Bemerkungen über die geographischen Entdeckungen und den Grad der Civilisation im innern Afrika

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Autor: Edmé François Jomard
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Titel: Bemerkungen über die geographischen Entdeckungen und den Grad der Civilisation im innern Afrika
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 3, 4, 6–9, S. 9–10, 13–14, 24, 26–27, 31–32, 35–36
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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[9]
Bemerkungen über die geographischen Entdeckungen und den Grad der Civilisation im innern Afrika.
Eine Rede von Jomard, gehalten in der Sitzung der vier Akademien des königl. Instituts von Frankreich.

Zum ersten Male dringen europäische Beobachter in das Herz des innern Afrika und legen ihren Reisebericht der Welt vor. In den Ruhm als Entdecker theilen sich Major Dixon Denham, Kapitän Clapperton und Dr. Walter Oudney. Der letztere erliegt – ein Opfer seines brennenden Eifers für die Förderung der geographischen Kenntnisse. Schon den Pfeil des Todes in der Brust, trägt dieser Märtyrer der Wissenschaft kein Bedenken, sich bis auf 600 Stunden in das Innere des Kontinents zu vertiefen. Ohne Hoffnung der Wiederkehr – schon wogt ein Ocean von Sand zwischen ihm und seiner Heimath – eilt er noch immer vorwärts, ähnlich jenen Tapfern, die, im Anfang des Zusammentreffens tödtlich verwundet, sich fortschleppen mitten auf das Schlachtfeld, um im Schoße des Sieges zu sterben.[1] Ohne Zweifel hätte sich, wäre die Welt weniger politisch zertheilt, die Theilnahme aller Edlen an einem in der Geschichte der Civilisation so ruhmvollen Ereignisse aussprechen müssen. Vielleicht datirt man eines Tages von dieser Epoche und wer weiß, ob nicht die Nachwelt auf der Liste der Entdeckungen, die die Gestalt der menschlichen Dinge verändert haben, das Jahr 1823 neben das Jahr 1492 setzt.

Zwei große Kontinente, bis jetzt einander fast unbekannt, sind im Begriff, sich die Hand zu reichen; der eine der erleuchtetste von allen, der andere, der lichtbedürftigste; dieser bis jetzt falsch beurtheilt nach den Menschen, die den Saum seiner Küsten bewohnen; jener belästigt durch eine übermäßige und unruhige Bevölkerung, und einen neuen Ausfluß für seinen Handel und seine Kunst-Erzeugnisse suchend. Glücklicher Weise trifft das materielle Bedürfniß Europa’s zusammen mit der allgemeinen Erweiterung der Kenntnisse, mit der Leidenschaft für Entdeckungen, mit dem allmäligen Verschwinden der Vorurtheile rücksichtlich der Farben, endlich mit der Verbreitung des Geistes wahrer Menschenliebe, welcher aus dem Christenthume entspringt.

Es gibt noch viele andere Länder als Sudan, von denen die Wissenschaft nichts als einige unbestimmte und zweifelhafte Namen kennt, die sie in ihren Registern nachführt; aber ich weiß nicht, welches eigenthümliche Interesse sich an die Entdeckung der innern Theile Afrika’s anknüpft. Man hat oft wiederholt, die Alten hätten Afrika besser gekannt, als die Neuern – eine Behauptung, bei welcher, wie in vielen Fällen, Irrthum und Wahrheit neben einander liegen, welche aber Europa nicht zugeben will. Für Europa, das den Rest der Erde erforscht hat, ist dieß gewissermaßen ein Ehrenpunkt. Wie! Asien und Amerika konnte es in wenigen Jahrhunderten für sich nutzbar machen, und noch einen fünften Welttheil entdecken; das weit nähere Afrika allein widerstände allen Versuchen, trotzte seiner Wißbegierde? Umsonst vervielfältigen sich die Ausrüstungen, häufen sich die Opfer an der unwirthbaren Schwelle; man könnte sagen, ein furchtbarer Genius vertheidige den Eingang in das geheimnißvolle Land, und weise, wie der Drache vor den Gärten der Hesperiden, die mächtigsten Völker ungeachtet ihres Muthes und ihrer Standfestigkeit zurück. Aber während voll Erwartung die Einen, voll Entwürfe die Andern sind, wird plötzlich der Schleier gelüftet – durch die Entdeckung eines Meeres voll süßen Wassers im Innern des Kontinents, durch die Ankunft der englischen Reisenden in Bornu und Mandara durch ihren kühnen Marsch bis zu dem großen Flusse, der, wie man vermuthet, von Tombuktu kommt.

Die Kürze der Zeit erlaubt dem Redner der Akademie, die aus der Aufgabe entspringenden Fragen, die er so gern erschöpfen möchte, nur leicht zu berühren: nämlich den Fortgang der Entdeckungen, den Grad der Civilisation der Völker des innern Afrika und den physikalischen Zustand des Landes. Man kann indessen in der Denkschrift, wovon gegenwärtige Betrachtungen ein Auszug sind, weitere Entwickelungen finden. Die mächtigste Scheidewand zwischen diesen Völkern und Europa ist nicht Entfernung, nicht das Klima, selbst nicht diese glühende Wüste, welche man in nicht weniger als 100 Tagen erst zurücklegt: das unübersteigliche Hinderniß, das seit zwei Jahrhunderten die Schritte der Europäer hemmt, ist der Golddurst. Ueberzeugt, daß man nur das Gold Afrika’s sucht, führen jene wilden Wächter Sudan’s die Reisenden irre, und locken sie in die Fallen, die sie ihnen legen.

