Beschreibung des Oberamts Böblingen/Kapitel A 3
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a) Am 3. December 1848 belief sich die angehörige Bevölkerung des Oberamts auf 28.515, und zwar auf 13.888 männliche und 14.627 weibliche Personen.
Nach früheren Aufnahmen war die angehörige Bevölkerung
am 1. Nov. 1812 | 21.617 | (10.629 männl., 10.988 weibl.) |
am 1. Nov. 1822 | 23.099 | (11.311 männl., 11.788 weibl.) |
am 1. Nov. 1832 | 25.254 | (12.354 männl., 12.900 weibl.) |
am 15. Dec. 1842 | 27.439 | (13.363 männl., 14.076 weibl.) |
am 3. Dec. 1846 | 28.343 | (13.766 männl., 14.577 weibl.) |
Die ortsanwesende Bevölkerung hatte im Jahre 1822 betragen 22.306 und waren damals ortsabwesend 793, dagegen Fremde anwesend 590. Für das Jahr 1846 stellte sich die Zahl der Ortsanwesenden auf 26.218. (Abwesende 3164, anwesende Fremde 1039.)
b. Was die relative Größe der Bevölkerung, oder die Dichtigkeit derselben betrifft, so lebten auf 1 geogr. Quadratmeile, nach der Zählung vom 3. Dec. 1848 6635 Angehörige. Für das Jahr 1846 kamen auf 1 Quadratmeile 6594 Angehörige und 6100 Anwesende. Die Dichtigkeit der Bevölkerung unseres Bezirks übertrifft hienach die vom ganzen Lande um beziehungsweise 33 und 25 Procent. In Ansehung der Morgenzahl kommen auf 1 Angehörigen 2,65, auf einen Anwesenden 2,86 Morgen Landes.
c. Geschlechtsverhältniß. Die weibliche Bevölkerung ist nach der Zählung vom Jahr 1846 um 811 größer bei den Angehörigen, und um 1186 größer bei den Anwesenden; oder es kommen auf 1000 männliche Personen 1059 und 1095 weibliche. [1]
| Dieses Übergewicht war bei den Angehörigen im Jahr 1812 359, im Jahr 1822 477, im Jahr 1832 546, im Jahr 1842 713, im Jahr 1848 739.d. Alterstufen. Von der angehörigen Bevölkerung des Jahrs 1846 standen in einem Alter
davon treffen auf | ||||
männliche | weibliche | 10.000 männliche |
10.000 weibliche | |
unter 6 Jahren | 2209 | 2369 | 1605 | 1625 |
von 6 bis 14 Jahren | 2370 | 2476 | 1722 | 1699 |
von 14 bis 20 Jahren | 1493 | 1558 | 1084 | 1069 |
von 20 bis 25 Jahren | 1189 | 1320 | 864 | 906 |
von 25 bis 40 Jahren | 2957 | 3157 | 2148 | 2166 |
von 40 bis 60 Jahren | 2527 | 2746 | 1836 | 1884 |
von 60 bis 70 Jahren | 693 | 696 | 503 | 477 |
von 70 bis 80 Jahren | 293 | 225 | 213 | 154 |
von 80 bis 90 Jahren | 34 | 29 | 24,3 | 19,4 |
von 90 bis 100 Jahren | 1 | 1 | 0,7 | 0,6 |
über 100 Jahre | – | – | – | – |
Zusammen | 13.766 | 14.577 | 10.000 | 10.000 |
28.343 |
Von der Bevölkerung vom Jahr 1822 (1. Nov.) kamen auf
10.000 männliche |
10.000 weibliche Einwohner | |
unter 14 Jahren | 3223 | 3140 |
von 14 bis 18 Jahren | 879 | 6860 |
von 18 bis 25 Jahren | 1260 | |
von 25 bis 40 Jahren | 1995 | |
von 40 bis 60 Jahren | 1923 | |
über 60 Jahre | 720 | |
Zusammen | 10.000 | 10.000 |
e. Familienstand, am 3. Dec. 1846.
