Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 60 (1891), ab Seite: 321. (Quelle)
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Zusner, Vincenz (lyrischer Dichter, geb. zu Bischoflack in Krain am 18. Jänner 1803, gest. in Gratz am 12. Juni 1874). In Rede Stehender, dessen Vater ein sehr bewegtes Leben hatte, indem derselbe abwechselnd Officier, Beamter, Landwirth, Herrschaftsverwalter u. s. w. war, sollte sich anfänglich der wissenschaftlichen Laufbahn widmen und die vorgeschriebenen Studien machen, aber er war noch nicht mit den Normalclassen fertig geworden, als sich die Vermögensverhältnisse der Eltern so verschlimmerten, daß er den Schulbesuch aufgeben und als Lehrling in ein Handlungsgeschäft treten mußte. Auch in diesem hatte er kaum die Lehrjahre hinter sich, als die gänzliche Verarmung der Eltern ihm die traurige Aussicht eröffnete, lebenslänglich dienen zu müssen und sich nie zu einer unabhängigen Stellung hinaufarbeiten zu können. Er verlor aber nicht den Muth, und als er 20 Jahre alt geworden, entwarf er einen ganz eigenthümlichen Plan, um seine Lage zu verbessern. Während er noch als Lehrling im Geschäfte thätig gewesen war, hatte er in den letzten vier Jahren unaufhörlich Versuche angestellt, einige chemische Artikel, welche im rohen Zustande, in dem sie abgeliefert wurden, viel zu wünschen übrig ließen, wesentlich zu verbessern. Nun aber, um diese Verbesserung mit Erfolg zu betreiben, fehlten ihm die erforderlichen Geldmittel. Obwohl er reiche Verwandte hatte, wollte er doch nicht ihre Hilfe in Anspruch nehmen, und fest entschlossen, nur sich selbst und keinem Anderen etwas zu verdanken, verließ er das Kaufmannsgeschäft und nahm eine Amtsschreiberstelle auf einer in der Nähe von Gratz gelegenen Herrschaft an. In dieser Stellung benutzte er die wenigen freien Stunden, die ihm blieben, mit Hilfe von ein paar dazu abgerichteten Bauernjungen die erwähnten Handelsartikel in den verbesserten [322] Zustand zu versetzen und in verschiedene Städte Steiermarks zu versenden. Die Sache ging langsam, aber sie ging. Nachdem er auf diese Art in wenigen Jahren einige hundert Gulden erspart und sich von dem guten Fortgange seines Unternehmens überzeugt hatte, übersiedelte er 1825 nach Gratz. Dort machte er sich seßhaft, arbeitete unablässig an der Ausdehnung und dem guten Fortgange seines Unternehmens und brachte es mit seiner Energie und rastlosen Thätigkeit bald dahin, daß er in wenigen Jahren nicht nur mit den bedeutenderen Städten der Monarchie, sondern auch mit den entferntesten ausländischen Handelsplätzen, als Livorno, Neapel, Constantinopel, Rio Janeiro in Geschäftsverbindung stand und von seinen eigenen Erzeugnissen und sonstigen Landesproducten Versendungen machte. So hatte er etwa zwanzig Jahre mit allem Eifer das Geschäft betrieben und sich eine vollkommen sichere Existenz erarbeitet, als er sich 1844 entschloß, dasselbe zu verkaufen. Seitdem lebte er in der reizenden Murstadt, mitten in einer herrlichen Natur, nur dem Vergnügen, den geselligen Genüssen und der Muse. Wann er zu dichten angefangen, ist nicht bekannt. Doctor August Schmidt’s Taschenbuche „Orpheus“, das 1840 zu erscheinen angefangen, gebührt das Verdienst, den gemüthvollen Lyriker zuerst in die literarische Welt eingeführt zu haben. Jedenfalls war Zusner zur Zeit, als er mit seinen Gedichten in die Oeffentlichkeit trat, schon über die Jünglingsjahre hinaus. Er selbst spielt in seinen Mittheilungen auf seinen verspäteten Besuch bei den Musen an und erscheint in der That als Autodidakt. Aber seinen Dichtungen merkt man es nicht an, er ist ein geborener Lyriker, und er wußte, wie weit seine dichterische Kraft reicht, und ging nie – als er auch schon als einer der besten österreichischen Lyriker galt, über dieselbe hinaus. Er besaß einen richtigen Sinn für das Niedlichschöne und Nutzbare. Auch sah man ihm nichts weniger als den Lyriker an. Ein Zeitgenoß schildert ihn als „biederen