Schon längst wäre man über Marokko nach Tombuktu gelangt, wenn nicht die Mauren und Juden, die Herren [10] des Handels auf dieser Seite von Afrika, alles aufböten, um es zu verhindern. Ein trauriger Fall von ganz neuem Datum beurkundet den tückischen und verstockten Haß dieser furchtbaren Menschen. Eine zweite Linie von Tripoli nach Tombuktu[2] ist zwar von den Mauren mehr entfernt, aber doch noch unter ihrem Einfluß; der Major Gordon Laing hat sie nicht ohne Gefahr bereist. Die dritte und längste, von Tripoli nach Bornu, hat der unglückliche Ritchie und sein Reisegefährte eingeschlagen, es gelang ihnen aber nicht, über Fezzan hinaus zu kommen. Den drei im Eingang genannten Reisenden war es vorbehalten, diese große Aufgabe in ihrem ganzen Umfange zu lösen. Nach einer Reise von 120 Tagen langten sie an den Grenzen der Niederung von Sudan an.

Schon zur Zeit des französischen Feldzuges in Aegypten hatte Friedrich Hornemann Morzuk einen Punkt auf derselben Linie erreicht. Er kam von dem Lande her, das bei seiner Lage auf der Grenze beider Kontinente gleichfalls Gelegenheit darbietet, in’s Innere einzudringen, so wie es seit undenklichen Zeiten die Erzeugnisse des Bodens und des Kunstfleißes der Völker des Nilthals gegen das Gold und Elfenbein Sudan’s austauscht, aus Aegypten, der ersten Quelle der Kenntnisse, welche Griechen und Römer über das innere Afrika besaßen, aus diesem Aegypten, welches, um das Joch der Barbarei abzuschütteln, Frankreich um die Wohlthat der Civilisation fleht, und seine dankbaren Söhne sendet, damit ihnen hier die Weihe der Wissenschaften und der Künste des Friedens werde.

Das Haupt der Armee des Orients und das Institut von Aegypten erkannten den Vortheil ihrer Lage für geographische Entdeckungen; wenn es das Schicksal der Waffen gewollt, so hätte Frankreich zuerst auf diesem Wege die wahren Quellen des Nils entdeckt; Franzosen wären zuerst zu dem großen innern See gedrungen, und das Problem des Laufes der innern Ströme wäre gelöst gewesen. Gleichwohl versagte die französische Armee Hornemann, dem Abgesandten Englands, Schutz und Hülfe nicht. Die Erfolge Brown’s in Dârfur hatten schon gezeigt, was man auf dem ägyptischen Wege zu erwarten hatte, und was ein einzelner Reisender, wenn er große Charakterstärke besitzt, leisten kann. Andere Forscher folgten den Spuren ihrer Vorgänger, und giengen wie sie zu Grunde, als Opfer des Entdeckungseifers. Aber ihre Mühe und ihr Beispiel ging nicht verloren: so dienen die Klippen, woran ein Seefahrer gescheitert ist, einem folgenden zur Warnung; so dienen die traurigen halbvergrabenen Karavanenreste dem Reisenden zu Wegweisern durch die Sandwüste.

[13] Von allen Unternehmungen in das innere Afrika, die einem Brown, Hornemann, Park, Burkhard, Ritchie, Rouzée, Bowdich und vielen Andern[3] das Leben gekostet haben, war keine kühner und folglich auch glücklicher, als die des Majors Denham und seiner Gefährten, indem sie in gerader Linie – von einem Ende zum andern – beinahe das ganze nördliche Afrika[4] und die unermeßliche Sandwüste, vor welcher schon der Gedanke sich entsetzt, voll Zuversicht, in europäischer Tracht, ohne irgend eine Verkleidung durchpilgerten. Die auf diesem merkwürdigen Zuge verfolgte Richtung verdient um so mehr unsere Aufmerksamkeit, als sie an zwei andere Reisen vor mehr als 17 Jahrhunderten erinnert, deren Kenntniß wir dem berühmten tyrischen Geographen Marinus verdanken. Der Astronom Ptolemäus hat uns diese Nachrichten in seinem großen Werke erhalten; es sind die Züge des Julius Maternus und Septimus Flaccus in’s Innere von Aethiopien. Wir können hier, wo wir blos Resultate geben sollen, von unsern zur Vergleichung dieser Reisen angestellten Untersuchungen nur flüchtige Umrisse entwerfen.

Nach dem Zeugnisse des Tyriers Marinus, das in 4 Kapiteln der Prolegomenen des Ptolemäus aufbewahrt ist, brauchte Septimius Flaccus drei Monate, um sich von Garama zu den obern Aethiopiern zu begeben, indem er immer gegen Süden zog; Julius Maternus vier Monate, um von Leptis Magna gleichfalls südwärts das Agisymbaland der Aethiopier zu erreichen. Er sah selbst Rhinozeros- und Elephantenheerden und ganz schwarze Menschen. Flaccus und Maternus berechneten jeden Tag die zurückgelegten Stadien, um die Lage der Orte zu bestimmen, wo man Wasser fand. Zwischen Leptis und Garama waren es 30 Tagereisen. Julius Maternus machte die Reise mit dem Könige der Garamanten bei einem Einfalle desselben in Aethiopien.

Alle diese Daten sind in Uebereinstimmung mit den letzten Forschungen. Major Denham berichtet, daß er am 16 Sept. 1822 aus den Umgebungen von Tripoli abreiste, und am 17 Febr. 1823 über Kufa am Strand des großen Sees in Bornu mit der Karavane und einer bewaffneten Truppe anlangte. Von diesen 155 Tagen gehen die 29 Tage des Aufenthalts in Morzuk und noch 9 Tage auf andern Punkten der Reise ab; der wirkliche Weg beträgt 107 Tage. Von Kufa bis zu den Grenzen von Mandara ist es noch ein Raum von 18 Tagereisen, den Denham durchwanderte. Seine Richtung war immer südwärts.