Verehelichte | 8943 | oder 4472 Ehepaare. |
Wittwer | 580 | |
Wittwen | 903 | |
Geschiedene | 49 | |
Unverehelichte | 17.868 | |
28.343 |
Familien befanden sich im Bezirk 6165 und kommen daher auf 1 Ehe 6,3, auf 1 Familie 4,6 Angehörige, welche Verhältnisse mit denen für das ganze Land nahe übereinstimmen. Am 15. Dec. 1843 zählte man 5889 Familien.
| f. Kirchliches Verhältniß.Christen, | im Jahr 1822 |
im Jahr 1846 |
evangelisch-lutherische | 22.537 | 27.548 |
evangelisch-reformirte | 3 | — |
römisch-katholische | 558 | 788 |
von andern christlichen Bekenntnissen | — | — |
Juden | 1 | 7 |
23.099 | 28.343 |
Nach zehnjährigen Durchschnitten von 1812/22 und von 1836/46 kommen jährlich vor:
a. Geburten:
1812/22 | 1836/46 | |
männliche | 423,8 | 583,0 |
weibliche | 412,9 | 571,6 |
Zusammen | 836,7 | 1154,6 |
Darunter uneheliche | 65,2 | 105,8 |
Todt kamen zur Welt, von 1812/22 jährlich | ||
männliche | 16,4 | |
weibliche | 12,7 | |
Zusammen | 29,1 |
b. Sterbefälle:
1812/22 | 1836/46 | |
männliche | 333,4 | 431,7 |
weibliche | 310,6 | 434,5 |
Zusammen | 644,0 | 866,2 |
c. Wanderungen: Eingewandert sind jährlich
von 1812/22 | von 1836/46 | |||
männlich | weiblich | männlich | weiblich | |
aus fremden Staaten | 2,5 | 4,3 | 3,3 | 8,3 |
aus andern Orten des Inlandes | 43,5 | 63,3 | 72,8 | 118,1 |
46,0 | 67,6 | 76,1 | 126,4 | |
Ausgewandert sind: | ||||
nach fremden Staaten | 25,7 | 23,9 | 16,1 | 13,0 |
nach andern Orten des Inlandes | 41,0 | 60,2 | 95,9 | 130,4 |
66,7 | 84,1 | 112,0 | 143,4 | |
also mehr ausgewandert | 20,7 | 16,5 | 35,9 | 17,0 |
Von 1812/22 sind neue Ehen geschlossen worden im Durchschnitt
jährlich . . . . . | . . . . . . . . . . . . . | 159,0 | |
und aufgelöst, | durch Tod | 137,4 | |
durch Scheidung | 2,9 | ||
140,3 |
e. Wachsthum und Verhältnisse der Bevölkerung.
In dem Jahrzehend von 1812/22 nahm die Bevölkerung zu, um 682 männliche, 800 weibliche (0,685 Procent jährlich), von 1836/46 um 1137 männliche, 1135 weibliche (0,871 Procent jährlich), der natürliche Zuwachs betrug für den ersten Zeitraum 1927, für den zweiten 2884. Das Verhältniß der Geborenen zu den Lebenden ist von 1812/22 wie 1 : 26,5 oder auf 10.000 Einwohner kommen 378 Geburten, von 1836/46 wie 1 : 23,3 oder auf 10.000 Einwohner kommen 429 Geburten. Vergleicht man diese Verhältnisse mit denen vom ganzen Lande, so stimmen dieselben in beiden Zeiträumen sehr nahe zusammen. Mit Unterscheidung der Geschlechter kommen auf 1000 geborene Mädchen von 18112/22 1026 und von 1836/46 1020 geborene Knaben. Unter 100 Geburten zählte man uneheliche von 1812/22 7,79, von 1836/46 9,16; es verhalten sich hienach die unehelichen Geburten zu den ehelichen wie 1 : 11,63 und wie 1 : 9,91 und es stellen sich diese beiden Verhältnisse günstiger als die vom ganzen Lande (1 : 8,1 und 1 : 7,8). Das Verhältniß der Todtgeborenen zu sämmtlichen Geborenen war von 1812/22 wie 1 : 28,8, während dasselbe sich für das ganze Land wie 1 : 25,9 berechnet.
