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Steinbach,

Gemeinde III. Kl. mit 471 Einw. wor. 3 eigener Konf. – Dorf, Filial von Backnang. 1 Stunde nordöstlich von der Oberamtsstadt gelegen.

In dem flachen von sanften Acker- und Rebengeländen umgebenen, westwärts gegen das Murrthal ziehenden Bodenbachthälchen liegt auf grünem Wiesengrunde, von hohen Pappeln malerisch umragt, das freundliche, ziemlich zerstreut gebaute Dorf mit seinen meist kleinen Häusern, aus denen nur einige größere Bauernwohnungen sich erheben. Von den sog. oberen Weinbergen aus hat man eine weite Aussicht an die Albkette.

Das schöne und große Rath- und Schulhaus ist mit einem Glockenthürmchen gekrönt, enthält die Gemeinderathsgelasse, ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters; im J. 1832 erkaufte | es die Gemeinde von einem hiesigen Bürger. Eine Kelter mit 2 Bäumen steht 1/8 St. vom Ort, in der Nähe der Weinberge.

Gutes Trinkwasser liefern stets in Fülle 30 Pump- und 6 Schöpfbrunnen, auch ist die Markung sehr reich an guten Quellen, worunter die bedeutensten sich im sog. alten See befinden. Fast jeder Bauer hat seinen eigenen Brunnen. Der Pflasterbrunnen mitten im Ort ist ein sog. Hungerbrunnen. Über die Markung fließen die Murr und der 1/8 St. östlich vom Ort in den Breitwiesen entspringende Bodenbach; er fließt durch das Dorf und nimmt ein aus dem alten See kommendes Bächlein auf; dieser sog. alte See liegt 5 Minuten östlich von Steinbach und wird jetzt theils als Wiese, theils als Hanfraise benützt.

Vicinalstraßen führen von hier nach Backnang, Oberbrüden und Zell. Über die Murr geht ein von der Gemeinde zu unterhaltender hölzerner Steg.

Von den im allgemeinen gesunden Einwohnern sind gegenwärtig zwei über 80 Jahre alt; man trifft unter ihnen viel Fleiß und Sparsamkeit. Die Haupterwerbsquellen bilden Feldbau, Viehzucht und Weinbau. Von den Handwerkern arbeiten nur Maurer und Weber nach außen. Eine Schildwirthschaft und ein Kramladen besteht. Die Vermögensverhältnisse sind befriedigend, indem die meisten Bürger dem Mittelstande angehören. Der größte Gutsbesitz beträgt 60 Morgen, der des Mittelmannes 20, der ärmeren Klasse 3–5 Morgen Feld. Freiherr von Sturmfeder besitzt auf der Markung 140 Morgen, wovon 44 Morgen Neubruch, das Übrige ist Wald; das Neubruchfeld ist morgenweise an einzelne Bürger verpachtet, während die Waldungen selbst bewirthschaftet werden.

Die im Verhältniß zur Einwohnerzahl mittelgroße Markung ist mit Ausnahme der für den Wein- und Waldbau benützten Gehänge ziemlich eben und hat einen fruchtbaren meist tiefgründigen Boden, der theils aus Lehm, theils aus einem etwas schweren Thon (Zersetzung des Keupermergels) besteht und gegen die Murr hin kalkreich wird.

Das Klima ist mild und gesund und nur zuweilen schaden Frühlingsfröste den feinern Gewächsen und der Obstblüthe. Hagelschlag kommt selten vor.

Die Landwirthschaft wird gut betrieben und der Boden durch Anwendung von Düngersurrogaten (Gips, Asche), wie durch die in gut eingerichteten Düngerstätten fleißig gesammelte Jauche etc. zu verbessern gesucht. Der Brabanter Pflug und die eiserne Egge sind eingeführt.

Man baut vorherrschend Dinkel, Haber, Sommergerste, weniger Hirse und Weizen, ferner Kartoffeln, sehr viel dreiblättrigen Klee, Angersen; Reps und Mohn wird selten gepflanzt, dagegen Hanf und Flachs in großer Ausdehnung, welche theils gesponnen, theils ungesponnen | auf die benachbarten Märkte zum Verkauf kommen. Über den eigenen Bedarf werden jährlich etwa 400 Scheffel Dinkel und 100 Scheffel Haber größtentheils nach Backnang abgesetzt.