Man sieht, diese Reise ist von der des Julius Maternus wenig verschieden. Denn von Leptis Magna, wo der Römer ausging, brauchte er, immer südlich ziehend, vier Monate bis an den Ort seiner Bestimmung. Jedermann weiß, das Lebida, d. h. die große Leptis, vier Tagreisen östlich von Tripoli liegt; so würden ungefähr hundert ein- und zwanzig Tagreisen übrig bleiben, wenn die Engländer von diesem Punkt ausgehen sollten.

Seinerseits brauchte Septimius Flaccus vom Land der Garamanten zu den obern Aethiopiern gleichfalls in südlicher Richtung drey Monate; die Zahl von neunzig Tagen wird bestätigt durch die Entfernung von Leptis und Garama, welche dreyßig Tage beträgt. Gherma, vier Tage nördlich von Morzuk, liegt in der Gegend der alten Stadt der nördlichen Garamanten, und die Engländer brauchten ein und neunzig Tage, um von der Höhe von Gherma[5] zu den Gebirgen von Mandara zu gelangen. Die schwarzen Menschen, die zahlreichen Heerden von Elephanten, welche Julius Maternus in der Gegend von Agisymba erblickte, waren dasselbe Schauspiel, das die neuen Reisenden an den Ufern des Tschad und bei ihrem weitern Vorrücken gegen Süden erwartete.

Endlich bietet sich noch eine Aehnlichkeit dar, die nicht weniger bedeutend ist wegen der Schlüße, die sich daraus ziehen lassen. Der Zug des Königs der Garamanten gegen die oberen Aethiopier ist ein Seitenstück zu dem des Scheiks von Bornu 1823 mit den Arabern von Tripoli und den Mandaranen gegen die Fellâtas: so heißen die obern oder Gebirgs-Aethiopier. Wie der englische Major den gegen die Fellâtas ausgebrochenen Krieg benutzte, um seine Entdeckungen so weit als möglich gegen Süden zu verfolgen, indem er sich an die Truppen von Bornu anschloß: so war der römische General mit dem König der [14] Garamanten gegen die oberen Aethiopier gezogen. Marinus von Tyrus, oder vielmehr Ptolemäus hat uns nicht erzählt, ob die Barbaren die garamantische Armee, wie die Fellâtas die Truppen von Bornu, Mandara und Tripoli in die Flucht schlugen, und ob Maternus eben so mißhandelt wurde, wie der unerschrockene Denham. Wie dem auch seyn mag, es wäre schwer, sich die überraschende Aehnlichkeit aller dieser Umstände, der Oertlichkeiten, der Menschen, der Zahl der Tagreisen, der Richtung der Wege abzuleugnen: derselbe Punct der Abreise, dieselbe Entfernung, dieselbe Richtung, natürlich also auch dasselbe Ziel der Reise! Sollte nicht hieraus die Folgerung sich ergeben, daß der Weg vom Mittelmeer südlich bis zum 10° nördl. Breite im höchsten Alterthum bekannt war, und die barbarische Gewohnheit, gegen die Aethiopier auf die Jagd zu gehen, damals wie jetzt bestand?

Indem ich mich der ehrenvollen Pflicht entledige, welche mir die Akademie der Inschriften und der schönen Wissenschaften auflegt, bedaure ich, statt der genauen Berechnungen, welche eine vergleichbare Geographie des innern Afrika geben sollte, nur einen mangelhaften Abriß vorlegen zu können. Wenn es die Zeit erlaubte, so hätte ich eine Uebersicht alles dessen versucht, was die Wissenschaft dem durchdringenden Geiste d’Anvilles verdankt, was in unsern Tagen der Patriarch der Geographie, der d’Anville Englands, dessen bald bevorstehenden Verlust für die Wissenschaft wir befürchten, was die wichtigen Arbeiten französischer und deutscher Gelehrten[6] geleistet haben. Ich hätte gezeigt, wie weit durch die Untersuchungen des einsichtsvollen, des bedauernswerthen Burkhardt, wie weit durch jene des unglücklichen Ritchie und seines Gefährten, schon vor der neuen Entdeckung, dieser Gegenstand aufgeklärt worden. Ich hätte mich über die Probleme verbreitet, die jetzt noch zu lösen sind, über die Ungewißheit, welche jetzt noch rücksichtlich der, östlich von dem großen See, südlich und westlich von Dârfur gelegenen Landschaften, herrscht; über die großen äthiopischen Alpen, wovon das Mondsgebirg ein bloßer Ast ist, die im Süden 30 bis 40 Tagreisen weit sich erstrecken, und ihre Wasser durch den Nil ins Mittelmeer, durch mehrere große Flüße in den indischen Ocean ergießen; endlich, um bei dem innern Afrika stehen zu bleiben, über die Verbindung der Gewässer, welche Sego, Tombuktu, Yuri und Nifu befeuchten: – verwickelte Aufgaben für den Forschungsgeist des kommenden Geschlechts, das ihre Lösung, da sie einen so ungeheuren Raum, und so schwer zu bereisende Gegenden umfassen, vielleicht kaum in einem halben Jahrhundert zu Stande bringt.

[24] In Ermangelung eines allgemeinen wissenschaftlichen Gemäldes versuchen wir nach den neuesten Entdeckungen den Zustand der Völker des innern Afrika’s im Umrisse darzustellen. Eine Skizze wird bei einer noch in der Kindheit liegenden Civilisation genügen.