Gestorben sind unter 10.000 Seelen, von 1812/22 290,8 (1 von 34 Lebenden); von 1836/46 321,7 (1 von 31 Lebenden). Es ergibt sich hieraus, daß die Sterblichkeit hier eine geringere ist als die des ganzen Landes.
Nach Altersstufen starben von 1812/22 | bei 10.000 Todesfällen | |
männlich | weiblich | |
von der Geburt (Todtgeborene) | 492 | 409 |
unter 1 Jahr | 3857 | 3136 |
vom 1sten bis 7ten Jahr | 1293 | 1500 |
vom 7ten bis 14ten Jahr | 264 | 306 |
vom 14ten bis 25sten Jahr | 426 | 323 |
vom 25sten bis 45sten Jahr | 912 | 953 |
vom 45sten bis 60sten Jahr | 759 | 1043 |
über 60 Jahren | 1997 | 2325 |
10.000 | 10.000 |
Von 1812/22 fanden 1590 Trauungen statt, durchschnittlich also 159 im Jahr, wonach somit auf 139 Menschen 1 Trauung kam. Im ganzen Lande kam eine solche auf 143 Menschen.
Folgende Gemeinden des Bezirks haben sich nach den zehnjährigen Durchschnitten von 1836/46 durch bemerkenswerte Verhältnisse ausgezeichnet: durch geringe Sterblichkeit: Neuweiler auf 1000 Einwohner 22,3 Sterbfälle; Schönaich 26,4; Deufringen 26,7; Breitenstein 27,1; Ehningen 27,2; Weil im Schönbuch 29,2. Durch größere Sterblichkeit: Döffingen, auf 1000 Einwohner 38,2 Sterbfälle; Schaffhausen 37,2; Dätzingen 36,9; Maichingen 36,8; Aidlingen 36,0; Magstadt 35,7. Die meisten alten Leute (mehr als 70 Jahre zählend) fanden sich bei der Aufnahme des Jahrs 1846 in Neuweiler unter 1000 Angehörigen 29; zu Sindelfingen und Altdorf 28; zu Schaffhausen 27; zu Böblingen und Aidlingen 22. Die wenigsten alten Leute hatten: Magstadt unter 1000 Einwohnern nur 12; Dätzingen 14; Schönaich 14; Döffingen 15; Ehningen 16; Maichingen 17. Die Geburten waren am zahlreichsten zu Magstadt, auf 1000 Angehörige 50,2; Döffingen 48,8; Dätzingen 46,9; Aidlingen 46,3; Sindelfingen 44,5; Maichingen 43,5. Die wenigsten Geburten kamen vor, zu Breitenstein auf 1000 Angehörige 34; Deufringen 35,4; Darmsheim 37,9; Neuweiler 38,0; Dagersheim und Ehningen 38,3. Die niedrigste Zahl der unehelichen Geburten hatte Maichingen, unter 100 Geburten 5,7; Schönaich 6,0; Holzgerlingen 6,3; Magstadt 6,9; Altdorf 7,2; Ehningen 7,5. Die meisten unehelichen Geburten kamen vor in Döffingen, unter 100 Geburten 16,1; Breitenstein 13,7; Deufringen 12,9; Darmsheim 12,3; Aidlingen 11,6; Schaffhausen 11,0.
|Die Einwohner des Bezirks, welche einen Übergang von dem Weinbau treibenden Unterländer zu dem Schwarzwälder bilden, sind durchgängig Schwaben und theilen alle Eigenthümlichkeiten dieses Volksstammes, wie sie sich in Niederschwaben, oft in merklichen Zügen gegen Oberschwaben und gegen Franken im Laufe der Zeit ausgebildet haben.