Philister, der mitten unter Philistern steckt, die philiströse Cerevisia mit bürgerlicher Seelenruhe trinkt, ein Verehrer ist von Schiller’s „Gang zum Eisenhammer“ (der Eisenhammer ist nämlich eines der besuchtesten und angerauchtesten Bierhäuser der Stadt Gratz) und in jeder Laune ein Wahrheitsfreund bleibt, was Andere nur in Weinlaune sind“. Die erste Sammlung seiner lyrischen Arbeiten erschien unter dem schmucklosen Titel: „Gedichte“ (Wien 1842; 2. Aufl. Schaffhausen 1858); – dann folgten etwas über ein Decennium „Neue Gedichte“ (Wien 1853, 8°.) und wieder nach fünf Jahren „Im Walde. Naturbilder“ (Schaffhausen 1862, 8°.). Die Kritik nahm Zusner’s Gedichte mit einmüthigem Wohlwollen auf. Sie unterscheiden sich, wie ein Kritiker treffend schreibt, gleich unter den gewöhnlichen abgeschatteten Balladen und unter den lieben alltäglichen lyrischen Bretzeln in einem Almanach. Zusner mit seinen kurzen lyrischen Ergüssen mahnt an kein Vorbild, sie gehen auch nicht mit der Zeit, sie sind echte ungefälschte Naturlyrik, die für alle Zeit bestehen bleibt, wie Lerchenschlag und Amselgesang sich auch nicht nach der Zeit richtet und alle Lenze gleich und lieblich klingt. Das in den Quellen angeführte Urtheil des berühmten Historikers Dr. Johann Weiß gibt das zutreffendste Urtheil über Zusner den Lyriker. Er blieb auch in seiner letztwilligen Bestimmung trotz der Eitelkeit, [323] die daraus hervorguckt, der liebenswürdige Lyriker. Er setzte in seinem Testamente ein Capital von 6200 fl. aus, dessen jährliche Zinsen er zu zwei Liederpreisstiftungen für diejenigen aus dem Wiener Conservatorium hervorgegangenen Tonsetzer bestimmte, deren Composition eines Zusner’schen Gedichtes als preiswürdigste erkannt wird. Er hat mit dieser Stiftung seinen Dichternamen mit der Aureole eines Kunstmäcens und Gönners junger Tonkünstler umgeben und ihnen nebenbei nicht eine zu schwere Aufgabe gestellt, denn seine Lieder sind zum Gesange wie geschaffen, klar ausgesprochene poetische Gedanken und Bilder und nicht gereimter Blödsinn, der schon manchmal in Musik gesetzt wurde, sie sind eine wahre Fundgrube von Liedertexten, und sein Gedicht „Das Licht am Fenster“, componirt von Adolf Müller, machte die Runde bei allen Gesangvereinen.

Die Vincenz-Zusner’sche Stiftung. Diese besteht jährlich für zwei Liederpreise im Betrage von zwanzig und zehn Ducaten. Die Entscheidung fällt das aus dem Director, dem Compositionslehrer und einem Gesanglehrer des Wiener Conservatoriums bestehende Preisgericht, und sind laut Stiftungsurkunde für jeden der drei Preisrichter für die Mühewaltung fünf Ducaten bestimmt. Die Preisausschreibungen begannen mit dem Jahre 1875 und haben bis 1891 deren 16 stattgefunden, deren Ergebniß wir hier mittheilen. Die mit einem * bezeichneten Compositionen sind gedruckt. Schuljahr 1875/76: Ernst Ludwig: „Das Abendglöcklein“. 1. Preis; Joseph Saphir: „Die Blumenseelen“. 2. Preis. – 1876/77: Ernst Ludwig: „Der Krieger und sein Roß, 1. Preis; Rudolf Novaczek: „Das alte Liebesplätzchen“. 2. Preis. – 1877/78: Rudolf Krzyzanowski: „Das Abendglöcklein“, 1. Preis; Ernst Ludwig: „Der verwelkte Flieder“. 2. Preis. – 1878/79: Robert Fischhof: „Das Mädchen und die Zigeunerin“, 1. Preis; *Rudolf Philipp: „Die gebeugte Rose“. 2. Preis (Hainburg, Cranz). – 1879/80: Richard Mandl „Das Echo“, 1. Preis; Victor von Herzfeld: „Der Morgenstern“. 2. Preis. – 1880/81: Joseph von Woeß: „Die Blumenseelen“. 1. Preis; Hans Fink: „Erinnerung“. 2. Preis. – 1881/82: Joseph Rosenberg: „Die Blumenseelen“. 1. Preis; *Hans v. Zois: „Einst hatt’ ich einen Freund“. 2. Preis (Wien, Gutmann). – 1882/83 *Robert Erben: „Vergißmeinnicht“. 1. Preis (Wien, Gutmann); *Hans v. Zois: „Drüben am Wiesenplan“, 2. Preis (Wien, Gutmann). – 1883/84: Robert Erben: „Der Harfner“, 1. Preis; E. Humlisch: „Das Veilchen“. 2. Preis. – 1884/85, Der erste Preis wurde nicht verliehen: *Gustav Glosner: „Lied und Liebe“. 