fl. 36 kr. Diese Pfarrzehnten wurden von der Propstey Nellingen i. J. 1441 der Pfarrey überlassen, die ihn darauf für immer um obige Summe an die Gemeinde verpachtete. Die Grundlasten betragen| zusammen in Geld 59 fl. 5 kr. und 21/4 S. D., 8 Schfl. 71/2 S. H., 2 S. glatte Früchte und 10 E. 3 I. Wein. Den größten Theil davon hat der Staat, der Rest ist unter verschiedene Stiftungspflegen getheilt. Ungefähr 23 M. Weinberge entrichten noch Theilgebühren. An vogteylichen Gefällen hat der Ort noch 15 fl. 27 kr. und 28 Schfl. 23/4 S. Vogthaber, ferner 19 E. 21/2 I. Bet- oder Burgwein zu entrichten[1]. Eines alten Waldrechts der Gemeinde auf Waldstreu, Weide und Dürrholz in einem Theile der Waldungen von Weil ist oben schon gedacht.

Hedelfingen liegt 1/4 St. von dem Neckar vor der Mündung des Roracker Thals; der Dürrenbach fließt durch den Ort. Es hat ein Rathhaus, und ein 1820 neu gebautes Schulhaus, eine Mahlmühle und eine Ziegelhütte. Die Pfarrkirche steht etwas erhöht, Filial der Kirche ist der K. Gestütshof Weil.

Die Einwohner nähren sich hauptsächlich von dem Weinbau und dem Vieh. Das Ackerfeld ist klein und wird deßwegen auch nicht flürlich gebaut. Die Markung überhaupt ist, wie die Tabelle II. zeigt, im Verhältniß zu der Einwohnerzahl eine der kleinsten des Oberamts. Die Einwohner suchen daher auch häufig auswärts durch Grabarbeiten, Straßenbau-Accorde etc. ihr Brod zu verdienen, und werden als fleißige und gewandte Arbeiter sehr gern dazu gebraucht. Außer der gewöhnlichen Schule hat Hedelfingen auch eine Industrieschule zum Unterricht in weiblichen Arbeiten; mit der erstern ist eine kleine Stiftung von 30 fl. zu Schulbüchern verbunden, auch ist eine Armenstiftung von 80 fl. zu Brod und Schulbüchern vorhanden.

Das Patronatrecht hatte ehemals die zum Kloster St. Blasii gehörige Propstey Nellingen. Durch Tausch kam| dasselbe am 10 Apr. 1649 an Würtemberg. Kurz vor der Reformation ist auch eine Kaplaney in Hedelfingen gestiftet worden; in einem Visitations-Bericht von 1540 ist aber bemerkt: „die Pfründ ist als noch nit bestätigt besonder neuerlicher Zeit fundirt worden, hat nie keinen Besitzer gebabt.“ Die Reformation wurde in Hedelfingen zu derselben Zeit, wie im ganzen Lande, eingeführt, aber die Hedelfinger hatten schon früher viele Neigung dazu gezeigt[2].

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Hedelfingen gehört von alten Zeiten her zu Würtemberg[3]; an der Grundherrschaft hatten ehemals mehrere auswärtige Klöster und Herren Theil. Die von Rechbergischen Gefälle gingen erst in neuern Zeiten an die Landesherrschaft über, und zwar durch einem Tauschvertrag i. J. 1811 mit den Grafen von Rechberg, über dessen Gülten und Gefälle zu Hedelfingen, Ober- und Unter-Türkheim, Ober-Eßlingen und Wangen. Über dem Dorfe findet man noch Spuren einer ansehnlichen Burg, man kennt aber weder ihren Namen, noch ihre ehemaligen Bewohner mehr. Der Platz heißt noch jetzt „auf der Burg," und unter diesem Namen kommt er schon 1366 vor. In diesem Jahre vergabt Irmelgart die Stöfflerin, Klosterfrau zu Weil (bey Hedelfingen) und Bertolds von Stöffeln Bruderstochter den Weinberg „uff der Burg, den man nennt den Stöffeler.“ Nach Sattler soll die Burg noch aus| heidnischen Zeiten herrühren, und vor Zeiten noch in unterirdischen Gewölben Kisten mit vermoderter Leinwand gefunden worden seyn. Im J. 1449 wurde Hedelfingen nebst Weil und O. Türkheim von den Eßlingern und 1529 von den schwäbischen Bundestruppen geplündert und angezündet, nachdem die Bundes-Räthe und Hauptleute zu Ulm den Befehl gegeben hatten, von Eßlingen aus das Neckarthal hinab gegen diejenigen Orte mit Plünderung und Brand vorzufahren, welche dem Herzog Ulrich anhangen. Auch am Tage der Schlacht am Neckar, 21. Juli 1796, litt der Ort durch Plünderung von den Franzosen. Ein französischer Chasseur brach in die Kirche, hieb den Sakristeykasten auf, raubte die Kirchengeräthe und schrieb seinen Namen ins Opferregister.
  1. Ein Beispiel, wie in späterer Zeit erst noch manche Grundlasten entstanden sind, ist folgendes: 1611 erhält Hedelfingen die Erlaubniß, 35 M. Allmandwald zu Weinberg anzulegen, und es wird ihm dafür die jährliche Abgabe von einem Eimer Bodenzinswein angesetzt.
  2. Ihr Pfarrer, Benedict Bauz, war nach Eßlingen gezogen, und auf dem Zehenthof daselbst von dem Domcapitel Speyer vorläufig als Kaplan angenommen worden. Hier ereiferte sich über das Beginnen der Eßlinger, und ließ sich verlauten, er wolle alle würtembergische Unterthanen und besonders die Hedelfinger, die herein in die ketzerischen Predigten gehen, dem Regiment in Stuttgart anzeigen, das kurz vorher strenge Befehle gegen das Anhören der neuen Prädikanten in Eßlingen erlassen hatte. Der Magistrat in Eßlingen ließ jedoch den Pfaff Bauz durch 4 Stadtknechte fest nehmen und ihn, nachdem er denselben 10 Tage lang im Thurm und Boden mit Wasser und Brod abgespeist hatte, über die Grenzen schaffen. S. Schurrers Erläut. der Würt. Reformation S. 96.
  3. Doch möchte man aus der Einwilligung, welche die Herzoge von Teck zu mehreren Verkäufen von Gütern gegeben haben, auf eine ältere, auswärtige Verbindung schließen. Merkwürdigerweise gehörte Hedelfingen auch nicht zu dem Landcapitel Canstatt, s. S. 6.
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