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29. Weilheim,


Dorf, Gemeinde III. Klasse mit 642 Einw., worunter 8 Kath. Die Evang. sind nach Frommern, die Kath. nach Roßwangen, OA. Rottweil, eingepfarrt.
In schöner noch ebener Gegend, am Fuße der Lochen und des Horns, liegt der von Obstbäumen umgebene und auch mit stattlichen Waldbäumen (Eschen) gezierte, besonders in der Nähe | von Kirche und Schulhaus freundliche Ort. Erstere mit neben anstoßendem Kirchhof, den ein schönes eisernes Gitterthor ziert, steht in der Mitte des Orts nahe dem durchfließenden Lochenbache. Sie ist ziemlich geräumig, doch etwas schmal, und freundlich hergerichtet. An das Langhaus schließt sich in drei Seiten des Achtecks der Chor; an der nördlichen Ecke steht der schlanke zeltdachgedeckte Thurm. Der Chor zeigt noch drei kleine gothische Fenster mit ausgebrochenem Maßwerk, das Langhaus gothische Thüren und ein viereckiges gothisches Fenster über der Westthür, einige stilgemäße Fenster sind in neuerer Zeit eingesetzt. Das Innere hat eine gemalte Decke mit Ornamenten und Engelköpfen (über der Kanzel Name des Malers: Joh. Christof König zu Kirchheim 1703), einen gothischen, etwas erneuerten Taufstein und ein neues schön geschnitztes Altarkruzifix.

Von den zwei Glocken des Thurms zeigt die größere die Namen der 4 Evangelisten und den des Gießers, Marte Fuchs 1586; die kleinere ist von Matheus Grieninger 1682. Die Kirche ist von der Stiftung zu unterhalten. Das Schulhaus von 1788 hat eine freundliche Lage; es enthält die Lehrzimmer und Wohnräume für einen ständigen und einen unständigen Lehrer. Das Rathhaus wurde 1838 eingerichtet. Auch ein Waschhaus und Armenhaus besitzt die Gemeinde. Trinkwasser ist gut und reichlich vorhanden; es wird in thönernen und eisernen Teucheln 3 laufenden Brunnen zugeleitet; außerdem hat man gegen 30 Pump-, Zieh- und Schöpfbrunnen. Eine Vizinalstraße verbindet den Ort mit der Lochenstraße bei Ziegelwasen, und es hat die Gemeinde eine steinerne Brücke und zwei Stege zu unterhalten.

Die kräftigen Einwohner, von denen 4 über 80 Jahre alt, sind von gutem Charakter. Ihr Nahrungsstand ist kaum mittel. Der Vermöglichste besitzt etwa 32, der Mittelmann 6–9 Morgen, die ärmere Klasse ganz wenig. 100 Morgen Güter liegen auf Nachbarmarkungen. Von Gewerben bestehen 2 Corsettfabriken mit mäßigem Erfolg. Eine Schildwirthschaft und 3 Krämer dienen dem Verkehr. Industrieschule wird gehalten.

Die ziemlich ausgedehnte, abgerundete, aber großentheils waldige Markung geht durch alle Schichten des braunen Jura hindurch und erreicht an der Lochen und dem Horn noch den weißen; sie hat einen humusreichen, meist tiefgründigen ergiebigen Boden; Steine zum Straßenbeschläg, Kies und Lehm, | auch Töpferthon, werden gewonnen. Das Klima ist ziemlich mild; Hagelschlag kommt zuweilen vor.

Die Landwirthschaft wird, soweit es die beschränkten Mittel erlauben, eifrig betrieben. Asche, Gips, etwas Kompost und die sorgfältig gesammelte Jauche kommen in Anwendung. Der Pflug ist der Wendepflug; auch einige eiserne Eggen sind da. Von der Brache werden 3/4 mit Klee und Kartoffeln eingebaut. Futterkräuter und Hanf werden nach Bedarf gebaut. Die Hauptfrüchte sind Dinkel, Haber, Gerste. Von 9–10 Sri. Dinkel auf den Morgen erntet man 6–8 Schffl., von 4–5 Sri. Gerste 3 Schffl., von 4–5 Sri. Haber 3–4 Schffl., von 4 Sri. Weizen 2–3 Schffl., von 4 Sri. Einkorn 3–4 Schffl., von 4 Sri. Roggen 2–3 Scheffel. Frucht und Mehl muß noch von außen bezogen werden. Der Wiesenbau ist ausgedehnt und sein Erzeugnis gut; die Wiesen sind zweimähdig, und der Morgen liefert an Heu und Öhmd 30 bis 36 Ctr. Ausgedehnt und noch im Zunehmen begriffen ist der Obstbau. Von Kernobst pflanzt man hauptsächlich Mostbirnen, von Steinobst Zwetschgen und viel Kirschen. Die Gemeinde und einige Private haben Baumschulen, ein Baumwart ist aufgestellt. Jungstämme werden auch aus der Umgegend bezogen. Das Obst dient zum Mosten, Dörren, Brennen. In günstigen Jahren werden 100–150 Säcke verkauft; auch ziemlich Kirschen.