Der Menschenschlag ist im Allgemeinen kräftig, von guter Gesundheit und ohne vorherrschende Gebrechen. Eigenthümlichkeiten im Äußeren findet man in Schönaich, wo die männlichen Einwohner neben einer regelmäßigen, übrigens etwas länglichten Gesichtsbildung beinahe durchgängig groß gewachsen, schlank und hager sind, während das weibliche Geschlecht mehr runde Gesichtsformen und einen gedrungeneren Körperbau hat. Die Ehninger sind kräftig, breitschultrig und stolz einherschreitend, dagegen die Dätzinger mehr von mittlerer Größe, hager und blaß aussehend; die übrigen Bewohner des Bezirks haben nichts auffallendes und sind im Allgemeinen gut und etwas gedrungen gebaut.
Die Gesundheitsverhältnisse sind im Ganzen als sehr günstig zu betrachten. Der Cretinismus gehört zu den Seltenheiten; nur Kropf, Scropheln und Rachitis sind namentlich in den beiden Städten häufig, syphilitische Krankheiten dagegen sehr selten und meist eingeschleppt.
Zu den häufigsten Krankheiten gehören im ganzen Bezirk Brustkrankheiten, Katarrhfieber, Lungenentzündungen und bei Kindern von 1–7 Jahren Luftröhrenentzündungen, welch letztere nicht selten tödtlich ablaufen, wohl hauptsächlich deßwegen, weil nicht frühzeitig genug ärztliche Hülfe begehrt wird. Außerdem sind am häufigsten Schleim- und Nerven-Fieber, welche in der Form des Typhus in den Jahren 1830–40 fast in sämmtlichen Gemeinden epidemisch geherrscht haben. In Holzgerlingen herrschte im Herbst 1846 eine 4 Monate lang andauernde Schleimfieberepidemie, wobei von 152 Erkrankten jedoch nur 12 starben. Im Etatsjahr 1848/49 breiteten sich die Varioloiden in dem Bezirk so sehr aus, daß nur 5 Gemeinden verschont blieben; es kamen 195 Fälle zur amtlichen Anzeige und es darf angenommen werden, daß eine gleiche Zahl aus Furcht vor der Absperrung verheimlicht wurde. In den höher gelegenen oder dem Winde ausgesetzten Ortschaften sind rheumatische Unfälle beinahe ebenso häufig als katarrhalische und entzündliche.
| Nach einer 5jährigen Durchschnittsberechnung der Mittelgröße der Conscriptionspflichtigen (Württ. Jahrb. 1833 2. Heft S. 384 ff.) stellte sich für den Bezirk Böblingen die von 5’ 8,35“ (württ. Decimalmaß) heraus und derselbe erhielt in dieser Beziehung in der Reihe sämmtlicher Oberamtsbezirke die 28. Stelle. Unter 1000 Pflichtigen hatten 292 eine Größe von 6' und darüber (nur acht Oberämter haben mehr; der Durchschnitt sämmtlicher Oberamtsbezirke beträgt 237), dagegen erreichten 128 das Maß von 5' 5“ nicht (36 Bezirke haben mehr und der Durchschnitt des ganzen Landes ist 136). Was die Untüchtigkeit wegen körperlicher Gebrechen betrifft, so zeigte sich das Resultat ziemlich ungünstig, indem unter 1000 Pflichtigen 464 als untüchtig erkannt wurden, während nur 6 Oberämter in dieser Beziehung noch mehr hatten und der Durchschnitt sämmtlicher Oberamtsbezirke 388 beträgt; die Zahl der wegen allgemeiner Schwächlichkeit untüchtigen ist so ziemlich der Durchschnittszahl des ganzen Landes gleich, indem letztere 70 und die des Bezirks Böblingen 72 beträgt.Die Nahrungsmittel der Einwohner bestehen gewöhnlich in Kartoffeln, Milch und Mehlspeisen; seltener ist der Genuß des Fleisches. Das Getränke ist Obstmost, Bier, Branntwein, seltener Wein.