Der systematischen Ansichten über den gesellschaftlichen Zustand dieser Völker gibt es viele; wir sind gegenwärtig im Stande, jene Ansichten zu würdigen. Die alte Behauptung, es enthalte das innere Afrika eine zahlreiche und in großen Städten vereinte Bevölkerung findet sich bestätigt. Bornu allein zählt 13 Hauptstädte; Städte von 8–10,000 Einwohner sind häufig; es giebt deren mehrere zu 15,000–20,000; Ungornu hat 30,000; man zählt sogar mehrere bis 40,000; wie Kano.[7]

Darf man dem Berichte, welcher dem Major Denham gemacht wurde, Glauben beimessen, so hatte die alte 1809 zerstörte Hauptstadt von Bornu gegen 200,000 Einwohner; Sakkatu, 1803 erbaut, ist gegenwärtig die bevölkertste Stadt in Sudan, mit Ausnahme von Tombuktu, welches mit dem Dioliba-Flusse die Grenze dieser Region bildet. Kaschna ist jetzt fast verlassen. Alle diese Bevölkerungslisten beruhen indessen noch immer auf sehr unsicheren Schätzungen, und besonders hat man sich vor Uebertreibungen dabei zu hüten. Wenn sie sich in größern Massen in den von Mauern umgebenen Städten zusammendrängen, so geschieht dieß, um sich gegen unerwartete feindliche Angriffe zu schützen.

Bei der allgemeinen Unsicherheit bleibt der größte Theil des Bodens, der des Anbaues fähig wäre, verlassen. Wenn aber auch die Bevölkerung der Städte sich auf 3–400,000 Einwohner beliefe, die der Ortschaften und Dörfer auf 5-600,000, und die des übrigen Landes etwa auch noch auf 1,000,000, was ergäbe dieß, im Ganzen als 2,000,000 Einwohner für eine Oberfläche von wenigstens 50,000 ◻ Lieues bewohnbaren Landes?

[26] Im Gegensatz zum Thale des Nils, und zu dem von Senegambien sind in Bornu die Weiber nicht sehr fruchtbar; sie werden hier später mannbar und bringen selten mehrere Kinder zugleich auf die Welt, während in jenen Ländern Zwillingsgeburten eine sehr gewöhnliche Erscheinung sind.

Vor weniger aufgeklärten Zuhörern würde ich um Entschuldigung bitten, für die fast barbarischen, und selbst der Wissenschaft noch fremden Namen, welche ich anführen muß; vielleicht wird indessen das Interesse, welches diese Entdeckungen erregen, und besonders auch die Wichtigkeit, welche sie für Europa gewinnen können, ihnen größern Wohllaut für unser Ohr leihen. Ich übergehe mit Stillschweigen die Tibbus, Targhis, Tuariks[8] und die Tuât, denen man auf dem Wege durch die große Wüste, ehe man Sudan betritt, begegnet: die erstern kupferfarbig, den Leib tättowirt, die lebendigsten und thätigsten Menschen, und Männer, Weiber und Kinder die gewandtesten Diebe, die man kennt; die Andern kriegerisch, voll Verachtung gegen den Ackerbau, Todfeinde der Tibbus, aber, wie sie, dem Raub ergeben, und ihre Verheerungen von Kanem bis über Sakkatu hinaus verbreitend; die letzten, Herren des westlichen Theils der Sahara. Nur mit wenigen Worten will ich der Bewohner von Bornu erwähnen, der zahlreichen Völker, welche sie umgeben, und der Bewohner des Reiches Haußa. Ganz schweige ich von den Ländern, welche die Reisenden nicht mit eigenen Augen gesehen haben.

Diese Masse von Völkern läßt sich auf zwei Hauptracen zurückführen: die Urbewohner mit dunkelschwarzem, und die Araber, die den Islam in Afrika verbreiteten, mit erzfarbigem Teint. Die Nichtanhänger der Lehre des Propheten unterscheiden sich von den Mahomedanern durch ihre wilderen Sitten: z. B. die den friedlichen Bewohnern Bornu’s so furchtbaren Bidduhmainsuianer, welche ihre Nachbaren nach ihren Raubnestern entführen, um sich von ihnen Lösegeld zahlen zu lassen; oder die Kerdis, rohe Gebirgsbewohner, welche den englischen Reisenden als ursprünglich Christen bezeichnet wurden, was aber nach der schauerlichen Schilderung, die Major Denham von ihnen gibt, sehr bezweifelt werden muß. Ihre Waffen sind vergiftet; als einzige Kleidung tragen sie ein Leopardfell; ihr Körper ist bunt übermalt und ihren Kopf ziert ein Diadem von Zähnen und Knochen erschlagener Feinde.

Der Urbornuane ist furchtsam und interesselos, häßlich von Gesicht, groß von Wuchs; der Bewohner von Mandara dagegen lebhaft, verständig, mit großen Augen, und einer Adlernase: die Frauen sind auffallend schön. Im Süden des Tschadsees ist noch ein schönerer Schlag von Menschen, die zugleich scharfsinnig und geistreich sind; die Bewohner von Waday im Osten des Sees gelten für bösartig und ungastlich. Die Chuâas haben die Erzfarbe und den unbezähmbaren Muth der Araber, von denen sie abstammen; die Frauen des Landes sind schön und lieblich; ihre Tracht ist anständig, malerisch und geschmackvoll. Durch diesen Volksstamm kam das Arabische nach Bornu.

Dieselbe Erzfarbe haben auch die kriegerischen Fellâtas, die einer eigenthümlichen Race angehören. Von Mandara bis Dschenni am Dioliba dehnen sie sich über eine Fläche von 400 Lieues aus. In Haußa ist die Bevölkerung dichter und belebter; die Frauen zeigen einen Grad von Nettigkeit und Feinheit, welche die Reisenden an die Landbewohnerinnen in der Gegend von London erinnerte.