2. Preis (Wien, Döblinger). – 1885/86: *Gustav Glosner: „Vergißmeinnicht“, 1. Preis (Wien, Wetzler); Ludwig Prechtl: „Das alte Liebesplätzchen“. 2. Preis. – 1886/87: *Georg Valker: „Die schwimmende Rose“, 1. Preis (Wien Gutmann); ein 2. Preis wurde nicht verliehen. – 1887/88: Joseph Mayer: „Der eingeschnittene Name“, 1. Preis; Franz Wickenhauser: „Das Veilchen“. 2. Preis. – 1888/89: Robert Grund: „Des Mädchens Klage“, 1. Preis; Edmund Krauß: „Das lebendige Schild“. 2. Preis. – 1889/90: Heinrich Czerwinka: „Das Mädchen und die Zigeunerin“, 1. Preis; Edmund Krauß: „Das alte Liebesplätzchen“, 2. Preis; – 1890/91: Alexander Zemlinsky: „Des Mädchens Klage“, 1. Preis; Ignaz Weiß: „Das Abendglöcklein“, 2. Preis. Im Ganzen wurden 21 Zusner’schen Lieder, von denen drei: „Das Abendglöcklein“, „Das alte Liebesplätzchen“ und „Blumenseelen“ dreimal; vier Lieder: „Des Mädchens Klage“. „Das Mädchen und die Zigeunerin“, „Das Veilchen“ und „Vergißmeinnicht“ zweimal, die übrigen 14 einmal componirt. Von den Componisten gewann Ernst Ludwig zwei erste und einen zweiten Preis; Hans v. Zois zwei zweite Preise, Gustav Glosner einen ersten und einen zweiten Preis und Edmund Krauß zwei zweite Preise. Sieben Compositionen sind im Druck erschienen. Wir verdanken diese Notizen der Gefälligkeit des Herrn Generalsecretärs der Gesellschaft der Musikfreunde und des Conservatoriums in Wien L. A. Zellner, dem wir dafür unseren Dank sagen.
Quellen. Kehrein (Joseph). Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im [324] 19. Jahrhundert (Zürich, Stuttgart und Würzburg 1871, Woerl, gr. 8°.) Bd. II, S. 288. – Brümmer (Franz). Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über Dichter aller Zeiten. Mit besonderer Berücksichtigung der Gegenwart (Eichstädt und Stuttgart 1877, Krüll’sche Buchhandlung, schm. 4°.) Bd. II, S. 551. – Derselbe. Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig 1885, Reclam jun., 12°.) Bd. II, S. 533. – Wiener Theater-Zeitung, 9. Februar 1860 im Feuilleton: „Gratzer Schriftstellerleben“. – Oesterreichische illustrirte Zeitung (Wien, 4°.) IV. Jahrgang, 20. Februar 1854, Nr. 146: „Vincenz Zusner“ (mit Porträt im Holzschnitt). – Gratzer Zeitung, 1862, Nr. 251 im Feuilleton. – Tagespost (Gratzer polit. Blatt) 1862, Nr. 251. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 1863) Seite 417.
Porträte. 1) Holzschnitt von P. in der „Oesterr. illustr. Zeitung“ 1850, Nr. 146. – 2) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges V. Zusner. Ernst Moser gez., Stahlstich von C. Mahlknecht in Wien. Verlagseigenthum von G. J. Manz in Regensburg (8°.). Schönes Blatt. – Der berühmte Historiker und Professor der Weltgeschichte. Dr. Johann Weiß schreibt in dem Werke: „Ein treues Bild des Herzogthums Steiermark“: „Eine ganz eigenthümliche Erscheinung ist Zusner. Von wohlhabenden, aber plötzlich ganz verarmten Eltern geboren, wußte derselbe schon in seinem frühesten Jünglingsalter durch eine seltene Willenskraft dem Schicksal eine ganz unabhängige Stellung abzuringen und dadurch in die Lage zu kommen, die ihm mangelnde Schulbildung durch eigene Studien zu ersetzen und sein angeborenes poetisches Talent zu pflegen und zu entfalten. Hievon ist auch die originelle Anschauungs- und Darstellungsweise abzuleiten, womit es ihm gelang, den oft ganz unscheinbaren Begebnissen die überraschendsten poetischen Seiten abzugewinnen und sich bald nach seinem ersten Auftreten zu einem Lieblingsdichter der Steiermark aufzuschwingen. Die Muse Zusner’s gleicht einem durch frühlingshelle Auen dahinrieselnden Wiesenbache, der jetzt die Blütenflocken eines duftenden Lindenbaumes neckisch entführt, gleich darauf die friedliche Hütte eines Landmannes mit melodischem Wohllaut begrüßt und dann wieder mit bunt gefärbten Wiesenblumen kost und schäkert. So rauscht er fort von Flur zu Flur, unbekümmert um Zukunft und Vergangenheit, immer der Gegenwart sich freuend und immer den lachenden blauen Himmel in seiner Tiefe spiegelnd.“