Die vorherrschenden moralischen Eigenschaften sind neben einer gewissen Derbheit ein offener biederer Sinn, Fleiß, Betriebsamkeit und viel Religiosität, die sich übrigens nicht selten zur Frömmelei steigert. Die seit lange schon bestehenden Liederkränze in Böblingen, Sindelfingen, Schönaich und in anderen Orten zeugen von Sinn für das Schöne. Jedoch darf nicht verschwiegen werden, daß Rachsucht und Jähzorn einem großen Theil der Bewohner des Bezirks eigen sind, wodurch häufig Schlägereien, bei denen Körperletzungen vorkommen, entstehen.
Die Volkstracht weicht leider täglich mehr der städtischen, doch scheint sie in Orten, die von den Hauptverkehrswegen entfernter liegen und seltener in Berührung mit Auswärtigen und Städtern kommen, wenigstens etwas langsamer verschwinden zu wollen. Eine rühmliche Ausnahme macht Schönaich, wo sich die alte Tracht der Väter noch ziemlich rein erhalten hat; sie besteht bei den Männern in weißen Zwillichkitteln, Scharlachbrusttüchern mit Rollknöpfen, weißen Lederhosen mit grünen Hosenträgern, Laschenschuhen, an dem Hemd die runde oder herzförmige silberne Schnalle und nicht selten 2 Rollknöpfe an dem Hemdkragen; der dreieckige Hut ist bei den älteren, verheiratheten Männern allgemein, während die ledigen Bursche statt diesem die mit Pelz verbrämte Mütze tragen. Das weibliche Geschlecht trägt schwarze,| häufig weiß geblümte Cattunkittel blaue kurze Röcke mit hellblauem oder grünem Saum, schwarze Schürze, deutsche Häubchen, 2 Zöpfe mit breiten langen Taffentbändeln, Stöcklensschuhe, letztere häufig noch mit einem über den Absatz laufenden Eisenstäbchen beschlagen. Sonst sind in dem Bezirke, mit Ausnahme der Städter, bei den Männern, die blauen und grauen Tuchröcke, gelbe oder schwarze Lederhosen, dunkelfarbiges Manchesterbrusttuch mit Rollknöpfen und der dreieckige Hut noch ziemlich häufig, übrigens weicht auch diese Halbtracht immer mehr der städtischen und an die Stelle des Dreispitzes tritt der runde Hut oder die Mütze. Bei Leichenbegängnissen und bei dem Abendmahle erscheinen die Bauern an vielen Orten noch mit dem langen schwarzen Mantel. Auch das deutsche Häubchen, welches das weibliche Geschlecht so schön kleidet, wird immer seltener und ist nur noch in einzelnen Orten allgemein. In Dätzingen hat die städtische Tracht die ländliche längst verdrängt, besonders kleidet sich das weibliche Geschlecht buntfarbig mit langen Kleidern nach französischem Schnitt. Das Häubchen von Gold oder Silber, welches ehedem in Weil der Stadt getragen wurde, trifft man jetzt nur noch bei alten Frauen. Eigenthümliche Gebräuche und besondere Volksbelustigungen nehmen immer mehr ab und sogar der Tanz bei Hochzeiten, Kirchweihen und sonstigen Gelegenheiten wird seltener und hat in einzelnen Orten beinahe ganz aufgehört. Eine Ausnahme macht auch hier Schönaich, wo bei Hochzeiten die Musikanten vor dem Wirthshause, in welchem sich die Hochzeitsgäste versammeln, um von da in die Kirche zu gehen, so lange aufspielen, bis ihnen der Zug aus den Augen ist. Sobald derselbe wieder aus der Kirche kommt und den Musikanten sichtbar wird, spielen diese wieder auf, bis