Das Tättowiren ist allgemeine Mode von den Ufern des Tschadsees bis zu den Grenzen Haußa’s: es besteht in Einschnitten im Gesichte, auf der Brust und auf den Armen und Beinen. Bizarrer ist die Sitte, die am Bornuanischen Hofe herrscht: man kann hier keine Stelle bekleiden, ohne daß man einen unverhältnißmäßigen Bauch hat; glücklicher Weise ist es aber den Höflingen erlaubt, die Kunst zu Hülfe zu nehmen, wenn ihnen die Natur die zur Hoffähigkeit erforderliche Portion Bauch versagt hat.[9]

[27] In Bornu werden die Hochzeiten ungefähr wie in der Barbarei und Egypten gefeiert. Obgleich die Frauen kaum besser als Sklavinnen behandelt werden, so daß sie mit ihren Männern nie anders als knieend sprechen: so sind sie doch kräftig, herzhaft, arbeitsam. In Mandara leben die verschiedenen Zweige einer Familie zusammen. Die Haußier begraben ihre Todten in ihren Wohnungen mit Ausnahme der Sklaven, deren Leichname über das Weichbild der Städte hinausgetragen und den Hyänen und Geiern preis gegeben werden.

Die Gaukler und die Pfillen oder Schlangenbeschwörer unterhalten die Menge mit ihren Künsten, wie an den Ufern des Nils. Tanzmusik, Spiel und körperliche Uebungen sind in Bornu und Mandara und im übrigen Sudan nicht unbekannt. Der Tanz ist hier züchtiger und weniger schwerfällig, als in Egypten; die Musik, welche aus Flöte, Trommel, Klarinett und einer 12 Fuß langen Trompete besteht, ist plumper. Man spielt Schach und andere Spiele; der Faustkampf zwischen Sklaven ist eine Belustigung, wofür die Einwohner eine leidenschaftliche Liebhaberei haben. Die Athleten kämpfen nach dem Takt der Musik; blutig wird dieses Spiel jedes Mal durch die Wildheit der Herrn, die ihre Sklaven so lange hetzen, indem sie rufen, schelten und drohen, bis einer dieser Unglücklichen vor ihren Augen niedersinkt.

Woher diese traurige Aehnlichkeit mit Europa, dieser Völker in der Kindheit mit seinem königl. Volke auf dem höchsten Gipfel der Geschmacksverfeinerung und – soll ich es sagen – mit den christlichen Völkern überhaupt? In inniger Verbindung mit diesem Hang zur Grausamkeit,[10] mit dieser Verachtung des Menschenlebens steht der kriegerische Geist dieser Völkerschaften; selbst die Weiber kämpfen unerschrocken mit, und kräftigen durch ihr Beispiel den Muth der Männer. Es gibt hier nur Ein Recht, das Recht des Kriegs; nur Eine Kunst, die Fortschritte macht, die Kunst des Kriegs. Staunt man nicht in einem solchen Lande von regulären Armeen sprechen zu hören, von militärischen Evolutionen, von Cavallerie-Corps zu 4000, ja zu 15000 Mann, die ein einziger Staat besitzt; von Linientruppen zu 9000, zu 1200, ja zu 20,000 Mann; von dem Gebrauche des Wortes Ordnung; von Helmen, Harnischen, von Panzerhemden aus Eisen oder Wolle für Menschen und für Pferde?[11]

Indessen sind dieß alles Dinge, welche glaubwürdige Beobachter in Katagum bei den Bornuanern, bei den Mongowis und überall gesehen haben. Und so ist es auch das Kriegstalent, es sind diese furchtbaren Waffen, womit wir unsre Feinde mit Blitzes-Geschwindigkeit vernichten, dasjenige, was von unsrer Kunst und Wissenschaft diese Völker am meisten bewundern. Warum werfen sie sich nicht auf Ackerbau und Gewerbe mit der Leidenschaft, womit sie das Werk des Zerstörens betreiben? Umsonst fordert der fruchtbare Boden die stets mit Bogen und Köcher, mit Schwert und Lanze bewehrten Hände; umsonst verspricht er dem Afrikaner die schnellste Verbesserung seines gesellschaftlichen Zustandes. Aber hier ist nichts dauernd: ein Reich folgt auf das andere, Städte folgen auf Städte, fremde Herrscher auf eingeborne Fürsten; gewaltsam und in ganzen Massen werden die Bevölkerungen versetzt; Alles wechselt und vergeht, nur die ewige Natur[12] nicht, die des Schaffens und des Wohlthuns nicht müde wird.

Braucht es mehr, um das Dunkel zu erklären, das die Geographie Afrika’s noch umhüllt, die Widersprüche, die allen Nachrichten von dort ankleben? Krieg und politische Umwälzungen sind gewiß nicht weniger Schuld, als Lügen, oder Unwissenheit.

[31] Die herrschende Religion im innern Afrika ist die mohamedanische; selbst in Bornu wird das Fest des Ramadan und die sonstigen Satzungen des Islam streng beobachtet. Indessen giebt es im Innern Sudan’s nicht nur einzelne Stämme, sondern ganze Völkerschaften, die der Vielgötterei huldigen. Im Osten und Süden sind die Biddumah und Kerdîs Verehrer eines göttlichen Wesens, die, wie im Westen die Bedîs, seit Jahrhunderten der Religion und den Waffen der Araber widerstehen. In mehreren Provinzen wohnen koptische Christen:[13] an ihnen kann Europa Mitkämpfer für die heilige Sache der Civilisation gewinnen. Oder soll es seine Bemühungen aufgeben, wenn die Sprache der Menschlichkeit, der Grundsatz des Rechts, der Begriff der gesellschaftlichen Ordnung nicht immer gleich zu empfänglichen Herzen dringt?