Die Gemeinde besitzt 24 Morgen Nadelwald, von nicht besonderer Beschaffenheit; der gegenwärtige Ertrag ganz unbedeutend. Die Weide dagegen ist gut, wird mit fremden Schafen befahren und erträgt der Gemeinde 500 M. Pacht, 350 M. für Pferchnutzung. Der Pfarrer hat Weiderrecht für 4 Schafe. Die Allmanden sind verliehen und tragen jährlich 200 M. Auch sind einige Farrenwiesen vorhanden. Pferde werden wenige gehalten. Dagegen ist die Viehzucht den Verhältnissen nach gut; die Gemeinde hält 2 Schweizer Farren und zahlt dem Wärter 60 M. Stallfütterung ist allgemein, Viehhandel unbedeutend. Schafe werden vom Ortsschäfer 30–40 gehalten, 100 fremde laufen im Sommer. Einige Schweinezucht (halbenglisch) und Mastung findet statt; 30–40 Stück Mastschweine werden jährlich verkauft. Ziegenzucht gering; Geflügelzucht nur zum eigenen Bedarf; Bienenzucht im Abnehmen; einiges Wachs und Honig wird in guten Jahren verkauft.

Armenstiftungen sind vorhanden, von Dav. Schuler von Heilbronn 1200 M., von Gemeinderath Nill aus Stuttgart 3000 M.

| Der Name des zur Unterscheidung von anderen gleichnamigen Orten Weilheim unter Lochen genannten Dorfes wurde früher Wilhain, Wylhain, auch Wyler geschrieben und ist von einem althochdeutschen wila, dem Stammworte von wilari, Weiler, abzuleiten (Förstemann 2, 1601). Er kam mit der zollerischen Herrschaft Schalksburg im J. 1403 an Württemberg (S. 279 vergl. S. 283).

Sonstigen Besitz am Orte betreffend kann bemerkt werden: Dieses Weilheim ist ohne Zweifel das Wilon, an welchem Kloster St. Gallen ums J. 1200 zwei Schupossen besaß. Johannes von der Wilden-Thierberg verkaufte den 14. Juni 1316 mit Einwilligung seines Bruders Konrad seine Vogtei über ein hiesiges Gut um 29 Pfd. Heller an das Kloster Friedenweiler (bad. B.A. Neustadt), dieses aber den 18. Juli 1408 seinen hiesigen Hof um 130 Pfd. Heller an St. Jörgen Altar in der Kapelle zu Rosenfeld; Aulber Magenbuch den 15. Nov. 1440 seine Rechte und Theile an einem Hof an die St. Sebastians- und Fabianskaplanei in der St. Nicolauskapelle zu Balingen. Ein hiesiger Hof gehörte zu 1/3 der Pfarrei, zu 2/3 dem Frauenkloster zu Binsdorf (Erneuerung von 1618).

Zu Weilheim gehörte 1634 die Ziegelhütte Ayspach.

Den 30. August 1605 verglichen sich die Gebrüder Samson und Hans Walther Scheer von Schwarzenburg zu Oberhausen einerseits und die Gemeinde Weilheim andererseits wegen Viehtriebs und Weidgangs; s. wegen solcher Vergleiche auch oben S. 388.

Nach Röders öfters genanntem Lexikon von Schwaben zählte der Ort 674 Einwohner.

Was die kirchlichen Verhältnisse betrifft, so wird eine hiesige St. Dionysiuskapelle mit ihren Heiligenpflegern schon in den J. 1429 und 1432 erwähnt, doch bildete der Ort wie das benachbarte Waldstetten ein Filial von Frommern, bis im Jahr 1463 jene beiden Gemeinden eine eigene Pfarrei dotirten. Graf Ulrich von Württemberg gab den 12. Juli d. J. seine Einwilligung zur Stiftung, wobei er übrigens bemerkte, es sei ihm berichtet worden, daß zu Weilheim vor Zeiten auch ein Pfarrer gewesen und von dannen gen Frommern gezogen sei; die Gemeinden trugen den 24. Septbr. dem Constanzer Bischof Burkhard gleichfalls unter Berufung darauf, daß vor Zeiten hier eine Pfarrei bestanden, aber durch Kriege und Verheerung in Abgang gekommen sei, ihr Gesuch vor, und der Bischof ertheilte am 29. Oktober die Genehmigung (vgl. Sattler, Grafen | 2. Aufl. 3, 32 und Beil. Nr. 26; 4, 68). Nach der Reformation aber wurden Weilheim und Waldstetten wieder Filiale von Frommern, wie sie dies noch heutzutage sind.[1]
  1. Die nach Hohenzoller. Forschungen 1, 203 Anm. 36 im J. 1379 erwähnte Klause zu Weilheim wird in Monum. Zolleran. 1, 235 vergl. mit 558 auf Weilheim (zoller. O.Amt Hechingen), bezogen und in unserem Weilheim hat sich jedenfalls keine Erinnerung erhalten, daß hier dereinst eine Klause gewesen sei.


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