Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 60 (1891), ab Seite: 108. (Quelle)
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Zimmer, Karl (Abgeordneter des constituirenden Reichstages in Wien im Jahre 1848, geb. in Böhmen, Ort und Jahr seiner Geburt unbekannt), Zeitgenoß. Er widmete sich nach beendeten Gymnasial- und philosophischen Studien der Arzeneiwissenschaft und erlangte daraus die Doctorwürde. Im Bewegungsjahre 1848 nahm er vorerst so viel Theil an der politischen Erhebung, daß, als die Wahlen für den constituirenden Reichstag in Wien ausgeschrieben wurden, ihn die Stadt Tetschen in Böhmen in denselben entsendete. Im Parlamente, in welchem er auf der Linken zwischen dem schlesischen Gutsbesitzer Joseph Latzel aus Barsdorf und dem Abgeordneten des Wiener Vorortes Matzleinsdorf Dr. Adolf Fischhof seinen Platz nahm, wurde er in den Ausschuß für Unterrichtsangelegenheiten zugleich mit Dr. Pražák (der sich damals Praschak schrieb) zum Schriftführer gewählt. Seine Thätigkeit als Abgeordneter ging spurlos vorüber, und trat er erst in den Octobertagen bemerkbar hervor. Zunächst am 6. October, als nach der Ermordung des Kriegsministers Grafen Latour zugleich mit Borrosch, welcher die weiße Fahne trug, in den Reichstag sich bewaffnete Leute drängten, deren Entfernung mehrere Abgeordnete forderten, da erhob sich [109] der Abgeordnete Zimmer und sprach mehr emphatisch als vernünftig: „Diese Waffen haben vor wenig Augenblicken die Freiheit dem Volke auf den Straßen erkämpft, sie haben daher auch das Recht, hier zu erscheinen (?!!); Ihr habt die Freiheit verrathen, Ihr müßt daher jetzt ihre Retter dulden.“ (Eine reine und lächerliche Nachäffung des Pariser Convents von anno 90. Dr. Zimmer versuchte auch noch später wiederholt sich bemerkbar zu machen, aber brachte es doch zu nichts, was der vorerwähnten oratorischen Prachtleistung gleichzustellen wäre. Ueber seine Wirksamkeit im Frankfurter Parlament, in welches er auch Gott weiß durch welches Mißgeschick gewählt worden, ist so wenig zu berichten, daß ihn selbst Laube in seinem dreibändigen Werke „Das erste deutsche Parlament“ mit keiner Sylbe erwähnt. Doch fand man den Geflüchteten trotz der vorerwähnten Abgeschmacktheiten so gefährlich, daß man ihn verfolgte. Er war über Dresden nach Berlin gegangen, wurde dort infolge einer Denuntiation seines Collegen im Reichsrath (nach Ebeling soll es Brauner gewesen sein) auf Requisition des österreichischen Gesandten mit Hilfe Manteuffel’s und Hinckeldey’s im März 1850 festgenommen, von Preußen an Oesterreich ausgeliefert und nach dreijähriger Untersuchungshaft von einem Ausnahmsgerichte zum Tode verurtheilt, dann aber zu fünfzehnjährigem Festungsarrest begnadigt. Doch erlangte er früher, wahrscheinlich aus Anlaß einer Amnestie, seine Freiheit wieder, denn er erzählt in einem Schreiben aus Karlsbad vom 17. Jänner 1861 selbst die näheren Umstände seiner Verhaftung in Berlin. Seine weiteren Geschicke sind uns nicht bekannt. Noch muß bemerkt werden, daß unser zweifacher Deputirter nicht mit August Zimmer zu verwechseln ist. Dieser stand 1848 als Gemeiner in der 5. Compagnie des Wiener Schützencorps, und als am 15. October 1848 um Mitternacht der Wachcommandant beim Kärntnerthore dem Obercommando die Anzeige erstattete, daß er für nöthig finde, noch mehr Pflastersteine an dem Kärntnerthore aufreißen zu lassen – Wien befand sich im vollen Aufruhr und baute Barricaden – meldete er auch, daß er den August Zimmer arretirt habe, weil derselbe dieses Aufreißen verhindern wollte. Ueber die weiteren Schicksale dieses braven Arrestanten, der weit vernünftiger war als sein Commandant, sind wir gleichfalls nicht unterrichtet.

Dunder (Wenzeslaw Georg). Denkschrift über die Wiener October-Revolution (1848) (Wien 1849). gr. 8°.) S. 138, 142, 434, 846: – Ebeling (Friedrich W.) Zahme Geschichten aus wilder Zeit (Leipzig 1851, Kollmann, kl. 8°.) S. 187. – Neuigkeiten (Brünner polit. Localblatt) 1861, Nr. 29: „Eine Erklärung von Dr. Karl Zimmer“.