Wie entfernt ist Afrika noch von der Erkenntniß dessen, was ihm Noth thut! Der Sultan der Fellâtas, der von dem großen Flusse bis jenseits Mandara herrscht, und so stolz auf seine Gewalt ist, vermag den Umgebungen seiner Hauptstadt nicht einmal so viel Achtung zu verschaffen, daß seine Feinde nicht vor den Thoren von Sakkatu die Karavanen plündern.

Ländereien, die ein Jahr lang brach liegen, fallen in Bornu dem nächsten besten zu, der davon Besitz ergreift. Der geringste Verdacht eines Verbrechens wird ohne gerichtliche Formen mit dem Tode bestraft, obgleich in Bornu ein Schattenbild von einem muselmännischen Gerichtshofe vorhanden ist.

Dem Sultan darf sich Niemand auf hundert Schritte nahen, und seine Audienzen ertheilt er in einer Art von Käfig. In einem andern Theile Sudan’s ist ein Land, das von zwei feindlichen Königen zumal beherrscht wird, und diese Könige sind Vater und Sohn. Ueberall gilt die Sklavenjagd für rechtmäßig, und diese Unglücklichen sterben zu Tausenden im Sandmeer der großen Wüste. Das menschliche Geschlecht ist entwürdigt und unter das Joch des [32] Aberglaubens gebeugt; Talismane und Amulette sind Alles, was der Mensch den Schlägen des Schicksals und den Ereignissen der Natur entgegen setzt.

Wenn indessen die Civilisation Fortschritte machte, wenn der Handel und Gewerbefleiß an einzelnen Orten sich zu einigem Leben entwickeln konnte, so verdankt man dieß den Arabern und den geläuterten sittlich-religiösen Begriffen, die sie dahin brachten. Wo ihre Gottesverehrung die Oberhand gewann, bildeten sich große Städte; in den Ländern wo jenes nicht der Fall war, blieb die Sitte roh und das Leben arm; die Menschen blieben nackt und hingen kaum eine Wildhaut um ihre Schultern oder ein Stück Zeug um ihre Lenden. Den Arabern verdankt man die großen periodischen Märkte, welche in den Städten Kuka, Angornu, Kano, Sakkatu Menschenmassen von 15–30,000, ja, wie man sagt, von 80–100,000 versammeln. Ihnen verdankt man den Begriff einer Münze; sie haben die Waaren Frankreichs und Englands eingeführt, und dadurch den Verstand und die Wißbegierde der Eingebornen geweckt. Der europäische Handel ist im Zunehmen. Von der Regelmäßigkeit des Verkehrs zeugt der Umstand, daß es Städte gibt, wo eine förmliche Marktpolizei besteht, wo das Geld einen bestimmten Cours hat, der jeden Freitag regulirt wird, wo man die Waaren öffentlich ausruft und unter Begleitung von Musik verkauft. In Kano ist das ganze Jahr hindurch unausgesetzt ein sehr beträchtlicher Markt, den die Kaufleute aus dem Sudan, der Berberey, von Guinea, Dârfur u. s. w. besuchen. In Bornu, wo die Münze, statt durch Muscheln, durch Leinwandstücke repräsentirt war, läßt der Fürst, aufgeklärt durch die neuesten Reisenden, jetzt goldene, silberne und eiserne Münzen schlagen.[14]

Der Beherrscher der Fellâtas hat die Abschaffung des Sklavenhandels für seine ausgedehnten Besitzungen nicht nur zugesagt, sondern sich dazu in einem Brief an den König von England gewisser Maßen verpflichtet. Die Provinz Loggun, ausgezeichnet durch die Gewerbs-Thätigkeit ihrer Einwohner, bringt feine Webereien und schönen Indigo hervor. In Bornu wird Seide fabrizirt; in Haußa giebt es Gerbereien, Tuchmanufakturen, Färbereien, selbst Messerschmieden, die geschickte Arbeiten liefern.

Was die Baukunst betrifft, so ist man darin im ganzen Sudan noch nicht über die Anfangsbegriffe hinaus; man sieht fast allenthalben blos kreisförmige Hütten aus Erde oder Stroh, und darin ein paar Matten, etwas Küchengeschirr und sonstige Geräthschaften, die Waffen nicht zu vergessen. Selbst die Paläste sind aus Lehmerde. Eine der Städte im Süden ist ganz unter der Erde gebaut, weil man nur so vor der Qual der Insektenstiche Ruhe hat. Gebäude von mehreren Stockwerken, Häuser und Tempel aus Backsteinen, oder Säulen aus Palmstämmen, mit elenden Figuren in Thon verziert, kommen in wenigen Gegenden vor.

Ueberall aber sind die Städte mit Gräben und dicken Mauern umgeben, als einer nothwendigen Schutzwehr gegen plötzliche Einfälle, eine Geißel, die jeden Augenblick alle Städte Sudan’s bedroht.

Soviel und nicht mehr läßt sich von ihrem Handel und ihren Künsten, noch weniger von ihren Kenntnissen und ihrer Erziehung sagen. Arabische Schriften, die einzigen des Landes, sind selten. Die Gelehrsamkeit des Sultans Bello, welcher etwas von der Erdkugel weiß, die Buchdruckerei und das Zeitungswesen Europas bewundert, den Unterschied der christlichen Confessionen kennt, ist eine Wundererscheinung. Er hat die neue Geschichte von Taktur oder Sudan geschrieben und damit eine nicht uninteressante geographische Schilderung verbunden, sogar eine – man könnte sagen – wilde Karte von dem Lande und dem Lauf der Flüsse eigenhändig gezeichnet, worauf sich aber unsre Reisenden, wenn wir ihnen rathen dürfen, nicht unbedingt verlassen mögen. – Die Impfung ist in Bornu bekannt.