Der Wiesenbau ist sehr ausgedehnt und liefert ein gutes Futter.

Die Wiesen, von denen 20 Morgen bewässert werden können, sind zwei- und dreimähdig.

Es bestehen 40 Morgen Weinberge; auf den Morgen kommen 2500 Stöcke, die theilweise den Winter über bezogen werden; man pflanzt Silvaner, Drollinger, etwas Rißlinge und Klevner. Die geschätztesten Weine liefert der sog. „weiße Boden“. Der Wein ist für das erste Jahr gut trinkbar aber nicht lagerhaft. Die Preise eines Eimers schwankten in den letzten 10 Jahren zwischen 20 und 75 fl. Der größere Theil des Ertrages wird nach Backnang verkauft.

Die Obstzucht wird mit vielem Fleiß und unter jährlicher Zunahme betrieben. Das Obst geräth gerne, wenn es nicht gerade durch Frühlingsfröste leidet; man pflegt besonders Luiken, Träublesbirnen und Zwetschgen. Von dem Obstertrag kann in günstigen Jahren ein Theil ausgeführt werden.

Die Brach- und Stoppelweide ist gut und wird mit fremden Schafen befahren; die Pachtsumme aus den Weiden trägt jährlich 325 fl., die Pferchnutzung 300 fl. der Gemeinde ein. Etwa 15 Morgen Allmanden sind vorhanden und um 100 fl. an die Bürger verliehen.

Die mit einer rothen Landrace sich beschäftigende Rindviehzucht ist in gutem Zustande und wird durch 2 Farren (Simmenthaler Race) nachgezüchtet und verbessert. Vieh wird viel gemästet und an auswärtige Metzger abgesetzt.

Die Schafzucht betreibt ein fremder Schäfer, der den Winter über 200 Bastarde laufen läßt und sie im Ort überwintert. Die Wolle kommt nach Kirchheim zum Verkauf.

Die eigentliche Schweinezucht ist unbedeutend, dagegen die Schweinehaltung von Belang; die meist von außen bezogenen halbenglischen Ferkel werden theils zum eigenen Bedarf, theils zum Verkauf aufgemästet.

Das Fischrecht in der Murr hat der Staat, der es um eine kleine Summe verpachtet.

Seit 1865 besteht eine Stiftung von Jakob Eckstein von hier im Betrag von 100 fl.; die Zinsen dienen zur Anschaffung von Brot für arme Leute.

Westlich vom Ort am Abhange gegen die Murr wurden in neuester Zeit unbedeutende Grundmauern eines abgegangenen römischen Gebäudes entdeckt; man fand dabei römische Siegel und Bruchstücke von römischen Gefässen, unter denen mehrere von | Siegelerde mit Verzierungen. In der Nähe dieser Stelle wird eine Flur „Weiler“ genannt.

Das Dorf wird am frühesten dadurch genannt, daß das Stift Backnang Höfe in demselben kaufte, so den 3. Nov. 1368 von Konrad Krümber, des verstorbenen Schultheißen Sohn von Backnang, und seiner Gattin Mechthild um 56 Pfd. Heller und den 30. Mai 1411 von dem Gröninger Spitalherrn Sigfried (St.-A.). Dasselbe besaß später überhaupt allhier den großen und kleinen Frucht- und Heuzehenten, gewisse Weinzehenten, 6 erbliche Höfe und Lehengüter, Zinsen und Gülten, den Heuzehenten überließ jedoch das Stift im J. 1583 der Stadt Backnang wegen Haltung des Faselviehs, so daß es denselben in der Folge nur noch von den Novalien bezog. (Lagerbb. von 1568/9 und 1698).

Im Jahre 1439 wurde der Ort von Württemberg mit der Feste Reichenberg an die Gebrüder Nothaft verpfändet, stand vielleicht schon früher in Verbindung mit derselben und gehörte später in das Reichenberget Amt (Lagerb. v. 1528).


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