die Hochzeitsgäste am Wirthshause anlangen. Vor dem Wirthshause hält der Schulmeister eine Rede. Über die ganze Feierlichkeit, sogar während des Schmauses und des Tanzes behalten der Bräutigam und der Brautführer die Hüte auf; letzterer tanzt den ersten Reigen mit der Braut. Die Braut und die Gespielin (Brautjungfer) theilen an die Hochzeitsgäste Bänder aus und zwar an die Ledigen farbige, an die Verheiratheten schwarze; ist Jemand vom Forstpersonal zugegen, so erhält dieser ein grünes Band. In Schaffhausen wird zu feierlichen Hochzeiten mit Predigt in der Kirche und Tanz im Wirthshause von der Braut und Gespielin Haus für Haus ohne Unterschied geladen. Zum Kirchgang hat der Bräutigam seinen Gesellen, die Braut ihre zwei bis drei Gespielinnen und den Brautführer, der sie, eine Lilabandschleife mit Rosmarinzweig in der Hand, mit Verbeugung zum Altar führt. Die verwandten Ehemänner nehmen in der Kirche| den Gemeinderathsstuhl ein; die Väter des Bräutigams und der Braut, Vormünder und besonders zu ehrende Verwandte zeichnet ein ellenlanges, flatterndes, schwarzes Band im Knopfloch aus. Nach der Trauung stellen sich die stets zahlreich Anwesenden auf der Straße auf, die Männer auf der einen – die Weiber, das Brautpaar und Gefolge auf der andern Seite, und der Schulmeister mit der von dem Brautpaar erhaltenen Bandschleife in der Hand, hält eine Rede. Nach diesem beginnt die Zechhochzeit. Eine Herein- oder Hinaus-Heirathende zieht mit dem Hausrath auf dem Wagen feierlich ein oder ab, wobei auf den Kästen die Betten reinlich überzogen, ausgebreitet sind; vornen steht die angelegte Kunkel mit Spindeln besteckt und womöglich mit etlichen Äpfeln behängt, hinten darf die Wiege nicht fehlen. Sowohl bei den Hochzeiten als bei dergleichen Ein- oder Auszügen wird von den ledigen Burschen geschossen. In Magstadt ladet man zu Zechhochzeiten ebenfalls die ganze Gemeinde; bei den Proclamationen werden die Verwandten gebeten in der Kirche zu erscheinen, um das Brautpaar in das Gebet einzuschließen, ein schöner, frommer Gebrauch aus alten Zeiten, der nie abgehen sollte. In den übrigen Orten sind diese Hochzeitsfeierlichkeiten wenigstens theilweise noch geblieben, in einzelnen aber beinahe ganz abgekommen.Von Volksbelustigungen ist das früher allgemein gewesene Eierlesen am Ostermontag nur noch in einzelnen Gemeinden, wie in Schönaich, Dagersheim etc. üblich. Außer den Hochzeiten sind Kirchweihen und Jahrmärkte, die wichtigsten Veranlassungen zu Vergnügungen, Tanz und Gelagen; übrigens verliert sich, wie schon oben erwähnt wurde, die Lust zum Tanzen täglich mehr und an einigen Orten gehört es bereits zu den Seltenheiten. Über das Jahresfest der Keßler, welches ehemals in Böblingen abgehalten wurde und über den sogenannten Kuchenritt, der in Sindelfingen bestand, verweisen wir auf die betreffenden Ortsbeschreibungen.
Die Mundart ist die breite, kräftig gemüthliche niederschwäbische, die in den westlichen Grenzorten etwas von dem Schwarzwälder Dialekt annimmt. In Schönaich wird der Vater noch Ätte und die Mutter Amm genannt.
- ↑ Für das ganze Land ist dieses Verhältniß wie 1000 : 1040.