[35] Was die Verbreitung des Unterrichts und die Entwicklung der Kenntnisse am Meisten aufhält, ist die Menge der Sprachen und Mundarten. In dem einzigen Bornu werden 10 verschiedene Sprachen gesprochen. Leute, welche arabisch können, sind nicht selten, und die Chuâns sprechen es sehr rein. Eine Idee von afrikanischer Beredsamkeit und Dichtkunst gibt der von dem Fürsten von Bornu nach der Niederlage seiner Feinde gedichtete Siegesgesang, welcher also anfängt: „wer vermag, die Thaten meiner Helden würdig zu preisen? Lächelnd begegnet ihr Auge dem Anblick des Todes, sie umarmen die Gefahr wie ein Mädchen, um deren Gunst sie buhlen; der Ruhm schmeckt ihnen süßer, als frischer Honig, oder als ein Kuß.“

Da wir nicht im Stande sind, mehr als flüchtige Blicke auf die physische Geographie Sudan’s zu werfen, auf seine Erzeugnisse, seine klimatischen Verhältnisse, sein Thierreich,[15] auf die Form und Erhöhung seines Bodens, woraus sich der Lauf der innern Gewässer, ihre vermuthlichen Verbindungen und ihre wirklichen Abflüsse ergeben würden – alles Gegenstände, die noch immer sehr problematisch oder ganz ungewiß sind; da die Angaben der unterrichtetsten Einwohner sich oft im Wesentlichen widersprechen, so wollen wir wenigstens nicht ermangeln, den Reisenden, welche die Bahn gebrochen haben, den gerechten Tribut unsrer Huldigung darzubringen. Beinahe in demselben Augenblick, wo man die Spuren von Laperouse im Herzen des stillen Ozeans entdeckt, werden Mungo Park’s letzte Fußstapfen in Afrika gefunden. Man weiß jetzt, daß sich der unglückliche Park, auf seiner Flucht von Sakkatu, fünf Tagreisen südlich von dieser Stadt, in Yuri auf dem großen Fluß einschiffte, noch entsetzt über die Aufnahme, die ihm in Dschenni und Tombuktu geworden war, und daß er nach Bußa kam. Hier strandete sein Fahrzeug an den Felsen, welche die Schiffahrt auf dem Flusse gefährlich machen; in demselben Augenblick angegriffen kam er in dem doppelten Kampfe mit den Elementen und den Barbaren um. Eines seiner Tagebücher blieb im Besitze des Sultans von Yuri, und man hat die Hoffnung nicht aufgegeben, es vielleicht für das gelehrte Europa noch zu gewinnen.

Auch die Fußstapfen Fr. Hornemann’s sind wieder aufgefunden. Er starb in Niffe nach einer sechstägigen Krankheit; man hat diese Nachricht von einem Augenzeugen. Ein Gelehrter dieser Stadt, bei dem er gewohnt, hatte eines seiner Manuscripte lange als eine Kostbarkeit aufbewahrt, das aber seit kurzem der Aberglaube vernichtet hat. Das Haus, der Herr und die Papiere wurden in Asche verwandelt. So waren die beiden berühmten Reisenden sehr weit und auf derselben Seite vorgedrungen und beide kamen in nicht bedeutender Entfernung von einander um. Es ist dieß dieselbe Gegend, in welcher sich nach den vorhandenen Nachrichten Kapitän Clapperton seit mehr als einem Jahre befinden sollte. Nachdem er das sehr hohe Gebirg unterhalb Racka überstiegen, suchte er seiner glorreichen Reise dadurch die Krone aufzusetzen, daß er seine Entdeckungen im Süden mit denen im Osten verband; während seiner Seits Major Denham, nicht minder berühmt durch seine Leistungen, als durch den unerschrockenen Muth, den er im Feldzuge gegen die Fellâtas auf so ausgezeichnete Weise an den Tag legte, sich nach der Insel Fernando-Pô begab, um seinem Vaterlande die Vortheile des Handels und der Schiffahrt auf dem großen Fluß, überhaupt aber die unschätzbare Ehre der Civilisirung des innern Afrika’s zu sichern. Ein merkwürdiger Umstand ist, daß in demselben Jahr 1826 der Major Gordon Laing, nachdem er zwei von seinen Leuten auf der Straße von Tripoli verloren und selbst eine Wunde erhalten hat, glücklich den Mauren der großen Wüste entgeht und wohlbehalten in das Königreich Tombuktu gelangt. Vielleicht befindet er sich jetzt an dem See Dschenni, reicht dort dem unermüdlichen Clapperton die Hand, und indem er zuerst die Stadt betritt, die den Argonauten der Geographie so lange entgangen war, erringt er die Palme, welche die Wissenschaft dem Genius der Entdecker darreicht. Ruhmvoller Wettkampf für England! Erhabenes Schauspiel, worauf die Augen beider Welten gerichtet sind! Großes und ehrenwerthes Beispiel für alle Völker, welche [36] Freunde der Wissenschaft und aufrichtige Beförderer der Sache der Civilisation sind!


  1. Zwei Stunden, ehe er vor Erschöpfung starb, ließ sich Walter Oudney auf sein Kamel binden, um die täglichen Untersuchungen und die Reise fortzusetzen.
  2. Dieser Weg ist in einem Reise-Journale von 81 Tagen beschrieben, dessen Kenntniß man dem französischen Consul in Tanger, Delaporte, verdankt.
  3. Von noch Lebenden sind zu erwähnen: Fr. Caillaud, der auf der Linie zwischen Bruce und Brown am weitesten gegen Süden vordrang. Ed. Rüppell etc.
  4. Zuletzt waren sie in gleicher Entfernung vom grünen Vorgebirge und vom Cap Guardafui, kaum 60 Stunden von Calabar.
  5. Dr. Oudney fand hier römische Ruinen und Inschriften mit Charakteren, die man nicht mehr lesen kann; dieselbe Schrift fand er auch in Felsen eingegraben. Höchst merkwürdig sind die barbarischen Basreliefs auf dem Monument von Ghirza: sie stellen Kamele dar, die einen Wagen führen.
  6. Ritter, Mannert, Berghaus, Reichard etc.
  7. Kano hat 6 Stunden im Umfange; ist mit einem 30 Fuß hohen Erdwall, und einem doppelten Graben auf der innern und der äußern Seite desselben umgeben. Die Stadt hat Thore von Holz, die regelmäßig mit Sonnenaufgang geöffnet, und mit Sonnenuntergang geschlossen werden; aber kaum 1/4 des innern Raumes ist mit Häusern bedeckt, der Ueberrest mit Gärten und Feldern. Man findet hier eine eigene Anstalt für Blinde, selbst eine für Hinkende.
  8. Die Tuariks sprechen eine besondere Sprache, die gleich verschiedenen Mundarten des Atlas viel berbersche Worte enthält. Alle diese Dialekte scheinen von einer uralten Sprache zu stammen, welche Lybien eigenthümlich war, und deren Trümmer man in dem ganzen nördlichen Afrika wieder findet: sey es nun, daß sie durch die Zerstreuung eines und desselben Volkes verbreitet wurde, sey es, daß die Vermischung der Völker Sudans, der Einbruch der Araber und der Mauren, und andere noch ältere Ereignisse auf diese Sprache ihren Einfluß geübt haben.
  9. Der Bornuanische Hofmann macht sich weder einen cul de Paris, nach falsche Schenkel und Waden, sondern einen falschen Bauch, und braucht zu diesem Zweck vielleicht ein Duzend Hemden; ein seltsamer Anblick – diese dicken Ungeheuer auf Stelzbeinen mit bis zum Ersticken vermummten Gesichtern. Eben so sonderbar ist die Sitte der Bornuanen, ihrem Souverän bei Audienzen den Rücken zu bieten, indem sie es für einen Mangel an Lebensart halten, wenn man Jemand, mit dem man spricht, ins Gesicht sieht.
  10. Der gegenwärtige Henker in Sakkatu qualifizirte sich zum Nachfolger seines Bruders im Henkeramte dadurch, daß er diesem in Gegenwart des Sultans unversehens mit einem Streiche den Kopf abschlug.
  11. Man findet häufig Maltesische Klingen, die von Tripoli dahin gebracht werden. Zur Zierrath auf ihren Schilden und in ihren Hütten dient ihnen das Maltesische Kreuz. Diese Kreuze und andere ähnliche Zierrathen sind in Bornu, selbst bei den Tibbus und Tuariks häufig. Der Hugamonga, eine Waffe, welche die bornuanischen Soldaten auf ihre Feinde schleudern, hat viel Aehnlichkeit mit der sichelförmigen Waffe auf den Grabmählern der Egypter. Die Sandale ist die gewöhnliche Fußbekleidung der Bewohner Sudan’s.
  12. Zwey Monat nach der Saat ist Aernte. Das Brod kennt man fast gar nicht; die Weiber besorgen den Ackerbau.
  13. Ghubir, eine Provinz Haußa’s, ist von einem Volke koptischer Abstammung bewohnt, so wie im Westen die große Landschaft Mali, welche Christen und Juden unter ihren Einwohnern zählt.
  14. In Kernock war eiserne Münze gewöhnlich; am Senegal bedient man sich der Eisen-Barren als einer eingebildeten Münze, wornach man den Werth einer Sache bestimmt.
  15. Nicht selten sieht man auf den Märkten junge Löwen verkaufen; der König von Bornu machte den englischen Reisenden einen zum Geschenk. Denham spricht von 16 Fuß hohen Elephanten; im Mandara giebt es Leoparden von 8 Fuß Höhe. Die gefährlichsten, wenigstens beschwerlichsten Thiere sind nicht Löwen, Hyänen, Elephanten, Schlangen und Krokodille, sondern die zahllosen Musquitos, die auch den Tod des jungen Toole, des Reisegefährten Denham’s beschleunigten. Der Yeu und Schary sind die bis jetzt bekannten Hauptflüsse. Ersterer ist 150–450 Fuß breit, und hat in 1 Stunde 11/2 Stunden Gefälle; der letztere ist 1050 und mehr Fuß breit, und ein Arm von ihm soll östlich durchs Gebirge gehen. Derselbe Fall ist es mit dem Quolla oder Quarra, der in der Richtung von Sego nach Tombuktu bey Yuri vorbeifließt und mit dem Dioliba für identisch gehalten wird. Wichtig wäre die Existenz eines Flusses, der den Quarra mit dem Yeu verbände, aber die Untersuchungen darüber sind noch höchst unvollständig: die Engländer haben den Yeu zu oft verlassen, um über die Quelle und den Lauf dieses Flusses etwas mit Sicherheit angeben zu können. Im Osten des Tschadsees gibt es keinen Fluß. Der Boden im Süden von Mandara ist von primitiver Formation; Die Berggipfel sind 2,500 Fuß hoch; zwischen ihnen liegen Seen; weiter südlich sind Berge, die man 3–4000 Fuß hoch schätzt. Der Granitboden dehnt sich von Mandara westlich bis Kano aus und scheint sich dann allmählig zu senken, wo der Scheidepunkt anfängt; indem die Wasser auf der einen Seite westlich, auf der andern östlich ablaufen. Haußa enthält Blei, Kupfer, Gold, Alaun, Salz und Antimonium.